Aktivierungsenergie: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Aktivierungsenergie''', geprägt 1889 von [[Svante Arrhenius]], ist eine energetische Barriere, die bei einer [[chemische Reaktion|chemischen Reaktion]] von den Reaktionspartnern überwunden werden muss. Allgemein gilt: Je niedriger die Aktivierungsenergie, desto schneller verläuft die Reaktion. Eine hohe Aktivierungsenergie hemmt Reaktionen, die aus energetischen Gründen zu erwarten wären und verhindert damit die Einstellung eines (thermodynamischen) [[Chemisches Gleichgewicht|chemischen Gleichgewichts]]. So kann eine Mischung aus Methan und dem Sauerstoff der Luft bei Standardbedingungen nahezu unverändert existieren (d. h. die Reaktion läuft unmessbar langsam ab), obwohl die Verbrennungsprodukte Kohlendioxid und Wasser thermodynamisch viel stabiler sind. Ausnahmen hiervon sind z. B. [[Säure-Base-Reaktion|Säure-Base-Reaktionen]].  
Die '''Aktivierungsenergie''', geprägt 1889 von [[Svante Arrhenius]], ist eine energetische Barriere, die bei einer [[chemische Reaktion|chemischen Reaktion]] von den Reaktionspartnern überwunden werden muss. Allgemein gilt: Je niedriger die Aktivierungsenergie, desto schneller verläuft die Reaktion. Eine hohe Aktivierungsenergie hemmt Reaktionen, die wegen fester Bindung der Endprodukte aus energetischen Gründen zu erwarten wären, und verhindert oder verzögert damit die Einstellung eines [[Chemisches Gleichgewicht|chemischen Gleichgewichts]]. So kann eine Mischung aus Methan und dem Sauerstoff der Luft bei Standardbedingungen nahezu unverändert existieren (d.&nbsp;h. die Reaktion läuft unmessbar langsam ab), obwohl die [[Exergone und endergone Reaktion|exergone Reaktion]] zu Kohlendioxid und Wasser aus [[Thermodynamik|thermodynamischer]] Sicht „spontan“ ablaufen sollte. Die Aktivierungsenergie nach Arrhenius ist eine empirische Größe, die sich durch die hohe Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeit von vielen chemischen Reaktionen ermitteln lässt.<ref>{{Gold Book|activation energy (Arrhenius activation energy)|A00102|Version=2.3.2}}</ref>


Die Aktivierungsenergie nach Arrhenius ist eine empirische Größe, die sich durch die hohe Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeit von vielen chemischen Reaktionen ermitteln lässt.<ref>{{Gold Book|activation energy (Arrhenius activation energy)|A00102|Version=2.3.2.}}</ref>
Allgemein werden alle [[Thermodynamischer Prozess|Prozesse]] als '''aktivierte Prozesse''' bezeichnet, bei denen eine energetische Barriere überwunden werden muss, um ein [[thermodynamisches System]] von einem [[Zustand (Thermodynamik)|Zustand]] in einen anderen zu überführen. Hierzu zählen neben chemischen Reaktionen im engeren Sinne auch zahlreiche andere Prozesse wie Änderungen der [[Konformation]], [[Keimbildung]], [[Kristallisation]], [[Kavitation]] oder die Entstehung von [[Bruchmechanik|Brüchen]] oder [[Erdbeben]].<ref>Jan Wedekind, Reinhard Strey: ''New method to analyze simulations of activated processes''. In: ''Journal of Chemical Physics'', 2007, Band 126, 134103, [[doi:10.1063/1.2713401]].</ref>


== Reaktionskinetik ==
== Reaktionskinetik ==
[[Datei:AktivierungsenergieV2.svg|miniatur|300px|Die Beziehung zwischen Aktivierungsenergie (''E<sub>a</sub>'') und [[Bildungsenthalpie]] (Δ''H'') mit und ohne Katalysator am Beispiel einer [[Exotherme Reaktion|exothermen Reaktion]]. Die energetisch höchste Position repräsentiert den Übergangszustand. Ein Katalysator verringert die zur Erreichung des Übergangszustands benötigte Energie.]]
[[Datei:AktivierungsenergieV2.svg|miniatur|300px|Die Beziehung zwischen Aktivierungsenergie (''E<sub>a</sub>'') und [[Bildungsenthalpie]] (Δ''H'') mit und ohne Katalysator am Beispiel einer [[Exotherme Reaktion|exothermen Reaktion]]. Die energetisch höchste Position repräsentiert den Übergangszustand. Ein Katalysator verringert die zur Erreichung des Übergangszustands benötigte Energie.]]


