Physiker der TU Dortmund legt neue Grundlagen für die Weiterentwicklung von Strahlungsquellen

Physiker der TU Dortmund legt neue Grundlagen für die Weiterentwicklung von Strahlungsquellen



Physik-News vom 19.02.2019

Die Forschungsergebnisse des Teams um JProf. Wolfram Helml von der Fakultät Physik der TU Dortmund könnten in Zukunft dazu beitragen, die Anwendung der Strahlenphysik im medizinischen Bereich effizienter und kostengünstiger zu machen. Mit dem Experiment zur „Erzeugung doppelenergetischer Elektronenstrahlen“ haben die Forscher es geschafft, Elektronenstrahlung besser zu kontrollieren. Ihre Arbeit wurde nun im renommierten Magazin Natur Photonics veröffentlicht.

Die Ergebnisse des Forschungsteams rund um JProf. Wolfram Helml und Dr. Andreas Döpp von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der das Projekt leitete, bilden eine wichtige Grundlage für weitere Forschungen. Bisherige Experimente können durch die neu gewonnene präzise zeitliche Kontrollierbarkeit verfeinert werden.

JProf. Wolfram Helml.

„Stellen Sie sich einen Sprung mit Drehung beim Eiskunstlauf vor – der dauert drei Sekunden und dabei passieren unendlich viele Dinge. Durch eine extrem ‚schnelle Belichtungszeit‘ bekommen wir extrem viele und präzise Momentaufnahmen von diesem Sprung und dadurch ist es uns möglich, ganz fundamentale Vorgänge zu sehen“, fasst JProf. Helml zusammen.

„Auf unser Experiment übertragen bedeutet das, dass wir letztendlich darauf abzielen, besser verstehen zu können, wie organische und chemische Prozesse funktionieren. Weitere Experimente können dann genauer untersuchen, wie beispielsweise selektiv kranke Zellen zerstört werden können.“

Solche „Momentaufnahmen“ können mit Hilfe von Elektronenstrahlung gemacht werden, die in Teilchenbeschleunigern erzeugt wird. An der Dortmunder Elektronenspeicherringanlage (DELTA) der TU Dortmund, dem weltweit einzigen Teilchenbeschleuniger an einer Universität, werden Elektronen fast auf Lichtgeschwindigkeit gebracht. Wenn dieser hochenergetische Elektronenstrahl mit Hilfe von Magneten von seiner geraden Bahn abgelenkt wird, geben die Elektronen Energie in Form von Photonen – oder Lichtteilchen – ab.

Diese Lichtabstrahlung ist beispielsweise für die Aufnahme von Röntgenbildern nutzbar. Teilchenbeschleuniger wie DELTA in Dortmund oder der lineare Beschleuniger im Stanford Linear Acceleration Center (SLAC) in Kalifornien sind wegen ihrer Größe jedoch nicht praktikabel für die medizinische Alltagsanwendung. Der lineare Beschleuniger SLAC misst mehr als 3.000 Meter und der DELTA-Ring kommt auf 115,2 Meter Umfang. Seit mehr als zehn Jahren arbeiten Forscherinnen und Forscher daran, das Prinzip der Teilchenbeschleuniger auf eine kompaktere Größe zu bringen. Sie versprechen sich davon, dass die von den beschleunigten Elektronen erzeugte Strahlung z.B. zur Früherkennung von Krebs verwendet werden kann.

Unter der Leitung von Dr. Andreas Döpp haben die Forscher mit ihrem Experiment, das in der aktuellen Ausgabe von Nature Photonics vorgestellt wird, eine neue Grundlage dafür geschaffen. Sie untersuchten den Vorgang der Elektronenbeschleunigung mit einem hochintensiven optischen Laser in einem Gas. Für den experimentellen Aufbau nutzt das Expertenteam eine neuartige Version des kompakten „Kielfeld-Beschleunigers“ (engl. wakefield accelerator).

Hierbei wird ein ultraintensiver Laserimpuls verwendet, um ein Gas zu ionisieren und die erzeugten Elektronen in einer Art Plasmablase hinter sich einzufangen. Wie im Kielwasser eines Schnellboots „surfen“ die Elektronen auf der entstehenden Plasmawelle hinter dem Laserimpuls und erreichen innerhalb weniger Millimeter annähernd Lichtgeschwindigkeit. Konventionelle Beschleuniger benötigen hierzu viele Meter. Die beschleunigten Elektronen können nun – wie oben beschrieben – Energie in Form von Licht freisetzen. Diese Strahlung kann allerdings in ihrer Farbe oder Frequenz variieren: Sie kann zum Beispiel kurz- oder langwellig sein, Röntgen- oder Terahertzstrahlung. Die Frequenz hängt von der Bewegungsenergie der Elektronen ab, die wiederum vom Laserimpuls erzeugt wird. Für unterschiedliche Anwendungen sind ganz bestimmte Frequenzen gewünscht. Darum ist es notwendig, diese genau einzustellen und eventuell auch variieren zu können.

Hier setzt das Experiment von Helml und Döpp an: Da für Experimente zur Messung von schnellen Vorgängen üblicherweise zwei Pulse – ein Anregungs- und ein Kontrollimpuls – gesetzt werden, generieren die Forscher nun durch den neuartigen Aufbau mit nur einem Laserimpuls zwei unterschiedliche Elektronenenergien und damit auch zwei Strahlungsfrequenzen. Auf diese Weise können zeitliche Ungenauigkeiten und Ungewissheiten über die Frequenzen kontrolliert werden. Damit haben die Forscher neue Möglichkeiten zur selektiven Erforschung von molekularen Reaktionen eröffnet. Weitere Experimente dazu, was mit dieser neuen Grundlage möglich ist, stehen noch aus. Die neue Fähigkeit, verschiedene Strahlungsfrequenzen gleichzeitig kontrolliert zu erzeugen und die Abgabe der Photonen zeitlich einzustellen, kann die Forschung zur Strahlenphysik darin unterstützen, den Weg in die medizinische Anwendung zu finden. „Wir leisten unseren Beitrag mit diesem Schritt, der hoffentlich irgendwann zur erfolgreichen Behandlung und vor allem Früherkennung von Tumoren führt“, sagt JProf. Helml.

JProf. Wolfram Helml studierte Physik an der Universität Wien und schrieb seine Diplomarbeit in theoretischer Teilchenphysik. Für die Dissertation wechselte er zur experimentellen physikalischen Forschung ans Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei München, wo er 2012 mit Auszeichnung promovierte. Mit einem Marie-Curie-Stipendium der EU ging Helml anschließend für knapp zwei Jahre an den Stanford Linear Accelerator in Kalifornien, USA, und kehrte danach an die Technische Universität München zurück. Zuletzt leitete er das Teilprojekt „Laser-driven Undulator X-ray source“ im Centre for Advanced Laser Applications an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 2018 ist er Juniorprofessor für Beschleunigerphysik an der Fakultät Physik der TU Dortmund.


Diese Newsmeldung wurde via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

Mehr zu den Themen






warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte

warte