Informationen schneller fließen lassen – mit Licht statt Strom

Informationen schneller fließen lassen – mit Licht statt Strom


Entweder 1 oder 0: Entweder es fließt Strom oder eben nicht, in der Elektronik wird bisher alles über das Binärsystem gesteuert. Elektronen generieren so schon ziemlich schnell und gut Informationen, leiten diese weiter und übernehmen diverse Schaltfunktionen. Doch es geht noch schneller. Das haben Paul Herrmann und Sebastian Klimmer von der Universität Jena bewiesen. Die beiden Doktoranden haben dazu mit monokristallinen 2D-Materialien und Laserlicht experimentiert. Sie haben die bekannte physikalische Methode der Frequenzverdopplung von Licht mit einer besonderen Materialeigenschaft, der Valleypolarisation, kombiniert und dabei erstaunliche Ergebnisse erzielt

Nach ihrem Lieblingsspielzeug aus Kindertagen befragt, müssen Paul Herrmann und Sebastian Klimmer nicht lange überlegen. Einmütig antworten sie: der Lego-Baukasten. Das Beste daran sei gewesen, dass es so viele Kombinationsmöglichkeiten gab, erklären beide übereinstimmend. Ihre Begeisterung für Baukästen haben sich die jungen Physiker bis heute bewahrt – allerdings beschäftigen sie sich für ihre Promotion seit geraumer Zeit mit einem Baukasten von ganz anderem Format: mit sogenannten 2D-Materialien, die sie in atomare Schichten zerlegen, um sie dann mit „Valleytronik“ zu manipulieren.


Die Doktoranden Paul Herrmann (l.) und Sebastian Klimmer experimentieren an einem Laser-Versuchsaufbau an der Universität Jena.

Publikation:


Paul Herrmann, Sebastian Klimmer, Thomas Lettau, Mohammad Monfared, Isabelle Staude, Ioannis Paradisanos, Ulf Peschel, Giancarlo Soavi:
Nonlinear All-Optical Coherent Generation and Read-Out of Valleys in Atomically Thin Semiconductors
small (2023)

DOI: 10.1002/smll.202301126



Paul Herrmann und Sebastian Klimmer forschen dazu am Institut für Festkörperphysik der Jenaer Universität in der Arbeitsgruppe „Ultraschnelle optische Spektroskopie“ von Juniorprofessor Dr. Giancarlo Soavi. Deren Ziel ist es, neue Materialien und technische Möglichkeiten zu finden, die helfen, die Informationsverarbeitung und Weiterleitung mit moderner Elektronik um Größenordnungen schneller zu machen.

Dafür nutzen sie Licht als Werkzeug – ein großes Thema nicht nur der Physik an der Jenaer Universität – und den High-Tech-Baukasten der 2D-Materialien. „Diese Materialien, die aus nur einer Lage von Atomen bestehen, verfügen über herausragende optische Eigenschaften, die sie so interessant für die Forschung machen“, erklärt Paul Herrmann, der seit einem Jahr zur Arbeitsgruppe von Giancarlo Soavi gehört. „2004 gelang es den Nobelpreisträgern Geim und Novoselov erstmals, zweidimensionale Lagen aus Kohlenstoffatomen, das Graphen, herzustellen. Seitdem wurden von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt viele weitere 2D-Materialien entdeckt“, ergänzt Sebastian Klimmer. „Theoretische Modelle sagen zudem voraus, dass es ungefähr 1.800 von ihnen geben soll. Das ist praktisch unser moderner Lego-Kasten, dessen Bausteine uns unendliche Kombinationsmöglichkeiten bieten.“

Mit Licht lokale Extrema abwechselnd manipulieren

Die beiden Jenaer Physiker haben sich aus diesem Baukasten das Wolframdiselenid ausgesucht, das zur Gruppe der Übergangsmetalldichalkogenide gehört. „Dieses spezielle Halbleitermaterial hat lokale Extrema in seiner elektronischen Bandstruktur, sogenannte Valleys, welche wir mit Licht manipulieren können“, erklärt Paul Herrmann die Wahl.

