Niels Bohr: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Niels Henrik David Bohr''' (* [[7. Oktober]] [[1885]] in [[Kopenhagen]]; † [[18. November]] [[1962]] ebenda) war ein [[Dänemark|dänischer]] [[Physiker]]. Er erhielt 1921 die [[Hughes-Medaille]] der [[Royal Society]]<ref>{{Internetquelle | url=http://royalsociety.org/awards/hughes-medal/ | titel=Hughes Medal | hrsg=The Royal Society | zugriff=2012-02-02 | sprache=en}}</ref> und den [[Nobelpreis für Physik]] im Jahr 1922 „für seine Verdienste um die Erforschung der Struktur der Atome und der von ihnen ausgehenden Strahlung“.<ref>{{Internetquelle | url=http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/1922/ | titel=The Nobel Prize in Physics 1922 | hrsg=The Nobel Foundation | werk=The Official Website of the Nobel Prize | zugriff=2012-02-02 | sprache=en}}</ref>
'''Niels Henrik David Bohr''' (* [[7. Oktober]] [[1885]] in [[Kopenhagen]]; † [[18. November]] [[1962]] ebenda) war ein [[Dänemark|dänischer]] [[Physiker]]. Er erhielt 1921 die [[Hughes-Medaille]] der [[Royal Society]]<ref>{{Internetquelle |url=http://royalsociety.org/awards/hughes-medal/ |titel=Hughes Medal |werk=RoyalSociety.org |abruf=2021-07-15 |sprache=en}}</ref> und den [[Nobelpreis für Physik]] im Jahr 1922 „für seine Verdienste um die Erforschung der Struktur der Atome und der von ihnen ausgehenden Strahlung“.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/1922/ |titel=The Nobel Prize in Physics 1922 |hrsg=The Nobel Foundation |werk=NobelPrize.org |abruf=2021-07-15 |sprache=en}}</ref>


== Leben ==
== Leben und Wirken ==
=== Frühe Jahre und Ausbildungen ===
=== Lebenslauf ===
Der Vater von Niels Bohr, [[Christian Bohr]], war Professor für [[Physiologie]];<ref name="ord">{{Internetquelle | url=http://www.lib.uchicago.edu/e/scrc/findingaids/view.php?eadid=ICU.SPCL.BOHR | titel=Guide to the Niels Bohr Collection 1909–1963 | hrsg=University of Chicago Library | datum=2006 | zugriff=2012-02-02 | sprache=en}}</ref> seine Mutter Ellen (geb. Adler) entstammte einer jüdischen Familie. Gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder [[Harald Bohr]] führte er regelmäßig Gespräche und Diskussionen zu wissenschaftlichen Themen, die bei beiden Brüdern das Interesse für die Naturwissenschaften stärkten und das spätere Leben prägten. „Ich wuchs in einem Haus mit einem reichen intellektuellen Leben auf, in dem wissenschaftliche Diskussionen alltäglich waren. In der Tat machte mein Vater kaum eine Unterscheidung zwischen seiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit und seinem lebhaften Interesse an allen Problemen des menschlichen Lebens“, urteilt Niels Bohr später rückblickend über sein Elternhaus. Harald Bohr wurde später Professor für Mathematik, während sich Niels Bohr der Physik zuwendete. Beide waren darüber hinaus in der Anfangszeit des [[Fußball]]s auf dem europäischen Kontinent als Fußballspieler für den Verein [[AB Gladsaxe|Akademisk Boldklub]] aktiv, Niels Bohr als Torhüter. Sein Bruder schaffte sogar den Sprung in die [[Dänische Fußballnationalmannschaft|dänische Nationalmannschaft]] und nahm am ersten Fußballturnier der [[Olympische Spiele 1908|Olympischen Sommerspiele 1908]] teil. Ob Niels Bohr auch zu den Ehren eines Nationalspielers kam, ist aufgrund der Quellenlage der frühen dänischen Länderspiele abseits der Olympischen Turniere nicht bekannt.
Der Vater von Niels Bohr, [[Christian Bohr]], war Professor für [[Physiologie]];<ref name="ord">{{Internetquelle |url=http://www.lib.uchicago.edu/e/scrc/findingaids/view.php?eadid=ICU.SPCL.BOHR |titel=Guide to the Niels Bohr Collection 1909–1963 |hrsg=University of Chicago Library |werk=Lib.UChicago.edu |datum=2006 |abruf=2021-07-15 |sprache=en}}</ref> seine Mutter Ellen Bohr (geborene Adler) entstammte einer jüdischen Familie. Gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder [[Harald Bohr]] führte er regelmäßig Gespräche und Diskussionen zu wissenschaftlichen Themen, die bei beiden Brüdern das Interesse für die Naturwissenschaften stärkten und das spätere Leben prägten. „Ich wuchs in einem Haus mit einem reichen intellektuellen Leben auf, in dem wissenschaftliche Diskussionen alltäglich waren. In der Tat machte mein Vater kaum eine Unterscheidung zwischen seiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit und seinem lebhaften Interesse an allen Problemen des menschlichen Lebens“, urteilt Niels Bohr später rückblickend über sein Elternhaus. Harald Bohr wurde später Professor für Mathematik, während sich Niels Bohr der Physik zuwandte. Beide waren darüber hinaus in der Anfangszeit des [[Fußball]]s auf dem europäischen Kontinent als Fußballspieler für den Verein [[AB Gladsaxe|Akademisk Boldklub]] aktiv, Niels Bohr als Torhüter. Sein Bruder schaffte sogar den Sprung in die [[Dänische Fußballnationalmannschaft|dänische Nationalmannschaft]] und nahm am ersten Fußballturnier der [[Olympische Spiele 1908|Olympischen Sommerspiele 1908]] teil. Ob Niels Bohr auch zu den Ehren eines Nationalspielers kam, ist aufgrund der Quellenlage der frühen dänischen Länderspiele abseits der olympischen Turniere nicht bekannt.


