Nanophysik: Wo die Löcher im Flickenteppich herkommen

Nanophysik: Wo die Löcher im Flickenteppich herkommen



Physik-News vom 04.05.2023

Patchwork mit Anwendungspotenzial: Setzt man extrem dünne Halbleiternanoschichten aus Flächen zusammen, die aus unterschiedlichen Materialien bestehen, so finden sich darin Quasiteilchen mit vielversprechenden Eigenschaften für eine technische Nutzung. Das zeigt ein internationales Team aus der Physik unter Marburger Leitung, indem es theoretische Untersuchungen mit Messdaten vergleicht.

Elektronische Geräte zeigen schon lange eine Tendenz zur Miniaturisierung. Die Industrie verwendet immer kleinere Bauteile, um mehr und mehr Leistung auf möglichst kleinem Raum unterzubringen. „Dieser Trend kommt mittlerweile an fundamentale, physikalische Grenzen der angewandten Materialien“, erklärt der Physiker Professor Dr. Ermin Malic von der Philipps-Universität Marburg, einer der Leitautoren der aktuellen Publikation.


In einer lateralen Heterostruktur überspannt ein Elektron-Loch-Paar die Grenze zwischen den zusammengefügten TMD-Halbleiterflächen.

Publikation:


Rosati, R., Paradisanos, I., Huang, L. et al.
Interface engineering of charge-transfer excitons in 2D lateral heterostructures
Nat Commun 14, 2438 (2023)

DOI: 10.1038/s41467-023-37889-9



„Die neue Materialklasse der atomar dünnen Nanoschichten könnte hier die technologische Entwicklung vorantreiben“, sagt der Hochschullehrer. Im Fokus von Malics Forschung steht insbesondere ein spezielles neuartiges Halbleiternanomaterial, nämlich Übergangsmetall-Dichalkogenid-Monolagen, kurz TMD (nach der englischen Bezeichnung transition metal dichalcogenide). Dabei handelt es sich um hauchdünne Kristalle, die aus einer einzigen atomaren Schicht bestehen. „Sie besitzen eine Reihe von außerordentlichen Eigenschaften, die sie zu vielversprechenden Kandidaten für ultradünne, biegsame und durchsichtige Geräte machen“, führt Malics Mitarbeiter Dr. Roberto Rosati aus, ein weiterer Leitautor.

In ultradünnen TMDs können elektrische Ladungen erzeugt werden, die als Paare aus je einem Elektron und einem Loch vorliegen, an dem ein Elektron fehlt. Fachleute bezeichnen ein solches Elektron-Loch-Paar als Exziton. „Die faszinierende Exziton-Physik wird noch spannender, wenn man die atomar dünnen TMD-Halbleiter stapelt“, erklärt Malic. Die Wissenschaft spricht bei Halbleitermaterialien, die aus zwei Schichten bestehen, von Heterostrukturen.

In Heterostrukturen kommt es zu räumlich getrennten Exzitonen, bei denen Elektron und Leerstelle in verschiedenen Schichten liegen und damit räumlich getrennt sind. Da der Bildung dieser Exzitonen ein Ladungsübergang von einer Schicht zur anderen vorausgeht, heißen sie auch Ladungstransfer-Exzitonen. Im Verhalten dieser Quasiteilchen spiegeln sich die Eigenschaften der Grenzfläche wider. Der Sonderforschungsbereich 1083 der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu „Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen“ an der Philipps-Universität Marburg bietet beste Bedingungen, um dergleichen zu untersuchen.

Bislang hat sich die Forschung auf vertikale Heterostrukturen konzentriert, die durch das Aufeinanderstapeln von Einzellagen entstehen. Malics jüngste Studie widmet sich hingegen einlagigen TMD-Halbleiterschichten, die zu größeren Flächen zusammengesetzt sind wie Flicken zu einer Patchworkdecke. Hierzu tat sich die Theoriegruppe um Malic mit experimentellen Arbeitsgruppen, unter anderem aus Darmstadt und Jena zusammen.

„Unsere mikroskopische und materialspezifische Theorie offenbart die physikalischen Prozesse, die der Bildung von Ladungstransfer-Exzitonen zugrunde liegen“, berichtet Malic. „Die Analyse zeigt außerdem, wie ihr Verhalten durch geeignete Bedingungen beeinflusst und dadurch für technologische Anwendungen optimiert werden kann.“

Experimentelle Messungen bestätigen die theoretischen Vorhersagen. „Unsere Studie stellt das Verständnis der Eigenschaften dieser technologisch vielversprechenden Materialien auf eine neue Basis“, fasst Malic zusammen.



Diese Newsmeldung wurde mit Material der Philipps-Universität Marburg via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.






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