In der Vorstellung der physikalischen Chemie muss im Verlauf einer [[chemische Reaktion|chemischen Reaktion]] eine Umgruppierung der Atome aus der Anordnung der Reaktanten in die der Produkte stattfinden, wobei alte Bindungen aufgebrochen und neue Bindungen geknüpft werden. Die Reaktanten durchlaufen dabei für die Umwandlung in deren Produkte einen aktivierten Zustand, den sog. [[Übergangszustand]] (siehe Abbildung rechts, Kurvenmaximum), dessen Bildung eine bestimmte Energie (Aktivierungsenergie) erfordert. Die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion hängt also (bei konstanter Temperatur), nicht von den Energien der Reaktanten und Produkte, sondern nur von der Energiedifferenz zwischen Reaktanten und dem Übergangszustand ab.  Je höher die Temperatur des Reaktionssystems, umso höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Reaktanten die benötigte Aktivierungsenergie bereitstellen, die Energiebarriere überwinden und zum Produkt weiterreagieren.
In der Vorstellung der physikalischen Chemie muss im Verlauf einer [[chemische Reaktion|chemischen Reaktion]] eine Umgruppierung der Atome aus der Anordnung der Reaktanten in die der Produkte stattfinden, wobei alte Bindungen aufgebrochen und neue Bindungen geknüpft werden. Die Reaktanten durchlaufen dabei für die Umwandlung in deren Produkte einen aktivierten Zustand, den sogenannten  [[Übergangszustand]] (siehe Abbildung rechts, Kurvenmaximum), dessen Bildung eine bestimmte Energie (Aktivierungsenergie) erfordert. Die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion hängt also (bei konstanter Temperatur), nicht von den Energien der Reaktanten und Produkte, sondern nur von der Energiedifferenz zwischen Reaktanten und dem Übergangszustand ab.  Je höher die Temperatur des Reaktionssystems, umso höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Reaktanten die benötigte Aktivierungsenergie bereitstellen, die Energiebarriere überwinden und zum Produkt weiterreagieren.


=== Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit ===
=== Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit ===
Der Zusammenhang zwischen der [[Geschwindigkeitskonstante]]n ''k'', der Aktivierungsenergie ''E''<sub>A</sub> und der thermodynamischen [[Temperatur]] ''T'' kann (unter Vernachlässigung des [[Aktivierungsvolumen]]s bzw. bei niedrigen Drücken) in vielen Fällen durch die [[Arrhenius-Gleichung]]<ref>Jacobus Henricus van't Hoff, ''Études de dynamique chimique'', Frederik Muller & Co., Amsterdam 1884, S. 114–118.</ref><ref>Svante Arrhenius, ''Z. Phys. Chem.'' 1889, ''4'', S. 226–248.</ref> beschrieben werden:
Der Zusammenhang zwischen der [[Geschwindigkeitskonstante]]n <math>k</math>, der Aktivierungsenergie <math>E_A</math> und der thermodynamischen [[Temperatur]] <math>T</math> kann (unter Vernachlässigung des [[Aktivierungsvolumen]]s bzw. bei niedrigen Drücken) in vielen Fällen durch die [[Arrhenius-Gleichung]]<ref>Jacobus Henricus van't Hoff, ''Études de dynamique chimique'', Frederik Muller & Co., Amsterdam 1884, S. 114–118.</ref><ref>Svante Arrhenius, ''Z. Phys. Chem.'' 1889, ''4'', S. 226–248.</ref> mit dem präexponentiellen [[Geschwindigkeitskonstante|Frequenzfaktor]] <math>A</math> und der [[Gaskonstante]] <math>R</math> beschrieben werden:
: <math>k=A\cdot \mathrm{e}^\frac{-E_\mathrm{A}}{R \cdot T}</math>
: <math>k=A\cdot \mathrm{e}^\frac{-E_\mathrm{A}}{R \cdot T}</math>


