Phonon: Unterschied zwischen den Versionen

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Ein '''Phonon''' ist die [[elementare Anregung]] ([[Quant]]) des elastischen Feldes. In der [[Festkörperphysik]] beschreiben Phononen elementare bzw. kollektive Anregungen der [[Gitterschwingung]]en eines [[Festkörper]]s und können als [[boson]]ische [[Quasiteilchen]] verstanden werden.
Ein '''Phonon''' ist die [[elementare Anregung]] ([[Quant]]) des elastischen Feldes. In der [[Festkörperphysik]] beschreiben Phononen elementare bzw. kollektive Anregungen der [[Gitterschwingung]]en eines [[Festkörper]]s und können als [[boson]]ische [[Quasiteilchen]] verstanden werden.


Der Begriff Phonon (nach griech. φωνή (phonē) = Klang) wurde in Analogie zu den Schwingungsquanten des [[Elektromagnetisches Feld|elektromagnetischen Feldes]], den [[Photon]]en, gewählt und zum ersten Mal von [[Jakow Iljitsch Frenkel|J. I. Frenkel]] 1932 in seinem Buch&nbsp;''Wave Mechanics, Elementary Theory'' verwendet.<ref>Jakow Iljitsch Frenkel: ''Wave Mechanics. Elementary Theory.'' Clarendon Press, Oxford 1932.</ref>
Der Begriff Phonon (nach {{elS|φωνή|phonē|de=Klang}}) wurde in Analogie zu den Schwingungsquanten des [[Elektromagnetisches Feld|elektromagnetischen Feldes]], den [[Photon]]en, gewählt und zum ersten Mal von [[Jakow Iljitsch Frenkel|J. I. Frenkel]] 1932 in seinem Buch&nbsp;''Wave Mechanics, Elementary Theory'' verwendet.<ref>Jakow Iljitsch Frenkel: ''Wave Mechanics. Elementary Theory.'' Clarendon Press, Oxford 1932.</ref>


== Schwingungsmoden ==
== Schwingungsmoden ==
[[Bild:Vergleich optische akustische transversalwellen.svg|thumb|Vergleich von optischen und akustischen Transversalwellen von Phononen bei 2-atomiger Basis für kleine '''k.''']]
[[Datei:Vergleich optische akustische transversalwellen.svg|mini|Vergleich von optischen und akustischen Transversalwellen von Phononen bei 2-atomiger Basis für kleine&nbsp;'''k''']]
[[Datei:Lattice wave.svg|thumb|longitudinal-akustische Mode]]
[[Datei:Lattice wave.svg|mini|longitudinal-akustische Mode]]
In einem dreidimensionalen Kristall mit <math>N</math> [[Atom]]en in der [[Elementarzelle #Die primitive Elementarzelle | primitiven Basis]] existieren zu jedem mit der Kristallsymmetrie verträglichen [[Wellenvektor]] <math>3N</math> mögliche [[Schwingungsmode]]n: <math>3</math> akustische (davon eine [[Longitudinalwelle|longitudinal]] und zwei [[Transversalwelle|transversal]]) und <math>(3N-3)</math> optische:
In einem dreidimensionalen Kristall mit <math>N</math> [[Atom]]en in der [[Elementarzelle #Die primitive Elementarzelle|primitiven Basis]] existieren zu jedem mit der Kristallsymmetrie verträglichen [[Wellenvektor]] <math>3N</math> mögliche [[Schwingungsmode]]n:
* '''[[Akustik|Akustische]] Phononen''' (auch als '''Schallquanten''' bezeichnet) sind die Quanten der [[Schallwelle]]n, die sich durch das [[Kristallgitter]] fortpflanzen. Im Zentrum der [[Brillouin-Zone]] bewegen sich benachbarte Atome gleichsinnig.
* <math>3</math> [[akustisch]]e Moden, davon eine [[Longitudinalwelle|longitudinal]] und zwei [[Transversalwelle|transversal]]; '''akustische Phononen''' (auch als '''Schallquanten''' bezeichnet) sind die Quanten der [[Schallwelle]]n, die sich durch das [[Kristallgitter]] fortpflanzen. Im Zentrum der [[Brillouin-Zone]] bewegen sich benachbarte Atome gleichsinnig.
* Dagegen bewegen sich bei '''[[optisch]]en Phononen''' die Atome innerhalb der Basis gegeneinander. Die Bezeichnung „optisch“ beruht darauf, dass die Schwingungsfrequenzen optischer Phononen oft im Bereich des [[Infrarotstrahlung|infraroten]] oder sichtbaren [[Licht]]s liegen.  
* <math>3N - 3</math> [[optisch]]e Moden; bei '''optischen Phononen''' bewegen sich die Atome innerhalb der Basis gegeneinander. Die Bezeichnung „optisch“ beruht darauf, dass in [[Ionenkristall]]en wie&nbsp;[[Natriumchlorid|NaCl]] benachbarte [[Ion]]en meist entgegengesetzte [[Elektrische Ladung|Ladung]] tragen. Die mechanischen [[Schwingung]]en entsprechen dann elektrischen [[Dipol_(Physik) #Elektrische Dipole|Dipol]]<nowiki></nowiki>schwingungen, die je nach Schwingungs[[frequenz]] der Phononen oft im Bereich des [[Infrarotstrahlung|infraroten]] oder sichtbaren [[Licht]]s liegen.


