R-Prozess: Unterschied zwischen den Versionen

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Der '''r-Prozess''' (r für {{enS|''rapid''}} ‚schnell‘) ist einer der [[Nukleosynthese]]prozesse.
Der '''r-Prozess''' (r für {{enS|''rapid''}} ‚schnell‘) ist einer der Prozesse der [[Nukleosynthese]].


Er ist ein [[Neutroneneinfang]]prozess, der bei hohen [[Neutron]]en-Dichten und [[Temperatur]]en abläuft, im Gegensatz zum langsamen [[s-Prozess]]. Dabei werden durch einen hohen [[Neutronenfluss]] instabile neutronenreiche [[Atomkern]]e aufgebaut, die rasch zu stabilen neutronenreichen Kernen der schweren [[Chemisches Element|Elemente]] von [[Eisen]] bis [[Blei]] sowie den instabilen langlebigen Isotopen von [[Bismut]], [[Thorium]], [[Uran]] und [[Plutonium]] [[Radioaktivität|zerfallen]].
Er ist ein [[Neutroneneinfang]]<nowiki/>prozess, der im Gegensatz zum langsamen [[s-Prozess]] bei hohen [[Neutron]]en-Dichten und [[Temperatur]]en abläuft. Dabei werden durch einen hohen [[Neutronenfluss]] instabile neutronenreiche [[Atomkern]]e aufgebaut, die rasch zu stabilen neutronenreichen Kernen der schweren [[Chemisches Element|Elemente]] von [[Eisen]] bis [[Blei]] sowie den instabilen langlebigen [[Isotop]]en von [[Bismut]], [[Thorium]], [[Uran]] und [[Plutonium]] [[Radioaktivität|zerfallen]].


== Ablauf ==
== Ablauf ==
Der Ort des r-Prozesses ist noch nicht mit Sicherheit bekannt. Zurzeit werden hauptsächlich zwei Prozesse diskutiert: zum einen das Verschmelzen zweier [[Neutronenstern]]e ([[Kilonova]]) und zum anderen Supernova-Explosionen.
Der Ort des r-Prozesses ist noch nicht mit Sicherheit bekannt. Zurzeit werden hauptsächlich diskutiert:
Als am wahrscheinlichsten gilt, dass der r-Prozess während [[Supernova]]e am Ende des Lebenszyklus eines [[Stern]]s abläuft. Dabei wird durch die Stoßwelle, die ihren Ausgang am inkompressiblen entarteten Neutronenkern (siehe [[Neutronenstern]]) im Zentrum des Sterns nimmt, neutronenreiches Material von dessen Außenbereich mitgerissen und in den Weltraum geschleudert.
* das Verschmelzen zweier [[Neutronenstern]]e ([[Kilonova]])
* [[Supernova]]-Explosionen.


Die relativ geringe Häufigkeit von im r-Prozess synthetisierten Elementen setzt jedoch voraus, dass entweder nur ein geringer Anteil von Supernovae diese an den Weltraum abgibt, oder dass jede Supernova nur eine geringe Menge davon abgibt.
Durch eine detaillierte [[Spektroskopie|Spektralanalyse]] der Kilonova [[Kilonova#GW170817 = GRB 170817A|AT2017gfo]] konnte der eindeutige Nachweis erbracht werden, dass [[Strontium]] in größeren Mengen über den r-Prozess gebildet wurde.<ref>{{Literatur |Autor=Darach Watson, Camilla J. Hansen, Jonatan Selsing, Andreas Koch, Daniele B. Malesani |Titel=Identification of strontium in the merger of two neutron stars |Sammelwerk=Nature |Band=574 |Nummer=7779 |Datum=2019-10 |ISSN=0028-0836 |DOI=10.1038/s41586-019-1676-3 |Seiten=497–500 |Online=https://www.nature.com/articles/s41586-019-1676-3 |Abruf=2019-11-15}}</ref> Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass der r-Prozess auch während Supernovae am Ende des [[Sternentwicklung|Lebenszyklus]] eines [[Stern]]s abläuft. Dabei wird durch die [[Stoßwelle]], die ihren Ausgang am inkompressiblen entarteten Neutronenkern im Zentrum des Sterns nimmt (siehe [[Neutronenstern]]), neutronenreiches Material von dessen Außenbereich mitgerissen und in den [[Weltraum]] geschleudert.


