Quantenpunkt

Quantenpunkt

Ein Quantenpunkt (engl. quantum dot, QD) ist eine nanoskopische Materialstruktur, meist aus Halbleitermaterial (z. B. InGaAs, CdSe oder auch GaInP/InP). Ladungsträger (Elektronen, Löcher) in einem Quantenpunkt sind in ihrer Beweglichkeit in allen drei Raumrichtungen so weit eingeschränkt, dass ihre Energie nicht mehr kontinuierliche, sondern nur noch diskrete Werte annehmen kann (siehe Größenordnung/Spektrum). Quantenpunkte verhalten sich also ähnlich wie Atome, jedoch kann ihre Form, Größe oder die Anzahl von Elektronen in ihnen beeinflusst werden. Dadurch lassen sich elektronische und optische Eigenschaften von Quantenpunkten maßschneidern. Typischerweise beträgt ihre eigene atomare Größenordnung etwa 104 Atome. Gelingt es, mehrere einzelne Quantenpunkte in unmittelbarer Nähe zueinander anzuordnen, so dass Ladungsträger (v. a. Elektronen) über Tunnelprozesse von einem in den nächsten Quantenpunkt „springen“ können, so spricht man von Quantenpunktmolekülen.

Kommerziell erhältliche, nasschemisch hergestellte Quantenpunkte in Lösung

Methoden zur Herstellung

Quantenpunkt (idealisiert) mit Benetzungsschicht (InAs/GaAs)
  • Nasschemische Methoden (z. B. Cadmiumselenid, Zinkoxid): Die sog. Nanopartikel liegen als kolloidale Teilchen in einem Lösungsmittel vor. Der eigentliche Quantenpunkt wird von weiteren Schichten zur Verbesserung der optischen Eigenschaften, Wasserlöslichkeit oder der Biokompatibilität umgeben.
  • Molekularstrahlepitaxie: selbstorganisierte Quantenpunkte bilden sich aus dünnen Schichten (wenige Nanometer bzw. weniger als 5 Atomlagen) an Grenzflächen zwischen verschiedenen Halbleiterschichten, zum Beispiel durch die Volmer-Weber- oder die Stranski-Krastanov-Methode. Die Ursache für die Selbstorganisation liegt in den durch die verschiedenen Gitterkonstanten von Substrat und Quantenpunktmaterial entstehenden Verspannungen der Quantenpunktschicht. Die ECS-Theorie (equilibrium crystal shape – Gleichgewichtskristallform) der Thermodynamik macht die Vorhersage, dass ein makroskopischer Einschluss mit festem Volumen im thermodynamischen Gleichgewicht die Form einnimmt, die die freie Oberflächenenergie minimiert (Ostwald-Reifung). Dies führt dazu, dass sich ab einer gewissen Schichtdicke aus der Quantenpunktschicht kleine Erhebungen, sogenannte Inseln, bilden. Auch die Verspannung innerhalb der Inseln wird durch diesen Vorgang reduziert. Dies stellt eine weitere Triebfeder der Agglomeration dar.
  • Lithographie: der Quantenpunkt wird mittels Elektronenstrahlen, Rasterkraftmikroskop oder ähnlichem auf ein Substrat 'geschrieben' und anschließend durch ein geeignetes Ätzverfahren (Nass-/Trockenätzen) 'freigelegt'. Die dadurch entstehenden Mesen können nun freistehend belassen oder, zur Verbesserung der elektronischen oder optischen Eigenschaften, wieder von einem geeigneten Halbleitermaterial, durch Aufwachsen einer weiteren Schicht, umschlossen werden. Während des Strukturierungsvorganges kann der Quantenpunkt auch mit elektrischen Zuleitungen versehen werden. Der Nachteil dieses Verfahrens besteht in der durch das Ätzen verursachten Anhäufung von Gitterdefekten, die zu verschlechterten elektronischen und damit auch optischen Eigenschaften des Quantenpunktes führt.
  • In elektrostatisch definierten Quantenpunkten wird der dreidimensionale Einschluss der Ladungsträger durch eine Kombination von epitaktischen und lithografischen Methoden erreicht: an der Grenzfläche zwischen zwei Schichten von epitaktisch gewachsenem Halbleitermaterial (z. B. GaAs auf AlGaAs) bildet sich aufgrund der unterschiedlichen Bandstruktur ein Quantentopf, die Bewegung der Elektronen ist auf die Grenzfläche beschränkt. Um sie nun auch in den verbleibenden zwei Dimensionen einzuschränken, werden (z. B. lithographisch) mikroskopische Elektroden auf das System aufgebracht. Durch Anlegen geeigneter Spannung an den Elektroden wird im Quantentopf ein Potentialminimum erzeugt, in dem einzelne Elektronen bei niedrigen Temperaturen (25 mK) eingefangen werden können. Elektrostatisch definierte Quantenpunkte unterscheiden sich in mehrerer Hinsicht von kolloidalen oder epitaktisch gewachsenen Quantenpunkten: sie sind größer (ca. 105 bis 106 Atome; Durchmesser von 100 bis 1000 nm in der Quantentopf-Ebene), sie können nur entweder positiv oder negativ geladene Ladungsträger einfangen, der Einschluss ist schwächer, weshalb sie sich nur bei sehr niedrigen Temperaturen untersuchen lassen. Einzelne oder mehrere gekoppelte Quantenpunkte können deterministisch hergestellt werden, das verwendete Material kann spannungsfrei und mit sehr geringer Defektdichte hergestellt werden und die Elektroden erlauben die direkte elektronische Manipulation der gefangenen Ladungsträger.[1][2]