Die Benennung ''optische Phononen'' erfolgt dabei unabhängig davon, ob die Phononen tatsächlich in dem Sinne ''optisch aktiv'' sind, dass Phononen mit einem [[Photon]] wechselwirken<ref>Der Begriff ''optisch aktiver'' Phononen ist dabei auch vom Begriff der [[Optische Aktivität|optischen Aktivität]] von durchsichtigen Materialien zu unterscheiden.</ref>: Wechselwirkungen mit Photonen sind dabei nicht nur, dass ein Phonon erzeugt werden kann, indem ein Photon [[Absorption (Physik)|absorbiert]] wird, oder dass umgekehrt ein Photon [[Teilchenstrahlung|emittiert]] werden kann, indem ein Phonon vernichtet wird. Vielmehr gibt es auch Wechselwirkungen eines Photons mit zwei Phononen und eine Elektron-Photon-Phonon-Wechselwirkung.<ref>Udo Scherz: Vorlesungsskript "Theoretische Optik", WS 2012 [http://www1.itp.tu-berlin.de/scherz/lehre/WS12/folie6.3.pdf Kapitel 6.3].</ref> Optisch aktiv können Phononen nur dann sein, wenn innerhalb der Basis [[Polarisation (Elektrizität)|elektrische Polarisation]] vorliegt, was im Allgemeinen genau dann der Fall ist, wenn die Basis aus ''verschiedenen'' Atomen aufgebaut ist. Kristalle, die mit infraroten Photonen wechselwirken, nennt man ''infrarot-aktiv''. Beispiele für solche Gitter sind [[Ionengitter]], zum Beispiel in [[Natriumchlorid]]kristallen.
Die Benennung ''optische Phononen'' erfolgt dabei unabhängig davon, ob die Phononen tatsächlich in dem Sinne ''optisch aktiv'' sind, dass Phononen mit einem [[Photon]] wechselwirken:<ref>Der Begriff ''optisch aktiver'' Phononen ist dabei auch vom Begriff der [[Optische Aktivität|optischen Aktivität]] von durchsichtigen Materialien zu unterscheiden.</ref> Wechselwirkungen mit Photonen sind dabei nicht nur, dass ein Phonon erzeugt werden kann, indem ein Photon [[Absorption (Physik)|absorbiert]] wird, oder dass umgekehrt ein Photon [[Teilchenstrahlung|emittiert]] werden kann, indem ein Phonon vernichtet wird. Vielmehr gibt es auch Wechselwirkungen eines Photons mit zwei Phononen und eine Elektron-Photon-Phonon-Wechselwirkung.<ref>Udo Scherz: Vorlesungsskript „Theoretische Optik“, WS 2012, [http://www1.itp.tu-berlin.de/scherz/lehre/WS12/folie6.3.pdf Kapitel 6.3] (PDF) </ref> Optisch aktiv können Phononen nur dann sein, wenn innerhalb der Basis [[Polarisation (Elektrizität)|elektrische Polarisation]] vorliegt, was im Allgemeinen genau dann der Fall ist, wenn die Basis aus ''verschiedenen'' Atomen aufgebaut ist. Kristalle, die mit infraroten Photonen wechselwirken, nennt man ''infrarot-aktiv''. Beispiele für solche Gitter sind [[Ionengitter]], zum Beispiel in Natriumchloridkristallen.


