Primordiales Lithiumproblem: Unterschied zwischen den Versionen

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Das '''Primordiale Lithiumproblem''' (auch ''[[Kosmologie|kosmologisches]] Lithiumproblem'') beschreibt die um einen Faktor&nbsp;2–3 zu geringe [[Elementhäufigkeit|Häufigkeit]] von [[Lithium #Isotope|<sup>7</sup>Li]] in alten [[Stern]]en, verglichen mit den zu erwartenden Ergebnissen der [[Primordiale Nukleosynthese|primordialen Nukleosynthese]], einer Theorie zur Bildung der ersten [[Atomkern]]e kurz nach dem [[Urknall]].
Das '''Primordiale Lithiumproblem''' (auch '''[[Kosmologie|kosmologisches]] Lithiumproblem''') beschreibt die um einen Faktor&nbsp;2–3 zu geringe [[Elementhäufigkeit|Häufigkeit]] von [[Lithium #Isotope|<sup>7</sup>Li]] in alten [[Stern]]en, verglichen mit den zu erwartenden Ergebnissen der [[Primordiale Nukleosynthese|primordialen Nukleosynthese]], einer Theorie zur Bildung der ersten [[Atomkern]]e kurz nach dem [[Urknall]].


Nach dem [[Urknall|kosmologischen Standardmodell]] wurde die gesamte [[baryon]]ische Materie des [[Universum]]s innerhalb der ersten drei Minuten aus der Expansion einer [[Singularität (Astronomie)|Singularität]] durch die primordiale Nukleosynthese erschaffen. Die Theorie beschreibt die Häufigkeit der dabei entstandenen Elemente [[Wasserstoff]], [[Deuterium]] und Helium mit hoher Genauigkeit. Diese Vorhersagen sind für Helium und Deuterium im Rahmen der Messgenauigkeit bestätigt worden durch Beobachtungen von [[Galaxie]]n mit hoher [[Rotverschiebung]]. Im Gegensatz dazu liegt die beobachtete Häufigkeit von Lithium-7 um einen Faktor&nbsp;2–3 mit einer [[Statistische Signifikanz|Signifikanz]] von 4–5&nbsp;[[Empirische Standardabweichung|Standardabweichungen]] ''unterhalb'' des [[Erwartungswert]]es.
Nach dem [[Kosmologisches Standardmodell|kosmologischen Standardmodell]] wurde die gesamte [[baryon]]ische Materie des [[Universum]]s innerhalb der ersten drei Minuten aus der Expansion einer [[Singularität (Astronomie)|Singularität]] durch die primordiale Nukleosynthese erschaffen. Die Theorie beschreibt die Häufigkeit der dabei entstandenen Elemente [[Wasserstoff]], [[Deuterium]] und Helium mit hoher Genauigkeit. Diese Vorhersagen sind für Helium und Deuterium im Rahmen der Messgenauigkeit bestätigt worden durch Beobachtungen von [[Galaxie]]n mit hoher [[Rotverschiebung]]. Im Gegensatz dazu liegt die beobachtete Häufigkeit von Lithium-7 um einen Faktor&nbsp;2–3 mit einer [[Statistische Signifikanz|Signifikanz]] von 4–5&nbsp;[[Empirische Standardabweichung|Standardabweichungen]] ''unterhalb'' des [[Erwartungswert]]es.


Das kosmologische Lithiumproblem ist zunächst bei [[Weißer Zwerg|Weißen Zwergen]] im [[Halo (Astronomie)|Halo]] der [[Milchstraße]] nachgewiesen worden und kann inzwischen auch bei einer Reihe von [[Population (Astronomie)|Population-II]]-Sternen mit geringer [[Metallizität]] beobachtet werden.
Das kosmologische Lithiumproblem ist zunächst bei [[Weißer Zwerg|Weißen Zwergen]] im [[Halo (Astronomie)|Halo]] der [[Milchstraße]] nachgewiesen worden und kann inzwischen auch bei einer Reihe von [[Population (Astronomie)|Population-II]]-Sternen mit geringer [[Metallizität]] beobachtet werden.
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Zur Lösung des Problems sind drei prinzipielle Lösungen vorgeschlagen worden:
Zur Lösung des Problems sind drei prinzipielle Lösungen vorgeschlagen worden:
* [[Astrophysik]]alische Lösungen versuchen die geringere Häufigkeit des <sup>7</sup>Li zu erklären als eine Folge seiner unerwartet effektiven Zerstörung durch [[thermonukleare Reaktion]]en im Inneren der ersten Stern-Generationen.
* [[Astrophysik]]alische Lösungen versuchen die geringere Häufigkeit des <sup>7</sup>Li zu erklären als eine Folge seiner unerwartet effektiven Zerstörung durch [[thermonukleare Reaktion]]en im Inneren der ersten Stern-Generationen.
* Lösungen im Bereich der [[Kernphysik]] erklären die Abweichungen durch Änderungen der nuklearen Reaktionsraten bei der Bildung oder Zerstörung von Lithium.
* Lösungen im Bereich der [[Kernphysik]] erklären die Abweichungen durch Änderungen der [[Kernreaktionsrate]]n bei der Bildung oder Zerstörung von Lithium.
* Lösungen jenseits des Standardmodells der Kosmologie berücksichtigen den Zerfall [[Dunkle Materie|dunkler Materie]], [[Supersymmetrie]] oder alternative kosmologische Modelle.
* Lösungen jenseits des Standardmodells der Kosmologie berücksichtigen den Zerfall [[Dunkle Materie|dunkler Materie]], [[Supersymmetrie]] oder alternative kosmologische Modelle.