Durch den sehr hohen Neutronenfluss (in der Größenordnung von mehr als 10&nbsp;Trilliarden = 10<sup>22</sup> Neutronen pro Quadratzentimeter<!--sic! (Fluss: durch Fläche)--> pro Sekunde) können in Sekundenbruchteilen sehr viele Neutronenanlagerungen an ein und demselben Atomkern stattfinden, insbesondere auch an kurzlebigen Zwischenprodukten, bevor ein [[Radioaktivität|radioaktiver]] [[Betazerfall|β<sup>−</sup>-Zerfall]] auftritt. Der Prozess wird nur durch drei Faktoren abgebremst:
Die relativ geringe [[Elementhäufigkeit|Häufigkeit]] von im r-Prozess synthetisierten Elementen setzt jedoch voraus, dass entweder nur ein geringer Anteil von Supernovae diese an den Weltraum abgibt, oder dass jede Supernova nur eine geringe Menge davon abgibt.
# durch geschlossene [[Schalenmodell (Kernphysik)|Neutronenschale]]n bei [[Isotop]]en mit [[Neutronenzahl]]en um ''N''&nbsp;= 50, 82 und 126, korrespondierend mit [[Massenzahl]]en ''A'' von etwa 70–90, 130–138 beziehungsweise 195–208, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Neutronenanlagerung sinkt und daher den dafür benötigten Zeitraum vergrößert. Tatsächlich ist die Häufigkeit dieser Isotope etwas erhöht, was als Bestätigung der Theorie des r-Prozesses angesehen werden kann;
# bei einer Grenze, an der die Bindungsenergie neu anzulagernder Neutronen Null wird (<math>B_\text{n}=0</math>), so dass kein weiteres Neutron eingefangen werden kann und der Kern erst einen Betazerfall „abwarten“ muss;
# durch die Abnahme der Kernstabilität mit zunehmender Massenzahl. Der r-Prozess endet deshalb bei Kernen, bei denen mit kurzer [[Halbwertszeit]] die [[Spontane Spaltung|spontane Kernspaltung]] eintritt, die also von selbst in zwei leichtere Kerne zerfallen. Dies ist bei Massenzahlen um ''A''&nbsp;=&nbsp;260 der Fall, etwa im Gebiet der Elemente [[Curium]] bis [[Rutherfordium]].


Bei jeder Neutronenanlagerung wird [[Energie]] in Form von [[Gammastrahlung|Gammaquanten]] frei. [[Massenzahl]] ''A'' und [[Neutronenzahl]] ''N'' erhöhen sich jeweils um 1 und ein neues [[Isotop]] desselben Elements entsteht.
Durch den sehr hohen Neutronenfluss (in der Größenordnung von mehr als 10&nbsp;Trilliarden = 10<sup>22</sup> Neutronen pro Quadratzentimeter<!--sic! (Fluss: durch Fläche)--> pro Sekunde)<ref>https://www.pro-physik.de/nachrichten/die-schnelle-quelle-schwerer-elemente</ref> können in Sekundenbruchteilen sehr viele Neutronenanlagerungen an ein und demselben Atomkern stattfinden, insbesondere auch an kurzlebigen Zwischenprodukten, bevor ein [[radioaktiv]]er [[Betazerfall|β<sup>−</sup>-Zerfall]] auftritt. Der Prozess wird nur durch drei Faktoren gebremst:
# durch geschlossene [[Schalenmodell (Kernphysik)|Neutronenschale]]n bei [[Isotop]]en mit [[Neutronenzahl]]en&nbsp;''N'' um&nbsp;50, 82 und&nbsp;126, korrespondierend mit [[Massenzahl]]en&nbsp;''A'' von etwa&nbsp;70–90, 130–138 und&nbsp;195–208, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Neutronenanlagerung sinkt und daher den dafür benötigten Zeitraum vergrößert. Tatsächlich ist die Häufigkeit dieser Isotope etwas erhöht, was als Bestätigung der Theorie des r-Prozesses angesehen werden kann;
# bei einer Grenze, an der die [[Bindungsenergie]] neu anzulagernder Neutronen Null wird (<math>B_\text{n}=0</math>), so dass kein weiteres Neutron eingefangen werden kann und der Kern erst einen Betazerfall „abwarten“ muss;
# durch die Abnahme der Kernstabilität mit zunehmender Massenzahl. Der r-Prozess endet deshalb bei Kernen, bei denen mit kurzer [[Halbwertszeit]] die [[Spontane Spaltung|spontane Kernspaltung]] eintritt, die also von selbst in zwei leichtere Kerne zerfallen. Dies ist bei Massenzahlen&nbsp;''A'' um&nbsp;260 der Fall, etwa im Gebiet der Elemente [[Curium]] bis [[Rutherfordium]].


