Heißer als unendlich heiß – Lichtpulse können sich wie ein exotisches Gas verhalten

Heißer als unendlich heiß – Lichtpulse können sich wie ein exotisches Gas verhalten



Physik-News vom 10.03.2023

In der heutigen Gesellschaft werden täglich riesige Mengen von Daten übertragen – meist in Form optischer Pulse, die durch Glasfasern geleitet werden. Mit der stetig steigenden Dichte solcher optischen Signale wächst deren Wechselwirkung, was zu Datenverlust führen kann. Physikerinnen und Physiker erforschen, wie sich optische Pulse möglichst exakt kontrollieren lassen, um den Effekt solcher Wechselwirkungen zu minimieren.

Dazu haben sie sich ein Ensemble optischer Pulse während seiner Ausbreitung durch eine Glasfaser genauer angesehen und festgestellt, dass dieses festen Regeln folgt – allerdings vor allem denen der Thermodynamik. Ein Team um Prof. Dr. Ulf Peschel von der Uni Jena berichtet von Messungen an optischen Signalfolgen, die tausende Kilometer durch nur wenige Mikrometer dünne Glasfasern zurücklegen.


Studienleiter Prof. Dr. Ulf Peschel und sein Team berichten im Magazin "Science", dass die Ausbreitung optischer Pulse durch eine Glasfaser den Regeln der Thermodynamik folgt.

Publikation:


A. L. Marques Muniz, F. O. Wu, P. S. Jung, M. Khajavikhan, D. N. Christodoulides, U. Peschel
Observation of photon-photon thermodynamic processes under negative optical temperature conditions
Science (2023)

DOI: 10.1126/science.ade6523



Das Ergebnis hat die Forschenden überrascht. „Wir haben festgestellt, dass sich die Lichtpulse schon nach etwa hundert Kilometern organisieren und sich dann wie Moleküle in einem gewöhnlichen Gas, wie zum Beispiel Luft, verhalten“, berichtet Prof. Ulf Peschel, der Leiter der Gruppe in Jena. In einem Gas bewegen sich die Teilchen unterschiedlich schnell hin und her. Trotzdem besitzen sie eine mittlere Geschwindigkeit, die durch ihre Temperatur bestimmt wird. Lichtpulse rasen zwar mit einer mittleren Geschwindigkeit von etwa 200.000 Kilometern pro Sekunde vorwärts durch die Glasfaser, sind aber trotzdem nicht alle gleich schnell. „Die statistische Verteilung ihrer Geschwindigkeiten entspricht dabei genau der eines normalen Gases mit einer bestimmten Temperatur“, so Peschel.


Doktorandin am Versuchsaufbau, an dem die Experimente durchgeführt wurden.

Wie die Forschenden nun erstmalig nachgewiesen haben, kann man dieses Photonengas zum Beispiel durch sogenannte adiabatische Expansion abkühlen. Dabei werden wie in einem echten Gas die Geschwindigkeitsunterschiede der Teilchen kleiner und die Ordnung in der Signalfolge nimmt automatisch zu. Wird der absolute Temperaturnullpunkt von 0 Kelvin erreicht, bewegen sich alle Pulse mit exakt gleicher Geschwindigkeit.

Auch der umgekehrte Prozess ist möglich. „Bei einer Erhitzung des optischen Gases nehmen die Geschwindigkeitsunterschiede zu“, erläutert Peschel. Kommen alle Pulsgeschwindigkeiten gleich oft vor, ist die Unordnung maximal und die Temperatur unendlich – ein Zustand, der in realen Gasen nicht erreicht werden kann, da er unendlich viel Energie erfordern würde. „Im Gegensatz dazu lässt sich durch eine periodische Modulation des Brechungsindexes der Bereich möglicher Ausbreitungsgeschwindigkeiten optischer Pulse in der Glasfaser beschränken. So können alle verfügbaren Geschwindigkeiten gleich besetzt und Photonengase unendlicher Temperatur präpariert werden. Wird noch mehr Energie zugeführt, werden Zustände hoher Geschwindigkeit präferiert – das Photonengas wird heißer als unendlich heiß.

„Für diesen bislang für Licht nur theoretisch beschriebenen Zustand wird mathematisch eine Temperatur unterhalb des absoluten Nullpunktes angenommen“, sagt Peschel. Er und seine Kolleginnen und Kollegen konnten nun ein solches optisches Gas mit negativer Temperatur erzeugen und zum ersten Mal demonstrieren, dass dieses konventionellen thermodynamischen Gesetzen folgt. „Unsere Resultate tragen dazu bei, das kollektive Verhalten großer Ensembles optischer Signale besser zu verstehen. Berücksichtigt man die Thermodynamik, kann man die optische Datenübertragung zuverlässiger und robuster machen, zum Beispiel, indem man Pulsverteilungen so strukturiert, dass sie thermodynamischen Verteilungen besser entsprechen.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Friedrich-Schiller-Universität Jena via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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