Nach dem Abitur an der Latein- und Oberrealschule im Kopenhagener Stadtteil [[Gammelholm]]<ref>{{Internetquelle |url=http://www.uni-muenster.de/Physik/Studieninteressierte/Wissenswertes/beruehmte.html |titel=Stimmen von berühmten Physikern |zugriff=2010-02-27 |hrsg=Universität Münster}}</ref> im Jahr 1903 studierte Niels Bohr Physik, Mathematik, Chemie, Astronomie und Philosophie an der [[Universität Kopenhagen]]. Manche schreiben ihm die „Rolle“ als Prüfling in der sogenannten [[Barometer-Frage]] zu. 1907 erhielt er die Goldmedaille der ''[[Königlich Dänische Akademie der Wissenschaften|Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften]]'' für seine Arbeit über die [[Oberflächenspannung]] von Flüssigkeiten. Sein Magisterabschluss erfolgte 1909 und im Jahr 1911 schloss er sein Studium mit seiner Doktorarbeit über die [[Magnetismus|magnetischen]] Eigenschaften von [[Metalle]]n ab. Im selben Jahr wechselte er nach [[Cambridge]] an das [[Cavendish Laboratory]], das vom Physik-Nobelpreisträger von 1906, [[Joseph John Thomson]], geleitet wurde, und ein Jahr später nach [[Manchester]] in das Labor von [[Ernest Rutherford]], der 1908 den [[Nobelpreis für Chemie]] erhalten hatte. Hier lernte Niels Bohr auch Margarethe Nørlund kennen, die er später heiratete. Gemeinsam mit ihr hatte er sechs Söhne, von denen zwei schon in jungen Jahren starben. Ihr Sohn [[Aage Niels Bohr]] erhielt 1975 den Physik-Nobelpreis.
Nach dem Abitur an der Latein- und Oberrealschule im Kopenhagener Stadtteil [[Gammelholm]]<ref>{{Internetquelle |url=https://www.uni-muenster.de/Physik/studying/interested/prospective_students/worth_knowing/beruehmte.html |titel=Stimmen von berühmten Physikern |werk=Uni-Münster.de |abruf=2021-07-15}}</ref> im Jahr 1903 studierte Niels Bohr Physik, Mathematik, Chemie, Astronomie und Philosophie an der [[Universität Kopenhagen]]. Manche schreiben ihm die „Rolle“ als Prüfling in der sogenannten [[Barometer-Frage]] zu. 1907 erhielt er die Goldmedaille der ''[[Königlich Dänische Akademie der Wissenschaften|Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften]]'' für seine Arbeit über die [[Oberflächenspannung]] von Flüssigkeiten. Sein Magisterabschluss erfolgte 1909 und im Jahr 1911 schloss er sein Studium mit seiner Doktorarbeit bei [[Christian Christiansen (Physiker)|Christian Christiansen]] über die [[Magnetismus|magnetischen]] Eigenschaften von [[Metalle]]n ab (''Studier over metallernes elektrontheori'').<ref>{{Academictree |chemistry |1943 |Name=Niels Bohr |Datum=15. Juli 2021}}</ref> Im selben Jahr wechselte er nach [[Cambridge]] an das [[Cavendish Laboratory]], das vom Physik-Nobelpreisträger von 1906, [[Joseph John Thomson]], geleitet wurde, und ein Jahr später nach [[Manchester]] in das Labor von [[Ernest Rutherford]], der 1908 den [[Nobelpreis für Chemie]] erhalten hatte. Hier lernte Niels Bohr auch Margrethe Nørlund kennen, die er später heiratete. Gemeinsam mit ihr hatte er sechs Söhne, von denen zwei schon in jungen Jahren starben. Ihr Sohn [[Aage Niels Bohr]] erhielt 1975 den Physik-Nobelpreis.


=== Entwicklung des Bohrschen Atommodells ===
=== Entwicklung des Bohrschen Atommodells ===
Während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] nahm Niels Bohr 1914 eine Dozentenstelle in Manchester und kurz danach in Kopenhagen an. Zwei Jahre später wurde er Professor für Physik an der Universität in Kopenhagen. Bei einem Aufenthalt und Vortrag in Berlin 1920 machte er die Bekanntschaft mit [[Max Planck]] und [[Albert Einstein]]. Mit Hilfe der von ihnen aufgestellten Theorien zur [[Quantenphysik]], die er mit den Gesetzen der klassischen Physik verband, gelang es Bohr bereits 1913, das [[Bohrsches Atommodell|Bohrsche Atommodell]] zu erstellen. Mit dem Modell konnten die [[Linienspektrum|Linienspektren]] des Wasserstoffs erklärt werden. Dennoch gilt es aus heutiger Sicht als überholt und durch die [[Quantenmechanik]] ersetzt, da es lediglich für Wasserstoff befriedigende Aussagen macht. Trotzdem wird sein Modell als ein Meilenstein der theoretischen Physik angesehen, da hier zum ersten Mal erfolgreich auf Atom-Niveau die [[Quantisierung (Physik)|Quantisierung]] in ein Atommodell integriert wurde.
Während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] nahm Niels Bohr 1914 eine Dozentenstelle in Manchester und kurz danach in Kopenhagen an. Zwei Jahre später wurde er Professor für Physik an der Universität in Kopenhagen. Bei einem Aufenthalt und Vortrag in Berlin 1920 machte er die Bekanntschaft mit [[Max Planck]] und [[Albert Einstein]]. Mit Hilfe der von ihnen aufgestellten Theorien zur [[Quantenphysik]], die er mit den Gesetzen der klassischen Physik verband, war es Bohr bereits 1913 gelungen, das [[Bohrsches Atommodell|Bohrsche Atommodell]] aufzustellen, mit dem die [[Linienspektrum|Linienspektren]] des Wasserstoffs erklärt werden konnten. Aus heutiger Sicht ist es wie seine Weiterentwicklung zum [[Bohr-sommerfeldsches Atommodell|Bohr-Sommerfeldschen Atommodell]] von 1915/16 überholt und durch das [[Quantenmechanik|quantenmechanische]] [[Atomorbital|Orbitalmodell]] ersetzt, obwohl es nach wie vor im Physik- und Chemieunterricht von Schulen und an Universitäten unterrichtet wird.


Von 1916 bis 1919 war Niels Bohr Vorsitzender der Dänischen Physikalischen Gesellschaft und ab 1917 auch Mitglied der dänischen [[Akademie der Wissenschaften]]. 1918 formulierte er das [[Bohrsches Korrespondenzprinzip|Bohrsche Korrespondenzprinzip]], welches den Zusammenhang zwischen der Quantentheorie und der klassischen Physik erklärte und darstellte, dass sich mit steigender [[Quantenzahl]] die Gesetze des [[Plancksches Wirkungsquantum|Planckschen Wirkungsquantums]] vernachlässigen lassen. Während dieser Zeit arbeitete er daran, ein eigenes Institut an der Universität in Kopenhagen aufzubauen, das am 3. März 1921 als Institut für theoretische Physik eröffnet wurde. Seine Göttinger Vorträge, die er im Sommer 1922 hielt, wurden international bekannt und gingen als „Bohr-Festspiele“ in die Wissenschaftsgeschichte ein. 1922 gelang ihm auf der Basis des von [[Arnold Sommerfeld]] erweiterten Atommodells eine Erklärung für den Aufbau des [[Periodensystem der Elemente|Periodensystems der Elemente]], bei der er ein Schalenmodell annahm. Am 10. Dezember 1922 erhielt er für seine Forschungen über die Atomstruktur sowie die von den Atomen ausgehende Strahlung den Nobelpreis für Physik. Im selben Jahr kam auch sein Sohn [[Aage Niels Bohr]] zur Welt, der 1975 ebenfalls den Nobelpreis für Physik erhielt.
Trotzdem wird sein Modell als ein Meilenstein der theoretischen Physik angesehen, da hier zum ersten Mal erfolgreich auf Atom-Niveau die [[Quantisierung (Physik)|Quantisierung]] in ein Atommodell integriert wurde. Zuvor war erst seit 1911 das [[Rutherfordsches Atommodell|Rutherfordsche Atommodell]] bekannt, demzufolge Atome keine massiven Kugeln sind, sondern aus einem winzigen Kern und einer mindestens tausendfach größeren Atomhülle bestehen.
 
Von 1916 bis 1919 war Niels Bohr Vorsitzender der Dänischen Physikalischen Gesellschaft und ab 1917 auch Mitglied der dänischen [[Akademie der Wissenschaften]]. 1918 formulierte er das [[Bohrsches Korrespondenzprinzip|Bohrsche Korrespondenzprinzip]], das den Zusammenhang zwischen der Quantentheorie und der klassischen Physik erklärte und darstellte, dass sich mit steigender [[Quantenzahl]] die Gesetze des [[Plancksches Wirkungsquantum|Planckschen Wirkungsquantums]] vernachlässigen lassen. Während dieser Zeit arbeitete er daran, ein eigenes Institut an der Universität in Kopenhagen aufzubauen, das am 3.&nbsp;März 1921 als Institut für theoretische Physik eröffnet wurde. Seine Göttinger Vorträge, die er im Sommer 1922 hielt, wurden international bekannt und gingen als „Bohr-Festspiele“ in die Wissenschaftsgeschichte ein. 1922 gelang ihm auf der Basis des von [[Arnold Sommerfeld]] erweiterten Atommodells eine Erklärung für den Aufbau des [[Periodensystem der Elemente|Periodensystems der Elemente]], bei der er ein Schalenmodell annahm. Am 10.&nbsp;Dezember 1922 erhielt er für seine Forschungen über die Atomstruktur sowie die von den Atomen ausgehende Strahlung den Nobelpreis für Physik.


