Gotthilf Hagen

Gotthilf Hagen

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Gotthilf Hagen

Gotthilf Heinrich Ludwig Hagen (* 3. März 1797 in Königsberg (Preußen); † 3. Februar 1884 in Berlin) war ein deutscher Ingenieur der Fachrichtung Wasserbau.

Die Beobachtungen und die Resultate seiner Forschungen fanden ihren Niederschlag in über dreißig wissenschaftlichen Publikationen. Er gab das erste in deutscher Sprache erschienene dreibändige Handbuch der Wasserbaukunst (1840–1865) heraus. In der Physik ist er durch das Hagen-Poiseuillesches Gesetz bekannt.

Leben

Gotthilf Hagen stammte aus der Königsberger Gelehrtenfamilie Hagen. Sein Großvater mütterlicherseits war der Theologe Gotthilf Christian Reccard. Sein Onkel war Karl Gottfried Hagen, der als Professor für Physik und Chemie an der Universität Königsberg tätig war. Er wirkte auf Hagens naturwissenschaftliche Ausbildung und Neigungen frühzeitig ein. Mit seinen beiden Cousins, Ernst August Hagen, Professor für Ästhetik und Kunstgeschichte, sowie Carl Heinrich Hagen, Professor für Staatsökonomie an der Albertina-Universität zu Königsberg, stand er sein Leben lang im regen Kontakt.[1]

Gotthilf Hagen wurde am 3. März 1797 in Königsberg geboren. Nach seinem Schulbesuch studierte er ab 1816 an der Universität seiner Heimatstadt bei Friedrich Wilhelm Bessel zunächst Mathematik und Astronomie, wandte sich aber ab 1818 der Architektur und dem Bauwesen zu. Gotthilf Hagen legte 1819 die Landvermesserprüfung ab und wechselte nach dem Abschluss als Baukondukteur in den Staatsdienst. Dort beschäftigte er sich vor allem mit dem Wasserbau. 1822 bestand er in Berlin die Staatsprüfung als Baumeister. Bekannt wurde er durch seine Publikationen über diverse Wasserbauwerke, die er während seiner Studienreisen durch Europa besuchte.

1824 wurde er von der Königsberger Kaufmannschaft als Baukondukteur eingestellt. 1825 wechselte er als stellvertretender Regierungs- und Baurat nach Danzig und wurde ein Jahr später als Hafenbauinspektor nach Pillau versetzt, wo er den Hafen- und Deichbau kennenlernte. Seine Methoden zur Dünenbefestigung finden noch heute Anwendung.

1830 wechselte Gotthilf Hagen in die Oberbaudeputation nach Berlin und wurde 1831 Oberbaurat. Von 1834 bis 1849 lehrte er als Dozent für Wasserbau an der dortigen Bauakademie und der Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule. 1837 wurde er Geheimer Oberbaurat[2] und 1838 Vizeoberbaudirektor.[3]

1849 erfolgte die Berufung als Sachverständiger in die Frankfurter Nationalversammlung, 1850 die Ernennung zum Vortragenden Rat im Preußischen Handelsministerium. 1866 wurde er zum Oberbaudirektor im Dezernat Wasserbau und Vorsitzenden der technischen Baudeputation befördert, 1869 zum Oberlandesbaudirektor, zu dessen Aufgaben die Überprüfung der großen Wasser- und Hafenbauten Preußens und anderer deutschsprachiger Staaten zählte. Diese Funktion hatte er bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahre 1875 inne.

Grabstätte von Gotthilf und Auguste Hagen auf dem Invalidenfriedhof, Berlin

Maßgeblich wirkte er an der Planung des Ausbaus zahlreicher deutscher Flüsse und Häfen mit. So übertrug die preußische Admiralität ihm die Leitung an den Planungen für den „ersten deutschen Kriegshafen an der Jade“, dem späteren Wilhelmshaven. Hagen wurde von seiner Tätigkeit im Preußischen Handelsministerium beurlaubt und übernahm den Vorsitz der am 8. Juli 1855 gegründeten Hafenbau-Kommission im neuen preußischen Jadegebiet. Nachdem ihn die Entwürfe zweier international bekannter Sachverständiger nicht zufriedenstellten, legte er der preußischen Admiralität am 29. Mai 1856 einen eigenen Hafenentwurf vor. Dieser Hafenentwurf war von großer Weitsicht und Sachverstand geprägt, weil der Entwurf die zunächst noch geringen Anforderungen der preußischen Admiralität erfüllte und doch problemlos Platz für später notwendige Erweiterungen und Ergänzungen berücksichtigte. Der Hagen’sche Hafenplan mit Befestigung und Stadtansiedlung erhielt am 25. Juni 1856 die Zustimmung und Genehmigung durch Kabinettsorder König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Nach Abschluss der Planungen kehrte er am 12. August 1856 in das Preußische Handelsministerium zurück. Die Umsetzung des Planes erfolgte im darauffolgenden Jahrzehnt mit mancherlei Änderungen, die sich größtenteils aus der nicht still stehenden Entwicklung von Hafen- und Schiffbau ergaben. Der Plan bestimmt noch heute den Grundriss des Stadtkerns.

Hagen entdeckte 1839 experimentell die Gesetzmäßigkeiten der laminaren Strömung homogener viskoser Flüssigkeiten, die gleichzeitig und unabhängig von ihm auch von dem französischen Arzt Jean Léonard Marie Poiseuille hergeleitet wurden und heute als Hagen-Poiseuillesches Gesetz bekannt sind; auch trug er zur Gewölbetheorie und zur Erddrucktheorie bei[4].