== Quellen ==
== Quellen ==
* {{Literatur|Autor=Brian D. Fields|Titel=The Primordial Lithium Problem|Sammelwerk=Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics|Jahr=2012|arxiv=1203.3551v1|DOI=10.1146/annurev-nucl-102010-130445}}
* {{Literatur |Autor=Brian D. Fields |Titel=The Primordial Lithium Problem |Sammelwerk=Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics |Datum=2012 |arXiv=1203.3551v1 |DOI=10.1146/annurev-nucl-102010-130445}}
* {{Literatur|Autor=M. Spite, F. Spite, P. Bonifacio|Titel=The cosmic lithium problem: an observer's perspective|Sammelwerk=Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics|Jahr=2012|arxiv=1208.1190v2}}
* {{Literatur |Autor=M. Spite, F. Spite, P. Bonifacio |Titel=The cosmic lithium problem: an observer's perspective |Sammelwerk=Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics |Datum=2012 |arXiv=1208.1190v2}}
* {{Literatur|Autor=Alain Coc, Jean-Philippe Uzan, Elisabeth Vangioni|Titel=Mirror matter can alleviate the cosmological lithium problem|Sammelwerk=Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics|Jahr=2012|arxiv=1303.1935v1}}
* {{Literatur |Autor=Alain Coc, Jean-Philippe Uzan, Elisabeth Vangioni |Titel=Mirror matter can alleviate the cosmological lithium problem |Sammelwerk=Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics |Datum=2012 |arXiv=1303.1935v1}}


[[Kategorie:Kosmologie (Physik)]]
[[Kategorie:Kosmologie (Physik)]]
[[Kategorie:Lithium]]

Aktuelle Version vom 14. Mai 2021, 22:32 Uhr

Das Primordiale Lithiumproblem (auch kosmologisches Lithiumproblem) beschreibt die um einen Faktor 2–3 zu geringe Häufigkeit von 7Li in alten Sternen, verglichen mit den zu erwartenden Ergebnissen der primordialen Nukleosynthese, einer Theorie zur Bildung der ersten Atomkerne kurz nach dem Urknall.

Nach dem kosmologischen Standardmodell wurde die gesamte baryonische Materie des Universums innerhalb der ersten drei Minuten aus der Expansion einer Singularität durch die primordiale Nukleosynthese erschaffen. Die Theorie beschreibt die Häufigkeit der dabei entstandenen Elemente Wasserstoff, Deuterium und Helium mit hoher Genauigkeit. Diese Vorhersagen sind für Helium und Deuterium im Rahmen der Messgenauigkeit bestätigt worden durch Beobachtungen von Galaxien mit hoher Rotverschiebung. Im Gegensatz dazu liegt die beobachtete Häufigkeit von Lithium-7 um einen Faktor 2–3 mit einer Signifikanz von 4–5 Standardabweichungen unterhalb des Erwartungswertes.

Das kosmologische Lithiumproblem ist zunächst bei Weißen Zwergen im Halo der Milchstraße nachgewiesen worden und kann inzwischen auch bei einer Reihe von Population-II-Sternen mit geringer Metallizität beobachtet werden.

Zur Lösung des Problems sind drei prinzipielle Lösungen vorgeschlagen worden:

  • Astrophysikalische Lösungen versuchen die geringere Häufigkeit des 7Li zu erklären als eine Folge seiner unerwartet effektiven Zerstörung durch thermonukleare Reaktionen im Inneren der ersten Stern-Generationen.
  • Lösungen im Bereich der Kernphysik erklären die Abweichungen durch Änderungen der Kernreaktionsraten bei der Bildung oder Zerstörung von Lithium.
  • Lösungen jenseits des Standardmodells der Kosmologie berücksichtigen den Zerfall dunkler Materie, Supersymmetrie oder alternative kosmologische Modelle.

Quellen

  • Brian D. Fields: The Primordial Lithium Problem. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2012, doi:10.1146/annurev-nucl-102010-130445, arxiv:1203.3551v1.
  • M. Spite, F. Spite, P. Bonifacio: The cosmic lithium problem: an observer's perspective. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2012, arxiv:1208.1190v2.
  • Alain Coc, Jean-Philippe Uzan, Elisabeth Vangioni: Mirror matter can alleviate the cosmological lithium problem. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2012, arxiv:1303.1935v1.

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