Quark-Gluon-Plasma: Unterschied zwischen den Versionen

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== Herstellung auf der Erde ==
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[[Datei:CERN ALICE Experiment.jpg|mini|Das [[ALICE|ALICE-Experiment]] des [[CERN]] zur Erforschung des Quark-Gluon-Plasmas]]Der Einsatz von [[Schwerionenbeschleuniger]]n ermöglicht die Erforschung des Quark-Gluon-Plasmas (QGPs) im Labor. Entsprechende Versuche mit [[Teilchenbeschleuniger]]n werden beim [[GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung]] in Darmstadt, am Europäischen Kernforschungszentrum [[CERN]] in Genf und am [[Relativistic Heavy Ion Collider]] (RHIC) auf Long Island, New York (siehe Pressemitteilung unten) durchgeführt. Von besonderem Interesse ist dabei die Untersuchung des [[Phasenübergang]]s vom Confinement zum QGP.
[[Datei:CERN ALICE Experiment.jpg|mini|Das [[ALICE|ALICE-Experiment]] des [[CERN]] zur Erforschung des Quark-Gluon-Plasmas]]Der Einsatz von [[Schwerionenbeschleuniger]]n ermöglicht die Erforschung des Quark-Gluon-Plasmas (QGPs) im Labor. Entsprechende Versuche mit [[Teilchenbeschleuniger]]n werden beim [[GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung]] in Darmstadt, am Europäischen Kernforschungszentrum [[CERN]] in Genf ([[Large Hadron Collider]], LHC)<ref name="Springer Science and Business Media LLC pp. 535–539">{{cite journal | title=Enhanced production of multi-strange hadrons in high-multiplicity proton–proton collisions | journal=Nature Physics | publisher=Springer Nature | volume=13 | issue=6 | year=2017 | issn=1745-2473 | doi=10.1038/nphys4111 | pages=535–539}}</ref> und am [[Relativistic Heavy Ion Collider]] (RHIC) auf Long Island, New York<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bnl.gov/newsroom/news.php?a=110303 |titel=RHIC Scientists Serve Up "Perfect" Liquid |hrsg=Brookhaven National Lab|datum=2005-04-18 |abruf=2018-11-23}}</ref> durchgeführt. Von besonderem Interesse ist dabei die Untersuchung des [[Phasenübergang]]s vom Confinement zum QGP.


Am RHIC werden Gold-[[Atomkern]]e im Beschleunigerring auf 99,9 % der [[Lichtgeschwindigkeit]] gebracht und dann aufeinandergeschossen. Mit [[Teilchendetektor]]en werden die dabei entstehenden Produkte untersucht. Die Atomkerne zerfallen aufgrund der riesigen [[Energie]]n und Temperaturen (mehrere Billionen [[Kelvin]]) in Zehntausende von Materieteilchen. Es kann gezeigt werden, dass in den ersten Nanosekundenbruchteilen nach dem Zusammenprall Druckschwankungen im Inneren der kollidierten Teilchen in einer Art und Weise ausgeglichen werden, die auf einen Zustand der Materie ähnlich einer Flüssigkeit schließen lassen: ein Quark-Gluon-Plasma ist entstanden (zur Form des QGPs siehe unten).
Am RHIC werden Gold-[[Atomkern]]e im Beschleunigerring auf 99,9 % der [[Lichtgeschwindigkeit]] gebracht und dann aufeinandergeschossen. Mit [[Teilchendetektor]]en werden die dabei entstehenden Produkte untersucht. Die Atomkerne zerfallen aufgrund der extrem hohen [[Energie]]n und Temperaturen (mehrere Billionen [[Kelvin]]) in Zehntausende von Materieteilchen. Es kann gezeigt werden, dass in den ersten Nanosekundenbruchteilen nach dem Zusammenprall Druckschwankungen im Inneren der kollidierten Teilchen in einer Art und Weise ausgeglichen werden, die auf einen Zustand der Materie ähnlich einer Flüssigkeit schließen lassen: ein Quark-Gluon-Plasma ist entstanden (zur Form des QGPs siehe unten).