Logarithmiert man die Gleichung, so ergibt sich:  
Logarithmiert man die Gleichung, so ergibt sich:


: <math>\ln(k) = -\frac{E_\mathrm{A}}{R} \cdot \frac{1}{T} + \ln(A)</math>
: <math>\ln(k/A) = -\frac{E_\mathrm{A}}{R} \cdot \frac{1}{T}</math>
<!-- Die Größe k ist keine Größe der Dimension Zahl, so dass sich davon kein Logarithmus bilden lässt -->


Da der präexponentielle Faktor ''A'' häufig genügend unabhängig von der Temperatur ist, gilt:
Da der präexponentielle Faktor <math>A</math> häufig genügend unabhängig von der Temperatur ist, gilt für den Zahlenwert <math>\{k\}</math> von <math>k</math>:


: <math>\ln(k) = -\frac{E_\mathrm{A}}{R} \cdot \frac{1}{T} + \mathrm{const.}</math>  
: <math>\ln\{k\} = -\frac{E_\mathrm{A}}R \cdot \frac1T + \mathrm{const.}</math>


Gelingt die Bestimmung der Geschwindigkeitskonstanten von irreversiblen Reaktionen bei unterschiedlichen Temperaturen, kann ln(''k'') gegen 1/''T'' aufgetragen werden und ''E''<sub>A</sub> aus der [[Steigung]] der Geraden bestimmt werden; siehe dazu [[Arrheniusgraph]].
Gelingt die Bestimmung der Geschwindigkeitskonstanten von irreversiblen Reaktionen bei unterschiedlichen Temperaturen, kann <math>\ln\{k\}</math> gegen <math>1/T</math> aufgetragen werden und <math>E_A</math> aus der [[Steigung]] der Geraden bestimmt werden; siehe dazu [[Arrheniusgraph]].


Sind zwei Geschwindigkeitskonstanten (''k''<sub>1</sub> und ''k''<sub>2</sub>) einer Reaktion bei zwei Temperaturen (''T''<sub>1</sub> und ''T''<sub>2</sub>) bekannt, lässt sich mit  
Sind zwei Geschwindigkeitskonstanten (<math>k_1</math> und <math>k_2</math>) einer Reaktion bei zwei Temperaturen (<math>T_1</math> und <math>T_2</math>) bekannt, lässt sich mit
: <math> E_\mathrm{A} =  \frac{R \cdot T_1 \cdot T_2}{T_1 - T_2} \ln \frac{k_1}{k_2} </math>
: <math> E_\mathrm{A} =  \frac{R \cdot T_1 \cdot T_2}{T_1 - T_2} \ln \frac{k_1}{k_2} </math>