=== Weiteres Wirken nach dem Nobelpreis ===
=== Weiteres Wirken nach dem Nobelpreis ===
[[Datei:Niels Bohr Albert Einstein3 by Ehrenfest.jpg|mini|Niels Bohr (links) 1925 mit [[Albert Einstein]] (fotografiert von [[Paul Ehrenfest]], Photo I)]]
[[Datei:Niels Bohr Albert Einstein3 by Ehrenfest.jpg|mini|Niels Bohr (links) 1925 mit [[Albert Einstein]] (fotografiert von [[Paul Ehrenfest]])]]
In den folgenden Jahren wurden das Atommodell Bohrs und die Modifikationen der Atomtheorie [[Arnold Sommerfeld]]s weiter ausgebaut, bis in der Zeit von 1925 bis 1927 die Betrachtung der Atomphysik durch die Formulierung der nichtrelativistischen Quantenmechanik revolutioniert wurde ([[Werner Heisenberg]], [[Erwin Schrödinger]], [[Paul Dirac]]). 1924 veröffentlichte Bohr zusammen mit [[Hendrik Anthony Kramers]] und [[John C. Slater]] die philosophisch bedeutsame Arbeit „The quantum theory of radiation“<ref>Bohr, Niels, H.A. Kramers, and J.C. Slater. Philosophical Magazine 47(1924): 785–802</ref> in der erstmals die strenge Einhaltung des [[Energieerhaltungssatz#Energieerhaltungssatz in der Quantenmechanik|Energieerhaltungssatzes]] in Frage gestellt und durch statistische Energieerhaltung ersetzt wurde. 1926/27 dozierte [[Werner Heisenberg]] am Institut von Niels Bohr und durch die Diskussionen der beiden Forscher entwickelten sich Heisenbergs [[Unschärferelation]] sowie das [[Komplementaritätsprinzip]] Bohrs als „[[Kopenhagener Interpretation|Kopenhagener Deutungen]]“ der Quantentheorie, die beide 1927 publiziert wurden. Das Komplementaritätsprinzip sollte die Widerspruchsfreiheit zwischen formulierten Theorien und der Abwägung tatsächlicher Beobachtungen gewährleisten und er wendete es später auch auf Prinzipien außerhalb der Physik an.
In den folgenden Jahren wurden das Atommodell Bohrs und die Modifikationen der Atomtheorie [[Arnold Sommerfeld]]s weiter ausgebaut, bis in der Zeit von 1925 bis 1927 die Betrachtung der Atomphysik durch die Formulierung der nichtrelativistischen Quantenmechanik revolutioniert wurde ([[Werner Heisenberg]], [[Erwin Schrödinger]], [[Paul Dirac]]). 1924 veröffentlichte Bohr zusammen mit [[Hendrik Anthony Kramers]] und [[John C.&nbsp;Slater]] die philosophisch bedeutsame Arbeit „The quantum theory of radiation“,<ref>Niels Bohr, H. A. Kramers, J. C. Slater: ''[https://uni-tuebingen.de/fileadmin/Uni_Tuebingen/Fakultaeten/MathePhysik/Institute/IAP/Forschung/MOettel/Geburt_QM/bks_PhilMag_47_785_1924.pdf The quantum theory of radiation.]'' (PDF; 980&nbsp;kB). In: ''Philosophical Magazine'' 47(1924), S. 785–802.</ref> in der erstmals die strenge Einhaltung des [[Energieerhaltungssatz#Energieerhaltungssatz in der Quantenmechanik|Energieerhaltungssatzes]] in Frage gestellt und durch statistische Energieerhaltung ersetzt wurde. 1926/27 dozierte Werner Heisenberg am Institut von Niels Bohr und durch die Diskussionen der beiden Forscher entwickelten sich Heisenbergs [[Unschärferelation]] sowie das [[Komplementaritätsprinzip]] Bohrs als „[[Kopenhagener Interpretation|Kopenhagener Deutungen]]“ der Quantentheorie, die beide 1927 publiziert wurden. Das Komplementaritätsprinzip sollte die Widerspruchsfreiheit zwischen formulierten Theorien und der Abwägung tatsächlicher Beobachtungen gewährleisten und Bohr wandte es später auch auf Prinzipien außerhalb der Physik an.


In den Folgejahren konzentrierte sich Bohr weiterhin auf die Fragen der Quantenmechanik,<ref>So widersprach er z.&nbsp;B. entschieden einer Arbeit von Albert Einstein und Mitarbeitern aus dem Jahre 1935 (siehe [[Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon|EPR-Effekt]]), in welcher Einstein im Gegensatz zur „Kopenhagener Deutung“ argumentierte, dass die Quantenmechanik durch sog. „verborgene Variable“ ergänzt werden müsse. Dies stellte sich später als Irrtum heraus, so dass hier Bohr selbst gegenüber Einstein Recht behielt.</ref> während sein Atommodell den Pionieren der [[Kernforschung]] beim Verständnis elementarer Eigenschaften der chemischen Elemente half. Das Modell bot Erklärungen für die [[Wertigkeit (Chemie)|Valenzen]], den Metall- und Nichtmetallcharakter der Stoffe sowie für die [[Ion]]eneigenschaften. Er selbst versuchte die durch den Beschuss mit Partikeln ausgelösten Reaktionen der Atomkerne zu erklären und führte zu diesem Zweck den Begriff des „[[Compoundkern]]es“ ein. 1936 entwickelte er zwei neue [[Atomkern#Kernmodelle|Kernmodelle]], die er als [[Sandsackmodell|Sandsack-]] und [[Tröpfchenmodell]] bezeichnete. Gemeinsam mit [[John Archibald Wheeler]] erarbeitete er die Möglichkeit der Energiegewinnung, nachdem [[Otto Hahn]] und [[Friedrich Wilhelm Straßmann]] die erste Kernspaltung durchführten.
In den Folgejahren konzentrierte sich Bohr weiterhin auf die Fragen der Quantenmechanik,<ref>So widersprach er z.&nbsp;B. entschieden einer Arbeit von Albert Einstein und Mitarbeitern aus dem Jahre 1935 (siehe [[Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon|EPR-Effekt]]), in der Einstein im Gegensatz zur „Kopenhagener Deutung“ argumentierte, dass die Quantenmechanik durch sog. „verborgene Variable“ ergänzt werden müsse. Dies stellte sich später als Irrtum heraus, sodass hier Bohr selbst gegenüber Einstein Recht behielt.</ref> während sein Atommodell den Pionieren der [[Kernforschung]] beim Verständnis elementarer Eigenschaften der chemischen Elemente half. Das Modell bot Erklärungen für die [[Wertigkeit (Chemie)|Valenzen]], den Metall- und Nichtmetallcharakter der Stoffe sowie für die [[Ion]]eneigenschaften. Er selbst versuchte die durch den Beschuss mit Partikeln ausgelösten Reaktionen der Atomkerne zu erklären und führte zu diesem Zweck den Begriff des „[[Compoundkern]]es“ ein. 1936 entwickelte er zwei neue [[Atomkern#Kernmodelle|Kernmodelle]], die er als [[Sandsackmodell|Sandsack-]] und [[Tröpfchenmodell]] bezeichnete. Gemeinsam mit [[John Archibald Wheeler]] erarbeitete er die Möglichkeit der Energiegewinnung, nachdem [[Otto Hahn]] und [[Friedrich Wilhelm Straßmann]] die erste Kernspaltung durchgeführt hatten.


