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Aufgrund ihres Potenzials, offene Fragen der Teilchen- und [[Astrophysik]] zu beantworten, sind supersymmetrische Theorien insbesondere in der [[Theoretische Physik|theoretischen Physik]] sehr populär. Die meisten [[Große vereinheitlichte Theorie|Großen vereinheitlichten Theorien]] und [[Stringtheorie|Superstringtheorien]] sind supersymmetrisch. Die minimal mögliche, mit bisherigen Erkenntnissen kompatible Erweiterung des [[Standardmodell]]s der Teilchenphysik (SM), das [[Minimales supersymmetrisches Standardmodell|Minimale supersymmetrische Standardmodell]] (MSSM), ist der experimentell meistuntersuchte Kandidat für [[Standardmodell#Physik jenseits des Standardmodells|Physik jenseits des Standardmodells]] (BSM-Physik).
Aufgrund ihres Potenzials, offene Fragen der Teilchen- und [[Astrophysik]] zu beantworten, sind supersymmetrische Theorien insbesondere in der [[Theoretische Physik|theoretischen Physik]] sehr populär. Die meisten [[Große vereinheitlichte Theorie|Großen vereinheitlichten Theorien]] und [[Stringtheorie|Superstringtheorien]] sind supersymmetrisch. Die minimal mögliche, mit bisherigen Erkenntnissen kompatible Erweiterung des [[Standardmodell]]s der Teilchenphysik (SM), das [[Minimales supersymmetrisches Standardmodell|Minimale supersymmetrische Standardmodell]] (MSSM), ist der experimentell meistuntersuchte Kandidat für [[Standardmodell#Physik jenseits des Standardmodells|Physik jenseits des Standardmodells]] (BSM-Physik).


Allerdings konnte trotz vielversprechender theoretischer Argumente bis heute kein experimenteller Nachweis erbracht werden, dass Supersymmetrie tatsächlich in der Natur existiert – insbesondere wurden noch keine Superpartner bekannter Teilchen beobachtet. Das bedeutet, dass diese Symmetrie, wenn sie existiert, [[Symmetriebrechung|gebrochen]] ist. Der Brechungsmechanismus und die Energie, ab der die Symmetrie gilt, sind unbekannt.
Allerdings konnte trotz vielversprechender theoretischer Argumente bis heute kein experimenteller Nachweis erbracht werden, dass Supersymmetrie tatsächlich in der Natur existiert – insbesondere wurden noch keine Superpartner bekannter Teilchen beobachtet. Das bedeutet, dass diese Symmetrie, wenn sie existiert, [[Symmetriebrechung|gebrochen]] ist. Der Brechungsmechanismus und die Energie, ab der die Symmetrie gelten würde, sind unbekannt.


== Formulierungsgeschichte: Wess-Zumino-Modell und MSSM ==
== Formulierungsgeschichte: Wess-Zumino-Modell und MSSM ==
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Als Modell der Elementarteilchenphysik erhielt die Theorie erst 1974 größere Aufmerksamkeit durch die unabhängige Arbeit von [[Julius Wess]] und [[Bruno Zumino]]<ref>J. Wess, B. Zumino: ''Supergauge transformations in four dimensions.'' in: ''Nuclear physics. B.'' Amsterdam 70.1974, 39–50. {{ISSN|0550-3213}}</ref>. Dieses heute unter dem Namen ''Wess-Zumino-Modell'' bekannte Modell beschreibt zwei [[Boson#Einteilung nach dem Spin|skalare Bosonen]], die mit sich selbst und mit einem [[Chiralität (Physik)|chiralen]] [[Fermion]] wechselwirken. Obwohl unrealistisch, ist das Wess-Zumino-Modell ein wegen seiner Einfachheit beliebtes Beispiel, an dem sich wichtige Eigenschaften supersymmetrischer Feldtheorien zeigen.
Als Modell der Elementarteilchenphysik erhielt die Theorie erst 1974 größere Aufmerksamkeit durch die unabhängige Arbeit von [[Julius Wess]] und [[Bruno Zumino]]<ref>J. Wess, B. Zumino: ''Supergauge transformations in four dimensions.'' in: ''Nuclear physics. B.'' Amsterdam 70.1974, 39–50. {{ISSN|0550-3213}}</ref>. Dieses heute unter dem Namen ''Wess-Zumino-Modell'' bekannte Modell beschreibt zwei [[Boson#Einteilung nach dem Spin|skalare Bosonen]], die mit sich selbst und mit einem [[Chiralität (Physik)|chiralen]] [[Fermion]] wechselwirken. Obwohl unrealistisch, ist das Wess-Zumino-Modell ein wegen seiner Einfachheit beliebtes Beispiel, an dem sich wichtige Eigenschaften supersymmetrischer Feldtheorien zeigen.


Das erste mit den bisherigen experimentellen Beobachtungen verträgliche supersymmetrische Modell, das [[Minimales supersymmetrisches Standardmodell|Minimale Supersymmetrische Standardmodell]] (MSSM), wurde 1981 von [[Howard Georgi]] und [[Savas Dimopoulos]] vorgeschlagen. Nach ihren Vorhersagen liegen die Massen der bisher unbeobachteten Superpartner im Bereich von 100 GeV/c² bis 1 TeV/c², der für den 2009 in Betrieb gegangenen Teilchenbeschleuniger [[Large Hadron Collider]] (LHC) zugänglich ist. Diese Massen stehen im Einklang mit dem Befund, dass früher keine Superpartner beobachtet wurden, und lassen vermuten, dass am LHC Superpartner bereits bekannter Elementarteilchen nachgewiesen werden könnten. Das ist allerdings bis heute nicht gelungen (Stand: Januar 2017).
Das erste mit den experimentellen Beobachtungen zeitweise verträgliche supersymmetrische Modell, das [[Minimales supersymmetrisches Standardmodell|Minimale Supersymmetrische Standardmodell]] (MSSM), wurde 1981 von [[Howard Georgi]] und [[Savas Dimopoulos]] vorgeschlagen. Nach ihren Vorhersagen liegen die Massen der bisher unbeobachteten Superpartner im Bereich von 100 GeV/c² bis 1 TeV/c², der für den 2009 in Betrieb gegangenen Teilchenbeschleuniger [[Large Hadron Collider]] (LHC) zugänglich ist. Diese Massen stehen im Einklang mit dem Befund, dass früher keine Superpartner beobachtet wurden, und lassen vermuten, dass am LHC Superpartner bereits bekannter Elementarteilchen nachgewiesen werden könnten. Das ist allerdings bis heute nicht gelungen (Stand: März 2019<ref>https://home.cern/news/news/physics/highlights-2019-moriond-conference-electroweak-physics ''Highlights from the 2019 Moriond conference (electroweak physics) - The latest experimental data provide more stringent tests of the Standard Model and of rare phenomena of the microworld''; 29 March, 2019; abgerufen am 28. April 2019</ref>).


