Polymorphie (Materialwissenschaft)

Polymorphie (Materialwissenschaft)

Polymorphie (griechisch polymorphia „Vielgestaltigkeit“) ist nach E. A. Mitscherlich in den Werkstoffwissenschaften, der Chemie und der Mineralogie die Eigenschaft, dass eine Substanz in verschiedenen Erscheinungsformen (Modifikationen) vorkommen kann. Diese haben die gleiche chemische Zusammensetzung (Stöchiometrie), unterscheiden sich aber in der räumlichen Anordnung der Atome und haben unterschiedliche Eigenschaften. Die Bildung verschiedener Modifikationen einer Substanz kann durch Einflüsse wie Druck und/oder Temperatur hervorgerufen werden (Solvothermalsynthese). Modifikationen kristalliner Substanzen unterscheiden sich in ihrer Kristallstruktur.

Eine besondere Form der Polymorphie ist die Polytypie, welche bei Verbindungen auftritt, die in Schichtgittern kristallisieren, wie Siliciumcarbid oder Siliciumnitrid.

Auch manche organische Moleküle wie Arzneistoffe, Pigmente, Fette oder Sprengstoffe können im kristallinen Zustand polymorph sein.[1] Die Modifikationen unterscheiden sich dann in der unterschiedlichen Packung der Moleküle im Kristall und damit in der Regel in den Raumgruppen und Gitterparametern.

Beispiele

  • Graphit, Diamant, Fullerene, Graphen sowie Cyclo[18]carbon sind Modifikationen von Kohlenstoff. (Diamant ist ein Isolator, während Graphit ein anisotroper Leiter ist.)
  • α-Schwefel, β-Schwefel und γ-Schwefel sind Modifikationen von Schwefel.
  • Weißer Phosphor, roter Phosphor, schwarzer Phosphor und violetter Phosphor sind Modifikationen von Phosphor.
  • Selen kommt in fünf Modifikationen vor.
  • Zinn kommt als α-Zinn, β-Zinn und γ-Zinn vor (Zinnpest).
  • Als natürliche Modifikationen des Siliciumdioxids kommen u. a. α-Quarz, β-Quarz, Tridymit und Cristobalit in der Natur vor.
  • Aluminiumoxid kommt als Tonerde und Korund vor.
  • Drei Modifikationen des Calciumcarbonats sind orthorhombischer Aragonit, hexagonaler Vaterit und trigonaler Kalkspat.
  • Pyrit und Markasit sind Mineralien unterschiedlicher Modifikation von FeS2.
  • Drei Modifikationen des Aluminiumsilikats Al2SiO5 sind Andalusit, Disthen und Sillimanit.
  • Ammoniumnitrat (NH4NO3) tritt in fünf Modifikationen auf.
  • Die kristallinen Bereiche in isotaktischem Polypropylen, einem teilkristallinen Kunststoff, treten als monokline (α-Form), pseudohexagonale (β-Form) und unter besonderen Bedingungen auch trikline (γ-Form) Modifikationen auf.
  • Umwandlung der Elementarzelle von Eisen bei bestimmten Temperaturen: kubisch raumzentriertes δ-Ferrit, kubisch flächenzentrierte γ-Eisen (Austenit), kubisch raumzentrierte α-Eisen (Ferrit).

Begriffe

Bei zwei Modifikationen spricht man von Dimorphie, bei dreien von Trimorphie. Tritt eine spiegelbildliche Modifikation auf, so wird sie als Enantiomorphie bezeichnet.

Wenn verschiedene Modifikationen wechselseitig ineinander umgewandelt werden können, liegt Enantiotropie vor; wenn die direkte Umwandlung nur in einer Richtung möglich ist, Monotropie.

Bei Vorkommen ein und desselben Elements in verschiedenen Zustandsformen spricht man von Allotropie, z. B. Kohlenstoff als Graphit sowie als Diamant.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Polymorphie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Joel Bernstein: Polymorphism in Molecular Crystals, Oxford University Press 2002, ISBN 978-0-19-850605-8.

Die News der letzten Tage