Nahfeld und Fernfeld (Antennen)

Nahfeld und Fernfeld (Antennen)

Die Begriffe Nahfeld und Fernfeld beschreiben in der Antennentechnik unterschiedliche Raumgebiete, welche strahlende Antennensysteme umgeben. Üblicherweise werden die Raumgebiete, ausgehend von dem Antennensystem, in drei Bereiche unterteilt:

  1. Nahfeld, auch als reaktives Nahfeld bezeichnet, ist der Bereich in unmittelbarer Nähe zur Antenne
  2. Daran anschließend das Übergangsfeld, auch als Fresnel-Region oder als strahlendes Nahfeld bezeichnet
  3. Das Fernfeld, auch Fraunhofer-Region genannt, ist der größte Bereich, in welchem sich die elektromagnetische Welle unabhängig von der Antenne als ebene Welle im Raum ausbreitet.

Die Grenzen zwischen den einzelnen Regionen sind von der Wellenlänge λ abhängig, weisen einen fließenden Verlauf auf und sind in der Literatur in den Grenzen nicht einheitlich festgelegt. So wird beispielsweise das Übergangsfeld auch direkt dem Nahfeld zugerechnet und die Übergangsbereiche werden je nach Antennengröße unterschieden. Die Eigenschaften der Welle werden im Nahfeld mit dem Abstand r von Polynomen r−n hoher Ordnung n beschrieben. Im Fernfeld, bei großem Abstand von der Antenne, reduziert sich die Beschreibung, da die erste Ordnung (n = 1, 1/r-Abhängigkeit) alle anderen Terme dominiert. Die Gleichungen und Definitionen der Antennentheorie gelten erst im Fernfeld.

Definitionen

Raumgebiete um eine Antenne

Lange Antennen

Bei langen Antennen, dies sind Antennen, deren aktive Elemente Abmessungen $ L>\lambda $ aufweisen, beginnt das Fernfeld im Abstand $ r $ von der Antenne nach[1]

$ r_{\text{fk}}={\frac {2\cdot L^{2}}{\lambda }}. $

Dieser Abstand wird auch als Fraunhofer-Abstand, benannt nach Joseph von Fraunhofer, bezeichnet. Das reaktive Nahfeld ist für lange Antennen definiert nach[2]

$ r_{\text{nb}}=0{,}62\cdot {\sqrt {\frac {L^{3}}{\lambda }}}. $

Lange Antennen sind beispielsweise Parabolantennen oder Phased-Array-Antennen. So beginnt bei einem Parabolspiegel mit 2 m Aperturdurchmesser und bei einer Frequenz von 6 GHz das Fernfeld im Abstand von ca. 160 m von der Parabolantenne.

Kurze Antennen

Für kurze Antennen, dies sind Antennen, deren aktive Elemente Abmessungen $ L<\lambda $ aufweisen, beginnt das Fernfeld im Abstand $ r $ nach[3]

$ r_{\text{fw}}\gg {\frac {\lambda }{2\pi }} $, d. h. $ r_{\text{fw}}\geq 2\lambda $,

darunter liegt das Nahfeld.

Eine kurze Antenne ist beispielsweise eine Dipolantenne. So beginnt bei einem λ/2-Dipol bei einer Frequenz von 6 GHz nach letzter Definition das Fernfeld im Abstand von ca. 10 cm vom Dipol.

Rechtlicher Bezug

Bei Definitionen mit rechtlichem Bezug, wie bei der Bundesnetzagentur mit Bezug zu dem Betrieb von Funkanlagen,[4][5] geht das reaktive Nahfeld unabhängig von der Antennendimension bis

$ r_{\text{n}}={\frac {\lambda }{2\pi }}, $

daran anschließend das strahlende Nahfeld bis zu einem Abstand von

$ r_{\text{f}}=4\lambda , $

darüber liegt das Fernfeld.[6]

Bei einem λ/2-Dipol, wieder bei einer Frequenz von 6 GHz, beginnt nach dieser Definition das Fernfeld im Abstand von ca. 20 cm vom Dipol.

