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[[Datei:Muonium.svg|mini|hochkant=1.5|Vereinfachte Darstellung des Myoniums]] | |||
'''Myonium''' ({{enS|muonium}}) ist ein [[Exotische Atome|exotisches Atom]] aus einem Anti-[[Myon]] und einem [[Elektron]]. | |||
Das Anti-Myon, ein [[Myon]] mit einer positiven [[Elementarladung]], hat eine [[Lebensdauer (Physik)|Lebensdauer]] von etwa 2 µs und ist der Stellvertreter des [[Proton]]s im Vergleich zu einem normalen [[Wasserstoffatom]].<ref name="Jungmann2004">{{Literatur |Autor=Klaus P. Jungmann |Titel=Past, Present and Future of Muonium |Sammelwerk=In Memory of Vernon Willard Hughes |Datum= |Seiten=134-153 |Sprache=en |arXiv=nucl-ex/0404013 |DOI=10.1142/9789812702425_0009}}</ref> Dieses exotische Atom ist eines der fundamentalsten Systeme der [[Atomphysik]]. Das ''Myonium''-Atom verhält sich chemisch wie Wasserstoff und stellt damit ein um den Faktor 9 leichteres Wasserstoff[[isotop]] dar. Es wurde 1960 von [[Vernon Hughes]] und Mitarbeitern entdeckt. | |||
Präzise [[spektroskop]]ische Messungen an dem Atom haben zu sehr genauen Werten für fundamentale [[Naturkonstanten]] wie der Masse des Myons, des magnetischen Momentes des Myons und der [[Kopplungskonstante]] der [[Elektromagnetische Wechselwirkung|elektromagnetischen Wechselwirkung]], der Sommerfeldschen [[Feinstrukturkonstante]]n, geführt. | |||
Die Genauigkeit der theoretischen Beschreibung von Myonium übersteigt bei weitem diejenige, die für gewöhnlichen Wasserstoff möglich ist, da das atomare System allein aus [[Lepton]]en besteht, die man als ''punktförmig'' betrachten darf. Messungen am Myoniumatom sind daher bezüglich der Aussagekraft über fundamentale Kräfte in der Physik solchen an natürlichem [[Wasserstoff]] weit überlegen, obwohl jene teilweise mit höherer technischer Genauigkeit möglich sind.<ref>{{Internetquelle |url=http://www2.mpq.mpg.de/~haensch/hydrogen/ |titel=Hydrogen – High Precision Measurements for fundamental Physics |werk=mpq.mpg.de |abruf=2018-02-03 |sprache=en}}</ref> | |||
Weiterhin wurde das Atom zu einem präzisen Test der Erhaltung der geladenen [[Leptonenzahl]] eingesetzt; einem der großen ungelösten Rätsel der modernen Physik. Der hypothetische spontane Zerfall von Myonium in sein Anti-Atom Antimyonium wurde zuerst von B. Pontecorvo diskutiert<ref>{{Literatur |Autor=B. Pontecorvo |Titel=Mesonium and Antiesonium |Sammelwerk=Zhur. Eksp. i Teoret. Fiz. |Band=33 |Datum=1957 |Seiten=549 |Sprache=ru |Online=[https://web.archive.org/web/20180204001324/http://www.jetp.ac.ru/cgi-bin/dn/e_006_02_0429.pdf web.archive.org] |Format=PDF |KBytes=360 |Abruf=2021-10-06}}</ref> und im Detail 1961 von Feinberg und Weinberg theoretisch untersucht.<ref>{{Literatur |Autor=G. Feinberg, S. Weinberg |Titel=Conversion of Muonium into Antimuonium |Sammelwerk=Phys. Rev. |Band=123 |Datum=1961 |Seiten=1439 |DOI=10.1103/PhysRev.123.1439}}</ref> Dabei wurde am schweizerischen [[Paul Scherrer Institut]] (PSI) nach spontanen Übergängen von dem Atom Myonium in sein Anti-Atom Antimyonium<ref>{{Internetquelle |autor=W. Bertl |url=http://mmbar.web.psi.ch/ |titel=Muonium Antimuonium Conversion Experiment |hrsg=MMbar Collaboration, PSI |datum=2002-04-04 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20050404165412/http://mmbar.web.psi.ch/ |archiv-datum=2005-04-04 |abruf=1970-01-01 |sprache=en |offline=1 |abruf-verborgen=1}}</ref> gesucht. Dabei wurde eine obere Schranke für die Kopplungsstärke <math>G_{M\bar{M}}</math> des (weiterhin hypothetischen) Konversionsprozesses gefunden: <math>G_{M\overline{M}}<3\cdot10^{-3}G_F</math>, wobei <math>G_F</math> die [[Fermi-Wechselwirkung|Fermi Kopplungskonstante]] der [[Schwache Wechselwirkung|schwachen Wechselwirkung]] ist.