Während der [[Unternehmen Weserübung|deutschen Besatzung Dänemarks]] engagierte sich Niels Bohr im [[dänischer Widerstand|dänischen Widerstand]]. 1943 floh er mit seiner Familie unterstützt durch den britischen und dänischen Geheimdienst nach [[Schweden]]. Dort bat er beim schwedischen König und beim Außenminister erfolgreich um [[Rettung der dänischen Juden|Asyl für seine jüdischen Landsleute]]. Dann reiste er unter dem Decknamen ''Nicholas Baker'' in die USA weiter, wo er in [[Los Alamos National Laboratory|Los Alamos]] wichtige theoretische Vorarbeiten zum Bau der US-Atombombe leistete.<ref>Matthias Bath: ''Danebrog gegen Hakenkreuz'', Wachholz, 2011, ISBN 978-3-529-02817-5, S.&nbsp;137</ref> Nach dem Krieg kehrte er nach Dänemark zurück und setzte seine Forschung zur Atomenergie auf seiner alten Position fort. Gleichzeitig warnte er jedoch vor deren missbräuchlicher Nutzung, vor allem durch einen offenen Brief an die [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]] 1950, und wurde deshalb 1957 Preisträger des ''„[[Atoms for Peace Award]]“''. 1962 starb er in Kopenhagen und wurde auf dem [[Assistenzfriedhof]] beigesetzt.
Während der [[Unternehmen Weserübung|deutschen Besatzung Dänemarks]] engagierte sich Niels Bohr im [[dänischer Widerstand|dänischen Widerstand]]. 1943 floh er mit seiner Familie unterstützt durch den britischen und dänischen Geheimdienst nach [[Schweden]]. Dort bat er beim schwedischen König und beim Außenminister erfolgreich um [[Rettung der dänischen Juden|Asyl für seine jüdischen Landsleute]]. Dann reiste er unter dem Decknamen ''Nicholas Baker'' in die USA weiter, wo er in [[Los Alamos National Laboratory|Los Alamos]] wichtige theoretische Vorarbeiten zum Bau der US-Atombombe leistete.<ref>Matthias Bath: ''Danebrog gegen Hakenkreuz'', Wachholz, 2011, ISBN 978-3-529-02817-5, S.&nbsp;137.</ref>
 
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Bohr integraler Bestandteil der Diskussionen über eine mögliche europäische Zusammenarbeit zur Schaffung eines Atomphysiklabors. Obwohl er sich zunächst nicht mit [[Pierre Auger]] über den Standort des zukünftigen [[CERN|CERN (Conseil européen pour la recherche nucléaire)]] einig war, nahm er an der UNESCO-Tagung 1952 teil, die dem Council of Representatives of European States for Planning an International Laboratory and Organizing other Forms of Co-operation in Nuclear Research (Rat der Repräsentanten europäischer Staaten zur Planung eines internationalen Labors und anderer Formen der Kooperation in der Nuklearforschung) offiziell den Namen CERN gab.<ref name="Gesch">{{Literatur |Autor=Michael Krause |Titel=Wo Menschen und Teilchen aufeinanderstoßen |Verlag=Wiley-VCH |Datum=2013 |Seiten=1-63 |Online=https://application.wiley-vch.de/books/sample/3527333983_c01.pdf |Abruf=2021-07-15}}</ref><ref name="cernCour">{{Literatur |Titel=Tribute to Niels Bohr |Verlag=CERN Courier |Autor=[[Victor Weisskopf|The Director-general]] |Band=3 |Nummer=7 |Datum=1963-07 |Online=https://cds.cern.ch/record/1728615/files/vol3-issue7-p089-e.pdf |Seiten=89 |Sprache=en |Abruf=2021-07-15}}</ref>
 
Nach dem Krieg kehrte er nach Dänemark zurück und setzte seine Forschung zur Atomenergie auf seiner alten Position fort. Gleichzeitig warnte er jedoch vor deren missbräuchlicher Nutzung, vor allem in einem offenen Brief an die [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]] 1950, und wurde deshalb 1957 Preisträger des „[[Atoms for Peace Award]]“. 1962 starb er in Kopenhagen und wurde auf dem [[Assistenzfriedhof]] beigesetzt.


== Lebenswerk ==
== Lebenswerk ==
[[Datei:Niels Bohr Albert Einstein by Ehrenfest.jpg|mini|Niels Bohr 1925 mit [[Albert Einstein]] (fotografiert von [[Paul Ehrenfest]], Photo II)]]
[[Datei:Niels Bohr Albert Einstein by Ehrenfest.jpg|mini|Niels Bohr 1925 mit [[Albert Einstein]] (fotografiert von [[Paul Ehrenfest]])]]
Sein wichtigster Beitrag zur Physik war das [[Bohrsches Atommodell|Bohrsche Atommodell]], das er 1913 erstmals öffentlich vorstellte. Es stellt einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der [[Quantenmechanik]] dar. Weitere auf ihn zurückgehende Konzepte sind das [[Korrespondenzprinzip]], das den Übergang der Quantenmechanik zur klassischen Mechanik beschreibt, und das Prinzip der [[Komplementarität (Physik)|Komplementarität]], das besagt, dass die Kenntnis bestimmter [[Messgröße]]n notwendigerweise eine totale Unkenntnis bestimmter anderer Größen bedingt. In seinen wissenschaftskritischen Arbeiten vertrat Bohr die Auffassung, dass es von den jeweiligen Beobachtungspraktiken abhängig ist, was eine Apparatur überhaupt ausmacht.<ref>[[Karen Barad]]: „Getting Real. Technoscientific Practices and the Materialization of Reality,“ in: differences. A Journal of Feminist Cultural Studies 10 (2), 1998: 87-128.</ref>
Sein wichtigster Beitrag zur Physik war das [[Bohrsches Atommodell|Bohrsche Atommodell]], das er 1913 erstmals öffentlich vorstellte. Es stellt einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der [[Quantenmechanik]] dar. Weitere auf ihn zurückgehende Konzepte sind das [[Korrespondenzprinzip]], das den Übergang der Quantenmechanik zur klassischen Mechanik beschreibt, und das Prinzip der [[Komplementäre Observablen|Komplementarität]], das besagt, dass die Kenntnis bestimmter [[Messgröße]]n notwendigerweise eine totale Unkenntnis bestimmter anderer Größen bedingt. In seinen wissenschaftskritischen Arbeiten vertrat Bohr die Auffassung, dass es von den jeweiligen Beobachtungspraktiken abhängig ist, was eine Apparatur überhaupt ausmacht.<ref>[[Karen Barad]]: „Getting Real. Technoscientific Practices and the Materialization of Reality,“ in: ''Differences.'' A Journal of Feminist Cultural Studies 10 (2), 1998: 87–128.</ref>