Ein weiteres Indiz für das Auftreten eines QGP-Zustandes analog zu einer Flüssigkeit im [[thermisches Gleichgewicht|thermischen Gleichgewicht]] ist eine geringere Zahl von [[Teilchenjet|Jets]], also kegelförmiger Teilchenausbrüche aus den kollidierten Atomkernen. Man erklärt dies damit, dass die Teilchen durch das QGP so stark abgebremst und damit energieärmer werden, dass weniger Energie für einen Jet übrig bleibt.
Ein weiteres Indiz für das Auftreten eines QGP-Zustandes analog zu einer Flüssigkeit im [[thermisches Gleichgewicht|thermischen Gleichgewicht]] ist eine geringere Zahl von [[Teilchenjet|Jets]], also kegelförmiger Teilchenausbrüche aus den kollidierten Atomkernen. Man erklärt dies damit, dass die Teilchen durch das QGP so stark abgebremst und damit energieärmer werden, dass weniger Energie für einen Jet übrig bleibt.
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Die hohe [[Energiedichte]] beim Durchdringen zweier kollidierender Atomkerne lässt die [[Parton (Physik)|Partonen]] (d.&nbsp;h. die Quarks und Gluonen) sich quasi-frei bewegen. In dieser Phase wechselwirken die Partonen durch [[Stoß (Physik)#Unelastischer Stoß|inelastische Stöße]] miteinander, bis ein [[Gleichgewichtszustand]] eintritt; dieser wird als Quark-Gluon-Plasma bezeichnet. Aufgrund des inneren Drucks expandiert das Plasma und kühlt dabei ab. Wird die [[kritische Temperatur]] unterschritten, beginnt die [[Hadronisierung]] der Partonen. Das sogenannte [[chemisches Gleichgewicht|chemische Gleichgewicht]] ist erreicht, wenn sich die Zusammensetzung der Teilchenarten nicht mehr ändert. Finden keine inelastischen Interaktionen zwischen den erzeugten Teilchen mehr statt, spricht man vom [[Thermisches Gleichgewicht|thermischen Gleichgewicht]].
Die hohe [[Energiedichte]] beim Durchdringen zweier kollidierender Atomkerne lässt die [[Parton (Physik)|Partonen]] (d.&nbsp;h. die Quarks und Gluonen) sich quasi-frei bewegen. In dieser Phase wechselwirken die Partonen durch [[Stoß (Physik)#Unelastischer Stoß|inelastische Stöße]] miteinander, bis ein [[Gleichgewichtszustand]] eintritt; dieser wird als Quark-Gluon-Plasma bezeichnet. Aufgrund des inneren Drucks expandiert das Plasma und kühlt dabei ab. Wird die [[kritische Temperatur]] unterschritten, beginnt die [[Hadronisierung]] der Partonen. Das sogenannte [[chemisches Gleichgewicht|chemische Gleichgewicht]] ist erreicht, wenn sich die Zusammensetzung der Teilchenarten nicht mehr ändert. Finden keine inelastischen Interaktionen zwischen den erzeugten Teilchen mehr statt, spricht man vom [[Thermisches Gleichgewicht|thermischen Gleichgewicht]].


Aktuelle Messungen am [[RHIC]] und [[Large Hadron Collider]] finden im Zustand hoher Energien und geringer Teilchendichte (geringes ''[[baryochemisches Potential]]'') statt. Derzeitige Ergebnisse deuten auf einen sogenannten [[Crossover-Übergang]] hin (dieser ist im Gegensatz zu einem scharfen „[[Phasenübergang]]“ nur graduell, gewissermaßen „verschmiert“). Ein weiteres Indiz für die Existenz des QGP wäre der Nachweis eines Phasenübergangs erster Ordnung bzw. zweiter Ordnung ([[kritischer Punkt (Thermodynamik)|kritischer Punkt]]) bei höheren baryochemischen Potentialen. Die Suche nach Übergängen vom Crossover- zum scharfen Phasenübergangsverhalten wird derzeit am [[RHIC]] bzw. am [[Large Hadron Collider|LHC]] und zukünftig an der [[GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung|GSI]] in Darmstadt durchgeführt.
Aktuelle Messungen am [[RHIC]] und [[Large Hadron Collider]] finden im Zustand hoher Energien und geringer Teilchendichte (geringes ''[[baryochemisches Potential]]'') statt. Derzeitige Ergebnisse deuten auf einen sogenannten [[Crossover-Übergang]] hin (dieser ist im Gegensatz zu einem scharfen „[[Phasenübergang]]“ nur graduell, gewissermaßen „verschmiert“). Ein weiteres Indiz für die Existenz des QGP wäre der Nachweis eines Phasenübergangs erster Ordnung bzw. zweiter Ordnung ([[kritischer Punkt (Thermodynamik)|kritischer Punkt]]) bei höheren baryochemischen Potentialen. Die Suche nach Übergängen vom Crossover- zum scharfen Phasenübergangsverhalten wird derzeit am RHIC bzw. am [[Large Hadron Collider|LHC]] und zukünftig an der [[GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung|GSI]] in Darmstadt durchgeführt.


