Johann Wilhelm Ritter

Johann Wilhelm Ritter

Johann Wilhelm Ritter

Johann Wilhelm Ritter (* 16. Dezember 1776 in Samitz bei Haynau, Schlesien[1]; † 23. Januar 1810[2] in München) war ein deutscher Physiker und Philosoph der Frühromantik.

„Johann Wilhelm Ritter ist die herausragendste Figur unter den Naturforschern der Frühromantik im Kulturkreis Jena-Weimar. Obwohl Autodidakt, wurde er von Persönlichkeiten wie Goethe, Herder, Alexander von Humboldt und Brentano als wissenschaftlicher Partner geschätzt.“[3] Als Physiker entdeckte er 1801 die UV-Strahlung und erfand 1802 den ersten Akkumulator, die Rittersche Ladungssäule.[4]

Leben

Sein Vater war 1748 geboren, hieß ebenfalls Johann Wilhelm Ritter[5] und war ein evangelischer Pfarrer. Seine Mutter Juliane Friederike Ritter, geborene Decovius war 1753 geboren.[6] Er hatte zwei Brüder und drei Schwestern.[7] Im April 1796 schrieb sich an der Universität Jena ein Student namens Johann Wilhelm Ritter für das Studium der Naturwissenschaften[8] ein. Er vermerkte im Matrikel, dass er am 16. Dezember 1776 im schlesischen Samitz geboren sei. Dort hatte er bis zum 14. Lebensjahr die Lateinschule besucht, war dann in einer Liegnitzer Apotheke Lehrling und einige Jahre als Provisor tätig gewesen. In der thüringischen Universitätsstadt betrieb nun Ritter keineswegs ein geregeltes Studium der damals üblichen Art. Er verblieb lieber in seinem kleinen Zimmer und stellte sich selber wissenschaftliche Aufgaben, etwa über „die wirkliche Gegenwart der Kalkerde in rohen Knochen“. Schließlich geriet er ins Fahrwasser des seinerzeit allgemeinen Interesses am Galvanismus. Seine erste entsprechende Abhandlung waren zehn Bogen der interessantesten Bemerkungen zu Alexander von Humboldts Werk über gereizte Muskel- und Nervenfasern.

Am 29. Oktober 1797 referierte Ritter vor der Naturforschenden Gesellschaft in Jena Ueber den Galvanismus: einige Resultate aus den bisherigen Untersuchungen darüber, und als endliches: die Entdeckung eines in der ganzen lebenden und todten Natur tätigen Princips. Seine Ausführungen fanden große Resonanz, aber als er Johann Christian Reil in Halle das Manuskript zum Abdruck in dessen Archiv für Physiologie übersandte, erhielt er die Arbeit zurück mit der Notiz, dass eine „solche Bemerkung zu dreist sei und anderes dergleichen mehr“.

Der junge Wissenschaftler ließ sich nicht entmutigen, vertiefte mit neuen Experimenten weiter sein Wissen über die galvanischen Vorgänge. Im thüringischen Raum war Ritter bald als Naturforscher anerkannt, rieb sich aber häufig mit den an Universitäten und Akademien beschäftigten Wissenschaftlern. 1799 gründete er die Zeitschrift Beyträge zur nähern Kenntniß des Galvanismus. Darin legte er unter anderem seine aus eigenständigen Untersuchungen gewonnenen Überlegungen dar, dass die galvanischen Vorgänge immer an Oxidation und Reduktion gebunden sind. Deshalb gehört Ritter zusammen mit Theodor Grotthuß (1785–1822) zu den eigentlichen Begründern der elektrochemischen Theorie, zu der sie unabhängig voneinander Beiträge lieferten.

Erste quantitative Wasserelektrolyse durch Johann Wilhelm Ritter im Jahre 1800

Viele von Ritters zahlreichen Entdeckungen sind bis heute nahezu unbeachtet. Ein Grund liegt in seiner weitschweifigen Darstellungsweise, die an die Schriften der Romantiker erinnert, mit denen er in Jena verkehrte. Aufgestellt hat er als erster das heutige sogenannte Voltasche Spannungsgesetz im Mai 1801, also Monate bevor es der spätere Namensgeber mangelhaft formulierte. Im gleichen Jahr erfand er die Trockensäule und zwei Jahre später konstruierte er mit seiner Ladungssäule die Vorform des Akkumulators. 1801 entdeckte er am Ende des Spektrums des sichtbaren Lichtes die Ultraviolettstrahlen.