== Ehrungen und Mitgliedschaften ==
== Ehrungen und Mitgliedschaften ==
Neben dem Nobelpreis für Physik 1922 erhielt Niels Bohr eine Reihe weiterer Preise und Auszeichnungen u.&nbsp;a. 1925 die [[Barnard-Medaille]] oder 1961 den [[Sonning-Preis]] der Universität Kopenhagen. Er war Präsident der Dänischen Königlichen Akademie der Wissenschaften und Vorsitzender der Dänischen Atomenergiekommission. Außerdem war er ausländisches Mitglied der [[Royal Society]] in [[London]], der [[Accademia dei Lincei]] in Rom, der [[Leopoldina|Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina]],<ref>{{Leopoldina|3074|Datum=12. Oktober 2012}}</ref> der [[American Academy of Arts and Sciences]] (1945), korrespondierendes Mitglied der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] (seit 1926) und weiterer internationaler wissenschaftlicher Vereinigungen. Daneben erhielt er die [[Ehrendoktor]]würde an zahlreichen Universitäten der Welt. Er war Träger des höchsten dänischen Ordens, des [[Elefanten-Orden]]s. Ihm wurde 1954 der Orden [[Pour le Mérite]] verliehen.
Neben dem Nobelpreis für Physik 1922 erhielt Niels Bohr eine Reihe weiterer Preise und Auszeichnungen, u.&nbsp;a. 1925 die [[Barnard-Medaille]] oder 1961 den [[Sonning-Preis]] der Universität Kopenhagen. Er war Präsident der Dänischen Königlichen Akademie der Wissenschaften und Vorsitzender der Dänischen Atomenergiekommission. Außerdem war er ausländisches Mitglied der [[Royal Society]] in [[London]], der [[Accademia dei Lincei]] in Rom, der [[Akademie der Wissenschaften zu Göttingen]] (seit 1921), der [[Leopoldina|Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina]],<ref>{{Leopoldina|3074|Datum=15. Juli 2021}}</ref> der [[National Academy of Sciences]] (1925), der [[Royal Society of Edinburgh]] (1927),<ref>{{Internetquelle |url=http://www.rse.org.uk/wp-content/uploads/2016/11/all_fellows.pdf |titel=Biographical Index: Former RSE Fellows 1783–2002 |werk=RSE.org.uk |hrsg=Royal Society of Edinburgh |abruf=2021-07-15}}</ref> der [[American Philosophical Society]] (1940), der [[American Academy of Arts and Sciences]] (1945), korrespondierendes Mitglied der [[Bayerische Akademie der Wissenschaften|Bayerischen Akademie der Wissenschaften]] (seit 1926) und der [[Académie des sciences]] (seit 1937)<ref>{{Internetquelle |url=https://www.academie-sciences.fr/en/Liste-des-membres-depuis-la-creation-de-l-Academie-des-sciences/les-membres-du-passe-dont-le-nom-commence-par-b.html |titel=Verzeichnis der Mitglieder seit 1666: Buchstabe B |werk=Academie-sciences.fr |abruf=2021-07-15 |sprache=fr}}</ref> und weiterer internationaler wissenschaftlicher Vereinigungen. Daneben erhielt er die [[Ehrendoktor]]würde an zahlreichen Universitäten der Welt. Er war Träger des höchsten dänischen Ordens, des [[Elefanten-Orden]]s. Ihm wurde 1954 der Orden [[Pour le Mérite]] verliehen.


Niels Bohr war von 1997 bis 2011 auf der Vorderseite der [[Dänische Krone|500-Kronen-Banknote]] der dänischen Nationalbank abgebildet, der [[Mondkrater]] [[Bohr (Mondkrater)|Bohr]] wurde 1964 nach ihm benannt sowie 1989 der [[Asteroid]] [[(3948) Bohr]].
Niels Bohr war von 1997 bis 2011 auf der Vorderseite der [[Dänische Krone|500-Kronen-Banknote]] der dänischen Nationalbank abgebildet, der [[Mondkrater]] [[Bohr (Mondkrater)|Bohr]] wurde 1964 nach ihm benannt sowie 1989 der [[Asteroid]] [[(3948) Bohr]].
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Der [[Bohr-Effekt]] bei Hämoglobin ist allerdings nach seinem Vater, dem Physiologen [[Christian Bohr]] benannt.
Der [[Bohr-Effekt]] bei Hämoglobin ist allerdings nach seinem Vater, dem Physiologen [[Christian Bohr]] benannt.


Das Kalium-Uranyl-Arsenat [[Nielsbohrit]] wurde im Jahr 2002 nach ihm benannt.<ref>[http://www.mindat.org/min-32208.html Nielsbohrit auf www.mindat.org]</ref>
Das Kalium-Uranyl-Arsenat [[Nielsbohrit]] wurde im Jahr 2002 nach ihm benannt.<ref>''[https://www.mindat.org/min-32208.html Nielsbohrite.]'' In: ''mindat.org.'' Abgerufen am 15. Juli 202 (englisch).</ref>


== Werke (Auswahl) ==
== Veröffentlichungen (Auswahl) ==
Während seines Lebens publizierte Niels Bohr eine Reihe von wissenschaftlichen Werken. Insgesamt 115 sind bekannt, darunter
* ''Collected Works'', 13 Bände, Herausgeber Leon Rosenfeld, Erik Rüdinger, Finn Aaserud u.&nbsp;a., North Holland, Elsevier, 1972 bis 2008.
* ''The Theory of Spectra and Atomic Constitution'', University Press, Cambridge, 1922 und 1924
* [http://web.ihep.su/owa/dbserv/hw.part2?s_c=BOHR+1913 Bohr ''On the constitution of atoms and molecules I'', Philosophical Magazine 1913, Bohrs Atommodell].
* ''Atomic Theory and the Description of Nature'', University Press, Cambridge, 1934
* [http://web.ihep.su/owa/dbserv/hw.part2?s_c=BOHR+1913B Bohr ''On the constitution of atoms and molecules II'', Philosophical Magazine 1913].
* ''Neutron capture and nuclear constitution'', Nature, 137 (1936) 344
* [http://web.ihep.su/owa/dbserv/hw.part2?s_c=BOHR+1918 Bohr ''On the quantum theory of line spectra'', Mitt.Kgl.Dänische Akad.Wiss. 1918, Korrespondenzprinzip].
* ''The Theory of Spectra and Atomic Constitution'', University Press, Cambridge, 1922 und 1924.
* ''Atomic Theory and the Description of Nature'', University Press, Cambridge, 1934.
* ''Neutron capture and nuclear constitution'', Nature, 137 (1936) 344.
* Als Hrsg. mit [[Otto Neurath]], [[John Dewey]], [[Bertrand Russell]], [[Rudolf Carnap]] und [[Charles W. Morris]]: ''Encyclopedia and Unified Science.'' (= ''International Encyclopedia of Unified Science.'' Band 1, Nr. 1). Chicago 1938.
* ''The Unity of Knowledge'', Doubleday & Co., New York, 1955.
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* ''Essays 1958–1962 on Atomic Physics and Human Knowledge'', herausgegeben von John Wiley and Sons, New York and London 1963
* ''Essays 1958–1962 on Atomic Physics and Human Knowledge'', herausgegeben von John Wiley and Sons, New York and London 1963
* ''Light and Life revisited'', ICSU Rev., 5 (1963) 194
* ''Light and Life revisited'', ICSU Rev., 5 (1963) 194.


