Auf dem Weg zur optischen Kernuhr
Physik-News vom 18.04.2018
Wissenschaftler aus Braunschweig, München, Darmstadt und Mainz berichten in "Nature" über einen Weg, eine Laseranregung des Thorium-229-Atomkerns zu kontrollieren und somit eine optische Kernuhr zu realisieren, die genauer „tickt“ als heutige Atomuhren.
Der Atomkern Thorium-229 besitzt eine unter allen bekannten Nukliden einmalige Eigenschaft: Es sollte möglich sein, ihn mit ultraviolettem Licht anzuregen. Über den dafür verantwortlichen niederenergetischen Zustand des Th-229-Kerns war bisher nur wenig bekannt. Forscher der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) haben zusammen mit Kollegen aus München und Mainz nun erstmals mit optischen Methoden einige wichtige Eigenschaften wie die Form der Ladungsverteilung dieses Kernzustands gemessen.
Publikation:
J. Thielking, M. V. Okhapkin, P. Glowacki, D. M. Meier, L. v. d. Wense, B. Seiferle, C. E. Düllmann, P. G. Thirolf, E. Peik
Laser spectroscopic characterization of the nuclear clock isomer 229mTh
Nature, 19. April 2018
DOI: 10.1038/s41586-018-0011-8
Damit bietet sich ein Weg, eine Laseranregung des Atomkerns zu kontrollieren und somit eine optische Kernuhr zu realisieren, die genauer „tickt“ als heutige Atomuhren. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe von Nature.
Schon vor etwa 15 Jahren entwickelten Ekkehard Peik und Christian Tamm an der PTB in Braunschweig das Konzept einer neuen Atomuhr mit einzigartigen Eigenschaften: Taktgeber der Uhr soll nicht eine Übergangsfrequenz zwischen zwei Zuständen in der Elektronenhülle sein, wie es bei allen heutigen Atomuhren der Fall ist, sondern eine Übergangsfrequenz im Atomkern. Die Protonen und Neutronen im Atomkern sind um viele Größenordnungen dichter gepackt und fester gebunden als die Elektronen in der Atomhülle und reagieren damit weniger empfindlich auf äußere Störungen, die ihre Übergangsfrequenzen ändern könnten; gute Bedingungen also für eine Uhr von hoher Genauigkeit.
Normalerweise liegen die Frequenzen von Kernübergängen dafür aber auch viel höher als diejenigen von Hüllenübergängen – im Bereich von Röntgenstrahlung –, und sie sind daher für Atomuhren, die bisher ausschließlich auf Mikrowellen oder Laserlicht basieren, nicht nutzbar. Die einzige bekannte Ausnahme, und Grundlage des PTB-Vorschlags, ist der Kern von Thorium-229. Dieser besitzt einen quasi-stabilen, isomeren Kernzustand bei außerordentlich geringer Anregungsenergie. Damit existiert ein Übergang zwischen dem Grundzustand und diesem Isomer, der im Frequenzbereich von ultraviolettem Licht liegt – noch erreichbar mit Lasertechnik wie sie ähnlich auch in heutigen optischen Atomuhren verwendet wird.
Mehr als zehn Forschergruppen weltweit arbeiten derzeit an Projekten zur Realisierbarkeit einer Thorium-229-Kernuhr. Dabei erwies sich die Fragestellung experimentell als äußerst schwierig. So ist es bis heute nicht gelungen, den Kernübergang mit optischen Methoden zu beobachten, da die exakte Anregungsenergie des Isomers bisher nur grob bekannt ist. „Wie für die Uhr erwünscht, ist die Resonanz des Übergangs extrem scharf und kann nur beobachtet werden, wenn die Frequenz des Laserlichts exakt zur Energiedifferenz der beiden Zustände passt. Das Problem gleicht damit der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, bringt es Peik auf den Punkt.
2016 berichteten seine Kooperationspartner an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München in Nature über einen ersten Durchbruch: Sie konnten erstmals den Kernübergang innerhalb des Thorium-229-Kerns nachweisen, aber die verwendeten Methoden unterschieden sich noch deutlich von denen, wie sie für eine Atomuhr gebraucht werden.
Jetzt hat die Forschungskooperation, zu der neben PTB- und LMU-Wissenschaftlern auch Kollegen der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, des Helmholtz-Instituts Mainz und des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung Darmstadt gehören, einen entscheidenden weiteren Schritt getan: Erstmals konnten grundlegende Eigenschaften wie Größe und Form der Ladungsverteilung im angeregten Zustand des Th-229-Kerns gemessen werden. Dafür wurden die Th-229-Kerne nicht, wie zukünftig in der Uhr, vom Grundzustand aus angeregt, sondern in einer von der LMU entwickelten Apparatur im angeregten Zustand aus dem Alpha-Zerfall von Uran-233 gewonnen, abgebremst und in einer Ionenfalle als Th2+-Ionen gespeichert. Eine hierfür geeignete Uran-233 Quelle wurde von den Gruppen in Mainz und Darmstadt bereitgestellt.
Mit Lasersystemen, die für die Spektroskopie dieser Ionen an der PTB entwickelt wurden, konnten Übergangsfrequenzen in der Elektronenhülle präzise gemessen werden. Da diese Frequenzen von den Kerneigenschaften direkt beeinflusst werden, lassen sich daraus die Informationen über Eigenschaften des Kerns erhalten. Theoretische Modelle alleine waren bisher nicht in der Lage vorherzusagen, wie sich die Struktur des Th-229-Kerns bei diesem ungewöhnlich niederenergetischen Übergang verhält. Außerdem kann nun die spektroskopisch leichter messbare Struktur der Elektronenhülle genutzt werden, um eine Laseranregung des Kerns nachzuweisen.
Die Suche nach der optischen Resonanzfrequenz des Th-229-Kerns als der Nadel im Heuhaufen ist damit noch nicht abgeschlossen – aber man weiß nun viel genauer, wie die versteckte Nadel eigentlich aussieht, und ist damit der optischen Kernuhr einen guten Schritt nähergekommen.