== Generelle Eigenschaften ==
== Generelle Eigenschaften ==
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Die Supersymmetrietransformationen, die Fermionen und Bosonen ineinander umwandeln, erweitern die Raumzeitsymmetrie, die [[Poincaré-Gruppe]].
Die Supersymmetrietransformationen, die Fermionen und Bosonen ineinander umwandeln, erweitern die Raumzeitsymmetrie, die [[Poincaré-Gruppe]].


[[Sidney Coleman]] und [[Jeffrey Mandula]] zeigten 1967 unter, wie es schien, allgemein gültigen Bedingungen, dass – außer den [[Erzeuger (Algebra)|Erzeugenden]] der Poincaré-Gruppe – alle Erzeugenden von physikalisch relevanten Symmetrien unter Poincaré-Transformationen invariant sein müssen, dass also jede größere Symmetrie eines physikalischen Modells eine [[direktes Produkt|Produktgruppe]] der Poincaré-Gruppe mit einer Gruppe sein müsse, die nichts mit der Raumzeit zu tun hat ([[Coleman-Mandula-Theorem]]).<ref>Sidney Coleman, Jeffrey Mandula: ''All possible symmetries of the S-matrix.'', Physical Review, Bd.159, 1967, S. 1251–1256. {{ISSN|0031-899X}}</ref>
[[Sidney Coleman]] und [[Jeffrey Mandula]] zeigten 1967 unter, wie es schien, allgemein gültigen Bedingungen, dass – außer den [[Erzeuger (Algebra)|Erzeugenden]] der Poincaré-Gruppe – alle Erzeugenden von physikalisch relevanten Symmetrien unter Poincaré-Transformationen invariant sein müssen, dass also jede größere Symmetrie eines physikalischen Modells eine [[Direktes Produkt|Produktgruppe]] der Poincaré-Gruppe mit einer Gruppe sein müsse, die nichts mit der Raumzeit zu tun hat ([[Coleman-Mandula-Theorem]]).<ref>Sidney Coleman, Jeffrey Mandula: ''All possible symmetries of the S-matrix.'', Physical Review, Bd. 159, 1967, S. 1251–1256. {{ISSN|0031-899X}}</ref>


Nachdem aber Wess und Zumino 1974 gezeigt hatten, dass es auch fermionische Erzeugende von Symmetrien geben kann, die sich wie Teilchen mit [[Spin]]&nbsp;1/2 bei Drehungen ändern und die von Coleman und Mandula nicht bedacht worden waren, klassifizierten 1975 [[Rudolf Haag]], Jan Łopuszański und Martin Sohnius die möglichen Symmetriealgebren mit bosonischen und fermionischen Erzeugenden ([[Haag-Łopuszański-Sohnius-Theorem]]).<ref>Haag, Lopuszanki, Sohnius: ''All possible generators of supersymmetries of the S-matrix.'' in: ''Nuclear physics. B.'' Amsterdam 88.1975, 257. {{ISSN|0550-3213}}</ref>
Nachdem aber Wess und Zumino 1974 gezeigt hatten, dass es auch fermionische Erzeugende von Symmetrien geben kann, die sich wie Teilchen mit [[Spin]]&nbsp;1/2 bei Drehungen ändern und die von Coleman und Mandula nicht bedacht worden waren, klassifizierten 1975 [[Rudolf Haag]], Jan Łopuszański und Martin Sohnius die möglichen Symmetriealgebren mit bosonischen und fermionischen Erzeugenden ([[Haag-Łopuszański-Sohnius-Theorem]]).<ref>Haag, Lopuszanki, Sohnius: ''All possible generators of supersymmetries of the S-matrix.'' in: ''Nuclear physics. B.'' Amsterdam 88.1975, 257. {{ISSN|0550-3213}}</ref>
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:<math>\{Q_{\alpha}, \bar Q_{\dot{\beta}}\} = 2({\sigma^m})_{\alpha\dot{\beta}}P_m\,, \ \ \{ Q , Q \} = \{ \bar Q ,\bar Q \} = [Q,P] = [ \bar Q, P ] = 0\,. </math>
:<math>\{Q_{\alpha}, \bar Q_{\dot{\beta}}\} = 2({\sigma^m})_{\alpha\dot{\beta}}P_m\,, \ \ \{ Q , Q \} = \{ \bar Q ,\bar Q \} = [Q,P] = [ \bar Q, P ] = 0\,. </math>


Dabei bezeichnen <math> \sigma^m </math> die [[Pauli-Matrizen]] und <math> P_m </math> den [[Viererimpuls]].
Dabei bezeichnen <math> \sigma^m </math> die [[Pauli-Matrizen]] und <math> P_m </math> den [[Viererimpuls]].


=== Schleifenkorrekturen ===
=== Schleifenkorrekturen ===
[[Datei:SfermionHiggsMassCorrections.svg|framed|Korrekturbeiträge zur Higgsmasse. Die quadratische Divergenz der Fermionenschleife im oberen Diagramm wird durch das untere Diagramm eines skalaren Superpartners kompensiert.]]
[[Datei:SfermionHiggsMassCorrections.svg|gerahmt|Korrekturbeiträge zur Higgsmasse. Die quadratische Divergenz der Fermionenschleife im oberen Diagramm wird durch das untere Diagramm eines skalaren Superpartners kompensiert.]]
Die Existenz zusätzlicher Elementarteilchen liefert zusätzliche Beiträge zu den [[Schleifenkorrektur]]en für beobachtbare physikalische Parameter. Besitzen Superpartner außer dem Spin exakt gleiche Quantenzahlen, so sind die Schleifenkorrekturen identisch im Betrag, unterscheiden sich jedoch (aufgrund des unterschiedlichen Spins) im Vorzeichen: die Korrekturen addieren sich zu Null.
Die Existenz zusätzlicher Elementarteilchen liefert zusätzliche Beiträge zu den [[Schleifenkorrektur]]en für beobachtbare physikalische Parameter. Besitzen Superpartner außer dem Spin exakt gleiche Quantenzahlen, so sind die Schleifenkorrekturen identisch im Betrag, unterscheiden sich jedoch (aufgrund des unterschiedlichen Spins) im Vorzeichen: die Korrekturen addieren sich zu Null.