== Literatur ==
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* [[Pascual Jordan]]: ''Begegnungen. Albert Einstein, Karl Heim, Hermann Oberth, Wolfgang Pauli, Walter Heitler, Max Born, Werner Heisenberg, Max von Laue, Niels Bohr.'' Stalling, Oldenburg u.&nbsp;a. 1971, ISBN 3-7979-1934-4.
* [[Pascual Jordan]]: ''Begegnungen. Albert Einstein, Karl Heim, Hermann Oberth, Wolfgang Pauli, Walter Heitler, Max Born, Werner Heisenberg, Max von Laue, Niels Bohr.'' Stalling, Oldenburg u.&nbsp;a. 1971, ISBN 3-7979-1934-4.
* [[Friedrich Hund]]: ''Korrespondenz und Komplementarität – Bohrs Weg zur Atomdynamik''. Phys. Bl. 41 (1985) Nr. 9, Physik-Verlag Weinheim, S. 303–317.
* [[Friedrich Hund]]: ''Korrespondenz und Komplementarität – Bohrs Weg zur Atomdynamik''. Phys. Bl. 41 (1985) Nr. 9, Physik-Verlag Weinheim, S. 303–317.
* [[Abraham Pais]]: ''Niels Bohr´s times. In physics, philosophy, and polity''. Clarendon Press, Oxford 1991, ISBN 0-19-852049-2.
* [[Abraham Pais]]: ''Niels Bohr’s times. In Physics, Philosophy, and Polity''. Clarendon Press, Oxford 1991, ISBN 0-19-852049-2.
* [[Stefan Rozental]]: ''Schicksalsjahre mit Niels Bohr. Erinnerungen an den Begründer der modernen Atomtheorie.'' Aus dem Dänischen übersetzt von Klaus Stolzenburg. DVA, Stuttgart 1991, ISBN 3-421-06615-9.
* [[Stefan Rozental]]: ''Schicksalsjahre mit Niels Bohr. Erinnerungen an den Begründer der modernen Atomtheorie.'' Aus dem Dänischen übersetzt von Klaus Stolzenburg. DVA, Stuttgart 1991, ISBN 3-421-06615-9.
* Ulrich Röseberg: ''Niels Bohr. Leben und Werk eines Atomphysikers. 1885–1962.'' 3. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Berlin u.&nbsp;a. 1992, ISBN 3-86025-017-5.
* Ulrich Röseberg: ''Niels Bohr. Leben und Werk eines Atomphysikers. 1885–1962.'' 3. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Berlin u.&nbsp;a. 1992, ISBN 3-86025-017-5.
* Bernhard Kupfer: ''Lexikon der Nobelpreisträger''. Patmos Verlag, Düsseldorf 2001, ISBN 3-491-72451-1.
* Bernhard Kupfer: ''Lexikon der Nobelpreisträger''. Patmos Verlag, Düsseldorf 2001, ISBN 3-491-72451-1.
* ''Brockhaus Nobelpreise. Chronik herausragender Leistungen''. 2. Auflage. Brockhaus, Mannheim u.&nbsp;a. 2004, ISBN 3-7653-0492-1.
* ''Brockhaus Nobelpreise. Chronik herausragender Leistungen''. 2. Auflage. Brockhaus, Mannheim u.&nbsp;a. 2004, ISBN 3-7653-0492-1.
* Ernst Peter Fischer: ''Niels Bohr. Physiker und Philosoph des Atomzeitalters'', Siedler, 2012, ISBN 9783886809967.


== Weblinks ==
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* Digitalisierte Dokumente zu Bohr auf der [https://www.nbarchive.dk/collections/ Website des Niels-Bohr-Archivs (NBA) an der Universität Kopenhagen]
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* [http://web.ihep.su/owa/dbserv/hw.part2?s_c=BOHR+1913 Bohr ''On the constitution of atoms and molecules I'', Philosophical Magazine 1913, Bohr´s Atommodell]
* {{Webarchiv |url=http://dieumsnh.qfb.umich.mx/archivoshistoricosmq/ |wayback=20100701000940 |text=''Archivos históricos de la mecánica quántica.''}}. Umfangreiche Sammlung historischer Texte zur Quantenmechanik.
* [http://web.ihep.su/owa/dbserv/hw.part2?s_c=BOHR+1913B Bohr ''On the constitution of atoms and molecules II'', Philosophical Magazine 1913]
* [http://web.ihep.su/owa/dbserv/hw.part2?s_c=BOHR+1918 Bohr ''On the quantum theory of line spectra'', Mitt.Kgl.Dänische Akad.Wiss. 1918, Korrespondenzprinzip]
* [http://dieumsnh.qfb.umich.mx/archivoshistoricosmq/ Archivos históricos de la mecánica quántica] (umfangreiche Sammlung historischer Texte zur Quantenmechanik)
* [https://zbmath.org/authors/?q=ai:bohr.niels Autoren-Profil] in der Datenbank [[Zentralblatt MATH|zbMATH]]
* [https://zbmath.org/authors/?q=ai:bohr.niels Autoren-Profil] in der Datenbank [[Zentralblatt MATH|zbMATH]]
* [http://www.bourbaphy.fr/decembre2013.html Poincaré Seminar 2013 zu Bohr]


== Einzelnachweise ==
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Aktuelle Version vom 2. Februar 2022, 05:17 Uhr

Niels Bohr (1922)

Niels Henrik David Bohr (* 7. Oktober 1885 in Kopenhagen; † 18. November 1962 ebenda) war ein dänischer Physiker. Er erhielt 1921 die Hughes-Medaille der Royal Society[1] und den Nobelpreis für Physik im Jahr 1922 „für seine Verdienste um die Erforschung der Struktur der Atome und der von ihnen ausgehenden Strahlung“.[2]

Leben und Wirken

Lebenslauf

Der Vater von Niels Bohr, Christian Bohr, war Professor für Physiologie;[3] seine Mutter Ellen Bohr (geborene Adler) entstammte einer jüdischen Familie. Gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder Harald Bohr führte er regelmäßig Gespräche und Diskussionen zu wissenschaftlichen Themen, die bei beiden Brüdern das Interesse für die Naturwissenschaften stärkten und das spätere Leben prägten. „Ich wuchs in einem Haus mit einem reichen intellektuellen Leben auf, in dem wissenschaftliche Diskussionen alltäglich waren. In der Tat machte mein Vater kaum eine Unterscheidung zwischen seiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit und seinem lebhaften Interesse an allen Problemen des menschlichen Lebens“, urteilt Niels Bohr später rückblickend über sein Elternhaus. Harald Bohr wurde später Professor für Mathematik, während sich Niels Bohr der Physik zuwandte. Beide waren darüber hinaus in der Anfangszeit des Fußballs auf dem europäischen Kontinent als Fußballspieler für den Verein Akademisk Boldklub aktiv, Niels Bohr als Torhüter. Sein Bruder schaffte sogar den Sprung in die dänische Nationalmannschaft und nahm am ersten Fußballturnier der Olympischen Sommerspiele 1908 teil. Ob Niels Bohr auch zu den Ehren eines Nationalspielers kam, ist aufgrund der Quellenlage der frühen dänischen Länderspiele abseits der olympischen Turniere nicht bekannt.

