Sterndurchgang

Als Sterndurchgang (engl. star transit) wird in der Astronomie und Geodäsie die Passage eines Sterns durch das Gesichtsfeld eines Fernrohrs bezeichnet. Es kann dabei die Winkel- oder die Zeitmessung im Vordergrund stehen.

Die Winkelmessung dient z. B. der Azimut- und Breitenbestimmung sowie der Messung von Sternörtern, Doppelsternen und Planeten, während die Registrierung genauer Uhrzeiten vor allem für die geografisch-astronomische Längenbestimmung und für Zeitdienste wesentlich ist. Bei Astrometriesatelliten kann die Winkelmessung durch einen Scanner-Vorgang ersetzt werden.

Sternfeld (Durchmesser etwa 2°) und Sterndurchgänge am Vertikalfaden

Was sieht man bei einem Sterndurchgang?

Das Bild zeigt zwei helle Sterne am beleuchteten Vertikalfaden (Bewegung nach rechts, Fernrohr-Vergrößerung etwa 10-fach):

Der Stern im oberen Viertel steht genau am Faden [1], der untere etwa 1 Sekunde nach dem Durchgang. Die zwei schwächeren Sterne links bewegen sich am Horizontalfaden entlang. Bei so schwacher Vergrößerung lässt sich die Durchgangszeit nur auf etwa 0,5 s genau messen, was rund 5 Bogensekunden entspricht.

Bei einem sich langsam bewegenden Stern (am nördlichen Himmel, Extremfall Polarstern) kann ein geübter Beobachter genauer messen als das Auflösungsvermögen des Teleskops. Denn das Auge erkennt schon kleinste Abweichungen von der Symmetrie (Bisektion des Sterns hinterm Faden). Schneller bewegte Sterne "springen" quasi über den Faden, was — um eine fast konstante Reaktionszeit verspätet — mit Handtaster oder Digitalstoppuhr registriert wird.

Die im Mittel erreichbare Genauigkeit wird Durchgangsfehler genannt und setzt sich aus einem Zeit- und einem Zielfehler zusammen.

Messmethoden

Die Messung solcher Durchgänge durch ein Fadennetz ist die Basis vieler Methoden der Astrometrie und Astrogeodäsie – unabhängig davon, wie man die Durchgänge beobachtet:

  1. visuell (meist früher): Genauigkeit je nach Größe des Messfernrohrs 0,1" bis 2"; Zeitnehmung mit digitalen Stoppuhren auf etwa 0,05–0,2 Sekunden (siehe auch persönliche Gleichung)
  2. mit CCD- und anderen optoelektronischen Sensoren: wie oben, doch Zeit oft genauer
  3. halbautomatische Spezialgeräte: Fotografie oder Registriermikrometer, etwa 2 x besser als Nr. 1
  4. durch systematisches Abtasten bestimmter Himmelsbereiche: Astrometriesatelliten wie Hipparcos erreichen etwa 0,01".

Messungen für andere Zwecke

Sterndurchgänge dienen auch noch für andere Zwecke, etwa

  • zur Demonstration der Erddrehung im Planetarium, in Volkssternwarten oder bei Sternführungen
  • zur Bestimmung der Vergrößerung oder des Gesichtsfeldes von terrestrischen oder astronomischen Teleskopen:
    • die Sterne bewegen sich wegen der Erdrotation durch ein erdgebundenes Messgerät mit etwa 15" pro Sekunde Sternzeit:
    • am Himmelsäquator mit 14,9590435"/s oder rund 1° in 4 min, und in einer bestimmten Deklination D um den Faktor cos(D) langsamer.
  • Zur genauen Messung kleiner Winkel, etwa
    • bei Doppelsternen für den gegenseitigen Abstand, oder
    • für den Durchmesser von Planeten oder anderen Himmelskörpern.
    • Beispielsweise benötigt Jupiter bei 45" Ø genau 3,008  s, um einen Messfaden des Fadenkreuzes zu passieren.
  • In der Astrophysik und Raumfahrt zur Bestimmung von Teilchengrößen, räumlichen Distanzen und Atmosphären, wenn beispielsweise ein Stern durch das Ringsystem des Saturn geht.[2]

Spezielle Instrumente

Spezielle astrogeodätische Instrumente haben Einrichtungen, mit denen solche Messungen halb- oder ganz automatisierbar sind. Halbautomatisch erfolgen Durchgangsmessungen z. B. an Universalinstrumenten wie der astronomischen Variante des DKM3-Triangulationstheodolits. Ein beweglicher Faden wird dem Stern nachgeführt, während laufend elektrische Kontakte ausgelöst und deren Zeiten registriert werden.