Eigenschaften

Nahfeld

Betragsverlauf des Feldwellenwiderstandes im Nah- und Fernfeld bei einem elektrischen und magnetischen Dipol

Das reaktive Nahfeld in unmittelbarer Nähe zur Antenne ist dadurch gekennzeichnet, dass keine Abstrahlung erfolgt. Zwischen der Antenne und der Umgebung im Nahfeld pendelt Blindleistung, womit eine direkte Rückwirkung auf die Antenne vorliegt. Durch auf die Frequenz abgeglichene Resonanzkreise kann der Antenne im Nahfeld Wirkleistung entzogen werden, dieser Umstand wird unter anderem bei dem Dipmeter oder elektrischen Warensicherungsetiketten nach dem Resonanzprinzip ausgenutzt. Elektrisch leitende Materialien im Bereich des Nahfeldes beeinflussen den Feldstärkeverlauf und die Antennencharakteristik, dies wird unter anderem bei parasitären Elementen ausgenutzt.

Die Verhältnisse der Feldstärke im Nahfeld hängen davon ab ob es sich um primär elektrische oder primär magnetische Antennen handelt:

  • Ein elektrischer Dipol als Antenne erzeugt im Nahfeld eine hohe elektrische Feldstärke, die in guter Näherung in dritter Potenz mit der Entfernung abnimmt. Die schwächere magnetische Feldstärke nimmt im Nahfeld quadratisch mit der Entfernung ab.
  • Ein magnetischer Dipol als Antenne erzeugt im Nahfeld eine hohe magnetische Feldstärke, die in guter Näherung in dritter Potenz mit der Entfernung abnimmt. Die dabei schwächere elektrische Feldstärke nimmt quadratisch mit der Entfernung ab.

Diese Unterschiede äußern sich in einem Feldwellenwiderstand, welcher sich, wie in nebenstehendem Diagramm dargestellt, im Nahfeld als Funktion des Abstandes von der Antenne ändert. Dabei weisen elektrische Antennen mit dominantem elektrischen Feld einen betragsmäßig sinkenden Feldwellenwiderstand als Funktion der Entfernung auf, magnetische Antennen einen niedrigen Feldwellenwiderstand dessen Betrag mit der Entfernung ansteigt.

Der Feldwellenwiderstand unmittelbar an der Antenne ist für die reflexionsfreie und angepasste Kopplung der Antenne an die Speiseleitung von Bedeutung und wird durch Anpassglieder sichergestellt, wobei zwischen der Strom- und Spannungsspeisung unterschieden wird.

Mit zunehmendem Abstand von der Antenne pendelt sich der Feldwellenwiderstand auf den konstanten Wert des Feldwellenwiderstandes des leeren Raumes von ca. 377 Ω ein.

Übergangsfeld

Veranschaulichung der Strahlengänge

Das Übergangsfeld spielt besonders bei langen Antennen eine Rolle. Diese kann als eine Anordnung von kleineren Antennen angesehen werden, die phasenverschoben zueinander senden. Bei der Betrachtung innerhalb der Fresnel-Region nimmt die elektrische und magnetische Feldstärke Näherungsweise mit 1/r ab und sind gleichphasig. Für die Bestrahlungsstärke an einem bestimmten Ort muss von allen Teilantennen die vektorielle und phasenrichtige Summe der einzelnen Strahlen (Poynting-Vektor) berechnet werden. Die Bestrahlungsstärke summiert sich an einigen Stellen auf und geht an anderen Stellen gegen null, aber nur eine der beiden Feldkomponenten der Strahlen löscht sich aus.

Fernfeld

Im Fernfeld, auch als Fraunhofer-Region nach Joseph von Fraunhofer benannt, sind die magnetische Feldkomponente und die elektrische Feldkomponente in Phase und über den Feldwellenwiderstand des leeren Raumes Z0 mit ca. 377 Ω miteinander verknüpft. Zum Beispiel kann aus dem gemessenen elektrischen Feld im Fernfeld auf das magnetische Feld geschlossen werden und umgekehrt, im Nahfeld ist dies nicht möglich.

Die beiden Feldkomponenten sind senkrecht zur Ausbreitungsrichtung orientiert. Die dadurch sich bildende ebene Wellenfront wird als elektromagnetisches Feld bezeichnet und die beiden Feldstärken nehmen in der Stärke mit der Entfernung r um den Faktor 1/r ab.