Im Herbst 1804 erhielt Ritter endlich die ersehnte feste Anstellung und die damit verbundene offizielle wissenschaftliche Anerkennung, allerdings nicht in Thüringen, sondern durch die Bayerische Akademie der Wissenschaften, die ihn als ordentliches Mitglied aufnahm und ihm die Möglichkeit zur Fortsetzung seiner Forschungen gab. (Das obige Bild zeigt ihn möglicherweise in einer bayerischen Uniform.) Ab 1806 wandte er sich unter dem Einfluss des Theosophen Franz Xaver von Baader der Erforschung der sogenannten unterirdischen Elektrometrie, der Rutengängerei, zu. Ausgiebig betrieb er entsprechende Experimente, wodurch sein wissenschaftlicher Ruf bei den Fachkollegen natürlich nicht gefestigt wurde.

Im Jahre 1808 brachte er ein erstes und letztes Heft über Siderismus (siehe auch Wünschelrute) heraus, um dann über ein System der Naturkräfte nachzudenken, in dem alle denkbaren Phänomene erfasst sein sollten. Er kam jedoch nur zu Ansätzen, denn kaum 33 Jahre alt verstarb er am 23. Januar 1810 in München, mitverursacht durch die an seinem Körper durchgeführten galvanischen Selbstversuche.

Schriften

  • Beweiß, dass ein beständiger Galvanismus den Lebensproceß in dem Thierreiche begleite. Weimar 1798.
  • Fragmente aus dem Nachlasse eines jungen Physikers. Ein Taschenbuch für Freunde der Natur. Heidelberg 1810, Erstes Bändchen; Zweites Bändchen. Neu herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Steffen und Birgit Dietzsch, Verlag Gustav Kiepenheuer, Leipzig und Weimar, 1984, ISBN 3-7833-6401-9. – Dabei handelt es sich nicht um seinen Nachlass post mortem, sondern um eine von Ritter selbst zusammengestellte Sammlung seiner physikalischen und poetischen Skizzen und Aphorismen.
  • Entdeckungen zur Elektrochemie, Bioelektrochemie und Photochemie. Reihe: Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften, Band 271. Auswahl, Einleitung und Erläuterung von Hermann Berg und Klaus Richter, Verlag Harri Deutsch, Thun und Frankfurt/Main 1997, ISBN 3-8171-3271-9. – Dieses Buch versammelt seine wichtigsten naturwissenschaftlichen Aufsätze, darunter die Erfindung des Akkumulators und die Entdeckung des ultravioletten Lichtes.

Herausgeber

  • Carlo Amoretti: Physikalische und historische Untersuchungen über die Rabdomantie oder animalische Electrometrie. Übersetzer: Carl Ulysses von Salis. Berlin 1809 Teil 1 online – Internet Archive

Rezeption

In dem 2016 erschienenen Roman Die Unglückseligen von Thea Dorn ist das Leben der Figur des Johann Wilhelm Ritter dem der realen Person entlehnt.[9] In dem Roman wird ausführlich aus dem deutschsprachigen Wikipedia-Artikel über Ritter zitiert.[10]