die Aktivierungsenergie berechnen.<ref name="ChristenAAC">Hans Rudolf Christen: ''Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie'', Otto Salle, Frankfurt a. M., Sauerländer, Aarau, 9. Auflage, 1988, S. 333.</ref> Die Gleichung ist eine umgeformte Differenz aus zwei logarithmierten Arrhenius-Gleichungen (je eine pro Temperatur). Bei vielen Reaktionen in Lösung liegt die Aktivierungsenergie im Bereich von 50&nbsp;kJ·mol<sup>−1</sup>.<ref name="Försterling">Hans Kuhn, Horst-Dieter Försterling: ''Principles of Physical Chemistry'', John Wiley, Chichester, 1999, S. 683.</ref> Eine Temperaturerhöhung von 290&nbsp;[[Kelvin|K]] auf 300&nbsp;K führt dabei annähernd zu einer Verdoppelung der Geschwindigkeitskonstanten (siehe [[RGT-Regel]]). Es ist jedoch stets zu beachten, dass mit zunehmender Aktivierungsenergie (d.&nbsp;h. mit zunehmender Steigung im [[Arrheniusgraph]]) der Effekt der Temperaturabhängigkeit verstärkt wird. So werden Reaktionen mit niedrigen Aktivierungsenergien (ca. 10&nbsp;kJ·mol<sup>−1</sup>) durch Temperaturerhöhung nur geringfügig beschleunigt. Die Geschwindigkeit von Reaktionen mit großen Aktivierungsenergien (ca. 60&nbsp;kJ·mol<sup>−1</sup>) nimmt hingegen mit steigender Temperatur stark zu. Die Werte für die molaren Aktivierungsenergien vieler gängiger Reaktionen liegen zwischen 30 und 100&nbsp;kJ·mol<sup>−1</sup>.<ref name="Job">Georg Job, Regina Rüffler: ''Physikalische Chemie'', Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden, 1. Auflage 2011, S. 401–402.</ref>  
die Aktivierungsenergie berechnen.<ref name="ChristenAAC">Hans Rudolf Christen: ''Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie'', Otto Salle, Frankfurt a. M., Sauerländer, Aarau, 9. Auflage, 1988, S. 333.</ref> Die Gleichung ist eine umgeformte Differenz aus zwei logarithmierten Arrhenius-Gleichungen (je eine pro Temperatur). Bei vielen Reaktionen in Lösung liegt die Aktivierungsenergie im Bereich von 50&nbsp;kJ·mol<sup>−1</sup>.<ref name="Försterling">Hans Kuhn, Horst-Dieter Försterling: ''Principles of Physical Chemistry'', John Wiley, Chichester, 1999, S. 683.</ref> Eine Temperaturerhöhung von 290&nbsp;[[Kelvin|K]] auf 300&nbsp;K führt dabei annähernd zu einer Verdoppelung der Geschwindigkeitskonstanten (siehe [[RGT-Regel]]). Es ist jedoch stets zu beachten, dass mit zunehmender Aktivierungsenergie (d.&nbsp;h. mit zunehmender Steigung im [[Arrheniusgraph]]) der Effekt der Temperaturabhängigkeit verstärkt wird. So werden Reaktionen mit niedrigen Aktivierungsenergien (ca. 10&nbsp;kJ·mol<sup>−1</sup>) durch Temperaturerhöhung nur geringfügig beschleunigt. Die Geschwindigkeit von Reaktionen mit großen Aktivierungsenergien (ca. 60&nbsp;kJ·mol<sup>−1</sup>) nimmt hingegen mit steigender Temperatur stark zu. Die Werte für die molaren Aktivierungsenergien vieler gängiger Reaktionen liegen zwischen 30 und 100&nbsp;kJ·mol<sup>−1</sup>.<ref name="Job">Georg Job, Regina Rüffler: ''Physikalische Chemie'', Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden, 1. Auflage 2011, S. 401–402.</ref>


Bei einigen Reaktionen folgt die Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeitskonstante nicht der Arrhenius-Gleichung. Dies sind beispielsweise Reaktionen ohne Aktivierungsenergie, explosionsartige Reaktionen, Reaktionen mit vorgelagerten Gleichgewichten und viele [[Enzym|enzymatische]] oder [[Heterogene Katalyse|heterokatalytische]] Reaktionen.<ref name="Wedler">Gerd Wedler: ''Lehrbuch der Physikalischen Chemie'', VCH, Weinheim, 3. Auflage, 1987, S. 169.</ref>
Bei einigen Reaktionen folgt die Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeitskonstante nicht der Arrhenius-Gleichung. Dies sind beispielsweise Reaktionen ohne Aktivierungsenergie, explosionsartige Reaktionen, Reaktionen mit vorgelagerten Gleichgewichten und viele [[Enzym|enzymatische]] oder [[Heterogene Katalyse|heterokatalytische]] Reaktionen.<ref name="Wedler">Gerd Wedler: ''Lehrbuch der Physikalischen Chemie'', VCH, Weinheim, 3. Auflage, 1987, S. 169.</ref>


