Quintessenz (Physik): Unterschied zwischen den Versionen

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In der [[Physik]] wird als '''Quintessenz''' eine hypothetische Form bzw. ein Modell [[Dunkle Energie|Dunkler Energie]] postuliert, die für eine zunehmende [[Expandierendes Universum|Expansion des Universums]] verantwortlich gemacht wird. Es gibt bislang keinen Nachweis für Quintessenz, und es gibt eine Vielzahl unter diesem Begriff gefasster Theorien mit einigen Gemeinsamkeiten.
'''Quintessenz''' oder '''Quintessence''' ist in der Physik ein Modell der [[Dunkle Energie|Dunklen Energie]], die als Erklärung für eine sich beschleunigende [[Expandierendes Universum|Expansion des Universums]] herangezogen wird.


Der Begriff wurde von R. R. Caldwell, Rahul Dave und [[Paul J. Steinhardt]] 1998 eingeführt.<ref>[https://arxiv.org/abs/astro-ph/9708069 Caldwell, Dave, Steinhardt, Cosmological Imprint of an Energy Component with General Equation of State], Phys. Rev. Lett., Band 80, 1998, S. 1582-1585</ref> Untersuchungen über solche zeitlich veränderlichen kosmologischen Skalarfelder gab es aber schon seit den 1980er Jahren ([[Bharat Ratra]], [[James Peebles]] 1988).<ref>Ratra, Peebles, Cosmological consequences of a rolling homogeneous scalar field,  Physical Review D, Band 37, 1988, S. 3406. [https://journals.aps.org/prd/abstract/10.1103/PhysRevD.37.3406 Abstract]</ref>
Im Gegensatz zur philosophischen bzw. alchemistischen [[Quintessenz (Philosophie)|Quinta Essentia]], welche sich im ursprünglichsten Sinne auf ein fünftes [[Element]] (neben [[Vier-Elemente-Lehre|Feuer, Wasser, Erde, Luft]]) bezieht, kann man die Begrifflichkeit aus der Physik eher als die fünfte bekannte [[Fundamentale Wechselwirkung|Grundkraft]] definieren, neben [[Gravitation]], [[Elektromagnetische Wechselwirkung|Elektromagnetismus]], [[Starke Wechselwirkung|starker]] und [[schwache Wechselwirkung|schwacher Wechselwirkung]].


Quintessenz ist nach theoretischen Vorstellungen ein dynamisches (zeitlich veränderliches), selbst-wechselwirkendes [[skalares Feld]]. Bezeichnet ''w'' das Verhältnis von Druck ''p'' zu Energiedichte ''ρ'': ''w  = p / ρ'', so ist dieses bei der Quintessenz negativ (negativer Druck)<ref>Caldwell, Dave, Steinhardt betrachteten in ihrer ursprünglichen Arbeit Werte <math>-1 < w <0</math>, was damals den Beobachtungen am besten entsprach</ref>, ebenso wie bei der Kosmologischen Konstante, im Gegensatz zu allen bekannten Materieformen. Im Gegensatz zur kosmologischen Konstante, die ''w'' = −1 hat, verändert sich die Quintessenz im Laufe der Zeit, so dass sie sich auch aus einem positiven Wert in der Frühzeit des Universums entwickelt haben kann (der Wert von ''w'' ergibt sich aus dem Verhältnis potentieller und kinetischer Energie des Quintessenz-Feldes).
Der Begriff wurde von R.&nbsp;R.&nbsp;Caldwell, Rahul Dave und [[Paul J. Steinhardt]] 1998 eingeführt.<ref>[https://arxiv.org/abs/astro-ph/9708069 Caldwell, Dave, Steinhardt, Cosmological Imprint of an Energy Component with General Equation of State], Phys. Rev. Lett., Band 80, 1998, S. 1582–1585.</ref> Untersuchungen über solche zeitlich veränderlichen [[Kosmologie|kosmologisch]]en Skalarfelder gab es aber schon seit den 1980er&nbsp;Jahren ([[Bharat Ratra]], [[James Peebles]] 1988).<ref>Ratra, Peebles: ''Cosmological consequences of a rolling homogeneous scalar field''. In: ''[[Physical Review|Physical Review D]]'', Band 37, 1988, S. 3406 ff. ([https://journals.aps.org/prd/abstract/10.1103/PhysRevD.37.3406 Abstract]).</ref>