Nach dem Abitur an der Latein- und Oberrealschule im Kopenhagener Stadtteil Gammelholm[4] im Jahr 1903 studierte Niels Bohr Physik, Mathematik, Chemie, Astronomie und Philosophie an der Universität Kopenhagen. Manche schreiben ihm die „Rolle“ als Prüfling in der sogenannten Barometer-Frage zu. 1907 erhielt er die Goldmedaille der Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften für seine Arbeit über die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten. Sein Magisterabschluss erfolgte 1909 und im Jahr 1911 schloss er sein Studium mit seiner Doktorarbeit bei Christian Christiansen über die magnetischen Eigenschaften von Metallen ab (Studier over metallernes elektrontheori).[5] Im selben Jahr wechselte er nach Cambridge an das Cavendish Laboratory, das vom Physik-Nobelpreisträger von 1906, Joseph John Thomson, geleitet wurde, und ein Jahr später nach Manchester in das Labor von Ernest Rutherford, der 1908 den Nobelpreis für Chemie erhalten hatte. Hier lernte Niels Bohr auch Margrethe Nørlund kennen, die er später heiratete. Gemeinsam mit ihr hatte er sechs Söhne, von denen zwei schon in jungen Jahren starben. Ihr Sohn Aage Niels Bohr erhielt 1975 den Physik-Nobelpreis.

Entwicklung des Bohrschen Atommodells

Während des Ersten Weltkrieges nahm Niels Bohr 1914 eine Dozentenstelle in Manchester und kurz danach in Kopenhagen an. Zwei Jahre später wurde er Professor für Physik an der Universität in Kopenhagen. Bei einem Aufenthalt und Vortrag in Berlin 1920 machte er die Bekanntschaft mit Max Planck und Albert Einstein. Mit Hilfe der von ihnen aufgestellten Theorien zur Quantenphysik, die er mit den Gesetzen der klassischen Physik verband, war es Bohr bereits 1913 gelungen, das Bohrsche Atommodell aufzustellen, mit dem die Linienspektren des Wasserstoffs erklärt werden konnten. Aus heutiger Sicht ist es wie seine Weiterentwicklung zum Bohr-Sommerfeldschen Atommodell von 1915/16 überholt und durch das quantenmechanische Orbitalmodell ersetzt, obwohl es nach wie vor im Physik- und Chemieunterricht von Schulen und an Universitäten unterrichtet wird.

Trotzdem wird sein Modell als ein Meilenstein der theoretischen Physik angesehen, da hier zum ersten Mal erfolgreich auf Atom-Niveau die Quantisierung in ein Atommodell integriert wurde. Zuvor war erst seit 1911 das Rutherfordsche Atommodell bekannt, demzufolge Atome keine massiven Kugeln sind, sondern aus einem winzigen Kern und einer mindestens tausendfach größeren Atomhülle bestehen.

Von 1916 bis 1919 war Niels Bohr Vorsitzender der Dänischen Physikalischen Gesellschaft und ab 1917 auch Mitglied der dänischen Akademie der Wissenschaften. 1918 formulierte er das Bohrsche Korrespondenzprinzip, das den Zusammenhang zwischen der Quantentheorie und der klassischen Physik erklärte und darstellte, dass sich mit steigender Quantenzahl die Gesetze des Planckschen Wirkungsquantums vernachlässigen lassen. Während dieser Zeit arbeitete er daran, ein eigenes Institut an der Universität in Kopenhagen aufzubauen, das am 3. März 1921 als Institut für theoretische Physik eröffnet wurde. Seine Göttinger Vorträge, die er im Sommer 1922 hielt, wurden international bekannt und gingen als „Bohr-Festspiele“ in die Wissenschaftsgeschichte ein. 1922 gelang ihm auf der Basis des von Arnold Sommerfeld erweiterten Atommodells eine Erklärung für den Aufbau des Periodensystems der Elemente, bei der er ein Schalenmodell annahm. Am 10. Dezember 1922 erhielt er für seine Forschungen über die Atomstruktur sowie die von den Atomen ausgehende Strahlung den Nobelpreis für Physik.

Weiteres Wirken nach dem Nobelpreis

Niels Bohr (links) 1925 mit Albert Einstein (fotografiert von Paul Ehrenfest)

In den folgenden Jahren wurden das Atommodell Bohrs und die Modifikationen der Atomtheorie Arnold Sommerfelds weiter ausgebaut, bis in der Zeit von 1925 bis 1927 die Betrachtung der Atomphysik durch die Formulierung der nichtrelativistischen Quantenmechanik revolutioniert wurde (Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger, Paul Dirac). 1924 veröffentlichte Bohr zusammen mit Hendrik Anthony Kramers und John C. Slater die philosophisch bedeutsame Arbeit „The quantum theory of radiation“,[6] in der erstmals die strenge Einhaltung des Energieerhaltungssatzes in Frage gestellt und durch statistische Energieerhaltung ersetzt wurde. 1926/27 dozierte Werner Heisenberg am Institut von Niels Bohr und durch die Diskussionen der beiden Forscher entwickelten sich Heisenbergs Unschärferelation sowie das Komplementaritätsprinzip Bohrs als „Kopenhagener Deutungen“ der Quantentheorie, die beide 1927 publiziert wurden. Das Komplementaritätsprinzip sollte die Widerspruchsfreiheit zwischen formulierten Theorien und der Abwägung tatsächlicher Beobachtungen gewährleisten und Bohr wandte es später auch auf Prinzipien außerhalb der Physik an.

In den Folgejahren konzentrierte sich Bohr weiterhin auf die Fragen der Quantenmechanik,[7] während sein Atommodell den Pionieren der Kernforschung beim Verständnis elementarer Eigenschaften der chemischen Elemente half. Das Modell bot Erklärungen für die Valenzen, den Metall- und Nichtmetallcharakter der Stoffe sowie für die Ioneneigenschaften. Er selbst versuchte die durch den Beschuss mit Partikeln ausgelösten Reaktionen der Atomkerne zu erklären und führte zu diesem Zweck den Begriff des „Compoundkernes“ ein. 1936 entwickelte er zwei neue Kernmodelle, die er als Sandsack- und Tröpfchenmodell bezeichnete. Gemeinsam mit John Archibald Wheeler erarbeitete er die Möglichkeit der Energiegewinnung, nachdem Otto Hahn und Friedrich Wilhelm Straßmann die erste Kernspaltung durchgeführt hatten.

Während der deutschen Besatzung Dänemarks engagierte sich Niels Bohr im dänischen Widerstand. 1943 floh er mit seiner Familie unterstützt durch den britischen und dänischen Geheimdienst nach Schweden. Dort bat er beim schwedischen König und beim Außenminister erfolgreich um Asyl für seine jüdischen Landsleute. Dann reiste er unter dem Decknamen Nicholas Baker in die USA weiter, wo er in Los Alamos wichtige theoretische Vorarbeiten zum Bau der US-Atombombe leistete.[8]

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Bohr integraler Bestandteil der Diskussionen über eine mögliche europäische Zusammenarbeit zur Schaffung eines Atomphysiklabors. Obwohl er sich zunächst nicht mit Pierre Auger über den Standort des zukünftigen CERN (Conseil européen pour la recherche nucléaire) einig war, nahm er an der UNESCO-Tagung 1952 teil, die dem Council of Representatives of European States for Planning an International Laboratory and Organizing other Forms of Co-operation in Nuclear Research (Rat der Repräsentanten europäischer Staaten zur Planung eines internationalen Labors und anderer Formen der Kooperation in der Nuklearforschung) offiziell den Namen CERN gab.[9][10]

Nach dem Krieg kehrte er nach Dänemark zurück und setzte seine Forschung zur Atomenergie auf seiner alten Position fort. Gleichzeitig warnte er jedoch vor deren missbräuchlicher Nutzung, vor allem in einem offenen Brief an die Vereinten Nationen 1950, und wurde deshalb 1957 Preisträger des „Atoms for Peace Award“. 1962 starb er in Kopenhagen und wurde auf dem Assistenzfriedhof beigesetzt.