=== Theoretischer Hintergrund ===
=== Theoretischer Hintergrund ===
Tatsächlich beschreibt das Modell von Arrhenius die Vorgänge bei einer chemischen Reaktion unvollständig. Die Arrhenius-Gleichung lässt sich durch die [[Stoßtheorie|klassische Stoßtheorie]] theoretisch begründen. Die hohe Wirkung einer Temperaturerhöhung auf die Geschwindigkeit einer Reaktion beruht auf der starken Zunahme des Anteils der Teilchen, die über genug Energie verfügen, um die Barriere zu überwinden. Nebenbei wächst bei einer Temperaturerhöhung auch die Häufigkeit der Zusammenstösse (die Stoßzahl) der Reaktanden. Der Anstieg der Stoßzahl führt praktisch jedoch zu einer sehr geringen Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit und geht in der Arrhenius-Gleichung als Komponente im „temperaturunabhängigen“ präexponentiellen Faktor ''A'' unter. Ist die Aktivierungsenergie klein oder null bestimmen die Stoßzahl oder die Diffusionsgeschwindigkeit die Reaktionsgeschwindigkeit. Nach [[Henry Eyring|Eyring]] (siehe auch [[Eyring-Theorie|Theorie des Übergangszustandes]]) ist die ''Freie Aktivierungsenthalpie'' <math>\Delta^{\ddagger}G</math> die bestimmende Größe für die Reaktionsgeschwindigkeit.
Tatsächlich beschreibt das Modell von Arrhenius die Vorgänge bei einer chemischen Reaktion unvollständig. Die Arrhenius-Gleichung lässt sich durch die [[Stoßtheorie|klassische Stoßtheorie]] theoretisch begründen. Die hohe Wirkung einer Temperaturerhöhung auf die Geschwindigkeit einer Reaktion beruht auf der starken Zunahme des Anteils der Teilchen, die über genug Energie verfügen, um die Barriere zu überwinden. Nebenbei wächst bei einer Temperaturerhöhung auch die Häufigkeit der Zusammenstöße (die Stoßzahl) der Reaktanden. Der Anstieg der Stoßzahl führt praktisch jedoch zu einer sehr geringen Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit und geht in der Arrhenius-Gleichung als Komponente im „temperaturunabhängigen“ präexponentiellen Faktor ''A'' unter. Ist die Aktivierungsenergie klein oder null bestimmen die Stoßzahl oder die Diffusionsgeschwindigkeit die Reaktionsgeschwindigkeit. Nach [[Henry Eyring|Eyring]] (siehe auch [[Eyring-Theorie|Theorie des Übergangszustandes]]) ist die ''Freie Aktivierungsenthalpie'' <math>\Delta^{\ddagger}G</math> die bestimmende Größe für die Reaktionsgeschwindigkeit.


=== Katalyse ===
=== Katalyse ===
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
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* [http://www.eqi.ethz.ch/fmi/xsl/eqi/eqi_property_details_de.xsl?node_id=118 Verzeichnis von Nachschlagewerken und Datenbanken mit Aktivierungsenergien]
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* {{TIBAV |15614 |Linktext= Wie bestimmt man die Aktivierungsenergie einer Reaktion? - Auswertung nach ARRHENIUS |Herausgeber=Lauth |Jahr=2013 |DOI=10.5446/15614}}
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Aktuelle Version vom 2. März 2022, 09:26 Uhr

Die Aktivierungsenergie, geprägt 1889 von Svante Arrhenius, ist eine energetische Barriere, die bei einer chemischen Reaktion von den Reaktionspartnern überwunden werden muss. Allgemein gilt: Je niedriger die Aktivierungsenergie, desto schneller verläuft die Reaktion. Eine hohe Aktivierungsenergie hemmt Reaktionen, die wegen fester Bindung der Endprodukte aus energetischen Gründen zu erwarten wären, und verhindert oder verzögert damit die Einstellung eines chemischen Gleichgewichts. So kann eine Mischung aus Methan und dem Sauerstoff der Luft bei Standardbedingungen nahezu unverändert existieren (d. h. die Reaktion läuft unmessbar langsam ab), obwohl die exergone Reaktion zu Kohlendioxid und Wasser aus thermodynamischer Sicht „spontan“ ablaufen sollte. Die Aktivierungsenergie nach Arrhenius ist eine empirische Größe, die sich durch die hohe Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeit von vielen chemischen Reaktionen ermitteln lässt.[1]