In gebrochenen, insbesondere spontan gebrochenen, SUSY-Modellen addieren sich die Korrekturen nicht notwendigerweise zu Null, liefern aber oft vergleichsweise kleinere Effekte.
In gebrochenen, insbesondere spontan gebrochenen SUSY-Modellen addieren sich die Korrekturen nicht notwendigerweise zu Null, liefern aber oft vergleichsweise kleinere Effekte.


Die (teilweise) Kompensation der Schleifenkorrekturen durch Superpartner hat zwei interessante Effekte:
Die (teilweise) Kompensation der Schleifenkorrekturen durch Superpartner hat zwei Effekte, die stark zur Attraktivität supersymmetrischer Ansätze beigetragen haben:
* Supersymmetrie bietet eine Möglichkeit zur Lösung des [[Feinabstimmung der Naturkonstanten|Natürlichkeitsproblems]] (engl. ''Naturalness problem'' oder ''fine-tuning problem''). Dieses Problem besteht darin, dass mit der Energieskala quadratisch [[divergent]]e Schleifendiagramme zu störend großen Korrekturbeiträgen zur renormierten Masse des [[Higgs-Boson]]s führen. Zu jedem quadratisch divergenten Korrekturterm könnte nun ein äquivalenter Term des jeweiligen Superpartners mit entgegengesetztem Vorzeichen existieren, die problematischen Korrekturen würden sich zu Null addieren.
* Supersymmetrie bietet eine Möglichkeit zur Lösung des [[Natürlichkeitsproblem]]s (engl. ''Naturalness problem'' oder ''[[Feinabstimmung|fine-tuning problem]]''). Dieses Problem besteht darin, dass mit der Energieskala quadratisch [[Divergenz eines Vektorfeldes|divergente]] Schleifendiagramme zu störend großen Korrekturbeiträgen zur renormierten Masse des [[Higgs-Boson]]s führen. Zu jedem quadratisch divergenten Korrekturterm könnte nun ein äquivalenter Term des jeweiligen Superpartners mit entgegengesetztem Vorzeichen existieren, die problematischen Korrekturen würden sich zu Null addieren.
* In spontan oder nicht gebrochenen SUSY-Theorien ist im Gegensatz zum Standardmodell der [[Erwartungswert]] der [[Energiedichte]] im [[Vakuum|feldfreien Raum]] endlich. Somit scheint es einfacher, die [[Gravitation]], für deren Feld die Energiedichte die Quelle ist, in ein quantentheoretisches Modell einzubeziehen (s.u. ''Supergravitation'').
* In spontan oder nicht gebrochenen SUSY-Theorien ist im Gegensatz zum Standardmodell der [[Erwartungswert]] der [[Energiedichte]] im [[Vakuum|feldfreien Raum]] endlich. Somit scheint es einfacher, die [[Gravitation]], für deren Feld die Energiedichte die Quelle ist, in ein quantentheoretisches Modell einzubeziehen (s.&nbsp;u. ''Supergravitation'').


=== Dunkle Materie ===
=== Dunkle Materie ===
{{Hauptartikel|Dunkle Materie}}
{{Hauptartikel|Dunkle Materie}}
Um nicht in Widerspruch zu experimentellen Ergebnissen zu geraten, muss man annehmen, dass Zerfallsprozesse von Superpartnern in Standardmodellteilchen (ohne einen weiteren Superpartner als Zerfallsprodukt) stark unterdrückt oder unmöglich sind ([[R-Parität]]serhaltung). Dadurch ist das [[Leichtestes supersymmetrisches Teilchen|leichteste supersymmetrische Partnerteilchen]] (LSP) praktisch stabil. Da nach aktuellen [[kosmologie|kosmologischen]] Modellen in den Frühphasen des Universums Teilchen beliebiger Masse erzeugt werden konnten, stellt ein elektrisch neutrales LSP – etwa das leichteste [[Neutralino]] – einen Kandidaten für die Erklärung Dunkler Materie dar.<ref>Siehe z.B. D. Hooper, T. Plehn: ''[http://arxiv.org/abs/hep-ph/0212226 Supersymmetric Dark Matter – How light can the LSP be?]'' in: ''Physics letters. B.'' Amsterdam 562.2003, 18–27. {{ISSN|0031-9163}}</ref>
Um nicht in Widerspruch zu experimentellen Ergebnissen zu geraten, muss man annehmen, dass Zerfallsprozesse von Superpartnern in Standardmodellteilchen (ohne einen weiteren Superpartner als Zerfallsprodukt) stark unterdrückt oder unmöglich sind ([[R-Parität]]serhaltung). Dadurch ist das [[Leichtestes supersymmetrisches Teilchen|leichteste supersymmetrische Partnerteilchen]] (LSP) praktisch stabil. Da nach aktuellen [[Kosmologie|kosmologischen]] Modellen in den Frühphasen des Universums Teilchen beliebiger Masse erzeugt werden konnten, stellt ein elektrisch neutrales LSP – etwa das leichteste [[Neutralino]] – einen Kandidaten für die Erklärung Dunkler Materie dar.<ref>Siehe z.&nbsp;B. D. Hooper, T. Plehn: ''[http://arxiv.org/abs/hep-ph/0212226 Supersymmetric Dark Matter – How light can the LSP be?]'' in: ''Physics letters. B.'' Amsterdam 562.2003, 18–27. {{ISSN|0031-9163}}</ref>
<!-- Es gibt etliche Paper zum Thema dark matter LSP, oft spezialisiert auf ein bestimmtes LSP.
<!-- Es gibt etliche Paper zum Thema dark matter LSP, oft spezialisiert auf ein bestimmtes LSP.
Das von mir gewählte ist einfach nur eins, das mir passend erschien. Wenn jemand DAS historische Paper zu dem Thema weiss, dann bitte entsprechend ersetzen.  -->
Das von mir gewählte ist einfach nur eins, das mir passend erschien. Wenn jemand DAS historische Paper zu dem Thema weiss, dann bitte entsprechend ersetzen.  -->
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{{Hauptartikel|MSSM}}
{{Hauptartikel|MSSM}}