Lebenswerk

Niels Bohr 1925 mit Albert Einstein (fotografiert von Paul Ehrenfest)

Sein wichtigster Beitrag zur Physik war das Bohrsche Atommodell, das er 1913 erstmals öffentlich vorstellte. Es stellt einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der Quantenmechanik dar. Weitere auf ihn zurückgehende Konzepte sind das Korrespondenzprinzip, das den Übergang der Quantenmechanik zur klassischen Mechanik beschreibt, und das Prinzip der Komplementarität, das besagt, dass die Kenntnis bestimmter Messgrößen notwendigerweise eine totale Unkenntnis bestimmter anderer Größen bedingt. In seinen wissenschaftskritischen Arbeiten vertrat Bohr die Auffassung, dass es von den jeweiligen Beobachtungspraktiken abhängig ist, was eine Apparatur überhaupt ausmacht.[11]

Ehrungen und Mitgliedschaften

Neben dem Nobelpreis für Physik 1922 erhielt Niels Bohr eine Reihe weiterer Preise und Auszeichnungen, u. a. 1925 die Barnard-Medaille oder 1961 den Sonning-Preis der Universität Kopenhagen. Er war Präsident der Dänischen Königlichen Akademie der Wissenschaften und Vorsitzender der Dänischen Atomenergiekommission. Außerdem war er ausländisches Mitglied der Royal Society in London, der Accademia dei Lincei in Rom, der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (seit 1921), der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina,[12] der National Academy of Sciences (1925), der Royal Society of Edinburgh (1927),[13] der American Philosophical Society (1940), der American Academy of Arts and Sciences (1945), korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (seit 1926) und der Académie des sciences (seit 1937)[14] und weiterer internationaler wissenschaftlicher Vereinigungen. Daneben erhielt er die Ehrendoktorwürde an zahlreichen Universitäten der Welt. Er war Träger des höchsten dänischen Ordens, des Elefanten-Ordens. Ihm wurde 1954 der Orden Pour le Mérite verliehen.

Niels Bohr war von 1997 bis 2011 auf der Vorderseite der 500-Kronen-Banknote der dänischen Nationalbank abgebildet, der Mondkrater Bohr wurde 1964 nach ihm benannt sowie 1989 der Asteroid (3948) Bohr.

Benennungen nach Bohr

Das transurane, nicht natürlich vorkommende chemische Element mit der Ordnungszahl 107 wurde 1981 nachgewiesen und später Bohrium benannt; als Kürzel im Periodensystem der Elemente wurde Bh festgelegt.

Außerdem tragen zahlreiche physikalische Phänomene und Konzepte Bohrs Namen, allen voran das Bohrsche Atommodell (1913) mit den Bohrschen Bahnen. Weiterhin sind das Bohrsche Korrespondenzprinzip, der Bohr-Radius und das Bohrsche Magneton in die wissenschaftliche Terminologie eingegangen.

Der Bohr-Effekt bei Hämoglobin ist allerdings nach seinem Vater, dem Physiologen Christian Bohr benannt.

Das Kalium-Uranyl-Arsenat Nielsbohrit wurde im Jahr 2002 nach ihm benannt.[15]

Veröffentlichungen (Auswahl)

Literatur

  • Ruth Moore: Niels Bohr. Ein Mann und sein Werk verändern die Welt. List Verlag, München 1970.
  • Pascual Jordan: Begegnungen. Albert Einstein, Karl Heim, Hermann Oberth, Wolfgang Pauli, Walter Heitler, Max Born, Werner Heisenberg, Max von Laue, Niels Bohr. Stalling, Oldenburg u. a. 1971, ISBN 3-7979-1934-4.
  • Friedrich Hund: Korrespondenz und Komplementarität – Bohrs Weg zur Atomdynamik. Phys. Bl. 41 (1985) Nr. 9, Physik-Verlag Weinheim, S. 303–317.
  • Abraham Pais: Niels Bohr’s times. In Physics, Philosophy, and Polity. Clarendon Press, Oxford 1991, ISBN 0-19-852049-2.
  • Stefan Rozental: Schicksalsjahre mit Niels Bohr. Erinnerungen an den Begründer der modernen Atomtheorie. Aus dem Dänischen übersetzt von Klaus Stolzenburg. DVA, Stuttgart 1991, ISBN 3-421-06615-9.
  • Ulrich Röseberg: Niels Bohr. Leben und Werk eines Atomphysikers. 1885–1962. 3. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Berlin u. a. 1992, ISBN 3-86025-017-5.
  • Bernhard Kupfer: Lexikon der Nobelpreisträger. Patmos Verlag, Düsseldorf 2001, ISBN 3-491-72451-1.
  • Brockhaus Nobelpreise. Chronik herausragender Leistungen. 2. Auflage. Brockhaus, Mannheim u. a. 2004, ISBN 3-7653-0492-1.
  • Ernst Peter Fischer: Niels Bohr. Physiker und Philosoph des Atomzeitalters, Siedler, 2012, ISBN 9783886809967.

Weblinks

Commons: Niels Bohr – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikiquote: Niels Bohr – Zitate

Einzelnachweise

  1. Hughes Medal. In: RoyalSociety.org. Abgerufen am 15. Juli 2021 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).
  2. The Nobel Prize in Physics 1922. In: NobelPrize.org. The Nobel Foundation, abgerufen am 15. Juli 2021 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).
  3. Guide to the Niels Bohr Collection 1909–1963. In: Lib.UChicago.edu. University of Chicago Library, 2006, abgerufen am 15. Juli 2021 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).
  4. Stimmen von berühmten Physikern. In: Uni-Münster.de. Abgerufen am 15. Juli 2021.
  5. Vorlage:Academictree
  6. Niels Bohr, H. A. Kramers, J. C. Slater: The quantum theory of radiation. (PDF; 980 kB). In: Philosophical Magazine 47(1924), S. 785–802.
  7. So widersprach er z. B. entschieden einer Arbeit von Albert Einstein und Mitarbeitern aus dem Jahre 1935 (siehe EPR-Effekt), in der Einstein im Gegensatz zur „Kopenhagener Deutung“ argumentierte, dass die Quantenmechanik durch sog. „verborgene Variable“ ergänzt werden müsse. Dies stellte sich später als Irrtum heraus, sodass hier Bohr selbst gegenüber Einstein Recht behielt.
  8. Matthias Bath: Danebrog gegen Hakenkreuz, Wachholz, 2011, ISBN 978-3-529-02817-5, S. 137.
  9. Michael Krause: Wo Menschen und Teilchen aufeinanderstoßen. Wiley-VCH, 2013, S. 1–63 (wiley-vch.de [PDF; abgerufen am 15. Juli 2021]).
  10. Karen Barad: „Getting Real. Technoscientific Practices and the Materialization of Reality,“ in: Differences. A Journal of Feminist Cultural Studies 10 (2), 1998: 87–128.
  11. Mitgliedseintrag von Niels Bohr bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, abgerufen am 15. Juli 2021.
  12. Biographical Index: Former RSE Fellows 1783–2002. In: RSE.org.uk. Royal Society of Edinburgh, abgerufen am 15. Juli 2021.
  13. Verzeichnis der Mitglieder seit 1666: Buchstabe B. In: Academie-sciences.fr. Abgerufen am 15. Juli 2021 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).
  14. Nielsbohrite. In: mindat.org. Abgerufen am 15. Juli 202 (englisch).

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