Künstliche Intelligenz lernt Quantenteilchen zu kontrollieren

Künstliche Intelligenz lernt Quantenteilchen zu kontrollieren

Physik-News vom 08.05.2023
 

In der Quantenforschung braucht man maßgeschneiderte elektromagnetische Felder, um Teilchen präzise zu kontrollieren - An der TU Wien zeigte man: maschinelles Lernen lässt sich dafür hervorragend nutzen.

Mit elektromagnetischen Feldern lassen sich winzige Teilchen manipulieren: Man kann sie einfangen, festhalten, oder an einen bestimmten Ort bewegen. Welche Form diese elektromagnetischen Felder aber genau haben sollen, und wie man sie während des Experiments dann konkret steuern muss, ist schwer herauszufinden. Oft sind dafür langwierige Versuchsreihen mit zahlreichen Messungen notwendig.


Symbolbild.

Publikation:


M. Calzavara et al.
Optimizing Optical Potentials With Physics-Inspired Learning Algorithms
Phys. Rev. Applied 19, 044090 (2023)

DOI: 10.1103/PhysRevApplied.19.044090



An der TU Wien konnte man nun aber zeigen, dass sich diese Aufgabe mit Hilfe von lernenden Algorithmen viel schneller erledigen lässt als bisher – und zwar mit derselben Präzision. Dafür entwickelte ein Team der TU Wien zusammen mit Kollegen vom FZ Jülich ein maßgeschneidertes neuronales Netz, das genau für diese Anwendung eine möglichst schnelle Lernkurve hat. Das Resultat wurde im Fachjournal „Physical Review Applied“ publiziert und soll nun in ganz unterschiedlichen Quanten-Experimenten zum Einsatz kommen.


Für dieses Projekt brauchte es eine enge Zusammenarbeit von theoretischer Physik und Experimentalphysik. Die zwei Erstautoren Yevhenii Kuriatnikov (TU Wien; 2. v. R.) und Martino Calzavara (FZ Jülich; 1.v.L) besprechen letzte Details des Setups.

Magnetfelder und Licht

„Um Quantenteilchen zu kontrollieren, verwenden wir eine Kombination aus mehreren elektromagnetischen Feldern“, sagt Maximilian Prüfer, Postdoktorand in der Gruppe von Jörg Schmiedmayer am Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ), Atominstitut, TU Wien. „Durch winzige Strukturen wird elektrischer Strom geschickt, dadurch entsteht ein Magnetfeld. Zusätzlich verwenden wir Lichtstrahlen, die durch Linsen, Spiegel und Filter gezielt manipuliert werden können.“

Ähnlich wie der Strahl eines Beamers, der ein Bild auf eine Leinwand projiziert, ist der Lichtstrahl an manchen Stellen heller und an manchen dunkler. Die Form des Lichtstrahls bestimmt, welche Kräfte die Teilchen an welcher Stelle spüren. Indem man die Intensitätsverteilung des Lichts anpasst, kann man die Teilchen gezielt beeinflussen.

„Prinzipiell gibt es zwei unterschiedliche Methoden, dieses Lichtfeld zu steuern“, erklärt Maximilian Prüfer. „Man kann vorab berechnen, welche Form das Feld haben muss – das gelingt aber nur dann, wenn man alle Details des Experiments, inklusive aller Störeffekte, wirklich ganz genau kennt. Das Ergebnis kann immer nur höchstens so präzise sein, wie das Rechenmodell, das man verwendet.“

Die Alternative dazu sind sogenannte iterative Steuerungsalgorithmen: Sie können das Lichtfeld sukzessive verbessern, indem man nach jedem Änderungsschritt ein neues Experiment durchführt und aus dem Ergebnis abliest, auf welche Weise man im nächsten Schritt das Lichtfeld weiterverbessern muss, um dem Ziel möglichst nahe zu kommen. Ein detailliertes Verständnis der zugrundeliegenden Effekte ist dabei gar nicht nötig.