== Nachweismöglichkeiten ==
== Nachweismöglichkeiten ==
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Der Zustand des '''Deconfinements''', also der Existenz des QGP, ist zu kurzlebig, um ohne Weiteres direkt nachgewiesen werden zu können. Zudem sind die Vorhersagen direkter Signaturen wie der Energiedichte oder der Temperatur stark modellabhängig. Aus diesem Grund müssen in der Regel indirekte Signaturen verwendet werden.
Der Zustand des '''Deconfinements''', also der Existenz des QGP, ist zu kurzlebig, um ohne Weiteres direkt nachgewiesen werden zu können. Zudem sind die Vorhersagen direkter Signaturen wie der Energiedichte oder der Temperatur stark modellabhängig. Aus diesem Grund müssen in der Regel indirekte Signaturen verwendet werden.


Eine davon ist die Anreicherung von [[Strange-Quark]]s, bzw. von [[Strangeness]]-enthaltenden Teilchen (beispielsweise des [[φ-Meson]]s) im QGP nach einer Hadronisierung ([[Berndt Mueller]], [[Johann Rafelski]] 1982)<ref name="Rafelski" />. Denn die zur Erzeugung eines <math> s\bar s </math>-Paares benötigte Energie liegt genau bei der Temperatur vor, ab der die Auflösung von [[Nukleon]]en und [[Hadron]]en in Quarks und Gluonen, d.&nbsp;h. der Bildung eines QGP, erwartet wird. <math> s\bar s </math>-Paare werden bei dieser Temperatur im QGP vermehrt durch die Fusion von Gluonen produziert: <math> g+g \rightarrow s \bar s</math>. Außerdem sind einige [[Energiezustand|Energiezustände]] durch leichtere Quarks belegt, so dass ab einem bestimmten Punkt die Erzeugung von <math>s\bar s</math>-Paaren bevorzugt wird.
Eine davon ist die Anreicherung von [[Strange-Quark]]s, bzw. von [[Strangeness]]-enthaltenden Teilchen (beispielsweise des [[φ-Meson]]s) im QGP nach einer Hadronisierung ([[Berndt Mueller|Berndt Müller]], [[Johann Rafelski]] 1982).<ref name="Rafelski" /><ref name="Rafelski_erratum">{{cite journal | last=Rafelski | first=Johann | last2=Müller | first2=Berndt | title=Erratum: Strangeness Production in the Quark-Gluon Plasma | journal=Physical Review Letters | publisher=American Physical Society (APS) | volume=56 | issue=21 | date=1986-05-26 | issn=0031-9007 | doi=10.1103/physrevlett.56.2334 | pages=2334–2334}}</ref> Denn die zur Erzeugung eines <math> s\bar s </math>-Paares benötigte Energie liegt genau bei der Temperatur vor, ab der die Auflösung von [[Nukleon]]en und [[Hadron]]en in Quarks und Gluonen, d.&nbsp;h. der Bildung eines QGP, erwartet wird. <math> s\bar s </math>-Paare werden bei dieser Temperatur im QGP vermehrt durch die Fusion von Gluonen produziert: <math> g+g \rightarrow s \bar s</math>. Außerdem sind einige [[Energiezustand|Energiezustände]] durch leichtere Quarks belegt, so dass ab einem bestimmten Punkt die Erzeugung von <math>s\bar s</math>-Paaren bevorzugt wird.


Weitere Signaturen sind zum Beispiel die Unterdrückung relativ hochenergetischer Teilchen, die durch den hohen [[Bethe-Formel|Energieverlust]] beim Durchqueren des QGPs verursacht wird, oder das Aufbrechen oder Schmelzen schwerer [[Quarkonium|Quarkonia]] wie des [[J/ψ-Meson]]s <math>J/\psi</math> oder des [[Υ-Meson]]s <math>\Upsilon</math> ([[Helmut Satz]], Tetsuo Matsui 1986).
Weitere Signaturen sind zum Beispiel die Unterdrückung relativ hochenergetischer Teilchen, die durch den hohen [[Bethe-Formel|Energieverlust]] beim Durchqueren des QGPs verursacht wird, oder das Aufbrechen oder Schmelzen schwerer [[Quarkonium|Quarkonia]] wie des [[J/ψ-Meson]]s <math>J/\psi</math> oder des [[Υ-Meson]]s <math>\Upsilon</math> ([[Helmut Satz]], Tetsuo Matsui 1986).


