Zwei erdähnliche Planeten um einen der kleinsten Sterne – und die Möglichkeit, von dort aus die Erde nachzuweisen
Physik-News vom 18.06.2019
Ein internationales Astronomenteam hat zwei erdähnliche Planeten um einen der kleinsten bekannten Sterne, "Teegardens Stern", gefunden. Die Planeten liegen in der habitablen Zone des Sterns, in der flüssiges Wasser existieren kann. Sie haben ein Viertel bzw. ein Drittel mehr Masse als die Erde. Die Entdeckung hilft, unsere Statistik der Eigenschaften von Exoplaneten zu vervollständigen, indem sie Auswahleffekte früherer Beobachtungen korrigiert. Hypothetische Beobachter auf diesen Planeten wären übrigens bald in einer einzigartig günstigen Position, um unsere Erde mit Hilfe der sogenannten Transitmethode nachzuweisen! Die Ergebnisse wurden in "Astronomy & Astrophysics" veröffentlicht.
Bis heute haben Astronomen mehr als 4000 Exoplaneten entdeckt, also Planeten, die andere Sterne umkreisen als die Sonne. Aber unser Blick auf die fremden Welten da draußen zeigt uns nur einen Teil des Ganzen. Die Standardmethoden zum (indirekten) Nachweis von Exoplaneten erfordern jeweils genaue Messungen des Lichts des betreffenden Sterns, und solche Messungen sind für Sterne, die etwa so hell sind wie unsere Sonne, ungleich einfacher als für leuchtschwächere Exemplare. Allerdings sind die allermeisten Sterne in unserer Milchstraße leuchtschwächer und rötlicher als die Sonne, und für diese Sterne war der Nachweis von Exoplaneten bislang schwierig. Das verzerrt unsere Statistik dazu, wie häufig Exoplaneten mit welchen Eigenschaften in unserer Milchstraße vorkommen, unter Umständen ganz beträchtlich!
Publikation:
M. Zechmeister et al.
The CARMENES search for exoplanets around M dwarfs: Two temperate Earth-mass planet candidates around Teegarden’s Star
Astronomy & Astrophysics
Genau an dieser Stelle soll das CARMENES-Instrument am Calar Alto Observatorium Abhilfe schaffen, das Anfang 2016 in Betrieb genommen wurde. CARMENES ist ein Doppelspektrograph, der für die Beobachtung genau solcher leuchtschwachen, rötlichen Sterne optimiert wurde. Martin Kürster, leitender Wissenschaftler für CARMENES am Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA), der an der neuen Studie beteiligt war, sagt: "CARMENES kann uns helfen, unsere Vorurteile zu korrigieren, indem wir die mit Abstand häufigsten Sterne in unserer Galaxie untersuchen. Das Instrument ist empfindlich genug, um erdähnliche, potentiell bewohnbare Planeten um solche Sterne herum zu erkennen."
Einer der mehr als 300 von CARMENES beobachteten roten Zwergsterne war "Teegardens Stern" im Sternbild Widder. Benannt ist er nach dem NASA-Wissenschaftler Bonnard J. Teegarden, der den Stern in Daten fand, die eigentlich zur Nachverfolgung von Asteroiden gesammelt worden waren. Mit nur 8% der Sonnenmasse, nur rund 10% des Sonnenradius ist Teegardens Stern einer der kleinsten Sterne in unserer Nachbarschaft. Bei einer Temperatur von 2900 K ist er rötlich und deutlich leuchtschwächer als die Sonne. Mit einer Entfernung von nur 12,5 Lichtjahren ist er einer der uns nächsten Sterne.
Mathias Zechmeister von der Universität Göttingen (ehemals am MPIA), Hauptautor der Studie, sagt: "Wir haben diesen Stern drei Jahre lang beobachtet und nach periodischen Schwankungen seiner Geschwindigkeit gesucht. Die Daten zeigen deutlich die Existenz von zwei Planeten an." Die für den Nachweis verwendete so genannte Radialgeschwindigkeitsmethode ermöglicht die Messung der Mindestmasse eines Planeten und Schätzungen seiner wahrscheinlichen Masse. Die Planeten um den Stern von Teegarden haben eine Mindestmasse von 1,05 bzw. 1,1 Erdmassen, wobei die besten Massenschätzungen bei 1,25 bzw. 1,33 Erdmassen liegen. Den üblichen Konventionen folgend erhielten die Planeten die Bezeichnungen Teegarden b und Teegarden c.
Damit dürfte es sich bei beiden um erdähnliche Planeten handeln. Beide Planeten laufen in der habitablen Zone des Sterns um, in der im Prinzip flüssiges Wasser auf ihren Oberflächen existieren könnte. Einer der Planeten müsste allerdings eine recht spezielle Atmosphäre aufweisen, um Wasser auf seiner Oberfläche halten zu können. Schätzungen gehen davon aus, dass das Alter des Systems rund 8 Milliarden Jahre beträgt, fast doppelt so alt wie die Erde. Das ließe viel Zeit für die Entwicklung von Leben.
Übrigens wäre es für hypothetische intelligente Wesen auf einem dieser Planeten innerhalb weniger Jahrzehnte einfacher, den Planeten Erde nachzuweisen, als umgekehrt: Zwischen den Jahren 2044 und 2496 wird Teegardens Stern genau in der richtigen Richtung relativ zu uns stehen, dass unser Sonnensystem aus Sicht etwaiger Planetenbewohner direkt von der Seite zu sehen ist. Solche Bewohner sollten dann in der Lage sein, die Erde mit Hilfe der sogenannten Transitmethode nachzuweisen, wenn sie die Erde direkt vor der Sonnenscheibe vorbeiziehen sehen.
Zu diesem Zeitpunkt ist davon auszugehen, dass die Astronomen auf der Erde bereits einen Schritt weiter sind: Die Ähnlichkeiten mit der Erde und die potenzielle Bewohnbarkeit machen die beiden neu entdeckten Planeten zu wichtigen Kandidaten für vertiefte Studien mithilfe der nächsten Generation von erdgebundenen Teleskopen – in der Hoffnung, dort eventuell sogar Spuren von Leben zu entdecken.
Hintergrundinformationen
Das Instrument CARMENES (Calar Alto high-Resolution search for M dwarfs with Exoearths with Near-infrared and optical Échelle Spectrographs, zu deutsch etwa "Die hochaufgelöste Suche am Calar Alto nach M-Zwergen mit Exo-Erden mithilfe von Spektrografen im Nahinfraroten und im sichtbaren Licht") ist ein hochauflösender Spektrograph für sichtbares und nahinfrarotes Licht. Das Projekt wird von den Universitäten Göttingen, Hamburg, Heidelberg und Madrid, dem Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, den Instituten des Consejo Superior de Investigaciones Científicas in Barcelona, Granada und Madrid, der Thüringer Landessternwarte, dem Instituto de Astrofísica de Canarias und der Calar-Alto Sternwarte durchgeführt. Seit 2016 suchen deutsche und spanische Wissenschaftler im Rahmen von CARMENES nach Planeten um Sterne in unserer kosmischen Nachbarschaft. Die neuen Planeten sind der zehnte bzw. elfte, den das Projekt biaslang entdeckt hat.
weitere InfosDiese Newsmeldung wurde mit Material idw erstellt.