Größenordnung

Die Größe des Quantenpunkts liegt im Bereich der De-Broglie-Wellenlänge des Elektrons, weil hier die Quanteneigenschaften zu Tage treten. Die De-Broglie-Wellenlänge eines Elektrons beträgt:

$ \lambda ={\frac {h}{\sqrt {2\,m_{e}^{*}\,E}}} $

mit E bei Raumtemperatur:

$ E=k_{\mathrm {B} }\cdot T=1{,}38\cdot 10^{-23}{\frac {\mathrm {J} }{\mathrm {K} }}\cdot 300\,\mathrm {K} =4{,}14\cdot 10^{-21}\mathrm {J} $

Damit ergibt sich:

$ \lambda ={\frac {6{,}626\cdot 10^{-34}\,\mathrm {Js} }{\sqrt {2\cdot 9{,}109\cdot 10^{-31}\,\mathrm {kg} \cdot 4{,}14\cdot 10^{-21}\,\mathrm {J} }}}\approx 7{,}6\,\mathrm {nm} $

Dieser Wert ist eine Näherung, da es sich in der Formel um die stoffspezifische effektive Elektronenmasse handelt und somit auch die Wellenlänge materialabhängig ist.

Für Löcher ergibt sich durch die größere Masse bei diesen Quantenpunktgrößen ein schwächeres Confinement. Das heißt, die linienartige Energiestruktur (Zustandsdichte 0D) ist nicht so stark ausgeprägt.

Der Quantenpunkt bildet einen Potentialtopf, der ein quantenmechanisches Confinement darstellt, d. h. eine stärkere Lokalisierung der Wellenfunktion bewirkt.

Spektrum

Aufgrund der zuvor bestimmten Größe des Quantenpunktes bilden sich atomähnliche Zustände. Der Übergang vom klassischen Bändermodell der Halbleiterphysik zu den quantisierten Energieniveaus niederdimensionaler Festkörper ist dabei kontinuierlich und von der Stärke des Einschlusses bzw. der Beschränkung (engl. confinement) der Wellenfunktion des im Quantenpunkt befindlichen Ladungsträgers oder genauer dessen Wellenfunktion abhängig.