Das Modell der Gitterschwingungen setzt eine [[kristallin]]e Ordnung voraus. Auch [[amorph]]e [[Festkörper]] wie [[Glas|Gläser]] zeigen Schwingungen der Atome untereinander, man bezeichnet diese aber ''nicht'' als phononische Schwingungen. Für langwellige akustische Schwingungen ist der Einfluss der [[Unordnung]] gering.
Das Modell der Gitterschwingungen setzt eine [[kristallin]]e Ordnung voraus. Auch [[amorph]]e [[Festkörper]] wie [[Glas|Gläser]] zeigen Schwingungen der Atome untereinander, man bezeichnet diese aber ''nicht'' als phononische Schwingungen. Für langwellige akustische Schwingungen ist der Einfluss der [[Unordnung]] gering.


== Anregungsenergie und Statistik ==
== Anregungsenergie und Statistik ==
Betrachtet man harmonische Gitterschwingungen im [[reziproker Raum|reziproken Raum]], erhält man entkoppelte Oszillationen im Impulsraum ([[Normalschwingung]]en). Die [[Energiezustand|Energiezustände]] <math>\varepsilon_n</math> dieser Oszillationen sind die Niveaus eines [[Harmonischer Oszillator (Quantenmechanik)|harmonischen Oszillators]] nach
Betrachtet man harmonische Gitterschwingungen im [[Reziproker Raum|reziproken Raum]], erhält man entkoppelte Oszillationen im Impulsraum ([[Normalschwingung]]en). Die [[Energiezustand|Energiezustände]] <math>\varepsilon_n</math> dieser Oszillationen sind die Niveaus eines [[Harmonischer Oszillator (Quantenmechanik)|harmonischen Oszillators]] nach


:<math>\varepsilon_n(\mathbf{k}) = \hbar \cdot \omega(\mathbf k) \cdot \left( n + \frac{1}{2} \right)</math>.
: <math>\varepsilon_n(\mathbf{k}) = \hbar \cdot \omega(\mathbf k) \cdot \left( n + \frac{1}{2} \right)</math>.


Darin ist die [[Kreisfrequenz|Frequenz]] <math>\omega</math> abhängig von der [[Schwingungsmode]] <math>n</math> und dem [[Wellenvektor]] <math>\mathbf k</math>, siehe [[#Dispersion|Dispersion]].
Darin ist die [[Kreisfrequenz|Frequenz]] <math>\omega</math> abhängig von der [[Schwingungsmode]] <math>n</math> und dem [[Wellenvektor]] <math>\mathbf k</math>, siehe [[#Dispersion|Dispersion]].