Bei den anschließenden β<sup>−</sup>-Zerfällen der instabilen Isotope wird je ein Neutron durch Aussendung eines [[Elektron]]s&nbsp;e<sup>−</sup> und eines [[Elektron-Antineutrino]]s&nbsp;<math>\overline{\nu}_\text{e}</math> in ein [[Proton]] umgewandelt. Dadurch entsteht ein Atomkern eines anderen Elements mit gleicher Massenzahl, aber um 1 erhöhter [[Ordnungszahl]] ''Z'' (Protonenzahl) und um 1 erniedrigter Neutronenzahl ''N''; das Atom „wandert“ also im Periodensystem.
Bei jeder Neutronenanlagerung wird [[Energie]] in Form von [[Gammastrahlung|Gammaquanten]] frei. Neutronenzahl&nbsp;''N'' und Massenzahl&nbsp;''A'' erhöhen sich jeweils um&nbsp;1, ein neues Isotop desselben Elements entsteht.
 
Bei den anschließenden β<sup>−</sup>-Zerfällen der instabilen Isotope wird je ein Neutron durch Aussendung eines [[Elektron]]s&nbsp;e<sup>−</sup> und eines [[Elektron-Antineutrino]]s&nbsp;<math>\overline{\nu}_\text{e}</math> in ein [[Proton]] umgewandelt. Dadurch entsteht ein Atomkern eines anderen Elements mit gleicher Massenzahl, aber um&nbsp;1 erhöhter [[Ordnungszahl]]&nbsp;''Z'' (Protonenzahl) und um&nbsp;1 erniedrigter Neutronenzahl&nbsp;''N''; das Atom „wandert“ also im [[Periodensystem]].


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
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== Literatur ==
== Literatur ==
* Klaus Blaum, Hendrik Schatz: ''Kernmassen und der Ursprung der Elemente. Wie die Welt entstanden ist und was Präzisionsmessungen an kurzlebigen Radionukliden uns darüber verraten.'' Physik-Journal 5 (2006), Nr. 2, S. 35
* [[Klaus Blaum]], Hendrik Schatz: ''Kernmassen und der Ursprung der Elemente. Wie die Welt entstanden ist und was Präzisionsmessungen an kurzlebigen Radionukliden uns darüber verraten.'' Physik-Journal 5 (2006), Nr. 2, S. 35
* [[Margaret Burbidge]], [[Geoffrey Burbidge]], [[William Alfred Fowler]], [[Fred Hoyle]]: ''Synthesis of the Elements in Stars'', Rev. Mod. Phys. 29 (1957) 547
* [[Margaret Burbidge]], [[Geoffrey Burbidge]], [[William Alfred Fowler]], [[Fred Hoyle]]: ''Synthesis of the Elements in Stars'', Rev. Mod. Phys. 29 (1957) 547
* C. E. Rolfs, W. S. Rodney: ''Cauldrons in the Cosmos'', Univ. of Chicago Press, 1988
* C. E. Rolfs, W. S. Rodney: ''Cauldrons in the Cosmos'', Univ. of Chicago Press, 1988
* [[Heinz Oberhummer]]: ''Kerne und Sterne'', Barth, 1993
* [[Heinz Oberhummer]]: ''Kerne und Sterne'', Barth, 1993
== Einzelnachweise ==
<references />


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Aktuelle Version vom 14. September 2021, 18:07 Uhr

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Der r-Prozess (r für englisch rapid ‚schnell‘) ist einer der Prozesse der Nukleosynthese.

Er ist ein Neutroneneinfangprozess, der im Gegensatz zum langsamen s-Prozess bei hohen Neutronen-Dichten und Temperaturen abläuft. Dabei werden durch einen hohen Neutronenfluss instabile neutronenreiche Atomkerne aufgebaut, die rasch zu stabilen neutronenreichen Kernen der schweren Elemente von Eisen bis Blei sowie den instabilen langlebigen Isotopen von Bismut, Thorium, Uran und Plutonium zerfallen.