Viele Modelle, die Quintessenz enthalten, weisen ein Folge-Schema auf (''Tracker'' Verhalten), wodurch das Problem der [[Kosmologische Konstante|kosmologischen Konstanten]] teilweise gelöst wird (Ratra/Peebles 1988, Steinhardt u.a. 1999<ref>I. Zlatev,L. Wang, P. J. Steinhardt, Quintessence, Cosmic Coincidence, and the Cosmological Constant, Phys. Rev. Lett., Band 82, 1999, S. 896-899</ref>). In diesen Modellen hat das Quintessenz-Feld eine Dichte, die der Strahlungsdichte folgt (aber etwas geringer bleibt) bis das Gleichgewicht zwischen Strahlung und Materie eintritt. Von diesem Zeitpunkt an wirkt Quintessenz als Dunkle Energie, die auf Sicht die Entwicklung des Universums bestimmt.
Quintessenz ist nach theoretischen Vorstellungen ein dynamisches (zeitlich veränderliches), selbst-wechselwirkendes [[skalares Feld]]. Bezeichnet ''w'' das Verhältnis von Druck&nbsp;''p'' zu [[Energiedichte]]&nbsp;''ρ'':


Einige Sonderfälle von Quintessenz sind „Phantom-Energie“ mit ''w''&nbsp;<&nbsp;−1 und K-Essenz (Kinetische Essenz) mit einer Nicht-Standard-Form der kinetischen Energie.
:<math>w = \frac{p}{\rho},</math>
 
so ist dieses bei der Quintessenz negativ (negativer Druck):<ref>Caldwell, Dave, Steinhardt betrachteten in ihrer ursprünglichen Arbeit Werte <math>-1 < w < 0</math>, was damals den Beobachtungen am besten entsprach.</ref>
 
:<math>w < 0,</math>
 
ebenso wie bei der [[Kosmologische Konstante|kosmologischen Konstanten]], im Gegensatz zu allen bekannten Materieformen. Im Gegensatz zur kosmologischen Konstante, die ''w''&nbsp;=&nbsp;−1 hat, verändert sich die Quintessenz im Laufe der Zeit, so dass sie sich auch aus einem positiven Wert in der Frühzeit des Universums entwickelt haben kann (der Wert von&nbsp;''w'' ergibt sich aus dem Verhältnis von [[potentielle Energie|potentieller]] zu [[kinetische Energie|kinetischer Energie]] des Quintessenz-Feldes).
 
Viele Modelle, die Quintessenz enthalten, weisen ein Folge-Schema auf (''Tracker''-Verhalten), wodurch das Problem der kosmologischen Konstanten teilweise gelöst wird (Ratra/Peebles 1988, Steinhardt u.&nbsp;a. 1999<ref>I. Zlatev,L. Wang, P. J. Steinhardt, Quintessence, Cosmic Coincidence, and the Cosmological Constant, Phys. Rev. Lett., Band 82, 1999, S. 896–899.</ref>). In diesen Modellen hat das Quintessenz-Feld eine Dichte, die der [[Strahlungsdichte]] folgt (aber etwas geringer bleibt), bis das Gleichgewicht zwischen Strahlung und Materie eintritt. Von diesem Zeitpunkt an wirkt Quintessenz als Dunkle Energie, die auf Sicht die Entwicklung des Universums bestimmt.
 
Sonderfälle von Quintessenz sind die [[Phantom-Energie]] mit ''w''&nbsp;<&nbsp;−1 und [[K-Essenz]] (Kinetische Essenz) mit einer Nicht-Standard-Form der kinetischen Energie.


Der philosophische Begriff [[Quintessenz (Philosophie)|Quintessenz]] stammt von den [[Pythagoräer]]n, nach denen die klassischen [[Vier-Elemente-Lehre|vier Elemente]] aus einem fünften, eben der Quintessenz (von lat. ''quinta essentia'' „fünftes Seiendes“), auch [[Äther (Physik)|Äther]] genannt, hervorgegangen seien.
== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Lawrence Krauss]]: ''Quintessence - the mystery of missing mass in the universe.'' Basic Books, New York 2000, ISBN 0-465-03740-2.
* [[Lawrence Krauss]]: ''Quintessence the mystery of missing mass in the universe.'' Basic Books, New York 2000, ISBN 0-465-03740-2.
* Sidney Bludman: ''What We Already Know About Quintessence'', {{bibcode|2003astro.ph.12450B}}
* Sidney Bludman: ''What We Already Know About Quintessence'', {{bibcode|2003astro.ph.12450B}}


