Variation der Elemente: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Variation der Elemente''' ist eine im [[19. Jahrhundert]] entwickelte Methode zur genauen [[Bahnbestimmung]] von Himmelskörpern. Sie dient bis heute zur Modellierung so genannter [[Bahnstörung]]en.
Die '''Variation der Elemente''' ist eine im [[19. Jahrhundert]] entwickelte Methode zur genauen [[Bahnbestimmung]] von Himmelskörpern. Sie dient bis heute zur Modellierung von [[Bahnstörung]]en.


In der Idealisierung des [[Zweikörperproblem]]s verläuft die [[Umlaufbahn]] eines [[Planet]]en um die [[Sonne]] oder eines [[Mond]]es um einen Planeten exakt auf einer [[Keplerellipse]]. Voraussetzung hierfür ist, dass beide Körper kugelförmig sind, sich im [[Vakuum]] bewegen und keine weiteren Himmelskörper oder Kräfte wirken. Für die Berechnung solcher Keplerellipsen genügen sechs [[Bahnelement]]e und die drei [[Keplersche Gesetze|Keplerschen Gesetze]]. Erstere 6 Zahlenwerte bleiben konstant - das heißt die Bahnellipse und ihre Ebene verändern sich nicht bezüglich des Zentralkörpers und des [[Fixstern]]himmels.
In der Idealisierung des [[Zweikörperproblem]]s verläuft die [[Umlaufbahn]] eines [[Planet]]en um die [[Sonne]] oder eines [[Mond]]es um einen Planeten exakt auf einer [[Keplerellipse]]. Voraussetzung hierfür ist, dass beide Körper kugelförmig sind, sich im [[Vakuum]] bewegen und keine weiteren Himmelskörper oder Kräfte wirken. Für die Berechnung solcher Keplerellipsen genügen sechs [[Bahnelement]]e und die drei [[Keplersche Gesetze|Keplerschen Gesetze]]. Erstere 6 Zahlenwerte bleiben konstant das heißt die Bahnellipse und ihre Ebene verändern sich nicht bezüglich des Zentralkörpers und des [[Fixstern]]himmels.


De facto sind jedoch immer Bahnstörungen wirksam: dritte Körper, interplanetare Gase und Staub, [[Strahlungsdruck]] der Sonne, [[Atmosphäre (Astronomie)|Atmosphäre]]n und [[Abplattung]] von Planeten usw. Diese störenden Kräfte verändern die 6 Bahnelemente langsam und verursachen zusätzliche Abweichungen von der [[Keplerbahn]].
De facto sind jedoch immer Bahnstörungen wirksam: dritte Körper, interplanetare [[Interplanetares Medium|Gase]] und [[Interplanetarer Staub|Staub]], [[Strahlungsdruck]] der Sonne, [[Atmosphäre (Astronomie)|Atmosphären]] und [[Abplattung]] von Planeten usw. Diese störenden Kräfte verändern die 6 Bahnelemente langsam und verursachen zusätzliche Abweichungen von der [[Keplerbahn]].


== Das Verfahren ==
== Das Verfahren ==
[[Joseph-Louis Lagrange|Lagrange]] und andere [[Astronom]]en entwickelten daher das Modell der ''[[oskulierend]]en Bahnen''. Wenn die Umlaufbahn eines Himmelskörpers allzu variabel war, wird der momentan gültigen eine Ellipsenbahn angepasst, die sich allen Beobachtungen möglichst gut anschmiegt. So entsteht im Laufe der Zeit eine Folge oskulierender Bahnelemente, die stetig ineinander übergehen. Jeder dieser Elementensätze repräsentiert eine Bahn, auf welcher der Himmelskörper bei Aufhören der störenden Kräfte genau weiterfliegen würde.
[[Joseph-Louis Lagrange|Lagrange]] und andere [[Astronom]]en entwickelten daher das Modell der ''[[oskulierend]]en Bahnen''. Wenn die Umlaufbahn eines Himmelskörpers allzu variabel war, wird der momentan gültigen eine Ellipsenbahn angepasst, die sich allen Beobachtungen möglichst gut anschmiegt. So entsteht im Laufe der Zeit eine Folge oskulierender Bahnelemente, die stetig ineinander übergehen. Jeder dieser Elementensätze repräsentiert eine Bahn, auf welcher der Himmelskörper bei Aufhören der störenden Kräfte genau weiterfliegen würde.