Im Danjon-Astrolab, das u. a. zur Messung des Weltlängennetzes und der Polbewegung eingesetzt wird bzw. wurde, hält der Beobachter das direkte und das an einem Quecksilber-Horizont gespiegelte Sternbild durch Drehen eines Mikrometers in Deckung, während ebenfalls Kontakte geschlossen und am Band- oder Druckchronografen registriert werden. Eine ganz andere Technik ist die der Zenitkamera, die von Arbeitsgruppen an der TU Wien und der Universität Hannover für die rasche Messung von Lotabweichungen automatisiert wird.

Einige visuelle Instrumente besitzen ein ganzes System von parallelen Messfäden – zum Beispiel hat das Ni2-Astrolab eine 20-fach geritzte Strichplatte. Wird nun ein Sterndurchgang durch dieses Netz beobachtet und der „Einzelfaden“ ist ± 0,1 s genau, dann ist der Mittelwert von 20 Fäden nach dem Gauß’schen Wurzelgesetz bereits 0,022 s (oder 0,3 ") genau. Auf diese Art konnte man schon vor 100 Jahren Sternpositionen präziser messen, als im Fernrohr ein enger Doppelstern zu trennen wäre. In den 1990ern waren für tausende Sterne des FK5 bereits ± 0,1" möglich.

Helle Sterne können mit einem guten Messfernrohr auch tagsüber beobachtet werden, was unter anderem für rasche Bestimmung der Lotabweichung oder für genäherte Ortsbestimmungen auf Expeditionen einsetzbar ist. Ähnliche Messungen werden vereinzelt auch beim Militär getätigt, etwa zur von Vermessungen unabhängigen Ausrichtung von Geschützen. Dafür sollen spezielle Entwicklungen mit CCD-Sensoren in Entwicklung sein.

Visuell sind bei tiefblauem Himmel einige hundert Sterne zu sehen, wenn ihre Position auf mindestens 0,1° vorausberechnet ist. In Stadtnähe reduziert sich diese Zahl auf etwa 20–50 der hellsten Sterne erster bis zweiter Größe.

Siehe auch

Literatur

  • Karl Ramsayer: Geodätische Astronomie. Handbuch der Vermessungskunde. Band IIa. J. B. Metzler, Stuttgart 1969, S. 900.
  • Gottfried Gerstbach: Analyse persönlicher Fehler bei Durchgangs-Beobachtungen von Sternen. In: Geowiss. Mitteilungen der TU Wien. Band 7. Wien 1975, S. 51–102.
  • Albert Schödlbauer: Geodätische Astronomie – Grundlagen und Konzepte. De Gruyter, Berlin/New York 2000, S. 634.

Einzelnachweise

  1. Man spricht vom Faden, weil bis etwa 1900 feinste Spinnfäden ins Okular eingebaut wurden. Heute wird das Fadennetz bzw. die Strichplatte fotomechanisch aufgebracht, bzw. bei optoelektronischen Messverfahren durch feine Schlitze oder digitale Linien simuliert.
  2. Sternbedeckungen November 2003 durch Saturn, Saturnringe und Titan.

