N-Strahlen

Die N-Strahlen waren eine der großen Entdeckungen der Physik Anfang des 20. Jahrhunderts, die sich als wissenschaftlicher Irrtum und Selbsttäuschung (pathologische Wissenschaft) erwiesen.

Vermeintliche Entdeckung

Der französische Physiker René Blondlot[1] an der Universität Nancy, von der sich der Name N(ancy)-Strahlen ableitete, glaubte 1901, eine neuartige Strahlung, ähnlich der 1895 entdeckten Röntgenstrahlung (X-Strahlen), beobachtet zu haben, die von einem heißen Platindraht emittiert wird.

Der Nachweis der Strahlen sollte durch deren Einfluss auf die Helligkeit einer Gasflamme möglich sein. Viele französische Forscherkollegen stürzten sich gierig auf die neuartige Entdeckung und so wurden in den folgenden Jahren zahlreiche wissenschaftliche Artikel zum Thema publiziert. Sogar eine spektrale Zerlegung der N-Strahlen mittels eines Prismas aus Aluminium schien möglich zu sein.

Entlarvung

Das Ende der vermeintlichen Entdeckung begann, als der deutsche Kaiser Wilhelm II., der stets an der Wissenschaft interessiert war, diese neuartigen Strahlen sehen wollte. Aber Professor Heinrich Rubens, der sie vorführen sollte, konnte die Experimente der N-Strahlen nicht nachvollziehen. Auf einer wissenschaftlichen Tagung befürwortete er eine genaue Überprüfung der fraglichen Strahlung durch einen Laborbesuch bei Blondlot, die allerdings der Amerikaner Robert Wood übernehmen sollte, da ein Deutscher in der nationalistisch geführten Forschung auf Vorbehalte stoßen würde.

Wood besuchte 1904 das Labor, konnte allerdings die Detektion der N-Strahlen mit einer Gasflamme nicht erkennen, auch die anderen Experimente überzeugten ihn nicht. Schließlich führte Blondlot ihm das Spektrum mittels des Aluminium-Prismas vor und beschrieb Spektrallinien. Da Wood nichts erkennen konnte, bat er Blondlot, das Spektrum noch einmal zu vermessen, entfernte aber zuvor heimlich in der Dunkelheit des Labors das Prisma. Trotzdem konnte Blondlot erneut Spektrallinien erkennen. Sein empörter Assistent hatte Wood beobachtet und verlangte, selbst nochmals das Spektrum zu vermessen. Dabei erkannte er, dass sich nichts vermessen ließ. Wood hatte allerdings vorher heimlich das Prisma wieder eingefügt. Damit waren die N-Strahlen als Täuschung enttarnt.[2] In Frankreich betrachteten viele den Skandal als nationale Schmach.

Dieses klassische Beispiel wissenschaftlicher Fehlleistungen wird oft Studienanfängern der Physik erzählt, um typische Fehler bei wissenschaftlicher Arbeit zu verdeutlichen. Ähnlichen Ruhm erlangten das Polywasser (in den 1960er und 1970er Jahren) und ein Verfahren der Kalten Fusion im Jahr 1989.

Literatur

  • Alexander K. Dewdney: Alles fauler Zauber? IQ-Tests, Psychoanalyse und andere umstrittene Theorien. Birkhäuser Verlag, 1998, ISBN 3-7643-5761-4.

Einzelnachweise

  1. René Blondlot: N Rays. Longmans, Green and Co., London 1905 (übersetzt von J. Garcin).
  2. Pathologische Wissenschaft: Die "N-Strahlen" des René Blondlot - derStandard.de. Abgerufen am 20. April 2019 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).

Die News der letzten Tage

25.09.2023
Thermodynamik | Optik | Akustik
Licht- und Schallwellen enthüllen negativen Druck
Negativer Druck ist ein seltenes und schwer nachzuweisendes Phänomen in der Physik.
20.09.2023
Sterne | Teleskope | Astrophysik
JWST knipst Überschall-Gasjet eines jungen Sterns
Die sogenannten Herbig-Haro-Objekte (HH) sind leuchtende Gasströme, die das Wachstum von Sternbabies signalisieren.
18.09.2023
Optik | Quantenphysik
Ein linearer Weg zu effizienten Quantentechnologien
Forschende haben gezeigt, dass eine Schlüsselkomponente für viele Verfahren der Quanteninformatik und der Quantenkommunikation mit einer Effizienz ausgeführt werden kann, die jenseits der üblicherweise angenommenen oberen theoretischen Grenze liegt.
17.01.1900
Thermodynamik
Effizientes Training für künstliche Intelligenz
Neuartige physik-basierte selbstlernende Maschinen könnten heutige künstliche neuronale Netze ersetzen und damit Energie sparen.
16.01.1900
Quantencomputer
Daten quantensicher verschlüsseln
Aufgrund ihrer speziellen Funktionsweise wird es für Quantencomputer möglich sein, die derzeit verwendeten Verschlüsselungsmethoden zu knacken, doch ein Wettbewerb der US-Bundesbehörde NIST soll das ändern.
15.01.1900
Teilchenphysik
Schwer fassbaren Neutrinos auf der Spur
Wichtiger Meilenstein im Experiment „Project 8“ zur Messung der Neutrinomasse erreicht.
17.09.2023
Schwarze Löcher
Neues zu supermassereichen binären Schwarzen Löchern in aktiven galaktischen Kernen
Ein internationales Team unter der Leitung von Silke Britzen vom MPI für Radioastronomie in Bonn hat Blazare untersucht, dabei handelt es sich um akkretierende supermassereiche schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien.
14.09.2023
Sterne | Teleskope | Astrophysik
ESO-Teleskope helfen bei der Lösung eines Pulsar-Rätsels
Durch eine bemerkenswerte Beobachtungsreihe, an der zwölf Teleskope sowohl am Erdboden als auch im Weltraum beteiligt waren, darunter drei Standorte der Europäischen Südsternwarte (ESO), haben Astronom*innen das seltsame Verhalten eines Pulsars entschlüsselt, eines sich extrem schnell drehenden toten Sterns.
30.08.2023
Quantenphysik
Verschränkung macht Quantensensoren empfindlicher
Quantenphysik hat die Entwicklung von Sensoren ermöglicht, die die Präzision herkömmlicher Instrumente weit übertreffen.
30.08.2023
Atomphysik | Teilchenphysik
Ein einzelnes Ion als Thermometer
Messungen mit neuem Verfahren zur Bestimmung der Frequenzverschiebung durch thermische Strahlung an der PTB unterstützen eine mögliche Neudefinition der Sekunde durch optische Uhren.