Bei den Berechnungen werden näherungsweise mittels Differentialgleichungen die Elemente zu bestimmten Zeitpunkten ermittelt. Aus den errechneten Bahnen wird sodann die Hüllkurve bestimmt, welche dann die „theoretische“ Bahn des Objektes ergibt. Die zeitliche Veränderung der Bahnelemente kann [[säkular]], [[Periodizität|periodisch]] und bis zu einem gewissen Grad auch unregelmäßig sein - je nach verursachender [[Kraft]] und Bahnelement. Für jeden der 6 Zahlenwerte lassen sich daher zeitabhängige Terme bestimmen, welche die Veränderung der Elemente charakterisieren.
Bei den Berechnungen werden näherungsweise mittels Differentialgleichungen die Elemente zu bestimmten Zeitpunkten ermittelt. Aus den errechneten Bahnen wird sodann die Hüllkurve bestimmt, welche dann die „theoretische“ Bahn des Objektes ergibt. Die zeitliche Veränderung der Bahnelemente kann [[säkular (Astronomie)|säkular]], [[Periodizität|periodisch]] und bis zu einem gewissen Grad auch unregelmäßig sein je nach verursachender [[Kraft]] und Bahnelement. Für jeden der 6 Zahlenwerte lassen sich daher zeitabhängige Terme bestimmen, welche die Veränderung der Elemente charakterisieren.


Die Abweichungen der tatsächlichen [[Umlaufbahn]] von der knapp vorher gültigen oskulierenden Ellipse können als Funktion der störenden Krafte berechnet werden. Auf diese Art wurden erstmals 1846 Störungen der [[Uranus (Planet)|Uranusbahn]] modelliert, die zur Entdeckung des Planeten [[Neptun (Planet)|Neptun]] führten. Umgekehrt kann - zum Beispiel für [[Raumsonde]]n - die [[Gravitation]] aller bekannten Körper berücksichtigt oder die Wirkung kurzer Korrekturmanöver berechnet werden.
Die Abweichungen der tatsächlichen [[Umlaufbahn]] von der knapp vorher gültigen oskulierenden Ellipse können als Funktion der störenden Kräfte berechnet werden. Auf diese Art wurden erstmals 1846 Störungen der [[Uranus (Planet)|Uranusbahn]] modelliert, die zur Entdeckung des Planeten [[Neptun (Planet)|Neptun]] führten. Umgekehrt kann zum Beispiel für [[Raumsonde]]n die [[Gravitation]] aller bekannten Körper berücksichtigt oder die Wirkung kurzer Korrekturmanöver berechnet werden.


Heutige [[Computer]] erlauben eine beliebig genaue Bahnbestimmung, wenn nur der Aufwand entsprechend hoch getrieben wird. Dabei bevorzugt man [[Iteration|iterativ]]e Methoden und benützt zur sogenannten ''Bahnverbesserung'' die [[Ausgleichsrechnung]] bzw. die [[Kollokation]]. Nach einer ersten (genäherten) Bahnbestimmung aus wenigen Messungen (mindestens 3) berechnet man die [[Örter]] des Himmelskörpers zu den Zeitpunkten ''aller'' seiner Beobachtungen. Die Abweichungen von dieser [[Ephemeride]] sind die Eingangsgrößen der [[Bahnverbesserung]]. Sie bringt durch geeignete Variation der Elemente die berechneten Positionen in Einklang mit den [[Messung]]en. Dadurch und mittels Einbeziehung von [[Distanzmessung]]en mit [[Radar]] hat sich die Rechengenauigkeit im inneren Sonnensystem auf 1:10 Millionen und besser (Erdbahn auf km) erhöht.
Heutige [[Computer]] erlauben eine beliebig genaue Bahnbestimmung, wenn nur der Aufwand entsprechend hoch getrieben wird. Dabei bevorzugt man [[Iteration|iterative]] Methoden und benützt zur sogenannten ''Bahnverbesserung'' die [[Ausgleichsrechnung]] bzw. die [[Kollokation]]. Nach einer ersten (genäherten) Bahnbestimmung aus wenigen Messungen (mindestens 3) berechnet man die [[Örter]] des Himmelskörpers zu den Zeitpunkten ''aller'' seiner Beobachtungen. Die Abweichungen von dieser [[Ephemeride]] sind die Eingangsgrößen der [[Bahnverbesserung]]. Sie bringt durch geeignete Variation der Elemente die berechneten Positionen in Einklang mit den [[Messung]]en. Dadurch und mittels Einbeziehung von [[Distanzmessung]]en mit [[Radar]] hat sich die Rechengenauigkeit im inneren Sonnensystem auf 1:10 Millionen und besser (Erdbahn auf km) erhöht.