Das MSSM ist die im Sinne der Teilchenzahl kleinste Möglichkeit, ein realistisches supersymmetrisches Teilchenphysikmodell aufzubauen. Das MSSM erweitert das Standardmodell um ein zusätzliches Higgs-[[Dublett]] und um SUSY-Partnerteilchen für alle Teilchen des Modells. Dabei wird kein expliziter Mechanismus angegeben, der begründet, warum die neuen Teilchen andere Massen besitzen als ihre Standardmodellpartner. Stattdessen werden alle supersymmetriebrechenden Terme, die [[renormierbarkeit|renormierbar]], [[eichinvarianz|eichinvariant]] und [[R-Parität|R-paritätserhaltend]] sind, explizit mit zunächst unbekannten [[Kopplungskonstante]]n in das Modell aufgenommen.
Das MSSM ist die im Sinne der Teilchenzahl kleinste Möglichkeit, ein realistisches supersymmetrisches Teilchenphysikmodell aufzubauen. Das MSSM erweitert das Standardmodell um ein zusätzliches Higgs-[[Dublett]] und um SUSY-Partnerteilchen für alle Teilchen des Modells. Dabei wird kein expliziter Mechanismus angegeben, der begründet, warum die neuen Teilchen andere Massen besitzen als ihre Standardmodellpartner. Stattdessen werden alle supersymmetriebrechenden Terme, die [[Renormierbarkeit|renormierbar]], [[Eichinvarianz|eichinvariant]] und [[R-Parität|R-paritätserhaltend]] sind, explizit mit zunächst unbekannten [[Kopplungskonstante]]n in das Modell aufgenommen.


=== Vereinheitlichte Theorien ===
=== Vereinheitlichte Theorien ===
{{Hauptartikel|Große Vereinheitlichte Theorie}}
{{Hauptartikel|Große Vereinheitlichte Theorie}}
[[Datei:Coupling constants as function of energy (sketch).svg|thumb|Kopplungskonstanten <math>\alpha</math> der Grundkräfte (s: starke, w: schwache, em: elektromagnetische Wechselwirkung) als Funktion der Energie <math>E</math>, sie treffen im Standardmodell nur „fast“ zusammen. Die Gravitation ist mit g bezeichnet.]]
[[Datei:Coupling constants as function of energy (sketch).svg|mini|Kopplungskonstanten <math>\alpha</math> der Grundkräfte (s: starke, w: schwache, em: elektromagnetische Wechselwirkung) als Funktion der Energie <math>E</math>, sie treffen im Standardmodell nur „fast“ zusammen. Die Gravitation ist mit g bezeichnet.]]
Die Existenz der neuen Teilchen ab einer Masse von 100 bis 1000&nbsp;GeV beeinflusst das ''Running'', d. h. die Energieabhängigkeit der Parameter („Kopplungskonstanten“), die die Stärke der drei im Standardmodell vorkommenden Wechselwirkungen charakterisieren, so dass sie sich bei extrem hohen Energien von <math>10^{16}</math>&nbsp;GeV einem gemeinsamen Wert nähern. Im Standardmodell treffen sie nur fast an einem Punkt zusammen, während supersymmetrische Theorien einen sehr viel genaueren „Vereinigungspunkt“ liefern<ref>U. Amaldi, W. de Boer, H. Fürstenau, ''Comparison of Grand Unified Theories with electroweak and strong coupling constants measured at LEP'', Physics Letters Bd. 260, 1991, S.447</ref>. Dies wird manchmal als ein Hinweis auf vereinheitlichte Theorien interpretiert, in denen die drei Wechselwirkungen des Standardmodells nur verschiedene Effekte einer einzigen übergeordneten Wechselwirkung sind, analog der elektrischen und der magnetischen Wechselwirkung.
Die Existenz der neuen Teilchen ab einer Masse von 100 bis 1000&nbsp;GeV beeinflusst das ''Running'', d.&nbsp;h. die Energieabhängigkeit der Parameter („Kopplungskonstanten“), die die Stärke der drei im Standardmodell vorkommenden Wechselwirkungen charakterisieren, so dass sie sich bei extrem hohen Energien von <math>10^{16}</math>&nbsp;GeV einem gemeinsamen Wert nähern. Im Standardmodell treffen sie nur fast an einem Punkt zusammen, während supersymmetrische Theorien einen sehr viel genaueren „Vereinigungspunkt“ liefern.<ref>U. Amaldi, W. de Boer, H. Fürstenau, ''Comparison of Grand Unified Theories with electroweak and strong coupling constants measured at LEP'', Physics Letters Bd. 260, 1991, S. 447</ref> Dies wird manchmal als ein Hinweis auf vereinheitlichte Theorien interpretiert, in denen die drei Wechselwirkungen des Standardmodells nur verschiedene Effekte einer einzigen übergeordneten Wechselwirkung sind, analog der elektrischen und der magnetischen Wechselwirkung.


=== Supergravitation ===
=== Supergravitation ===
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Diese besitzt gegenüber lokaler Raumzeitsymmetrie ''innerhalb des Standardmodells'', die ''nicht'' renormierbar ist, zwei potentielle Vorteile, die insbesondere in der Anfangsphase supersymmetrischer Ansätze die Hoffnung nährten, dass SUSY einen möglichen Mechanismus für eine Theorie der [[Quantengravitation]] liefert:
Diese besitzt gegenüber lokaler Raumzeitsymmetrie ''innerhalb des Standardmodells'', die ''nicht'' renormierbar ist, zwei potentielle Vorteile, die insbesondere in der Anfangsphase supersymmetrischer Ansätze die Hoffnung nährten, dass SUSY einen möglichen Mechanismus für eine Theorie der [[Quantengravitation]] liefert:
* Der unterschiedliche Spin von Graviton und Gravitino könnte dazu führen, dass sich nicht renormierbare Terme kompensieren und die Theorie insgesamt renormierbar wird.
* Der unterschiedliche Spin von Graviton und Gravitino könnte dazu führen, dass sich nicht renormierbare Terme kompensieren und die Theorie insgesamt renormierbar wird.
* Die Vakuumenergiedichte des Raumes, nach der [[Allgemeine Relativitätstheorie|Relativitätstheorie]] ein Quellterm für Gravitation, ist für SUGRA endlich, im Fall der ungebrochenen Supersymmetrie sogar exakt Null. Dagegen ist im Standardmodell der Erwartungswert der Energiedichte bereits im [[Quantenvakuum|Vakuum unendlich]], s.o. ''Schleifenkorrekturen''.
* Die Vakuumenergiedichte des Raumes, nach der [[Allgemeine Relativitätstheorie|Relativitätstheorie]] ein Quellterm für Gravitation, ist für SUGRA endlich, im Fall der ungebrochenen Supersymmetrie sogar exakt Null. Dagegen ist im Standardmodell der Erwartungswert der Energiedichte bereits im [[Quantenvakuum|Vakuum unendlich]], s.&nbsp;o. ''Schleifenkorrekturen''.