Allgemein werden alle Prozesse als aktivierte Prozesse bezeichnet, bei denen eine energetische Barriere überwunden werden muss, um ein thermodynamisches System von einem Zustand in einen anderen zu überführen. Hierzu zählen neben chemischen Reaktionen im engeren Sinne auch zahlreiche andere Prozesse wie Änderungen der Konformation, Keimbildung, Kristallisation, Kavitation oder die Entstehung von Brüchen oder Erdbeben.[2]

Reaktionskinetik

Die Beziehung zwischen Aktivierungsenergie (Ea) und Bildungsenthalpie (ΔH) mit und ohne Katalysator am Beispiel einer exothermen Reaktion. Die energetisch höchste Position repräsentiert den Übergangszustand. Ein Katalysator verringert die zur Erreichung des Übergangszustands benötigte Energie.

In der Vorstellung der physikalischen Chemie muss im Verlauf einer chemischen Reaktion eine Umgruppierung der Atome aus der Anordnung der Reaktanten in die der Produkte stattfinden, wobei alte Bindungen aufgebrochen und neue Bindungen geknüpft werden. Die Reaktanten durchlaufen dabei für die Umwandlung in deren Produkte einen aktivierten Zustand, den sogenannten Übergangszustand (siehe Abbildung rechts, Kurvenmaximum), dessen Bildung eine bestimmte Energie (Aktivierungsenergie) erfordert. Die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion hängt also (bei konstanter Temperatur), nicht von den Energien der Reaktanten und Produkte, sondern nur von der Energiedifferenz zwischen Reaktanten und dem Übergangszustand ab. Je höher die Temperatur des Reaktionssystems, umso höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Reaktanten die benötigte Aktivierungsenergie bereitstellen, die Energiebarriere überwinden und zum Produkt weiterreagieren.

Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit

Der Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeitskonstanten $ k $, der Aktivierungsenergie $ E_{A} $ und der thermodynamischen Temperatur $ T $ kann (unter Vernachlässigung des Aktivierungsvolumens bzw. bei niedrigen Drücken) in vielen Fällen durch die Arrhenius-Gleichung[3][4] mit dem präexponentiellen Frequenzfaktor $ A $ und der Gaskonstante $ R $ beschrieben werden:

$ k=A\cdot \mathrm {e} ^{\frac {-E_{\mathrm {A} }}{R\cdot T}} $

Logarithmiert man die Gleichung, so ergibt sich:

$ \ln(k/A)=-{\frac {E_{\mathrm {A} }}{R}}\cdot {\frac {1}{T}} $

Da der präexponentielle Faktor $ A $ häufig genügend unabhängig von der Temperatur ist, gilt für den Zahlenwert $ \{k\} $ von $ k $:

$ \ln\{k\}=-{\frac {E_{\mathrm {A} }}{R}}\cdot {\frac {1}{T}}+\mathrm {const.} $

Gelingt die Bestimmung der Geschwindigkeitskonstanten von irreversiblen Reaktionen bei unterschiedlichen Temperaturen, kann $ \ln\{k\} $ gegen $ 1/T $ aufgetragen werden und $ E_{A} $ aus der Steigung der Geraden bestimmt werden; siehe dazu Arrheniusgraph.

Sind zwei Geschwindigkeitskonstanten ($ k_{1} $ und $ k_{2} $) einer Reaktion bei zwei Temperaturen ($ T_{1} $ und $ T_{2} $) bekannt, lässt sich mit

$ E_{\mathrm {A} }={\frac {R\cdot T_{1}\cdot T_{2}}{T_{1}-T_{2}}}\ln {\frac {k_{1}}{k_{2}}} $