Da Phononen zu den [[Boson]]en zählen, berechnet sich die mittlere [[Besetzungszahl]] <math>\langle n\rangle</math> im [[thermisches Gleichgewicht|thermischen Gleichgewicht]] gemäß der [[Bose-Einstein-Verteilung]] als
Da Phononen zu den [[Boson]]en zählen, berechnet sich die mittlere [[Besetzungszahloperator|Besetzungszahl]] <math>\langle n\rangle</math> im [[Thermisches Gleichgewicht|thermischen Gleichgewicht]] gemäß der [[Bose-Einstein-Verteilung]] als


:<math>\langle n\rangle = \frac{1}{e^{\hbar \cdot \omega /(k_\mathrm{B} \cdot T)} - 1}</math>
: <math>\langle n\rangle = \frac{1}{e^{\hbar \cdot \omega /(k_\mathrm{B} \cdot T)} - 1}</math>


mit
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Die Besetzungsstatistik ist vom [[Chemisches Potential|chemischen Potential]] <math>\mu</math> unabhängig, weil die [[Teilchenzahl]] der Phononen keine [[Erhaltungsgröße]] ist.
Die Besetzungsstatistik ist vom [[Chemisches Potential|chemischen Potential]] <math>\mu</math> unabhängig, weil die [[Teilchenzahl]] der Phononen keine [[Erhaltungsgröße]] ist.


Üblicherweise werden (wie oben) statistische Gemische von Zuständen mit bestimmter Phononenzahl ([[Fock-Zustände]]) verwendet. Wie [[Roy J. Glauber]] für Photonen 1963 zeigte, gibt es aber auch für Phononen so genannte [[kohärente Zustände]] mit unbestimmter Teilchenzahl, die sehr stark klassischen Gitterschwingungen ähneln. Während bei Fock-Zuständen der [[Erwartungswert]] der [[Auslenkung]]&nbsp;0 ist, genügt er bei kohärenten Phononen-Zuständen der klassischen Zeitabhängigkeit von Gitterschwingungen.
Üblicherweise werden (wie oben) statistische Gemische von Zuständen mit bestimmter Phononenzahl ([[Fock-Zustände]]) verwendet. Wie [[Roy J. Glauber]] für Photonen 1963 zeigte, gibt es aber auch für Phononen [[kohärente Zustände]] mit unbestimmter Teilchenzahl, die sehr stark klassischen Gitterschwingungen ähneln. Während bei Fock-Zuständen der [[Erwartungswert]] der [[Auslenkung]]&nbsp;0 ist, genügt er bei kohärenten Phononen-Zuständen der klassischen Zeitabhängigkeit von Gitterschwingungen.


== Nachweis ==
== Nachweis ==
Die Phononendispersion, d.&nbsp;h. der Zusammenhang zwischen [[Energie]] und [[Impuls]] der Gitterschwingungen, kann durch die [[Neutronenstreuung|inelastische Neutronenstreuung]], die unelastische [[Röntgenstreuung]] sowie durch die [[hochauflösende Elektronenenergieverlustspektroskopie]] ([[HREELS]]) untersucht werden. Phononen mit kleinem Impuls, d.&nbsp;h. im Zentrum der [[Brillouin-Zone]], können durch [[Raman-Spektroskopie|Raman-]], [[Infrarot-Spektroskopie]] oder [[Brillouin-Streuung]] nachgewiesen werden. Die erste Phononen-Dispersionskurve wurde 1955 am Chalk River Reaktor von [[Bertram Brockhouse]] mit Neutronenstreuung an einem Aluminium[[einkristall]] aufgenommen.<ref>{{cite journal|title=Scattering of Neutrons by Phonons in an Aluminum Single Crystal |url=http://journals.aps.org/pr/abstract/10.1103/PhysRev.100.756 |first1=B.N. |last1=Brockhouse |first2=A.T. |last2=Stewart |journal=Physical Review |volume=100 |pages=756 |date=1955 |doi=10.1103/PhysRev.100.756}}</ref>
Die Phononendispersion, d.&nbsp;h. der Zusammenhang zwischen [[Energie]] und [[Impuls]] der Gitterschwingungen, kann durch die [[Neutronenstreuung|inelastische Neutronenstreuung]], die inelastische [[Röntgenstreuung]] sowie durch die [[hochauflösende Elektronenenergieverlustspektroskopie]] ([[HREELS]]) untersucht werden. Phononen mit kleinem Impuls, d.&nbsp;h. im Zentrum der [[Brillouin-Zone]], können durch [[Raman-Spektroskopie|Raman-]], [[Infrarot-Spektroskopie]] oder [[Brillouin-Streuung]] nachgewiesen werden. Die erste Phononen-Dispersionskurve wurde 1955 am Chalk River Reaktor von [[Bertram Brockhouse]] mit Neutronenstreuung an einem Aluminium[[einkristall]] aufgenommen.<ref>{{cite journal|title=Scattering of Neutrons by Phonons in an Aluminum Single Crystal |url=http://journals.aps.org/pr/abstract/10.1103/PhysRev.100.756 |first1=B.N. |last1=Brockhouse |first2=A.T. |last2=Stewart |journal=Physical Review |volume=100 |pages=756 |date=1955 |doi=10.1103/PhysRev.100.756}}</ref>