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.astro.uni-bonn.de/~kilbinge/de/index.shtml ''Dark Energy dominates the Universe''] – Martin Kilbinger, Marco Hetterscheidt, [[Universität Bonn]] 12/2003
* [https://astro.uni-bonn.de/~kilbinge/de/index.shtml ''Dark Energy dominates the Universe''] – Martin Kilbinger, Marco Hetterscheidt, [[Universität Bonn]] 12/2003
* [http://www.spektrum.de/magazin/die-quintessenz-des-universums/827365 ''Die Quintessenz des Universums''] – [[Jeremiah P. Ostriker]], [[Paul Steinhardt]], [[Spektrum der Wissenschaft]] 03/2001
* [https://www.spektrum.de/magazin/die-quintessenz-des-universums/827365 ''Die Quintessenz des Universums''] – [[Jeremiah P. Ostriker]], [[Paul Steinhardt]], [[Spektrum der Wissenschaft]] 03/2001
 
== Einzelnachweise und Anmerkungen ==
== Einzelnachweise und Anmerkungen ==
<references />
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{{SORTIERUNG:Quintessenz #Physik}}
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[[Kategorie:Kosmologie (Physik)]]
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Aktuelle Version vom 15. Mai 2021, 10:33 Uhr

Quintessenz oder Quintessence ist in der Physik ein Modell der Dunklen Energie, die als Erklärung für eine sich beschleunigende Expansion des Universums herangezogen wird.

Im Gegensatz zur philosophischen bzw. alchemistischen Quinta Essentia, welche sich im ursprünglichsten Sinne auf ein fünftes Element (neben Feuer, Wasser, Erde, Luft) bezieht, kann man die Begrifflichkeit aus der Physik eher als die fünfte bekannte Grundkraft definieren, neben Gravitation, Elektromagnetismus, starker und schwacher Wechselwirkung.

Der Begriff wurde von R. R. Caldwell, Rahul Dave und Paul J. Steinhardt 1998 eingeführt.[1] Untersuchungen über solche zeitlich veränderlichen kosmologischen Skalarfelder gab es aber schon seit den 1980er Jahren (Bharat Ratra, James Peebles 1988).[2]

Quintessenz ist nach theoretischen Vorstellungen ein dynamisches (zeitlich veränderliches), selbst-wechselwirkendes skalares Feld. Bezeichnet w das Verhältnis von Druck p zu Energiedichte ρ:

$ w={\frac {p}{\rho }}, $

so ist dieses bei der Quintessenz negativ (negativer Druck):[3]

$ w<0, $

ebenso wie bei der kosmologischen Konstanten, im Gegensatz zu allen bekannten Materieformen. Im Gegensatz zur kosmologischen Konstante, die w = −1 hat, verändert sich die Quintessenz im Laufe der Zeit, so dass sie sich auch aus einem positiven Wert in der Frühzeit des Universums entwickelt haben kann (der Wert von w ergibt sich aus dem Verhältnis von potentieller zu kinetischer Energie des Quintessenz-Feldes).

Viele Modelle, die Quintessenz enthalten, weisen ein Folge-Schema auf (Tracker-Verhalten), wodurch das Problem der kosmologischen Konstanten teilweise gelöst wird (Ratra/Peebles 1988, Steinhardt u. a. 1999[4]). In diesen Modellen hat das Quintessenz-Feld eine Dichte, die der Strahlungsdichte folgt (aber etwas geringer bleibt), bis das Gleichgewicht zwischen Strahlung und Materie eintritt. Von diesem Zeitpunkt an wirkt Quintessenz als Dunkle Energie, die auf Sicht die Entwicklung des Universums bestimmt.

Sonderfälle von Quintessenz sind die Phantom-Energie mit w < −1 und K-Essenz (Kinetische Essenz) mit einer Nicht-Standard-Form der kinetischen Energie.

Literatur

  • Lawrence Krauss: Quintessence – the mystery of missing mass in the universe. Basic Books, New York 2000, ISBN 0-465-03740-2.
  • Sidney Bludman: What We Already Know About Quintessence, bibcode:2003astro.ph.12450B

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Caldwell, Dave, Steinhardt, Cosmological Imprint of an Energy Component with General Equation of State, Phys. Rev. Lett., Band 80, 1998, S. 1582–1585.
  2. Ratra, Peebles: Cosmological consequences of a rolling homogeneous scalar field. In: Physical Review D, Band 37, 1988, S. 3406 ff. (Abstract).
  3. Caldwell, Dave, Steinhardt betrachteten in ihrer ursprünglichen Arbeit Werte $ -1<w<0 $, was damals den Beobachtungen am besten entsprach.
  4. I. Zlatev,L. Wang, P. J. Steinhardt, Quintessence, Cosmic Coincidence, and the Cosmological Constant, Phys. Rev. Lett., Band 82, 1999, S. 896–899.

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