Ein QGP-Nachweis erfordert die Messung vieler verschiedener Signaturen und ein theoretisches Modell für das QGP, das diese Signaturen erklären kann. Aufgrund [[numerische Simulation|numerischer Simulationen]]<ref>Frithjof Karsch und Helmut Satz: [http://www.uni-bielefeld.de/presse/fomag/s9_15_satz.pdf ''Quantenmaterie und Supercomputer''] (Universität Biefeld, Fakultät Physik).</ref> und experimenteller Befunde vermutet man, dass der Übergang zum Quark-Gluon-Plasma bei einer Temperatur von etwa 4·10<sup>12</sup>&nbsp;Kelvin stattfindet und zur [[Universalität (Physik)|Universalitäts]]<nowiki/>klasse des dreidimensionalen [[Ising-Modell]]s gehört. Dreidimensional deshalb, weil von den vier Dimensionen der [[spezielle Relativitätstheorie|speziellen Relativitätstheorie]] bei hohen Temperaturen die Variable Zeit entfällt; Ising-Modell (n=1) deshalb, weil wie in diesem Modell (bis auf das Vorzeichen) nur ein einziger [[Freiheitsgrad]] dominiert, zum Beispiel der Strangeness- bzw. Anti-Strangeness-Freiheitsgrad. Die angegebene Universalitätsklasse besitzen auch gewöhnliche Flüssigkeiten.
Ein QGP-Nachweis erfordert die Messung vieler verschiedener Signaturen und ein theoretisches Modell für das QGP, das diese Signaturen erklären kann. Aufgrund [[numerische Simulation|numerischer Simulationen]]<ref>Frithjof Karsch und Helmut Satz: [https://web.archive.org/web/20170813182220/http://www.uni-bielefeld.de/presse/fomag/s9_15_satz.pdf ''Quantenmaterie und Supercomputer''] (Universität Biefeld, Fakultät Physik).</ref> und experimenteller Befunde vermutet man, dass der Übergang zum Quark-Gluon-Plasma bei einer Temperatur von etwa 4·10<sup>12</sup>&nbsp;Kelvin stattfindet und zur [[Universalität (Physik)|Universalitäts]]<nowiki/>klasse des dreidimensionalen [[Ising-Modell]]s gehört. Dreidimensional deshalb, weil von den vier Dimensionen der [[spezielle Relativitätstheorie|speziellen Relativitätstheorie]] bei hohen Temperaturen die Variable Zeit entfällt; Ising-Modell (n=1) deshalb, weil wie in diesem Modell (bis auf das Vorzeichen) nur ein einziger [[Freiheitsgrad]] dominiert, zum Beispiel der Strangeness- bzw. Anti-Strangeness-Freiheitsgrad. Die angegebene Universalitätsklasse besitzen auch gewöhnliche Flüssigkeiten.


=== Direkte Nachweise ===
=== Direkte Nachweise ===


Seit Inbetriebnahme des [[Large Hadron Collider|LHC]] beim [[CERN]] in Genf, eines Beschleunigers, der derzeit (2016) bei 6,5 TeV pro Proton arbeitet und unter anderem die Erzeugung von Quark-Gluon-Plasmen durch Zusammenstöße von Bleikernen erlaubt, sind auch direkte Nachweise möglich geworden. Darüber wird in einem Artikel des [[Physik-Journal]]s berichtet.<ref>Christoph Blume, Klaus Rabbertz, Stefan Tapprogge: ''Die starke Seite des LHC.'' In: Physik Journal 11 (2012), Heft 4, 45–49 ([http://www.pro-physik.de/details/physikjournalIssue/1664535/PJ_04_2012.html online], Beispiel siehe Abb. 6)</ref> Die Autoren schreiben: „Das Bremsvermögen der Quark-Gluon-Materie ist sogar so groß, dass es hochenergetische Partonen fast vollständig stoppen kann. Dies lässt sich bereits in Ereignisbildern während der Datennahme erkennen.“
Seit Inbetriebnahme des [[Large Hadron Collider|LHC]] beim [[CERN]] in Genf, eines Beschleunigers, der derzeit (2016) bei 6,5 TeV pro Proton arbeitet und unter anderem die Erzeugung von Quark-Gluon-Plasmen durch Zusammenstöße von Bleikernen erlaubt, sind auch direkte Nachweise möglich geworden. Darüber wird in einem Artikel des [[Physik-Journal]]s berichtet.<ref>Christoph Blume, Klaus Rabbertz, Stefan Tapprogge: ''Die starke Seite des LHC.'' In: Physik Journal 11 (2012), Heft 4, 45–49 ([http://www.pro-physik.de/details/physikjournalIssue/1664535/PJ_04_2012.html online], Beispiel siehe Abb. 6)</ref> Die Autoren schreiben: „Das Bremsvermögen der Quark-Gluon-Materie ist sogar so groß, dass es hochenergetische [[Parton (Physik)|Parton]]en fast vollständig stoppen kann. Dies lässt sich bereits in Ereignisbildern während der Datennahme erkennen.“


