Adiabatische Erreichbarkeit

Adiabatische Erreichbarkeit

Version vom 21. Juni 2021, 14:12 Uhr von imported>Qcomp (unnötige Duplizierung; der fehlende Urheberrrechts*vermerk* im archive.oirg macht den Artikel dort nicht gemeinfrei; wenn tu-ilmenau nicht mehr zugänglich wäre, würde man das archive als backup verwenden)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Adiabatische Erreichbarkeit bezeichnet eine Relation zwischen verschiedenen Zuständen eines thermodynamischen Systems. Der von Constantin Carathéodory[1] im Jahr 1909 geprägte Begriff „adiabatic accessibility“ wurde 1999 von Elliott Lieb und Jakob Yngvason im Rahmen ihrer axiomatischen Grundlegung der Thermodynamik[2] aufgegriffen.[3] Mit Hilfe des Konzepts der adiabatischen Erreichbarkeit lässt sich die Entropie definieren, ohne die Konzepte der „Wärme“ oder der „Temperatur“ zu Hilfe zu nehmen und ohne Informationen über die mikroskopische Struktur der Materie zu nutzen.

Einen Zustand Y eines thermodynamischen Systems bezeichnet man ausgehend vom Zustand X desselben Systems als adiabatisch erreichbar, wenn es möglich ist, das System unter Zuhilfenahme einer „Apparatur“ und eines Gewichts im Rahmen eines Prozesses aus dem Zustand X in den Zustand Y zu überführen, wobei die Apparatur am Ende des Prozesses in den Zustand zurückkehrt, den sie zu Beginn des Prozesses hatte. Das Gewicht darf dabei seine Lage im Schwerefeld geändert haben.

Wenn beispielsweise das System eine bestimmte Wassermenge ist, im Zustand X das Wasser in Gestalt von Schnee und im Zustand Y in flüssiger Form vorliegt, so ist Y von X aus adiabatisch erreichbar. Man schreibt dann $ X\prec Y $, gesprochen „X liegt vor Y“. Beispielsweise kann ein an einem Faden befindliches Gewicht über eine Rolle, von der sich der Faden abwickelt, einen mechanischen Rührer antreiben, der den Schnee zum Schmelzen bringt. Umgekehrt ist X von Y aus nicht adiabatisch erreichbar, was zusammengefasst mit der Schreibweise $ X\prec \prec Y $ („X liegt echt vor Y“) zum Ausdruck gebracht wird.

Zwei Zustände, die wechselseitig adiabatisch erreichbar sind, heißen adiabatisch äquivalent.

Die Entropie wird dann im Rahmen der Lieb-Yngvason-Theorie als Funktion des Systemzustandes derart definiert, dass

  1. die Entropie zweier Zustände genau dann gleich ist, wenn diese adiabatisch äquivalent sind;
  2. die Entropie von Zustand X genau dann kleiner als die von Zustand Y ist, wenn Y von X aus adiabatisch erreichbar ist, nicht aber umgekehrt.

Literatur

  • Elliott H. Lieb (editors: B. Nachtergaele, J.P. Solovej, J. Yngvason): Statistical Mechanics: Selecta of Elliott H. Lieb. 2005, ISBN 978-3-540-22297-2
  • André Thess: Das Entropieprinzip - Thermodynamik für Unzufriedene. Oldenbourg-Verlag, 2007, ISBN 978-3-486-58428-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Constantin Carathéodory: Untersuchungen über die Grundlagen der Thermodynamik, Math. Ann., 67:355–386, 1909.
  2. Elliott H. Lieb, Jakob Yngvason: The Physics and Mathematics of the Second Law of Thermodynamics. In: Phys. Rep., 310, 1999, S. 1-96 arxiv:cond-mat/9708200.
  3. Zur früheren Verwendung des Begriffes siehe W. Muschik: Aspects of Non-Equilibrium Thermodynamics: Six Lectures on Fundamentals and Methods. 1990. Wassim M. Haddad, VijaySekhar Chellaboina und Sergey G. Nersesov verweisen in Thermodynamics: A Dynamical Systems Approach (2005) auf Constantin Carathéodory als einer der Begründer der axiomatischen Thermodynamik. Carathéodorys 1909 erschienene Veröffentlichung (Erste axiomatisch strenge Begründung der Thermodynamik) fand große Beachtung durch Max Planck und Max Born.