Statt die ''[[Bahnelement]]e'' gezielt zu verändern, gibt es im Ergebnis gleichwertige Verfahren wie die Variation der [[Geozentrum|geozentrischen]] [[Abstand|Entfernung]]. Das Lösen der dabei entstehenden [[Differentialgleichung]]en erfolgt beispielsweise nach [[Runge-Kutta-Verfahren|Runge-Kutta]]. Nach einer ähnlichen Methode arbeitet die [[numerische Integration]] des [[Jet Propulsion Laboratory]] ([[JPL]]-[[Computerprogramm|Programm]] DE200/LE200). Mit ihm werden alljährlich die Positionen aller großen [[Planet]]en und einiger [[Asteroid]]en für den [[Astronomical Almanac]] vorausberechnet.
Statt die ''[[Bahnelement]]e'' gezielt zu verändern, gibt es im Ergebnis gleichwertige Verfahren wie die Variation der [[Geozentrum|geozentrischen]] [[Abstand|Entfernung]]. Das Lösen der dabei entstehenden [[Differentialgleichung]]en erfolgt beispielsweise nach [[Runge-Kutta-Verfahren|Runge-Kutta]]. Nach einer ähnlichen Methode arbeitet die [[numerische Integration]] des [[Jet Propulsion Laboratory]] ([[JPL]]-[[Computerprogramm|Programm]] DE200/LE200). Mit ihm werden alljährlich die Positionen aller großen [[Planet]]en und einiger [[Asteroid]]en für den [[Astronomical Almanac]] vorausberechnet.
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://infofrosch.info/b/ba/bahnbestimmung.html Informationen zur Bahnbestimmung]; Abgerufen am 23. September 2009
* {{Webarchiv | url=http://www.geod.uni-bonn.de/apmg/pdf_doc/4_SatellitenbewegungTheorie.pdf | wayback=20070611054339| text=Theorie der Satellitenbewegung}} (PDF-Datei, 0,6 MB)
* [http://www.geod.uni-bonn.de/apmg/pdf_doc/4_SatellitenbewegungTheorie.pdf Theorie der Satellitenbewegung]; Abgerufen am 23. September 2009
* [ftp://ftp.astro.uni-bonn.de/pub/roemer/vorlesung/ss00/Zwei_k.pdf Zweikörper-Bahnmechanik]; Abgerufen am 23. September 2009
* [ftp://ftp.astro.uni-bonn.de/pub/roemer/vorlesung/ss00/Zwei_k.pdf Zweikörper-Bahnmechanik]; Abgerufen am 23. September 2009


[[Kategorie:Himmelsmechanik]]
[[Kategorie:Himmelsmechanik]]
[[Kategorie:Variationsrechnung]]
[[Kategorie:Variationsrechnung]]

Aktuelle Version vom 16. November 2020, 17:00 Uhr

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Die Variation der Elemente ist eine im 19. Jahrhundert entwickelte Methode zur genauen Bahnbestimmung von Himmelskörpern. Sie dient bis heute zur Modellierung von Bahnstörungen.