<ref name="Jungmann2004" /> Damit konnte eine Vielzahl spekulativer Theorien jenseits des [[Standardmodell]]s ausgeschlossen werden. Verbesserte Experimente sind in Vorbereitung.<ref>{{Literatur |Autor=M. Aoki |Titel=Prospects of muonium to antimuonium conversion and μ−–μ+ conversion at PRISM |Sammelwerk=Nucl. Instrum. Meth. A |Band=503 |Nummer=1–2 |Datum=2003 |Seiten=258-261 |Online=[http://www.slac.stanford.edu/econf/C010630/papers/E101.PDF Preprint] |Format=PDF |KBytes= |DOI=10.1016/S0168-9002(03)00689-2}}</ref> | |||
Eine weitere Anwendung des Atoms war ein äußerst präziser Test der [[CPT-Theorem|CPT]]-Symmetrie und der [[Lorentzinvarianz]].<ref>{{Literatur |Autor=V. W. Hughes, M. Grosse Perdekamp, D. Kawall and W. Liu, K. Jungmann, G. zu Putlitz |Titel=Test of CPT and Lorentz Invariance from Muonium Spectroscopy |Sammelwerk=Phys. Rev. Lett |Band=87 |Datum=2001 |Seiten=111804 |Sprache=en |arXiv=hep-ex/0106103 |DOI=10.1103/PhysRevLett.87.111804}}</ref> | |||
Das Myonium-Atom unterscheidet sich grundsätzlich von [[Myon#Myonische Atome|myonischen Atomen]], bei denen ein Elektron durch ein ''negatives'' Myon ersetzt wird.<ref> | Das Myonium-Atom wird auch in der Untersuchung [[Kondensierte Materie|kondensierter Materie]] eingesetzt. Hier wird es oft als leichtes Wasserstoffisotop angesehen, mit dem sich u. a. [[Diffusion]]seigenschaften von Wasserstoff in Materialien und magnetische Eigenschaften von Materialien untersuchen lassen.<ref>{{Internetquelle |url=http://lmu.web.psi.ch/bulk/bulktopics.html |titel=Bulk-µSR Facility |hrsg=Laboratory for Muon Spin Spectroscopy, Paul Scherrer Institut |archiv-url=https://web.archive.org/web/20071009075636/http://lmu.web.psi.ch:80/bulk/bulktopics.html |archiv-datum=2007-10-09 |abruf=1970-01-01 |offline=1 |abruf-verborgen=1}}</ref> Auch die Dynamik chemischer Prozesse kann damit studiert werden. | ||
Das Myonium-Atom unterscheidet sich grundsätzlich von [[Myon#Myonische Atome|myonischen Atomen]], bei denen ein Elektron durch ein ''negatives'' Myon ersetzt wird.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.leifiphysik.de/atomphysik/bohrsches-atommodell/grundwissen/exotische-atome |titel=Exotische Atome |werk=[[LEIFIphysik]] |abruf=2021-01-08}}</ref> | |||
== Siehe auch == | |||
* [[Myonischer Wasserstoff]]: hier is ein [[Myon]] an einen Wasserstoff-Atomkern gebunden | |||
* [[Kalte Fusion#Myonen-katalysierte Fusion|Myonen-katalysierte Fusion]] | |||
== Literatur == | |||
* {{Literatur |Autor=Klaus P. Jungmann |Titel=Precision Muonium Spectroscopy |Sammelwerk=J. Phys. Soc. Jpn. |Band=85 |Datum=2016 |Seiten=091004 |Sprache=en |arXiv=1603.01195 |DOI=10.7566/JPSJ.85.091004}} | |||
* {{Literatur |Autor=L. Willmann, K. Jungmann |Titel=The Muonium Atom as a Probe of Physics beyond the Standard Model |Sammelwerk=Lect. Notes Phys. |Band=499 |Datum=1997 |Seiten=43–56 |Sprache=en |arXiv=hep-ex/9805013 |DOI=10.1007/BFb0104314}} | |||