Im Gegensatz zur Fresnel-Region reicht für Betrachtungen im Fernfeld die phasenrichtige Summe der einzelnen Strahlen. Dadurch vereinfacht sich die Berechnung stark.

Qualitativer Vergleich

In folgender Tabelle sind die Unterschiede zwischen Nah- und Fernfeld qualitativ dargestellt:[7]

  Nahfeld Fernfeld
Träger der Kraft „virtuelles Photon“ Photon
Energie Speichert Energie. Kann Energie via induktiver oder kapazitiver Kopplung übertragen Energie breitet sich via Strahlungsfeld im Raum aus.
Dauer Verschwindet, wenn Quelle abgeschaltet wird Strahlungsfeld breitet sich unabhängig von Quelle solange aus, bis es absorbiert wird
Wechselwirkung Die Messung oder der Entzug von Leistung verursacht in der Quelle Leistungsänderung in Form von Spannungs- bzw. Stromänderungen Die Messung absorbiert einen Teil des Strahlungsfelds, ohne Rückwirkung auf die Quelle.
Feldform Von der Quelle und deren Geometrie bestimmt Sphärische Wellen, die gegen unendlichen Abstand planere Form annehmen.
Wellenimpedanz Hängt von Quelle und Medium ab Hängt nur vom Medium ab. Im leeren Raum 120 Ω·π ≈ 377 Ω
Führung Energie kann über elektrische Leitungen gezielt transportiert werden Energie kann in Form von Wellenleitern gezielt transportiert werden

Beispiel SAR-Antenne

In der Erkundung der Erdoberfläche durch Radarsatelliten werden Antennen mit synthetischer Apertur genutzt. Deren virtuelle Aperturlänge liegt im Bereich mehrerer hundert Meter. Das ist notwendig, um eine gute Winkelauflösung zu erzielen. Bei einem Beispiel mit einer Aperturlänge von 200 m und einer Wellenlänge von 3 cm liegt die Grenze zwischen Nah- und Fernfeld bei rfern ≈ 2 · L2 / λ, hier also bei etwa 2600 km.

Die meisten Radarsatelliten umkreisen die Erde in einer Umlaufbahn in einer Höhe von etwa 800 km, also innerhalb des Nahfeldes der synthetischen Apertur. Daraus ergeben sich aufwändige Korrekturberechnungen für die gespeicherten Impulsperioden der einzelnen Quellorte, die (weil entfernungsabhängig) für jeden Punkt auf der Erdoberfläche einzeln durchgeführt werden müssen. Diese Korrektur wird über eine Phasenkorrektur der Echosignale des Radars vorgenommen. Nach dieser Korrektur wird das dargestellte Bild wesentlich schärfer, was zu dem Begriff „focused SAR“ führt.

Siehe auch

Literatur

  • Jürgen Detlefsen, Uwe Siart: Grundlagen der Hochfrequenztechnik. 2. Auflage. Oldenbourg Verlag, München/ Wien 2006, ISBN 3-486-57866-9.
  • Curt Rint: Handbuch für Hochfrequenz- und Elektro-Techniker. 13. Auflage. Band 2. Hüthig und Pflaum Verlag, Heidelberg 1981, ISBN 3-7785-0699-4.

Einzelnachweise

  1. John D. Kraus: Antennas. 3. Auflage. Mcgraw-Hill Higher Education, 2001, ISBN 0-07-123201-X.
  2. Constantine A. Balanis: Antenna Theory: Analysis and Design. 3. Auflage. John Wiley & Sons, 2005, ISBN 0-471-66782-X.
  3. Harold A. Wheeler: The Radian Sphere Around a Small Antenna. Band 47. Proceedings of the IRE, Institute of Radio Engineers, August 1959, S. 1325–1331.
  4. Begriff Nahfeld, Glossar. Bundesnetzagentur, abgerufen am 16. Januar 2015.
  5. Begriff Fernfeld, Glossar. Bundesnetzagentur, abgerufen am 16. Januar 2015.
  6. BSI TR-03209-1 – Elektromagnetische Schirmung von Gebäuden – Theoretische Grundlagen. (PDF) Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, 2008, abgerufen am 7. Februar 2018.
  7. Ron Schmitt: Electromagnetics Explained. A Handbook for Wireless/ RF, EMC and High-speed Electronics. Newnes, 2002, ISBN 978-0-7506-7403-4.