Bis heute ist es jedoch – mit potentieller Ausnahme von Superstringansätzen, die über einfache Supersymmetrie hinausgehen – nicht gelungen, eine [[widerspruchsfreiheit|widerspruchsfreie]] Theorie der Supergravitation aufzustellen. SUGRA könnte allerdings eine effektive Theorie unterhalb der [[Planck-Skala]] sein: sie ist ein möglicher Mechanismus für [[spontane Symmetriebrechung|spontane Brechung]] der Supersymmetrie.
Bis heute ist es jedoch – mit potentieller Ausnahme von Superstringansätzen, die über einfache Supersymmetrie hinausgehen – nicht gelungen, eine [[Widerspruchsfreiheit|widerspruchsfreie]] Theorie der Supergravitation aufzustellen. SUGRA könnte allerdings eine effektive Theorie unterhalb der [[Planck-Skala]] sein: sie ist ein möglicher Mechanismus für [[Spontane Symmetriebrechung|spontane Brechung]] der Supersymmetrie.


In manchen Modellen ist der Nachweis des Gravitinos an Beschleunigerexperimenten wie dem [[Large Hadron Collider|LHC]] denkbar.<ref>Nanopoulos u. a.: ''[http://arxiv.org/abs/hep-ph/9707331 Light-Gravitino Production at Hadron Colliders.]'' in: ''Physical review. D.'' Melville 57.1998, 373–382. {{ISSN|0556-2821}}</ref>
In manchen Modellen ist der Nachweis des Gravitinos an Beschleunigerexperimenten wie dem [[Large Hadron Collider|LHC]] denkbar.<ref>Nanopoulos u.&nbsp;a.: ''[http://arxiv.org/abs/hep-ph/9707331 Light-Gravitino Production at Hadron Colliders.]'' in: ''Physical review. D.'' Melville 57.1998, 373–382. {{ISSN|0556-2821}}</ref>


== Supersymmetrie in anderen Bereichen der Physik ==
== Supersymmetrie in anderen Bereichen der Physik ==
Als Dynamische Symmetrie fand die Supersymmetrie Anwendung zum Beispiel in der [[Kernphysik]] ([[Interacting Boson Model]]) und in der [[Festkörperphysik]] und bei ungeordneten Systemen, zum Beispiel durch [[Konstantin Efetov]].
Als Dynamische Symmetrie fand die Supersymmetrie Anwendung zum Beispiel in der [[Kernphysik]] ([[Interacting Boson Model]]) und in der [[Festkörperphysik]] und bei ungeordneten Systemen, zum Beispiel durch [[Konstantin Efetov]].


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Die [[integrierte Optik]] wurde 2013<ref name="miri13prl">{{cite journal
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}}</ref> als neues Anwendungsfeld supersymmetrischer Konzepte erschlossen. So wird es möglich, mit Hilfe optischer Modellsysteme ausgewählte Eigenschaften supersymmetrischer Konfigurationen in leicht zugänglichen Laboranordnungen zu erforschen. Bei diesem Ansatz bedient man sich der analogen mathematischen Struktur der quantenmechanischen [[Schrödinger-Gleichung]] und der [[Wellengleichung]], die die Propagation von Licht in eindimensionalen Systemen beschreibt. Die räumliche Verteilung des [[Brechungsindex]] entspricht dabei einer Potentiallandschaft, in der sich optische Wellenpakete ausbreiten. Neben Aspekten der Grundlagenforschung sind supersymmetrische optische Systeme für Anwendungen in den Bereichen [[Phasenanpassung]], Modenkonversion<ref name="heinrich14">{{cite journal
</ref> als neues Anwendungsfeld supersymmetrischer Konzepte erschlossen. So wird es möglich, mit Hilfe optischer Modellsysteme ausgewählte Eigenschaften supersymmetrischer Konfigurationen in leicht zugänglichen Laboranordnungen zu erforschen. Bei diesem Ansatz bedient man sich der analogen mathematischen Struktur der quantenmechanischen [[Schrödinger-Gleichung]] und der [[Wellengleichung]], die die Propagation von Licht in eindimensionalen Systemen beschreibt. Die räumliche Verteilung des [[Brechungsindex]] entspricht dabei einer Potentiallandschaft, in der sich optische Wellenpakete ausbreiten. Neben Aspekten der Grundlagenforschung sind supersymmetrische optische Systeme für Anwendungen in den Bereichen [[Phasenanpassung]], Modenkonversion<ref name="heinrich14">
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</ref> und räumlichem [[Multiplexing]] von Interesse.


== Weiterführende Informationen ==
== Siehe auch ==
=== Siehe auch ===
* [[Hierarchieproblem]]
* [[Hierarchieproblem]]


=== Literatur ===
== Literatur ==
* Ian J. Aitchison: ''Supersymmetry in particle physics – an elementary introduction.'' Cambridge Univ. Pr., Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-88023-7
* Ian J. Aitchison: ''Supersymmetry in particle physics – an elementary introduction.'' Cambridge Univ. Pr., Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-88023-7
* Harald J. W. Müller-Kirsten and Armin Wiedemann: ``Introduction to Supersymmetry´´, 2nd ed., World Scientific, Singapore 2010, ISBN 978-981-4293-41-9 (revised ed. of 1st ed. of 1987)
* Harald J. W. Müller-Kirsten, Armin Wiedemann: ''Introduction to Supersymmetry''. 2nd ed. World Scientific, Singapore 2010, ISBN 978-981-4293-41-9 (revised ed. of 1st ed. of 1987)
* Sergio Ferrara, Rudolf M.Mössbauer: ''Searching for the superworld.'' World Scientific, Singapore 2007, ISBN 978-981-270-018-6
* Sergio Ferrara, Rudolf M.Mössbauer: ''Searching for the superworld.'' World Scientific, Singapore 2007, ISBN 978-981-270-018-6
* Michael Dine: ''Supersymmetry and string theory – beyond the standard model.'' Cambridge Univ. Press, Cambridge 2007, ISBN 0-521-85841-0  
* Michael Dine: ''Supersymmetry and string theory – beyond the standard model.'' Cambridge Univ. Press, Cambridge 2007, ISBN 0-521-85841-0
* John Terning: ''Modern supersymmetry – dynamics and duality.'' Clarendon Press, Oxford 2007, ISBN 978-0-19-856763-9
* John Terning: ''Modern supersymmetry – dynamics and duality.'' Clarendon Press, Oxford 2007, ISBN 978-0-19-856763-9
* Jonathan A. Bagger: ''Supersymmetry, supergravity and supercolliders.'' World Scientific, Singapore 1999, ISBN 981-02-3816-9  
* Jonathan A. Bagger: ''Supersymmetry, supergravity and supercolliders.'' World Scientific, Singapore 1999, ISBN 981-02-3816-9
* Luisa Cifarelli (et al.): ''Properties of SUSY particles.'' World Scientific, Singapore 1993, ISBN 981-02-1424-3
* Luisa Cifarelli et al.: ''Properties of SUSY particles.'' World Scientific, Singapore 1993, ISBN 981-02-1424-3