* {{Literatur |Autor=Gisbert zu Putlitz |Titel=Exotische Atome |Sammelwerk=Lexikon der Physik |Verlag=Spektrum der Wissenschaft |Ort=Heidelberg |Datum=1998 |Online=https://www.spektrum.de/lexikon/physik/exotische-atome/4633}} | |||
* {{Literatur |Autor=Sherman Frankel |Hrsg=V. W. Hughes, C. S. Wu |Titel=Rare and Ultra-rare Muon decays |Sammelwerk=Myon Physics. Vol II. Weak Interactions |Verlag=Academic Press |Datum=1975 |ISBN=0-12-360602-0 |Seiten=83–113 |Fundstelle=105f |Sprache=en |Online=https://books.google.es/books?id=l9IC3gt578gC&printsec=copyright&hl=es&source=gbs_pub_info_r#v=onepage&q=myonium%20decay&f=false}} | |||
== Fußnoten == | == Fußnoten == |
Myonium (englisch muonium) ist ein exotisches Atom aus einem Anti-Myon und einem Elektron. Das Anti-Myon, ein Myon mit einer positiven Elementarladung, hat eine Lebensdauer von etwa 2 µs und ist der Stellvertreter des Protons im Vergleich zu einem normalen Wasserstoffatom.[1] Dieses exotische Atom ist eines der fundamentalsten Systeme der Atomphysik. Das Myonium-Atom verhält sich chemisch wie Wasserstoff und stellt damit ein um den Faktor 9 leichteres Wasserstoffisotop dar. Es wurde 1960 von Vernon Hughes und Mitarbeitern entdeckt.
Präzise spektroskopische Messungen an dem Atom haben zu sehr genauen Werten für fundamentale Naturkonstanten wie der Masse des Myons, des magnetischen Momentes des Myons und der Kopplungskonstante der elektromagnetischen Wechselwirkung, der Sommerfeldschen Feinstrukturkonstanten, geführt. Die Genauigkeit der theoretischen Beschreibung von Myonium übersteigt bei weitem diejenige, die für gewöhnlichen Wasserstoff möglich ist, da das atomare System allein aus Leptonen besteht, die man als punktförmig betrachten darf. Messungen am Myoniumatom sind daher bezüglich der Aussagekraft über fundamentale Kräfte in der Physik solchen an natürlichem Wasserstoff weit überlegen, obwohl jene teilweise mit höherer technischer Genauigkeit möglich sind.[2]
Weiterhin wurde das Atom zu einem präzisen Test der Erhaltung der geladenen Leptonenzahl eingesetzt; einem der großen ungelösten Rätsel der modernen Physik. Der hypothetische spontane Zerfall von Myonium in sein Anti-Atom Antimyonium wurde zuerst von B. Pontecorvo diskutiert[3] und im Detail 1961 von Feinberg und Weinberg theoretisch untersucht.[4] Dabei wurde am schweizerischen Paul Scherrer Institut (PSI) nach spontanen Übergängen von dem Atom Myonium in sein Anti-Atom Antimyonium[5] gesucht. Dabei wurde eine obere Schranke für die Kopplungsstärke $ G_{M{\bar {M}}} $ des (weiterhin hypothetischen) Konversionsprozesses gefunden: $ G_{M{\overline {M}}}<3\cdot 10^{-3}G_{F} $, wobei $ G_{F} $ die Fermi Kopplungskonstante der schwachen Wechselwirkung ist.[1] Damit konnte eine Vielzahl spekulativer Theorien jenseits des Standardmodells ausgeschlossen werden. Verbesserte Experimente sind in Vorbereitung.[6] Eine weitere Anwendung des Atoms war ein äußerst präziser Test der CPT-Symmetrie und der Lorentzinvarianz.[7]
Das Myonium-Atom wird auch in der Untersuchung kondensierter Materie eingesetzt. Hier wird es oft als leichtes Wasserstoffisotop angesehen, mit dem sich u. a. Diffusionseigenschaften von Wasserstoff in Materialien und magnetische Eigenschaften von Materialien untersuchen lassen.[8] Auch die Dynamik chemischer Prozesse kann damit studiert werden.
Das Myonium-Atom unterscheidet sich grundsätzlich von myonischen Atomen, bei denen ein Elektron durch ein negatives Myon ersetzt wird.[9]