Eine weitere Sonde sind gebundene Zustände schwerer Quarks und ihrer Antiquarks, z.&nbsp;B. im [[Bottomonium]]: Hier sieht man mit dem LHC beim Vergleich von 1s-, 2s- und 3s-Zuständen des <math>\Upsilon</math> konkret die Plasma-Polarisation als Änderung des Potenzials.
Eine weitere Sonde sind gebundene Zustände schwerer Quarks und ihrer Antiquarks, z.&nbsp;B. im [[Bottomonium]]: Hier sieht man mit dem LHC beim Vergleich von 1s-, 2s- und 3s-Zuständen des <math>\Upsilon</math> konkret die Plasma-Polarisation als Änderung des Potenzials.


== Formen ==
== Formen ==
Ältere Erkenntnisse (Stand August 2005, Quelle [[RHIC]]) legen nahe, dass der Zusammenhalt zwischen Quarks und Gluonen im Quark-Gluon-Plasma nicht völlig aufgehoben ist, sondern dass es noch starke Wechselwirkungen und Zusammenschlüsse gibt. Das Quark-Gluon-Plasma verhält sich also zumindest bei Energien knapp über der Bildungsenergie eher wie eine Flüssigkeit (aber nicht wie eine Supraflüssigkeit!) als wie ein Gas. Das gilt für Temperaturen um ~ 160&nbsp;MeV.<ref name="Rafelski">Johann Rafelski, Berndt Müller: [http://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.48.1066 ''Strangeness Production in the Quark-Gluon Plasma''], Phys. Rev. Lett. 56, S. 2334 (1986)</ref> Erst bei noch höheren Energien gewinnen die [[Elementarteilchen]] völlige Freiheit.
Ältere Erkenntnisse (Stand August 2005, Quelle [[RHIC]]) legen nahe, dass der Zusammenhalt zwischen Quarks und Gluonen im Quark-Gluon-Plasma nicht völlig aufgehoben ist, sondern dass es noch starke Wechselwirkungen und Zusammenschlüsse gibt. Das Quark-Gluon-Plasma verhält sich also zumindest bei Energien knapp über der Bildungsenergie eher wie eine Flüssigkeit (aber nicht wie eine Supraflüssigkeit) als wie ein Gas. Das gilt für Temperaturen um ≈160&nbsp;MeV.<ref name="Rafelski">{{cite journal | last=Rafelski | first=Johann | last2=Müller | first2=Berndt | title=Strangeness Production in the Quark-Gluon Plasma | journal=Physical Review Letters | publisher=American Physical Society (APS) | volume=48 | issue=16 | date=1982-04-19 | issn=0031-9007 | doi=10.1103/physrevlett.48.1066 | pages=1066–1069}}</ref><ref name="Rafelski_erratum"></ref> Erst bei noch höheren Energien gewinnen die [[Elementarteilchen]] völlige Freiheit.