=== Weblinks ===
== Weblinks ==
* ''[http://arxiv.org/pdf/hep-ph/9709356 A Supersymmetry Primer]'' by S.P. Martin. (Sehr beliebte englischsprachige Quelle zum Thema. Ausgehend von bekannter Quantenfeldtheorie wird über das Wess-Zumino-Modell das MSSM motiviert und begründet. Phänomenologische Aspekte des MSSM und mögliche Erweiterungen werden kurz behandelt.)
* S.P. Martin: [http://arxiv.org/pdf/hep-ph/9709356 ''A Supersymmetry Primer''.] (PDF; 1,6&nbsp;MB) <small>Sehr beliebte englischsprachige Quelle zum Thema. Ausgehend von bekannter Quantenfeldtheorie wird über das Wess-Zumino-Modell das MSSM motiviert und begründet. Phänomenologische Aspekte des MSSM und mögliche Erweiterungen werden kurz behandelt.</small>


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references/>
<references />


[[Kategorie:Teilchenphysik]]
[[Kategorie:Teilchenphysik]]

Aktuelle Version vom 3. November 2021, 15:56 Uhr

Die Supersymmetrie (SUSY) ist eine hypothetische Symmetrie der Teilchenphysik, die Bosonen (Teilchen mit ganzzahligem Spin) und Fermionen (Teilchen mit halbzahligem Spin) ineinander umwandelt. Dabei werden Teilchen, die sich unter einer SUSY-Transformation ineinander umwandeln, Superpartner genannt.

Aufgrund ihres Potenzials, offene Fragen der Teilchen- und Astrophysik zu beantworten, sind supersymmetrische Theorien insbesondere in der theoretischen Physik sehr populär. Die meisten Großen vereinheitlichten Theorien und Superstringtheorien sind supersymmetrisch. Die minimal mögliche, mit bisherigen Erkenntnissen kompatible Erweiterung des Standardmodells der Teilchenphysik (SM), das Minimale supersymmetrische Standardmodell (MSSM), ist der experimentell meistuntersuchte Kandidat für Physik jenseits des Standardmodells (BSM-Physik).

Allerdings konnte trotz vielversprechender theoretischer Argumente bis heute kein experimenteller Nachweis erbracht werden, dass Supersymmetrie tatsächlich in der Natur existiert – insbesondere wurden noch keine Superpartner bekannter Teilchen beobachtet. Das bedeutet, dass diese Symmetrie, wenn sie existiert, gebrochen ist. Der Brechungsmechanismus und die Energie, ab der die Symmetrie gelten würde, sind unbekannt.

Formulierungsgeschichte: Wess-Zumino-Modell und MSSM

Die Supersymmetrie (in der vierdimensionalen Raum-Zeit) wurde 1971 von Juri A. Golfand und seinem Studenten Jewgeni Lichtman (Evgeni Likhtman) (in Moskau) sowie unabhängig davon 1972 von D. V. Volkov und Wladimir Akulow (in Charkiw/Charkow, Ukraine) eingeführt, sowie im Rahmen von Stringtheorien (zunächst nur auf der zweidimensionalen String-Weltfläche) von Jean-Loup Gervais, Bunji Sakita, André Neveu, John Schwarz und Pierre Ramond. Frühere Arbeiten von Hironari Miyazawa aus den 1960er Jahren über eine Baryon-Meson-Symmetrie wurden damals ignoriert.

Als Modell der Elementarteilchenphysik erhielt die Theorie erst 1974 größere Aufmerksamkeit durch die unabhängige Arbeit von Julius Wess und Bruno Zumino[1]. Dieses heute unter dem Namen Wess-Zumino-Modell bekannte Modell beschreibt zwei skalare Bosonen, die mit sich selbst und mit einem chiralen Fermion wechselwirken. Obwohl unrealistisch, ist das Wess-Zumino-Modell ein wegen seiner Einfachheit beliebtes Beispiel, an dem sich wichtige Eigenschaften supersymmetrischer Feldtheorien zeigen.

Das erste mit den experimentellen Beobachtungen zeitweise verträgliche supersymmetrische Modell, das Minimale Supersymmetrische Standardmodell (MSSM), wurde 1981 von Howard Georgi und Savas Dimopoulos vorgeschlagen. Nach ihren Vorhersagen liegen die Massen der bisher unbeobachteten Superpartner im Bereich von 100 GeV/c² bis 1 TeV/c², der für den 2009 in Betrieb gegangenen Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) zugänglich ist. Diese Massen stehen im Einklang mit dem Befund, dass früher keine Superpartner beobachtet wurden, und lassen vermuten, dass am LHC Superpartner bereits bekannter Elementarteilchen nachgewiesen werden könnten. Das ist allerdings bis heute nicht gelungen (Stand: März 2019[2]).

Generelle Eigenschaften

Supersymmetriealgebra

Die Supersymmetrietransformationen, die Fermionen und Bosonen ineinander umwandeln, erweitern die Raumzeitsymmetrie, die Poincaré-Gruppe.

