Mit neuer Ionenfalle zu grösseren Quantencomputern
Physik-News vom 23.03.2024
Forschenden der ETH Zürich ist es gelungen, Ionen mittels statischen elektrischen und magnetischen Feldern einzufangen und an ihnen Quantenoperationen durchzuführen. In Zukunft könnten mit solchen Fallen Quantencomputer mit deutlich mehr Quantenbits als bisher realisiert werden.
Die Energiezustände der Elektronen in einem Atom unterliegen den Gesetzen der Quantenmechanik: Das heisst, sie sind nicht kontinuierlich verteilt, sondern beschränken sich auf bestimmte, festgelegte Werte – was man als quantisiert bezeichnet. Solche quantisierten Zustände sind die Basis für Quantenbits (Qubits), mit denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler extrem rechenstarke Quantencomputer konstruieren wollen. Dazu müssen die Atome abgekühlt und an einem Ort festgehalten, also gefangen werden.
Publikation:
Jain, S., Sägesser, T., Hrmo, P. et al.
Penning micro-trap for quantum computing
Nature 627, 510–514 (2024)
DOI: 10.1038/s41586-024-07111-x
Das Fangen kann dadurch erreicht werden, dass man die Atome ionisiert, ihnen also eine elektrische Ladung gibt. Mit zeitlich konstanten elektrischen Feldern allein kann man einzelne geladene Teilchen nicht dauerhaft einfangen, das folgt aus den Gesetzen der Elektrodynamik. Fügt man dagegen ein oszillierendes – sprich schwingendes – elektromagnetisches Feld hinzu, erhält man eine stabile Ionen-Falle, auch Paul-Falle genannt.
Auf diese Weise ist es in den letzten Jahren gelungen, Quantencomputer mit Ionenfallen für rund 30 Qubits zu bauen. Sehr viel grössere Computer sind mit dieser Technik allerdings nicht einfach zu realisieren. Die oszillierenden Felder machen es schwierig, mehrere solcher Fallen auf einem Chip zu vereinen, und sie führen zum Aufheizen der Falle – ein Problem, dass vor allem in grösseren Systemen zum Tragen kommt. Zudem ist der Transport von Ionen auf gerade Linien begrenzt, die durch Kreuzungen verbunden sind.
Ionenfalle mit Magnetfeld
Forschende der ETH Zürich unter der Leitung von Jonathan Home haben jetzt gezeigt, dass man auch mit statischen Magnetfeldern – anstelle der oszillierenden Felder – Ionenfallen bauen kann, die sich für Quantencomputer eignen. In diesen statischen Fallen mit zusätzlichem Magnetfeld, Penning-Fallen genannt, können sowohl der beliebige Transport als auch die notwendigen Operationen für die künftigen Superrechner ausgeführt werden. Ihre Ergebnisse haben die Physikerinnen und Physiker soeben im Wissenschaftsjournal Nature veröffentlicht.
„Traditionell werden Penning-Fallen benutzt, wenn man für Präzisionsexperimente sehr viele Ionen einfangen will, diese aber nicht individuell kontrollieren muss“, sagt ETH-Doktorand Shreyans Jain: „In den kleineren Quantencomputern mit Ionen werden dagegen Paul-Fallen eingesetzt.“
Die Idee der ETH-Forschenden, künftig auch Quantencomputer mit Penning-Fallen zu bauen, stiess bei Kolleginnen und Kollegen zunächst auf Skepsis. Für die Vorbehalte gibt es einige Gründe: Für Penning-Fallen braucht man extrem starke Magnete, die sehr teuer und recht klobig sind. Zudem waren bislang alle Penning-Fallen sehr symmetrisch, was bei den Chip-Fallen an der ETH nicht der Fall ist. Und führt man Experimente in einem grossen Magneten durch, wird es schwierig, die für die Kontrolle der Qubits nötigen Laserstrahlen in die Falle zu leiten. Zudem vergrössern starke Magnetfelder den Abstand zwischen den Qubit-Energiezuständen. Das wiederum macht die Kontroll-Lasersysteme viel komplizierter: Anstelle eines einfachen Diodenlasers benötigt man gleich mehrere phasengekoppelte Laser.
Transport in beliebige Richtungen
Von all diesen Schwierigkeiten liessen sich Home und seine Mitarbeitenden aber nicht abschrecken. Sie konstruierten eine Penning-Falle, die auf einem supraleitenden Magneten und einem mikrofabrizierten Chip mit mehreren Elektroden basiert, welcher an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig hergestellt wurde. Der verwendete Magnet liefert ein 3 Tesla starkes Feld, also fast 100’000 Mal stärker als das Erdmagnetfeld. Durch ein System von gekühlten Spiegeln gelang es den Forschenden aus Zürich, das nötige Laserlicht durch den Magneten zu den Ionen zu schleusen.
Die Mühen lohnten sich: Ein einzelnes gefangenes Ion, das mehrere Tag lang in der Falle verweilen kann, konnte nun durch Ansteuern der verschiedenen Elektroden auf dem Chip schnurgerade und beliebig hin- und herbewegt werden – dies war bei den herkömmlichen Systemen mit oszillierenden Feldern nicht möglich. Da keine oszillierenden Felder zum Einfangen gebraucht werden, können viele solcher Fallen auf einem Chip untergebracht werden. „Wir können die einmal elektrisch aufgeladenen Elektroden sogar komplett von der Aussenwelt abkoppeln und so untersuchen, wie stark die Ionen durch äussere Einflüsse gestört werden“, sagt Tobias Sägesser, der als Doktorand am Experiment beteiligt war.
Kohärente Kontrolle des Qubits
Die Forschenden demonstrierten ausserdem, dass sich auch die Qubit-Energiezustände des gefangenen Ions kontrollieren liessen, unter Beibehaltung der quantenmechanischen Überlagerung. Diese kohärente Kontrolle klappte sowohl mit den elektronischen (inneren) Zuständen des Ions als auch mit den (äusseren) quantisierten Schwingungszuständen in der Penning-Falle und auch für die Kopplung zwischen inneren und äusseren Quantenzuständen. Letztere ist eine Voraussetzung für die Herstellung von Verschränkungszuständen, die für Quantencomputer wichtig sind.
Als Nächstes will Home zwei Ionen in benachbarten Penning-Fallen auf demselben Chip fangen und so nachweisen, dass auch Quantenoperationen mit mehreren Qubits ausgeführt werden können. Damit wäre dann endgültig belegt, dass Quantencomputer mit Ionen in Penning-Fallen realisiert werden können. Auch weitere Anwendungen kann sich der Professor vorstellen: Da die Ionen in der neuen Falle beliebig bewegt werden können, lassen sich mit ihnen elektrische, magnetische oder Mikrowellenfelder in der Nähe von Oberflächen messen. Dies eröffnet die Möglichkeit, solche Systeme als atomare Sensoren für Oberflächeneigenschaften zu verwenden.
Diese Newsmeldung wurde mit Material Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.