die Aktivierungsenergie berechnen.[5] Die Gleichung ist eine umgeformte Differenz aus zwei logarithmierten Arrhenius-Gleichungen (je eine pro Temperatur). Bei vielen Reaktionen in Lösung liegt die Aktivierungsenergie im Bereich von 50 kJ·mol−1.[6] Eine Temperaturerhöhung von 290 K auf 300 K führt dabei annähernd zu einer Verdoppelung der Geschwindigkeitskonstanten (siehe RGT-Regel). Es ist jedoch stets zu beachten, dass mit zunehmender Aktivierungsenergie (d. h. mit zunehmender Steigung im Arrheniusgraph) der Effekt der Temperaturabhängigkeit verstärkt wird. So werden Reaktionen mit niedrigen Aktivierungsenergien (ca. 10 kJ·mol−1) durch Temperaturerhöhung nur geringfügig beschleunigt. Die Geschwindigkeit von Reaktionen mit großen Aktivierungsenergien (ca. 60 kJ·mol−1) nimmt hingegen mit steigender Temperatur stark zu. Die Werte für die molaren Aktivierungsenergien vieler gängiger Reaktionen liegen zwischen 30 und 100 kJ·mol−1.[7]

Bei einigen Reaktionen folgt die Temperaturabhängigkeit der Geschwindigkeitskonstante nicht der Arrhenius-Gleichung. Dies sind beispielsweise Reaktionen ohne Aktivierungsenergie, explosionsartige Reaktionen, Reaktionen mit vorgelagerten Gleichgewichten und viele enzymatische oder heterokatalytische Reaktionen.[8]

Theoretischer Hintergrund

Tatsächlich beschreibt das Modell von Arrhenius die Vorgänge bei einer chemischen Reaktion unvollständig. Die Arrhenius-Gleichung lässt sich durch die klassische Stoßtheorie theoretisch begründen. Die hohe Wirkung einer Temperaturerhöhung auf die Geschwindigkeit einer Reaktion beruht auf der starken Zunahme des Anteils der Teilchen, die über genug Energie verfügen, um die Barriere zu überwinden. Nebenbei wächst bei einer Temperaturerhöhung auch die Häufigkeit der Zusammenstöße (die Stoßzahl) der Reaktanden. Der Anstieg der Stoßzahl führt praktisch jedoch zu einer sehr geringen Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit und geht in der Arrhenius-Gleichung als Komponente im „temperaturunabhängigen“ präexponentiellen Faktor A unter. Ist die Aktivierungsenergie klein oder null bestimmen die Stoßzahl oder die Diffusionsgeschwindigkeit die Reaktionsgeschwindigkeit. Nach Eyring (siehe auch Theorie des Übergangszustandes) ist die Freie Aktivierungsenthalpie $ \Delta ^{\ddagger }G $ die bestimmende Größe für die Reaktionsgeschwindigkeit.

Katalyse

Ein Katalysator setzt die Aktivierungsenergie für chemische Reaktionen herab, ändert jedoch nicht die freie Reaktionsenthalpie $ \Delta _{\mathrm {R} }G $. Man nimmt an, dass bei Anwesenheit eines Katalysators ein Komplex mit niedrigerer Aktivierungsenergie gebildet wird und so die Reaktionswahrscheinlichkeit steigt.

Siehe auch

Literatur

  • Siehe Kinetik (Chemie)

Einzelnachweise

  1. Eintrag zu activation energy (Arrhenius activation energy). In: IUPAC Compendium of Chemical Terminology (the “Gold Book”). doi:10.1351/goldbook.A00102 Version: 2.3.2.
  2. Jan Wedekind, Reinhard Strey: New method to analyze simulations of activated processes. In: Journal of Chemical Physics, 2007, Band 126, 134103, doi:10.1063/1.2713401.
  3. Jacobus Henricus van't Hoff, Études de dynamique chimique, Frederik Muller & Co., Amsterdam 1884, S. 114–118.
  4. Svante Arrhenius, Z. Phys. Chem. 1889, 4, S. 226–248.
  5. Hans Rudolf Christen: Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie, Otto Salle, Frankfurt a. M., Sauerländer, Aarau, 9. Auflage, 1988, S. 333.
  6. Hans Kuhn, Horst-Dieter Försterling: Principles of Physical Chemistry, John Wiley, Chichester, 1999, S. 683.
  7. Georg Job, Regina Rüffler: Physikalische Chemie, Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden, 1. Auflage 2011, S. 401–402.
  8. Gerd Wedler: Lehrbuch der Physikalischen Chemie, VCH, Weinheim, 3. Auflage, 1987, S. 169.

Weblinks

Wiktionary: Aktivierungsenergie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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