„Solche Algorithmen sind im Prinzip nur durch die experimentelle Messgenauigkeit beschränkt. Diese wunderbare Eigenschaft hat jedoch einen Preis: jeder Verbesserungsschritt benötigt einen eigenen Versuch am Experiment.“ erklärt Andreas Deutschmann-Olek, welcher als Postdoktorand im Team von Prof. Andreas Kugi vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik an der Arbeit beteiligt ist. Die notwendigen Messungen solcher Versuchsreihen können Wochen dauern, und eine geringfügige Änderung am gewünschten Lichtfeld bedeutet, dass man von vorne beginnen muss. Durch eine digitale Kopie des Experiments auf Basis aller bisherigen Versuchsdaten könnte die Anzahl der benötigten Messungen jedoch dramatisch reduziert werden.

Ein neuronales Netz, maßgeschneidert für Teilchenphysik

Genau für diese Aufgabe wurde nun künstliche Intelligenz (AI) eingesetzt. „Wichtig war es, unser Wissen über die physikalischen Eigenschaften des Systems zu nutzen, und von vornherein in die künstliche Intelligenz einzubauen“, erklärt Maximilian Prüfer. „Wir haben ein neuronales Netz entwickelt, dessen Struktur genau an die physikalische Aufgabe angepasst ist, die es hier zu lösen gilt. Wir nennen das ein Physik-inspiriertes neuronales Netz. Erst damit war es möglich, bei experimentell handhabbaren Datenmengen hervorragende Prognosen durch das neuronale Netz zu erhalten.“ Das neuronale Netz wurde in enger Zusammenarbeit mit Forschern von FZ Jülich um Tomaso Calarco entwickelt.

Die Strategie war erfolgreich: Mit einer Kamera wird gemessen, wo sich die Teilchen befinden, und mit diesen Bildern wird das neuronale Netz trainiert. Im Lauf der Zeit lernt es dadurch, welche Änderungen am Experiment sich auf welche Weise auf die Quantenteilchen auswirken – und zwar ohne die physikalischen Formeln, die diesen Zusammenhang beschreiben, einprogrammiert zu haben. Die künstliche Intelligenz entwickelt in gewissem Sinn eine Art „Verständnis“ des Systems.

Die künstliche Intelligenz imitiert das Experiment

„Wir konnten zeigen: Die künstliche Intelligenz lernt tatsächlich, das Verhalten des physikalischen Systems korrekt zu imitieren“, sagt Maximilian Prüfer. Somit können die Algorithmen blitzschnell ausprobieren, wie sich verschiedene Änderungen am Experiment in der aktuellen Situation auswirken, ohne dass dafür lange, aufwendige experimentelle Versuchsreihen nötig wären. „Die gesammelte Information aus vergangenen Versuchen wird im neuronalen Netz strukturiert abgelegt und kann so auf neue Situationen übertragen werden“, ergänzt Andreas Deutschmann-Olek.

Wo man früher vielleicht hundert Experimente gebraucht hätte, bis man die richtigen Einstellungen gefunden hat, reicht heute ein kleiner Bruchteil davon. Ähnlich wie ein Mensch vielleicht nur ein paar gezeichnete Linien sehen muss, um zu erkennen, welches Tier hier abgebildet ist, braucht auch die künstliche Intelligenz, wenn sie gut trainiert ist, nur ein relativ geringes Maß an Information, um recht genau zu wissen, wie das Experiment gesteuert werden muss. Nur wenn besonders hohe Präzision benötigt wird oder bei besonders ungewöhnlichen Gegebenheiten muss das „echte“ Experiment anstelle des neuronalen Netzes befragt werden.

Damit kann man nun eine Vielzahl von Experimenten durchführen, die bisher nur mit viel größerem Aufwand oder gar nicht möglich gewesen wären. "Der Einsatz von maschinellem Lernen in der quantenphysikalischen Forschung ist gerade groß im Kommen“, meint Maximilian Prüfer. „Wir hoffen, dass unsere Arbeit auch Einsichten liefert wie ein physikalisches Verständnis zusammen mit den weit entwickelten AI Methoden Experimente verbessern kann.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Technischen Universität Wien via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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