In der Idealisierung des Zweikörperproblems verläuft die Umlaufbahn eines Planeten um die Sonne oder eines Mondes um einen Planeten exakt auf einer Keplerellipse. Voraussetzung hierfür ist, dass beide Körper kugelförmig sind, sich im Vakuum bewegen und keine weiteren Himmelskörper oder Kräfte wirken. Für die Berechnung solcher Keplerellipsen genügen sechs Bahnelemente und die drei Keplerschen Gesetze. Erstere 6 Zahlenwerte bleiben konstant – das heißt die Bahnellipse und ihre Ebene verändern sich nicht bezüglich des Zentralkörpers und des Fixsternhimmels.

De facto sind jedoch immer Bahnstörungen wirksam: dritte Körper, interplanetare Gase und Staub, Strahlungsdruck der Sonne, Atmosphären und Abplattung von Planeten usw. Diese störenden Kräfte verändern die 6 Bahnelemente langsam und verursachen zusätzliche Abweichungen von der Keplerbahn.

Das Verfahren

Lagrange und andere Astronomen entwickelten daher das Modell der oskulierenden Bahnen. Wenn die Umlaufbahn eines Himmelskörpers allzu variabel war, wird der momentan gültigen eine Ellipsenbahn angepasst, die sich allen Beobachtungen möglichst gut anschmiegt. So entsteht im Laufe der Zeit eine Folge oskulierender Bahnelemente, die stetig ineinander übergehen. Jeder dieser Elementensätze repräsentiert eine Bahn, auf welcher der Himmelskörper bei Aufhören der störenden Kräfte genau weiterfliegen würde.

Bei den Berechnungen werden näherungsweise mittels Differentialgleichungen die Elemente zu bestimmten Zeitpunkten ermittelt. Aus den errechneten Bahnen wird sodann die Hüllkurve bestimmt, welche dann die „theoretische“ Bahn des Objektes ergibt. Die zeitliche Veränderung der Bahnelemente kann säkular, periodisch und bis zu einem gewissen Grad auch unregelmäßig sein – je nach verursachender Kraft und Bahnelement. Für jeden der 6 Zahlenwerte lassen sich daher zeitabhängige Terme bestimmen, welche die Veränderung der Elemente charakterisieren.

Die Abweichungen der tatsächlichen Umlaufbahn von der knapp vorher gültigen oskulierenden Ellipse können als Funktion der störenden Kräfte berechnet werden. Auf diese Art wurden erstmals 1846 Störungen der Uranusbahn modelliert, die zur Entdeckung des Planeten Neptun führten. Umgekehrt kann – zum Beispiel für Raumsonden – die Gravitation aller bekannten Körper berücksichtigt oder die Wirkung kurzer Korrekturmanöver berechnet werden.

Heutige Computer erlauben eine beliebig genaue Bahnbestimmung, wenn nur der Aufwand entsprechend hoch getrieben wird. Dabei bevorzugt man iterative Methoden und benützt zur sogenannten Bahnverbesserung die Ausgleichsrechnung bzw. die Kollokation. Nach einer ersten (genäherten) Bahnbestimmung aus wenigen Messungen (mindestens 3) berechnet man die Örter des Himmelskörpers zu den Zeitpunkten aller seiner Beobachtungen. Die Abweichungen von dieser Ephemeride sind die Eingangsgrößen der Bahnverbesserung. Sie bringt durch geeignete Variation der Elemente die berechneten Positionen in Einklang mit den Messungen. Dadurch und mittels Einbeziehung von Distanzmessungen mit Radar hat sich die Rechengenauigkeit im inneren Sonnensystem auf 1:10 Millionen und besser (Erdbahn auf km) erhöht.

Statt die Bahnelemente gezielt zu verändern, gibt es im Ergebnis gleichwertige Verfahren wie die Variation der geozentrischen Entfernung. Das Lösen der dabei entstehenden Differentialgleichungen erfolgt beispielsweise nach Runge-Kutta. Nach einer ähnlichen Methode arbeitet die numerische Integration des Jet Propulsion Laboratory (JPL-Programm DE200/LE200). Mit ihm werden alljährlich die Positionen aller großen Planeten und einiger Asteroiden für den Astronomical Almanac vorausberechnet.

Literatur

  • Satellitengeodäsie: Grundlagen, Methoden und Anwendungen von Günter Seeber, 1989; Verlag de Gruyter (ISBN 978-3110100822)

Weblinks

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