Erste Messungen der Strahlendosis auf dem Mond
Physik-News vom 25.09.2020
In den kommenden Jahren und Jahrzehnten wollen verschiedene Nationen den Mond erforschen und planen, zu diesem Zweck wieder Astronautinnen und Astronauten auf den Mond zu schicken. Auf unserem unwirtlichen Trabanten ist die Weltraumstrahlung aber ein erhebliches Risiko. Die Apollo-Astronauten trugen deshalb sogenannte Dosimeter mit sich, welche die Strahlenbelastung rudimentär maßen. In dem renommierten Journal Science Advances berichten chinesische und deutsche Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe (25. September) über die ersten zeitlich aufgelösten Messungen der Strahlung auf dem Mond.
Das „Lunar Lander Neutron and Dosimetry“ (LND) ist im Auftrag des Raumfahrtmanagements im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel entwickelt und gebaut worden. Die Messungen des LND erlauben die Berechnung der sogenannten Äquivalentdosis. Diese ist wichtig, um die biologischen Effekte der Weltraumstrahlung auf den Menschen abzuschätzen. „Die von uns gemessene Strahlenbelastung ist ein gutes Maß für die Strahlung innerhalb eines Astronautenanzuges“, meint Thomas Berger vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln, Mitautor der Publikation.
Publikation:
S. Zhang, R.F. Wimmer-Schweingruber, J. Yu, C. Wang, Q. Fu, Z. Yxhas, Y. Sun, W. C, D. Hou, S. I. Böttcher, S. Burmeister, L. Seimetz, B. Schuster, V. Knierim, G. Shen, B. Yuan, H. Lohf, J. Guo, Z. Xu, J. von Forstner, S.R. Kulkarni, H. Xu, C. Xue, J. Li, Z. Zhang, H. Zhang, T. Berger, C. Hellweg, D. Matthiä, X. Hou, B. Ren, Z. Chang, B. Zhang, Y. Chen, H. Geng, Z. Quan
Sci. Adv. (2020, Sept. 25)
10.1126/sciadv.aaz1334
Die Messungen ergeben eine Äquivalentdosisleistung von etwa 60 mikro-Sievert pro Stunde. Zum Vergleich, auf einem Langstreckenflug von Frankfurt nach New York ist sie etwa 5- bis 10-mal kleiner, am Erdboden gut 200-mal kleiner. Weil Astronautinnen und Astronauten deutlich länger auf dem Mond wären als Passagiere nach New York hin und zurückfliegen, ist dies eine erhebliche Belastung für den Menschen, sagt Robert Wimmer-Schweingruber von der Kieler Universität, dessen Team das Instrument entwickelt und gebaut hat. „Wir Menschen sind eben nicht wirklich gemacht für die Weltraumstrahlung. Allerdings können und sollten sich Astronauten bei einem längeren Aufenthalt auf dem Mond möglichst vor ihr abschirmen, zum Beispiel indem sie ihre Behausung mit einer dicken Schicht Mondgestein bedecken“, erklärt der Zweit-Autor Wimmer-Schweingruber. „Bei Langzeitaufenthalten auf dem Mond könnte das Risiko der Astronauten für Krebs und andere Erkrankungen gesenkt werden“, ergänzt Mitautorin Christine Hellweg vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
Die Messungen wurden an Bord der Chinesischen Mondlandesonde Chang’e-4 gemacht, die am 3. Januar 2019 auf der Rückseite des Mondes gelandet ist. Das Kieler Gerät misst jeweils „tagsüber“ und bleibt, wie alle anderen wissenschaftlichen Geräte, während der sehr kalten und fast zwei Wochen dauernden Mondnacht ausgeschaltet, um Energie zu sparen. Gerät und Lander sollten mindestens ein Jahr lang messen und haben dieses Ziel nun bereits übertroffen. Die Daten des Gerätes und des Landers werden über den Relaissatelliten Queqiao, der sich hinter dem Mond befindet, zur Erde übertragen.
Auch hinsichtlich zukünftiger interplanetarer Missionen besitzen die gewonnen Daten einige Relevanz. Da der Mond weder ein schützendes Magnetfeld noch eine Atmosphäre besitzt, ist das Strahlungsfeld auf der Mondoberfläche dem im interplanetaren Raum ähnlich, abgesehen von der Abschirmung durch den Mond selbst. „Deshalb werden die Messungen des LND auch verwendet, um Modelle zu überprüfen und weiterzuentwickeln, die für zukünftige Missionen eingesetzt werden können. Wenn zum Beispiel eine bemannte Mission gen Mars aufbricht, kann durch die neuen Erkenntnisse vorab die erwartete Strahlenexposition verlässlicher abgeschätzt werden. Dabei ist es wichtig, dass der Detektor auch gewisse Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des Strahlungsfeldes zulässt“, so Wimmer-Schweingruber.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.