Sidney Coleman und Jeffrey Mandula zeigten 1967 unter, wie es schien, allgemein gültigen Bedingungen, dass – außer den Erzeugenden der Poincaré-Gruppe – alle Erzeugenden von physikalisch relevanten Symmetrien unter Poincaré-Transformationen invariant sein müssen, dass also jede größere Symmetrie eines physikalischen Modells eine Produktgruppe der Poincaré-Gruppe mit einer Gruppe sein müsse, die nichts mit der Raumzeit zu tun hat (Coleman-Mandula-Theorem).[3]

Nachdem aber Wess und Zumino 1974 gezeigt hatten, dass es auch fermionische Erzeugende von Symmetrien geben kann, die sich wie Teilchen mit Spin 1/2 bei Drehungen ändern und die von Coleman und Mandula nicht bedacht worden waren, klassifizierten 1975 Rudolf Haag, Jan Łopuszański und Martin Sohnius die möglichen Symmetriealgebren mit bosonischen und fermionischen Erzeugenden (Haag-Łopuszański-Sohnius-Theorem).[4]

Die einfachste supersymmetrische Erweiterung der Poincarégruppe ist im Wess-Zumino-Modell realisiert und erweitert sie um zwei Weyl-Spinoren $ Q,{\bar {Q}} $. Die relevanten Kommutator- und Antikommutatorrelationen sind

$ \{Q_{\alpha },{\bar {Q}}_{\dot {\beta }}\}=2({\sigma ^{m}})_{\alpha {\dot {\beta }}}P_{m}\,,\ \ \{Q,Q\}=\{{\bar {Q}},{\bar {Q}}\}=[Q,P]=[{\bar {Q}},P]=0\,. $

Dabei bezeichnen $ \sigma ^{m} $ die Pauli-Matrizen und $ P_{m} $ den Viererimpuls.

Schleifenkorrekturen

Korrekturbeiträge zur Higgsmasse. Die quadratische Divergenz der Fermionenschleife im oberen Diagramm wird durch das untere Diagramm eines skalaren Superpartners kompensiert.

Die Existenz zusätzlicher Elementarteilchen liefert zusätzliche Beiträge zu den Schleifenkorrekturen für beobachtbare physikalische Parameter. Besitzen Superpartner außer dem Spin exakt gleiche Quantenzahlen, so sind die Schleifenkorrekturen identisch im Betrag, unterscheiden sich jedoch (aufgrund des unterschiedlichen Spins) im Vorzeichen: die Korrekturen addieren sich zu Null.

In gebrochenen, insbesondere spontan gebrochenen SUSY-Modellen addieren sich die Korrekturen nicht notwendigerweise zu Null, liefern aber oft vergleichsweise kleinere Effekte.

Die (teilweise) Kompensation der Schleifenkorrekturen durch Superpartner hat zwei Effekte, die stark zur Attraktivität supersymmetrischer Ansätze beigetragen haben:

  • Supersymmetrie bietet eine Möglichkeit zur Lösung des Natürlichkeitsproblems (engl. Naturalness problem oder fine-tuning problem). Dieses Problem besteht darin, dass mit der Energieskala quadratisch divergente Schleifendiagramme zu störend großen Korrekturbeiträgen zur renormierten Masse des Higgs-Bosons führen. Zu jedem quadratisch divergenten Korrekturterm könnte nun ein äquivalenter Term des jeweiligen Superpartners mit entgegengesetztem Vorzeichen existieren, die problematischen Korrekturen würden sich zu Null addieren.
  • In spontan oder nicht gebrochenen SUSY-Theorien ist im Gegensatz zum Standardmodell der Erwartungswert der Energiedichte im feldfreien Raum endlich. Somit scheint es einfacher, die Gravitation, für deren Feld die Energiedichte die Quelle ist, in ein quantentheoretisches Modell einzubeziehen (s. u. Supergravitation).

Dunkle Materie

Um nicht in Widerspruch zu experimentellen Ergebnissen zu geraten, muss man annehmen, dass Zerfallsprozesse von Superpartnern in Standardmodellteilchen (ohne einen weiteren Superpartner als Zerfallsprodukt) stark unterdrückt oder unmöglich sind (R-Paritätserhaltung). Dadurch ist das leichteste supersymmetrische Partnerteilchen (LSP) praktisch stabil. Da nach aktuellen kosmologischen Modellen in den Frühphasen des Universums Teilchen beliebiger Masse erzeugt werden konnten, stellt ein elektrisch neutrales LSP – etwa das leichteste Neutralino – einen Kandidaten für die Erklärung Dunkler Materie dar.[5]

Ausgewählte Aspekte

MSSM: Minimales Supersymmetrisches Standardmodell

Das MSSM ist die im Sinne der Teilchenzahl kleinste Möglichkeit, ein realistisches supersymmetrisches Teilchenphysikmodell aufzubauen. Das MSSM erweitert das Standardmodell um ein zusätzliches Higgs-Dublett und um SUSY-Partnerteilchen für alle Teilchen des Modells. Dabei wird kein expliziter Mechanismus angegeben, der begründet, warum die neuen Teilchen andere Massen besitzen als ihre Standardmodellpartner. Stattdessen werden alle supersymmetriebrechenden Terme, die renormierbar, eichinvariant und R-paritätserhaltend sind, explizit mit zunächst unbekannten Kopplungskonstanten in das Modell aufgenommen.

Vereinheitlichte Theorien

Kopplungskonstanten $ \alpha $ der Grundkräfte (s: starke, w: schwache, em: elektromagnetische Wechselwirkung) als Funktion der Energie $ E $, sie treffen im Standardmodell nur „fast“ zusammen. Die Gravitation ist mit g bezeichnet.

Die Existenz der neuen Teilchen ab einer Masse von 100 bis 1000 GeV beeinflusst das Running, d. h. die Energieabhängigkeit der Parameter („Kopplungskonstanten“), die die Stärke der drei im Standardmodell vorkommenden Wechselwirkungen charakterisieren, so dass sie sich bei extrem hohen Energien von $ 10^{16} $ GeV einem gemeinsamen Wert nähern. Im Standardmodell treffen sie nur fast an einem Punkt zusammen, während supersymmetrische Theorien einen sehr viel genaueren „Vereinigungspunkt“ liefern.[6] Dies wird manchmal als ein Hinweis auf vereinheitlichte Theorien interpretiert, in denen die drei Wechselwirkungen des Standardmodells nur verschiedene Effekte einer einzigen übergeordneten Wechselwirkung sind, analog der elektrischen und der magnetischen Wechselwirkung.

Supergravitation

Die um die SUSY-Generatoren erweiterten Raumzeitsymmetrien sind zunächst wie auch im Standardmodell globale Symmetrien. Deklariert man SUSY jedoch als lokale Symmetrie, so erzwingt dies zwei neue Teilchen: das Graviton mit Spin 2, von dem erwartet wird, das Wechselwirkungsteilchen der Gravitation zu sein,[7] und das Gravitino mit Spin 3/2. Daher werden lokale SUSY-Theorien auch Supergravitation (SUGRA) genannt.