Seit 2008 ist ferner eine Diskussion über einen [[Hypothese|hypothetischen]] Vorläuferzustand des Quark-Gluon Plasmas im Gange, den sogenannten ''Glasma-Zustand''. Dieser entspricht einem [[amorph]]en ([[glas]]<nowiki/>artigen) [[kondensierte Materie|Kondensat]], ähnlich wie man in der Festkörperphysik bei manchen Metallen oder Metall-Legierungen unterhalb des flüssigen Zustandes sogenannte „[[Metallisches Glas|metallische Gläser]]“ (also amorphe Metalle) bekommt.<ref>Raju Venugopalan: ''From glasma to quark–gluon plasma in heavy-ion collisions'', J. Phys. G35 104003, [http://arxiv.org/abs/0806.1356 Online-Version].</ref>
Seit 2008 ist ferner eine Diskussion über einen [[Hypothese|hypothetischen]] Vorläuferzustand des Quark-Gluon Plasmas im Gange, den sogenannten ''Glasma-Zustand''. Dieser entspricht einem [[amorph]]en ([[glas]]<nowiki/>artigen) [[kondensierte Materie|Kondensat]], ähnlich wie man in der Festkörperphysik bei manchen Metallen oder Metall-Legierungen unterhalb des flüssigen Zustandes sogenannte „[[Metallisches Glas|metallische Gläser]]“ (also amorphe Metalle) bekommt.<ref>Raju Venugopalan: ''From glasma to quark–gluon plasma in heavy-ion collisions'', J. Phys. G35 104003, [http://arxiv.org/abs/0806.1356 Online-Version].</ref>
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
* {{Webarchiv | url=http://www.physik.uni-bielefeld.de/theory/e6/particle/particle.html | wayback=20100409002301 | text=Wann schmelzen Elementarteilchen?}} (Darstellung aus der Universität Bielefeld)
* {{Webarchiv | url=http://www.physik.uni-bielefeld.de/theory/e6/particle/particle.html | wayback=20100409002301 | text=Wann schmelzen Elementarteilchen?}} (Darstellung aus der Universität Bielefeld)
* [http://www.bnl.gov/bnlweb/pubaf/pr/PR_display.asp?prID=05-38 Pressemitteilung des BNL über die Erzeugung eines neuen Materiezustandes am RHIC] (engl.)
* [https://www.bnl.gov/npp/docs/hunting%20the%20qgp.pdf Hunting the Quark Gluon Plasma], BNL-Report April 18, 2005 (engl.; PDF-Datei; 9,7&nbsp;MB)
* [https://www.bnl.gov/npp/docs/hunting%20the%20qgp.pdf Hunting the Quark Gluon Plasma], BNL-Report April 18, 2005 (engl.; PDF-Datei; 9,7&nbsp;MB)
<!-- * [http://www.bnl.gov/rhic/QGP.htm Kurze Informationen über das QGP vom RHIC (engl.)] -->
<!-- * [http://www.bnl.gov/rhic/QGP.htm Kurze Informationen über das QGP vom RHIC (engl.)] -->

Aktuelle Version vom 30. Juli 2021, 08:11 Uhr

Das Quark-Gluon-Plasma (Abkürzung QGP) ist ein Zustand der Materie bei extrem hohen Temperaturen oder Baryon-Dichten. Hier ist das Confinement (englisch Eingesperrtsein) der Quarks und Gluonen aufgehoben, weshalb diese Teilchen ein quasi-freies Verhalten zeigen.

Das Quark-Gluon-Plasma in der Natur

Man nimmt an, dass das Universum in den ersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall diesen Zustand durchlief. Im heutigen Universum existiert das QGP höchstens noch im Zentrum von Neutronensternen, wobei einige Theorien dort eine weitere Phase voraussagen, die sich durch Farbsupraleitung (engl. color superconductivity) auszeichnen soll.

Herstellung auf der Erde

Das ALICE-Experiment des CERN zur Erforschung des Quark-Gluon-Plasmas

Der Einsatz von Schwerionenbeschleunigern ermöglicht die Erforschung des Quark-Gluon-Plasmas (QGPs) im Labor. Entsprechende Versuche mit Teilchenbeschleunigern werden beim GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt, am Europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf (Large Hadron Collider, LHC)[1] und am Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) auf Long Island, New York[2] durchgeführt. Von besonderem Interesse ist dabei die Untersuchung des Phasenübergangs vom Confinement zum QGP.

Am RHIC werden Gold-Atomkerne im Beschleunigerring auf 99,9 % der Lichtgeschwindigkeit gebracht und dann aufeinandergeschossen. Mit Teilchendetektoren werden die dabei entstehenden Produkte untersucht. Die Atomkerne zerfallen aufgrund der extrem hohen Energien und Temperaturen (mehrere Billionen Kelvin) in Zehntausende von Materieteilchen. Es kann gezeigt werden, dass in den ersten Nanosekundenbruchteilen nach dem Zusammenprall Druckschwankungen im Inneren der kollidierten Teilchen in einer Art und Weise ausgeglichen werden, die auf einen Zustand der Materie ähnlich einer Flüssigkeit schließen lassen: ein Quark-Gluon-Plasma ist entstanden (zur Form des QGPs siehe unten).