Mit diesen Materialien arbeiten die jungen Forscher im Labor erfolgreich. „Wir beschießen das Material mit einem zirkular polarisierten Laser. Das kann in zwei unterschiedlichen Richtungen geschehen, so dass wir damit bestimmen können, in welchem Valley wir Elektronen anregen“, erklärt Herrmann. „Dieses Phänomen der Valleypolarisation – also der Zustand, in dem ein Valley mehr angeregt wird als das andere – kann man wiederum ausnutzen, um darin Informationen zu codieren, zu manipulieren und wieder auszulesen“, führt Klimmer aus.

Gleichzeitig machen sich die Forscher den seit den 1960er Jahren bekannten Effekt der „Second-harmonic Generation“, also der Frequenzverdopplung von Licht, zunutze. „Wir verwenden einen Infrarotlaser bei einer Wellenlänge von 1.500 Nanometern. Damit können wir die Frequenzverdopplung in Wolframdiselenid mit zwei Photonen resonant betreiben und somit die induzierte Valleypolarisation noch verstärken“, beschreibt Herrmann den komplizierten Prozess. „Weiterhin erlaubt uns die Verwendung der Frequenzverdopplung eine deutlich einfachere Trennung des Anregungslichtes und dem für uns interessanten Signal, welches sich entsprechend bei 750 Nanometern, der halben Wellenlänge beziehungsweise der doppelten Frequenz befindet“, ergänzt Klimmer.

Mit Licht wird Elektronik 1.000 Mal schneller

„Bisher wird in der Elektronik das Binärsystem genutzt, zur Informationsübertragung wird Strom an- oder abgeschaltet. Ein Transistor schafft so etwa eine Milliarde Berechnungen pro Sekunde. Indem wir die Elektronik mit Licht statt Strom schalten, lässt sich das auf eine Billion Berechnungen pro Sekunde steigern. Das heißt, wir sind mit unserem System 1.000 Mal schneller als die herkömmliche Elektronik“, fasst Paul Herrmann die Jenaer Forschungsergebnisse zusammen. Das mache die Lösung perspektivisch interessant für viele Bereiche der Optoelektronik und Technik.

Über ihre Forschungsarbeit zur „Nichtlinearen optischen kohärenten Erzeugung und Auslesen von Valleys in atomar dünnen Halbleitern“ berichten Herrmann und Klimmer in einem neuen Paper in der Fachzeitschrift „Small“, das bereits online geschaltet ist. Was diese Jenaer Arbeit originär macht, ist die Kombination der Methode der resonanten Zwei-Photonen-Frequenzverdopplung und der Valleypolarisation.

Forschungsfeld der 2D-Materialien boomt an der Universität Jena

Bis die neuen Erkenntnisse zu den 2D-Materialien und technischen Lösungen der Jenaer in größerem Maßstab eingesetzt werden können, werde es noch einige Jahre dauern, vermuten Sebastian Klimmer und Paul Herrmann. Man sei ja hier mit Grundlagenforschung beschäftigt. Doch sind nicht nur die beiden Mittzwanziger von den Chancen der neuen High-Tech-Materialien überzeugt. Am Institut für Festkörperphysik der Uni Jena beschäftigen sich in der Arbeitsgruppe von Professor Giancarlo Soavi aktuell rund 15 Physiker und Physikerinnen mit 2D-Materialien. Außerdem sind sie eingebunden in die Arbeit des Sonderforschungsbereichs SFB 1375 „NOA - Nichtlineare Optik bis in den Atombereich", der im Juli 2019 an der Friedrich-Schiller-Universität eingerichtet und gerade verlängert wurde. Das Institut für Festkörpertheorie und Optik sei ebenso Kooperationspartner gewesen wie das Graduiertenkolleg „Maßgeschneiderte Metaoberflächen – Erzeugung, Programmierung und Detektion von Licht“, in dem Klimmer mitarbeitet. Darüber hinaus spielen 2D-Materalien auch in etlichen anderen Instituten der Friedrich-Schiller-Universität Jena eine wichtige Rolle.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Friedrich-Schiller-Universität Jena via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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