Diese besitzt gegenüber lokaler Raumzeitsymmetrie innerhalb des Standardmodells, die nicht renormierbar ist, zwei potentielle Vorteile, die insbesondere in der Anfangsphase supersymmetrischer Ansätze die Hoffnung nährten, dass SUSY einen möglichen Mechanismus für eine Theorie der Quantengravitation liefert:

  • Der unterschiedliche Spin von Graviton und Gravitino könnte dazu führen, dass sich nicht renormierbare Terme kompensieren und die Theorie insgesamt renormierbar wird.
  • Die Vakuumenergiedichte des Raumes, nach der Relativitätstheorie ein Quellterm für Gravitation, ist für SUGRA endlich, im Fall der ungebrochenen Supersymmetrie sogar exakt Null. Dagegen ist im Standardmodell der Erwartungswert der Energiedichte bereits im Vakuum unendlich, s. o. Schleifenkorrekturen.

Bis heute ist es jedoch – mit potentieller Ausnahme von Superstringansätzen, die über einfache Supersymmetrie hinausgehen – nicht gelungen, eine widerspruchsfreie Theorie der Supergravitation aufzustellen. SUGRA könnte allerdings eine effektive Theorie unterhalb der Planck-Skala sein: sie ist ein möglicher Mechanismus für spontane Brechung der Supersymmetrie.

In manchen Modellen ist der Nachweis des Gravitinos an Beschleunigerexperimenten wie dem LHC denkbar.[8]

Supersymmetrie in anderen Bereichen der Physik

Als Dynamische Symmetrie fand die Supersymmetrie Anwendung zum Beispiel in der Kernphysik (Interacting Boson Model) und in der Festkörperphysik und bei ungeordneten Systemen, zum Beispiel durch Konstantin Efetov.

Die integrierte Optik wurde 2013[9] als neues Anwendungsfeld supersymmetrischer Konzepte erschlossen. So wird es möglich, mit Hilfe optischer Modellsysteme ausgewählte Eigenschaften supersymmetrischer Konfigurationen in leicht zugänglichen Laboranordnungen zu erforschen. Bei diesem Ansatz bedient man sich der analogen mathematischen Struktur der quantenmechanischen Schrödinger-Gleichung und der Wellengleichung, die die Propagation von Licht in eindimensionalen Systemen beschreibt. Die räumliche Verteilung des Brechungsindex entspricht dabei einer Potentiallandschaft, in der sich optische Wellenpakete ausbreiten. Neben Aspekten der Grundlagenforschung sind supersymmetrische optische Systeme für Anwendungen in den Bereichen Phasenanpassung, Modenkonversion[10] und räumlichem Multiplexing von Interesse.

Siehe auch

Literatur

  • Ian J. Aitchison: Supersymmetry in particle physics – an elementary introduction. Cambridge Univ. Pr., Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-88023-7
  • Harald J. W. Müller-Kirsten, Armin Wiedemann: Introduction to Supersymmetry. 2nd ed. World Scientific, Singapore 2010, ISBN 978-981-4293-41-9 (revised ed. of 1st ed. of 1987)
  • Sergio Ferrara, Rudolf M.Mössbauer: Searching for the superworld. World Scientific, Singapore 2007, ISBN 978-981-270-018-6
  • Michael Dine: Supersymmetry and string theory – beyond the standard model. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2007, ISBN 0-521-85841-0
  • John Terning: Modern supersymmetry – dynamics and duality. Clarendon Press, Oxford 2007, ISBN 978-0-19-856763-9
  • Jonathan A. Bagger: Supersymmetry, supergravity and supercolliders. World Scientific, Singapore 1999, ISBN 981-02-3816-9
  • Luisa Cifarelli et al.: Properties of SUSY particles. World Scientific, Singapore 1993, ISBN 981-02-1424-3

Weblinks

  • S.P. Martin: A Supersymmetry Primer. (PDF; 1,6 MB) Sehr beliebte englischsprachige Quelle zum Thema. Ausgehend von bekannter Quantenfeldtheorie wird über das Wess-Zumino-Modell das MSSM motiviert und begründet. Phänomenologische Aspekte des MSSM und mögliche Erweiterungen werden kurz behandelt.

Einzelnachweise

  1. J. Wess, B. Zumino: Supergauge transformations in four dimensions. in: Nuclear physics. B. Amsterdam 70.1974, 39–50. ISSN 0550-3213
  2. https://home.cern/news/news/physics/highlights-2019-moriond-conference-electroweak-physics Highlights from the 2019 Moriond conference (electroweak physics) - The latest experimental data provide more stringent tests of the Standard Model and of rare phenomena of the microworld; 29 March, 2019; abgerufen am 28. April 2019
  3. Sidney Coleman, Jeffrey Mandula: All possible symmetries of the S-matrix., Physical Review, Bd. 159, 1967, S. 1251–1256. ISSN 0031-899X
  4. Haag, Lopuszanki, Sohnius: All possible generators of supersymmetries of the S-matrix. in: Nuclear physics. B. Amsterdam 88.1975, 257. ISSN 0550-3213
  5. Siehe z. B. D. Hooper, T. Plehn: Supersymmetric Dark Matter – How light can the LSP be? in: Physics letters. B. Amsterdam 562.2003, 18–27. ISSN 0031-9163
  6. U. Amaldi, W. de Boer, H. Fürstenau, Comparison of Grand Unified Theories with electroweak and strong coupling constants measured at LEP, Physics Letters Bd. 260, 1991, S. 447
  7. Takeo Moroi: Effects of the Gravitino on the Inflationary Universe.
  8. Nanopoulos u. a.: Light-Gravitino Production at Hadron Colliders. in: Physical review. D. Melville 57.1998, 373–382. ISSN 0556-2821
  9. Mohammad-Ali Miri, Matthias Heinrich, Ramy El-Ganainy, Demetrios N. Christodoulides: Supersymmetric optical structures. In: Physical Review Letters. 110. Jahrgang, Nr. 23. APS, 2013, S. 233902, doi:10.1103/PhysRevLett.110.233902 (aps.org [abgerufen am April 2014]).
  10. Matthias Heinrich, Mohammad-Ali Miri, Simon Stützer, Ramy El-Ganainy, Stefan Nolte, Alexander Szameit, Demetrios N. Christodoulides: Supersymmetric mode converters. In: Nature Communications. 5. Jahrgang. NPG, 2014, S. 3698, doi:10.1038/ncomms4698 (nature.com [abgerufen am April 2014]).

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