Ein weiteres Indiz für das Auftreten eines QGP-Zustandes analog zu einer Flüssigkeit im thermischen Gleichgewicht ist eine geringere Zahl von Jets, also kegelförmiger Teilchenausbrüche aus den kollidierten Atomkernen. Man erklärt dies damit, dass die Teilchen durch das QGP so stark abgebremst und damit energieärmer werden, dass weniger Energie für einen Jet übrig bleibt.

Entstehung

Die hohe Energiedichte beim Durchdringen zweier kollidierender Atomkerne lässt die Partonen (d. h. die Quarks und Gluonen) sich quasi-frei bewegen. In dieser Phase wechselwirken die Partonen durch inelastische Stöße miteinander, bis ein Gleichgewichtszustand eintritt; dieser wird als Quark-Gluon-Plasma bezeichnet. Aufgrund des inneren Drucks expandiert das Plasma und kühlt dabei ab. Wird die kritische Temperatur unterschritten, beginnt die Hadronisierung der Partonen. Das sogenannte chemische Gleichgewicht ist erreicht, wenn sich die Zusammensetzung der Teilchenarten nicht mehr ändert. Finden keine inelastischen Interaktionen zwischen den erzeugten Teilchen mehr statt, spricht man vom thermischen Gleichgewicht.

Aktuelle Messungen am RHIC und Large Hadron Collider finden im Zustand hoher Energien und geringer Teilchendichte (geringes baryochemisches Potential) statt. Derzeitige Ergebnisse deuten auf einen sogenannten Crossover-Übergang hin (dieser ist im Gegensatz zu einem scharfen „Phasenübergang“ nur graduell, gewissermaßen „verschmiert“). Ein weiteres Indiz für die Existenz des QGP wäre der Nachweis eines Phasenübergangs erster Ordnung bzw. zweiter Ordnung (kritischer Punkt) bei höheren baryochemischen Potentialen. Die Suche nach Übergängen vom Crossover- zum scharfen Phasenübergangsverhalten wird derzeit am RHIC bzw. am LHC und zukünftig an der GSI in Darmstadt durchgeführt.

Nachweismöglichkeiten

Indirekte Nachweismöglichkeiten

Der Zustand des Deconfinements, also der Existenz des QGP, ist zu kurzlebig, um ohne Weiteres direkt nachgewiesen werden zu können. Zudem sind die Vorhersagen direkter Signaturen wie der Energiedichte oder der Temperatur stark modellabhängig. Aus diesem Grund müssen in der Regel indirekte Signaturen verwendet werden.

Eine davon ist die Anreicherung von Strange-Quarks, bzw. von Strangeness-enthaltenden Teilchen (beispielsweise des φ-Mesons) im QGP nach einer Hadronisierung (Berndt Müller, Johann Rafelski 1982).[3][4] Denn die zur Erzeugung eines $ s{\bar {s}} $-Paares benötigte Energie liegt genau bei der Temperatur vor, ab der die Auflösung von Nukleonen und Hadronen in Quarks und Gluonen, d. h. der Bildung eines QGP, erwartet wird. $ s{\bar {s}} $-Paare werden bei dieser Temperatur im QGP vermehrt durch die Fusion von Gluonen produziert: $ g+g\rightarrow s{\bar {s}} $. Außerdem sind einige Energiezustände durch leichtere Quarks belegt, so dass ab einem bestimmten Punkt die Erzeugung von $ s{\bar {s}} $-Paaren bevorzugt wird.

Weitere Signaturen sind zum Beispiel die Unterdrückung relativ hochenergetischer Teilchen, die durch den hohen Energieverlust beim Durchqueren des QGPs verursacht wird, oder das Aufbrechen oder Schmelzen schwerer Quarkonia wie des J/ψ-Mesons $ J/\psi $ oder des Υ-Mesons $ \Upsilon $ (Helmut Satz, Tetsuo Matsui 1986).

Ein QGP-Nachweis erfordert die Messung vieler verschiedener Signaturen und ein theoretisches Modell für das QGP, das diese Signaturen erklären kann. Aufgrund numerischer Simulationen[5] und experimenteller Befunde vermutet man, dass der Übergang zum Quark-Gluon-Plasma bei einer Temperatur von etwa 4·1012 Kelvin stattfindet und zur Universalitätsklasse des dreidimensionalen Ising-Modells gehört. Dreidimensional deshalb, weil von den vier Dimensionen der speziellen Relativitätstheorie bei hohen Temperaturen die Variable Zeit entfällt; Ising-Modell (n=1) deshalb, weil wie in diesem Modell (bis auf das Vorzeichen) nur ein einziger Freiheitsgrad dominiert, zum Beispiel der Strangeness- bzw. Anti-Strangeness-Freiheitsgrad. Die angegebene Universalitätsklasse besitzen auch gewöhnliche Flüssigkeiten.