Das Spektrum eines Quantenpunktes definiert sich nun über die bei Rekombination der Ladungsträger abgestrahlte Energie. Erwartungsgemäß sollte das bei atomähnlich quantisierten Zuständen ein Linienspektrum sein. Nun muss die Dipolschwingung, die zu einer spektralen Linie führt, aber als gedämpfter harmonischer Oszillator mit endlicher Dämpfung verstanden werden. Bei der Fouriertransformation der Einhüllenden vom Ortsraum in den Frequenzraum erhält man eine Lorentzkurve, deren Breite von der Dämpfungskonstante abhängt. Man sagt, die Spektrallinien sind 'lorentzverbreitert', was einer homogenen Linienverbreiterung entspricht.

Der gedämpfte harmonische Oszillationsvorgang führt nach der Fourieranalyse (F) zu einer lorentzverbreiterten Linie im Frequenzraum

Ein Quantenpunktensemble, also mehrere Quantenpunkte, hat als gemeinsames Spektrum eine Gaußkurve. Diese spiegelt die gaußförmige Größenverteilung der Quantenpunkte um einen statistisch häufig auftretenden Wert wider, der durch den Wachstumsprozess begünstigt war. Das gaußförmige Emissionsspektrum ist das Kennzeichen einer inhomogenen Linienverbreiterung: Quantenpunkte mit identischer Größe aus einem Ensemble emittieren jeweils homogen verbreiterte Spektren gleicher Wellenlänge. Die unterschiedlichen Größenklassen der Quantenpunkte emittieren jedoch bei leicht verschiedenen Wellenlängen. Die Überlagerung dieser spektralen Lorentzkurven unterschiedlicher Wellenlänge führt zu der Gaußverteilung.

Linienverbreiterungsmechanismen

Man unterscheidet in homogene

und inhomogene Verbreiterungsmechanismen, wobei letztere vor allem durch das Vorhandensein mehrerer Quantenpunkte in der Probe als erwartet zustande kommt (siehe: Spektrum eines Quantenpunktensembles).

Verwendung

Quantenpunkte sind aufgrund ihrer beeinflussbaren optischen und elektronischen Eigenschaften für viele Anwendungen von Interesse[3][4]

  • Farbstoff für Marker in der Fluoreszenzmikroskopie und Durchflusszytometrie
  • LEDs, Displays, insbesondere zur Optimierung der Hintergrundbeleuchtung von Flüssigkristallanzeigen[5]
  • Quantenpunktlaser
  • Einzelphotonenquelle
  • Quantencomputing
  • Quantenpunkt-Spinventil
  • Bildsensoren für digitale Kameras[6]
  • Ein-Elektron-Transistor
  • Quantenpunkt-Solarzelle

Literatur

  • Dieter Bimberg: Der Zoo der Quantenpunkte Physik Journal, August/September 2006, S. 43ff.
  • Peter Michler (Hrsg.): Single Semiconductor Quantum Dots. Springer 2009, ISBN 978-3540874454
  • Peter Michler (Hrsg.): Quantum Dots for Quantum Information Technologies. Springer 2017, ISBN 978-3-319-56378-7

Weblinks

Commons: Quantenpunkte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Quantenpunkt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. R. Hanson et al.: Spins in few-electron quantum dots. In: Reviews of Modern Physics. 79. Jahrgang, 2007, S. 1217, doi:10.1103/RevModPhys.79.1217, arxiv:cond-mat/0610433.
  2. D. Loss and D. P. DiVincenzo, "Quantum computation with quantum dots", Phys. Rev. A 57, p120 (1998); on arXiv.org in Jan. 1997
  3. Quantenpunkte: Technische Anwendungen der „künstlichen Atome“. In: Welt der Physik. Abgerufen am 13. Januar 2017.
  4. DaNa2.0 - Daten und Wissen zu Nanomaterialien: Quantenpunkte Materialinfo. Abgerufen am 13. Januar 2017.
  5. Quantenpunkt-Displays. In: Kompendium der Infotip Service GmbH. Abgerufen am 13. Januar 2017.
  6. Sascha Steinhoff: InVisage Quantum: Revolutionärer Bildsensor soll CMOS und CCD ablösen. In: c't Digitale Fotografie. 23. November 2015 (heise.de [abgerufen am 13. Januar 2017]).

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