Die News der letzten Tage

29.05.2023
Elektrodynamik | Festkörperphysik | Quantenoptik
Informationen schneller fließen lassen – mit Licht statt Strom
Entweder 1 oder 0: Entweder es fließt Strom oder eben nicht, in der Elektronik wird bisher alles über das Binärsystem gesteuert.
25.05.2023
Kometen und Asteroiden | Biophysik
Meteoritisches Eisen: Starthilfe bei der Entstehung des Lebens auf der Erde?
Forscher haben ein neues Szenario für die Entstehung der ersten Bausteine des Lebens auf der Erde vor rund 4 Milliarden Jahren vorgeschlagen.
24.05.2023
Festkörperphysik | Astrophysik
Das Verhalten von Sternmaterie unter extremem Druck
Einem internationalen Team von Forscher*innen ist es in Laborexperimenten gelungen, Materie unter solch extremen Bedingungen zu untersuchen, wie sie sonst nur im Inneren von Sternen oder Riesenplaneten vorkommt.
23.05.2023
Quantenphysik | Quantencomputer
Turbo für das Quanteninternet
Vor einem Vierteljahrhundert machten Innsbrucker Physiker den ersten Vorschlag, wie Quanteninformation mit Hilfe von Quantenrepeatern über große Distanzen übertragen werden kann, und legten damit den Grundstein für den Aufbau eines weltweiten Quanteninformationsnetzes.
18.05.2023
Teilchenphysik | Quantencomputer
Quantenschaltkreise mit Licht verbinden
Die Anzahl von Qubits in supraleitenden Quantencomputern ist in den letzten Jahren rasch gestiegen, ein weiteres Wachstum ist aber durch die notwendige extrem kalte Betriebstemperatur begrenzt.
17.05.2023
Relativitätstheorie | Quantenphysik
Gekrümmte Raumzeit im Quanten-Simulator
Mit neuen Techniken kann man Fragen beantworten, die bisher experimentell nicht zugänglich waren – darunter auch Fragen nach dem Zusammenhang von Quanten und Relativitätstheorie.
16.05.2023
Sonnensysteme | Planeten | Geophysik
Die Kruste des Mars ist richtig dick
Dank eines starken Bebens auf dem Mars konnten Forschende der ETH Zürich die globale Dicke der Kruste des Planeten bestimmen.
11.05.2023
Sterne | Teleskope
Einblicke in riesige, verborgene Kinderstuben von Sternen
Mit dem Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy (VISTA) der ESO haben Astronomen einen riesigen Infrarot-Atlas von fünf nahe gelegenen Sternentstehungsgebieten geschaffen.
10.05.2023
Festkörperphysik | Quantenphysik | Quantencomputer
Verschränkte Quantenschaltkreise
ETH-Forschenden gelang der Nachweis, dass weit entfernte, quantenmechanische Objekte viel stärker miteinander korreliert sein können als dies bei klassischen Systemen möglich ist.
10.05.2023
Exoplaneten | Geophysik
Widerspenstiger Exoplanet lüftet seinen Schleier (ein bisschen)
Einem internationalen Forschungsteam, an dem das Max-Planck-Institut für Astronomie beteiligt ist, ist es nach fast 15 Jahren vergeblicher Anstrengungen gelungen, einige Eigenschaften der Atmosphäre des Exoplaneten GJ 1214 b zu ermitteln.
10.05.2023
Atomphysik
Forschende beschreiben flüssigen Quasikristall mit zwölf Ecken
Einen ungewöhnlichen Quasikristall hat ein Team der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), der Universität Sheffield und der Jiaotong-Universität Xi'an gefunden.
08.05.2023
Quantenphysik
Künstliche Intelligenz lernt Quantenteilchen zu kontrollieren
In der Quantenforschung braucht man maßgeschneiderte elektromagnetische Felder, um Teilchen präzise zu kontrollieren - An der TU Wien zeigte man: maschinelles Lernen lässt sich dafür hervorragend nutzen.
06.05.2023
Teilchenphysik | Kernphysik
Elektronen-Rekollision in Echtzeit auf einen Schlag verfolgt
Eine neue Methode erlaubt, die Bewegung eines Elektrons in einem starken Infrarot-Laserfeld in Echtzeit zu verfolgen, und wurde am MPI-PKS in Kooperation zur Bestätigung theoretischer Quantendynamik angewandt.
05.05.2023
Satelliten und Sonden | Quantenoptik
GALACTIC: Alexandrit-Laserkristalle aus Europa für Anwendungen im Weltraum
Alexandrit-Laserkristalle eignen sich gut für den Einsatz in Satelliten zur Erdbeobachtung.
04.05.2023
Festkörperphysik | Quantenphysik
Nanophysik: Wo die Löcher im Flickenteppich herkommen
Patchwork mit Anwendungspotenzial: Setzt man extrem dünne Halbleiternanoschichten aus Flächen zusammen, die aus unterschiedlichen Materialien bestehen, so finden sich darin Quasiteilchen mit vielversprechenden Eigenschaften für eine technische Nutzung.
03.05.2023
Sterne | Teleskope
Astronomen finden weit entfernte Gaswolken mit Resten der ersten Sterne
Durch den Einsatz des Very Large Telescope (VLT) der ESO haben Forscher zum ersten Mal die Fingerabdrücke gefunden, die die Explosion der ersten Sterne im Universum hinterlassen hat.