Literatur

  • Werner E. Gerabek: Ritter, Johann Wilhelm. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1253 f.
  • Alexander Gode von Aesch, Natural Science in German Romanticism, New York 1941, Reprint: Columbia University Press, New York 1966.
  • Erk F. Hansen, Wissenschaftswahrnehmung und -umsetzung im Kontext der deutschen Frühromantik, Peter Lang, Bern / Frankfurt / New York 1992.
  • K. Jäger, F. Heilbronner (Hrsg.): Lexikon der Elektrotechniker, VDE Verlag, 2. Auflage von 2010, Berlin/Offenbach, ISBN 978-3-8007-2903-6, S. 359–360
  • Gustav KarstenRitter, Johann Wilhelm. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 28, Duncker & Humblot, Leipzig 1889, S. 675–678.
  • Friedrich Klemm, Armin Hermann (Hg.): Briefe eines romantischen Physikers. Johann Wilhelm Ritter an Gotthilf Heinrich Schubert und an Karl von Hardenberg. Moos, München 1966.
  • Jürgen Maehder, Ernst Florens Friedrich Chladni, Johann Wilhelm Ritter und die romantische Akustik auf dem Wege zum Verständnis der Klangfarbe, in: Jürgen Kühnel/Ulrich Müller/Oswald Panagl (Hrsgg.), Die Schaubühne in der Epoche des »Freischütz«: Theater und Musiktheater der Romantik, Verlag Müller-Speiser, Anif/ Salzburg 2009, S. 107–122.
  • Daniel Muzzulini, Genealogie der Klangfarbe, »Varia Musicologica«, vol. 5, Peter Lang, Bern / Frankfurt / New York 2006.
  • Klaus Richter: Das Leben des Physikers Johann Wilhelm Ritter. Ein Schicksal in der Zeit der Romantik. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 2003, ISBN 3-7400-1191-2; mit umfangreicher Bibliographie, unter anderem der Werke, Briefe und der Rezeption Ritters am Ende des Buches auf S. 185–265
  • Walter D. Wetzels: Johann Wilhelm Ritter: Physik im Wirkungsfeld der deutschen Romantik. De Gruyter, Berlin 1973, ISBN 3-11-003815-3; Nachdruck im selben Verlag von 2013 mit ISBN 978-3-11-003815-6
  • Andreas Woyke: Johann Wilhelm Ritter: Zwischen romantischer Naturphilosophie und exakter Naturwissenschaft. In: Schwarz, Astrid (Hrsg.): Das bunte Gewand der Theorie: vierzehn Begegnungen mit philosophierenden Forschern. Alber, Freiburg im Breisgau, 2009, ISBN 978-3-49-548384-8, S. 43–70.
  • Siegfried Zielinski: Electrification, tele-writing, seeing close up: Johann Wilhelm Ritter, Joseph Chudy, and Jan Evangelista Purkyne. In: Ders.: Deep Time of the Media. Toward an Archaeology of Hearing and Seeing by Technical Means. MIT Press, Cambridge, Mass., 2006, ISBN 978-0262740326, S. 159–203.
  • Vorlage:DictSciBiogr

Weblinks

Commons: Johann Wilhelm Ritter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikiquote: Johann Wilhelm Ritter – Zitate

Einzelnachweise

  1. Klaus Richter: Das Leben des Physikers Johann Wilhelm Ritter, ISBN 978-3-7400-1191-8, S. 1; außerdem in der zusammenfassenden Chronologie dieses Buches auf S. 175
  2. in der zusammenfassenden Chronologie des Buches von Klaus Richter: Das Leben des Physikers Johann Wilhelm Ritter, ISBN 978-3-7400-1191-8, S. 178; außerdem auf S. 156 in diesem Buch
  3. Klaus Richter: Das Leben des Physikers Johann Wilhelm Ritter. Ein Schicksal in der Zeit der Romantik. 2003; Zitat vom Klappentext dieses Buches
  4. SPIEGEL ONLINE, Gunkel, C.: Voll auf Akku. vom 29. Oktober 2010.
  5. K. Richter: Das Leben des Physikers Johann Wilhelm Ritter, S. 175; zudem im Namensverzeichnis des Buches auf S. 182 aufgelistet
  6. K. Richter: Das Leben des Physikers Johann Wilhelm Ritter, S. 1 und S. 175; zudem im Namensverzeichnis des Buches auf S. 182 aufgelistet
  7. Die Geschwister jeweils mit Namen und Geburts- und teilweise Sterbedaten im Namensverzeichnis des Buch von K. Richter: Das Leben des Physikers Johann Wilhelm Ritter auf S. 182 aufgelistet
  8. Werner E. Gerabek: Ritter, Johann Wilhelm. 2005, S. 1253.
  9. Peter von Becker: Ritter, Tod und Teufel
  10. Die Unglückseligen. München 2016. S. 78–82.

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