Direkte Nachweise

Seit Inbetriebnahme des LHC beim CERN in Genf, eines Beschleunigers, der derzeit (2016) bei 6,5 TeV pro Proton arbeitet und unter anderem die Erzeugung von Quark-Gluon-Plasmen durch Zusammenstöße von Bleikernen erlaubt, sind auch direkte Nachweise möglich geworden. Darüber wird in einem Artikel des Physik-Journals berichtet.[6] Die Autoren schreiben: „Das Bremsvermögen der Quark-Gluon-Materie ist sogar so groß, dass es hochenergetische Partonen fast vollständig stoppen kann. Dies lässt sich bereits in Ereignisbildern während der Datennahme erkennen.“

Eine weitere Sonde sind gebundene Zustände schwerer Quarks und ihrer Antiquarks, z. B. im Bottomonium: Hier sieht man mit dem LHC beim Vergleich von 1s-, 2s- und 3s-Zuständen des $ \Upsilon $ konkret die Plasma-Polarisation als Änderung des Potenzials.

Formen

Ältere Erkenntnisse (Stand August 2005, Quelle RHIC) legen nahe, dass der Zusammenhalt zwischen Quarks und Gluonen im Quark-Gluon-Plasma nicht völlig aufgehoben ist, sondern dass es noch starke Wechselwirkungen und Zusammenschlüsse gibt. Das Quark-Gluon-Plasma verhält sich also zumindest bei Energien knapp über der Bildungsenergie eher wie eine Flüssigkeit (aber nicht wie eine Supraflüssigkeit) als wie ein Gas. Das gilt für Temperaturen um ≈160 MeV.[3][4] Erst bei noch höheren Energien gewinnen die Elementarteilchen völlige Freiheit.

Seit 2008 ist ferner eine Diskussion über einen hypothetischen Vorläuferzustand des Quark-Gluon Plasmas im Gange, den sogenannten Glasma-Zustand. Dieser entspricht einem amorphen (glasartigen) Kondensat, ähnlich wie man in der Festkörperphysik bei manchen Metallen oder Metall-Legierungen unterhalb des flüssigen Zustandes sogenannte „metallische Gläser“ (also amorphe Metalle) bekommt.[7]

Literatur

  • Spektrum der Wissenschaft 09/05: Zeitreise zum Anfang des Alls (S. 14–15) (Volltext)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. {{{last1}}}: Enhanced production of multi-strange hadrons in high-multiplicity proton–proton collisions. In: Nature Physics. 13. Jahrgang, Nr. 6. Springer Nature, 2017, ISSN 1745-2473, S. 535–539, doi:10.1038/nphys4111.
  2. RHIC Scientists Serve Up "Perfect" Liquid. Brookhaven National Lab, 18. April 2005, abgerufen am 23. November 2018.
  3. 3,0 3,1 Johann Rafelski, Berndt Müller: Strangeness Production in the Quark-Gluon Plasma. In: Physical Review Letters. 48. Jahrgang, Nr. 16. American Physical Society (APS), 19. April 1982, ISSN 0031-9007, S. 1066–1069, doi:10.1103/physrevlett.48.1066.
  4. 4,0 4,1 Johann Rafelski, Berndt Müller: Erratum: Strangeness Production in the Quark-Gluon Plasma. In: Physical Review Letters. 56. Jahrgang, Nr. 21. American Physical Society (APS), 26. Mai 1986, ISSN 0031-9007, S. 2334–2334, doi:10.1103/physrevlett.56.2334.
  5. Frithjof Karsch und Helmut Satz: Quantenmaterie und Supercomputer (Universität Biefeld, Fakultät Physik).
  6. Christoph Blume, Klaus Rabbertz, Stefan Tapprogge: Die starke Seite des LHC. In: Physik Journal 11 (2012), Heft 4, 45–49 (online, Beispiel siehe Abb. 6)
  7. Raju Venugopalan: From glasma to quark–gluon plasma in heavy-ion collisions, J. Phys. G35 104003, Online-Version.

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