Ablauf

Der Ort des r-Prozesses ist noch nicht mit Sicherheit bekannt. Zurzeit werden hauptsächlich diskutiert:

Durch eine detaillierte Spektralanalyse der Kilonova AT2017gfo konnte der eindeutige Nachweis erbracht werden, dass Strontium in größeren Mengen über den r-Prozess gebildet wurde.[1] Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass der r-Prozess auch während Supernovae am Ende des Lebenszyklus eines Sterns abläuft. Dabei wird durch die Stoßwelle, die ihren Ausgang am inkompressiblen entarteten Neutronenkern im Zentrum des Sterns nimmt (siehe Neutronenstern), neutronenreiches Material von dessen Außenbereich mitgerissen und in den Weltraum geschleudert.

Die relativ geringe Häufigkeit von im r-Prozess synthetisierten Elementen setzt jedoch voraus, dass entweder nur ein geringer Anteil von Supernovae diese an den Weltraum abgibt, oder dass jede Supernova nur eine geringe Menge davon abgibt.

Durch den sehr hohen Neutronenfluss (in der Größenordnung von mehr als 10 Trilliarden = 1022 Neutronen pro Quadratzentimeter pro Sekunde)[2] können in Sekundenbruchteilen sehr viele Neutronenanlagerungen an ein und demselben Atomkern stattfinden, insbesondere auch an kurzlebigen Zwischenprodukten, bevor ein radioaktiver β-Zerfall auftritt. Der Prozess wird nur durch drei Faktoren gebremst:

  1. durch geschlossene Neutronenschalen bei Isotopen mit Neutronenzahlen N um 50, 82 und 126, korrespondierend mit Massenzahlen A von etwa 70–90, 130–138 und 195–208, bei denen die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Neutronenanlagerung sinkt und daher den dafür benötigten Zeitraum vergrößert. Tatsächlich ist die Häufigkeit dieser Isotope etwas erhöht, was als Bestätigung der Theorie des r-Prozesses angesehen werden kann;
  2. bei einer Grenze, an der die Bindungsenergie neu anzulagernder Neutronen Null wird ($ B_{\text{n}}=0 $), so dass kein weiteres Neutron eingefangen werden kann und der Kern erst einen Betazerfall „abwarten“ muss;
  3. durch die Abnahme der Kernstabilität mit zunehmender Massenzahl. Der r-Prozess endet deshalb bei Kernen, bei denen mit kurzer Halbwertszeit die spontane Kernspaltung eintritt, die also von selbst in zwei leichtere Kerne zerfallen. Dies ist bei Massenzahlen A um 260 der Fall, etwa im Gebiet der Elemente Curium bis Rutherfordium.

Bei jeder Neutronenanlagerung wird Energie in Form von Gammaquanten frei. Neutronenzahl N und Massenzahl A erhöhen sich jeweils um 1, ein neues Isotop desselben Elements entsteht.

Bei den anschließenden β-Zerfällen der instabilen Isotope wird je ein Neutron durch Aussendung eines Elektrons e und eines Elektron-Antineutrinos $ {\overline {\nu }}_{\text{e}} $ in ein Proton umgewandelt. Dadurch entsteht ein Atomkern eines anderen Elements mit gleicher Massenzahl, aber um 1 erhöhter Ordnungszahl Z (Protonenzahl) und um 1 erniedrigter Neutronenzahl N; das Atom „wandert“ also im Periodensystem.

Siehe auch

Literatur

  • Klaus Blaum, Hendrik Schatz: Kernmassen und der Ursprung der Elemente. Wie die Welt entstanden ist und was Präzisionsmessungen an kurzlebigen Radionukliden uns darüber verraten. Physik-Journal 5 (2006), Nr. 2, S. 35
  • Margaret Burbidge, Geoffrey Burbidge, William Alfred Fowler, Fred Hoyle: Synthesis of the Elements in Stars, Rev. Mod. Phys. 29 (1957) 547
  • C. E. Rolfs, W. S. Rodney: Cauldrons in the Cosmos, Univ. of Chicago Press, 1988
  • Heinz Oberhummer: Kerne und Sterne, Barth, 1993

Einzelnachweise

  1. Darach Watson, Camilla J. Hansen, Jonatan Selsing, Andreas Koch, Daniele B. Malesani: Identification of strontium in the merger of two neutron stars. In: Nature. Band 574, Nr. 7779, Oktober 2019, ISSN 0028-0836, S. 497–500, doi:10.1038/s41586-019-1676-3 (nature.com [abgerufen am 15. November 2019]).
  2. https://www.pro-physik.de/nachrichten/die-schnelle-quelle-schwerer-elemente

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