Am 27. April 1827 heiratete er Auguste Hagen (1806–1884), mit der er zwei Töchter und fünf Söhne hatte.[5] Sein Sohn Ludwig Hagen folgte dem Vater beruflich, wurde außerordentlicher Professor für See- und Hafenbau in Berlin und übernahm 1876 das bis dahin vom Vater geleitete Dezernat. Gotthilf Hagen starb am 3. Februar 1884 in Berlin, wo er auf dem Invalidenfriedhof beerdigt wurde.

Werke (Auswahl)

  • Grundzüge der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Dümmler, Berlin 1837, 2. Auflage, Berlin 1867 (Digitalisat).
  • Über die Oberfläche der Flüssigkeitem, Berlin 1845 (Digitalisat).
  • Handbuch der Wasserbaukunst
    • Teil I: Die Quellen. Mit 21 Kupfertafeln. 2. Auflage, Königsberg i. Pr. 1853 (Digitalisat).
    • Teil II: Die Ströme
      • Band 1: Uferschälungen, Strombauten und Schiffahrts-Canäle. Mit einem Atlas von 11 Kupfertafeln in Folie. 3. Auflage, Berlin 1871 (Digitalisat).
      • Band 2. Mit 18 Kupfertafeln. 2. Auflage, Königsberg i. Pr. 1854 (Digitalisat).
    • Teil III: Das Meer
      • Seeufer- und Hafen-Bau
        • Band 1. Mit 9 Kupfertafeln in Folie. Berlin 1863 (Digitalisat).
        • Band 2. Mit 11 Kupfertafeln. Berlin 1863 (Digitalisat).
        • Band 3. Mit 15 Kupfertafeln, Berlin 1864. (Digitalisat)
        • Band 4. Mit einem Atlas von 9 Kupfertafeln in Folie, und einer Inhalts-Nachweisung der vier Bände. Berlin 1865 (Digitalisat).

Ehrungen

Detailansicht des Denkmals in Pillau/Baltijsk

Am 7. April 1842 wurde er auf Vorschlag von Alexander von Humboldt zum Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin gewählt. Im darauffolgenden Jahr erhielt er für seine wissenschaftliche Tätigkeit die Ehrendoktorwürde der Universität Bonn.[6]

Am 2. Mai 1883 wurde ihm als Erstem die Medaille für Verdienste um das Bauwesen „in Gold“ verliehen.[7]

Denkmäler und Benennungen

  • Die Stadt Pillau errichtete nach dem Tode von Gotthilf Hagen ein Denkmal zu seinen Ehren, das in dem heutigen russischen Baltijsk noch erhalten ist. Es wurde um einen russischen Text ergänzt und wird heute von der russischen Marine gepflegt.
  • In Wilhelmshaven wurde 2007 der Gotthilf-Hagen-Platz eingeweiht, auf dem eine Plastik zu Ehren von Gotthilf Hagen des Wilhelmshavener Künstlers Hartmut Wiesner steht. Die Plastik wurde der Stadt vom Wilhelmshavener Heimatverein „Die Boje“ gestiftet.
  • Das 1959 gebaute Lotsenstationsschiff „Gotthilf Hagen“ trug seinen Namen.
  • Nach Gotthilf Hagen wurde die Hagen-Zahl benannt.

Literatur

  • Eberhard Neumann-Redlin von Meding: Der Baudirektor Gotthilf Hagen zu Königsberg und Berlin. Zum 200. Geburtstag des Urhebers des Hagen-Poiseuille´schen Gesetzes. In: Königsberger Bürgerbrief 49 (1997), S. 38–41.
  • Eberhard Neumann-Redlin von Meding, Klemens Adam: Gotthilf Hagen (1797–1884) – der Reformator der Wasserbaukunst. In: Rudolf Fritsch u. a. (Hrsg.): Franz Ernst Neumann (1798–1895). Zum 200. Geburtstag des Mathematikers, Physikers und Kristallographen. Verlag Terra Baltica, Kaliningrad / Ludwig-Maximilians-Universität, München 2005, S. 196–219.
  • Ernst Ottmann: Gotthilf Hagen: Der Altmeister der Wasserbaukunst. Verlag Wilh. Ernst u. Sohn, Berlin 1934.
  • Ralph Schröder: Hagen, Gotthilf Heinrich Ludwig. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 472 (Digitalisat).
  • Ingo Sommer: Späte Ehrung für den frühen Stadtplaner Hagen. Gotthilf Hagen zählte zu seiner Zeit zu den ganz großen Ingenieuren und Architekten. In: Wilhelmshavener Zeitung. 29. November 2007.
  • Hans-Joachim Uhlemann: Gotthilf Hagen (1797–1884). In: DWhG-Mitteilungen Nr. 14/April 2009, Anhang, S. 1–33.

Weblinks

Commons: Gotthilf Hagen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hans-Joachim Uhlemann: Gotthilf Hagen (1797–1884), in: DWhG-Mitteilungen Nr. 14/April 2009, Anhang, S. 1–33
  2. GSt PK, I. HA Rep. 93 D, Nr. 23
  3. GSt PK, I. HA Rep. 93 B, Nr. 21
  4. Karl-Eugen Kurrer: The History of the Theory of Structures. Searching for Equilibrium. Ernst & Sohn, Berlin 2018, S. 240 u. 305, ISBN 978-3-433-03229-9.
  5. Nachruf, Im Centralblatt der Bauverwaltung, Nr. 5, 9. Februar 1884, S. 51 ff., abgerufen am 23. Dezember 2012
  6. Urkunde der Ehrenpromotion von Gotthilf Hagen
  7. Hans-Joachim Uhlemann: Gotthilf Hagen (1797–1884), in: DWhG-Mitteilungen Nr. 14/April 2009, Anhang, S. 1–33, S. 20 (PDF; 4,5 MB), abgerufen am 16. Februar 2018