== Dispersion ==
== Dispersion ==
Die [[Dispersionsrelation]] gibt die Abhängigkeit der Energie bzw. [[Kreisfrequenz]] <math>\omega</math> vom Impuls bzw. [[Wellenzahl]] <math>k</math> an. Bei Phononen ergibt sich diese Beziehung aus der [[Newtonsche Axiome#Zweites newtonsches Gesetz: Das Aktionsprinzip .28.E2.80.9Elex secunda.E2.80.9C.29|Newtonschen Bewegungsgleichung]]. Dazu nimmt man an, dass sich die Atome in einem periodischen [[Potential (Physik)|Potential]] <math>V</math> befinden, in dem sie [[Schwingung]]en ausführen.
Die [[Dispersionsrelation]] gibt die Abhängigkeit der Energie bzw. [[Kreisfrequenz]] <math>\omega</math> vom Impuls bzw. [[Wellenzahl]] <math>k</math> an. Bei Phononen ergibt sich diese Beziehung aus der [[Newtonsche Axiome#Zweites newtonsches Gesetz: Das Aktionsprinzip („lex secunda“)|Newtonschen Bewegungsgleichung]]. Dazu nimmt man an, dass sich die Atome in einem periodischen [[Potential (Physik)|Potential]] <math>V</math> befinden, in dem sie [[Schwingung]]en ausführen.


Zwei benachbarte Atome haben einen Phasenunterschied von <math>k a</math>, wobei <math>a</math> der Abstand zweier benachbarter Atome in der Ruhelage ist. Ein Phasenunterschied von <math>2\pi</math> entspricht einem von Null; höhere Phasenunterschiede sind dementsprechend äquivalent mit einem Wert zwischen <math>0</math> und <math>2\pi</math>. Aus Symmetriegründen betrachtet man das Intervall zwischen <math>-\pi</math> und <math>\pi</math>. Das entspricht <math>k</math>-Werten aus der ersten [[Brillouin-Zone]], also <math>k\in\lbrack -\pi/a,\pi/a \rbrack </math>. Dadurch hat man alle physikalisch relevanten Wellenzahlen abgedeckt.
Zwei benachbarte Atome haben einen Phasenunterschied von <math>k a</math>, wobei <math>a</math> der Abstand zweier benachbarter Atome in der Ruhelage ist. Ein Phasenunterschied von <math>2\pi</math> entspricht einem von Null; höhere Phasenunterschiede sind dementsprechend äquivalent mit einem Wert zwischen <math>0</math> und <math>2\pi</math>. Aus Symmetriegründen betrachtet man das Intervall zwischen <math>-\pi</math> und <math>\pi</math>. Das entspricht <math>k</math>-Werten aus der ersten [[Brillouin-Zone]], also <math>k\in\lbrack -\pi/a,\pi/a \rbrack </math>. Dadurch hat man alle physikalisch relevanten Wellenzahlen abgedeckt.


=== Akustische Moden ===
=== Akustische Moden ===
[[Image:Monoatomic chain phonon dispersion.svg|right|thumb|Dispersionsrelation <math> \omega (k) </math>]]
[[Datei:Monoatomic chain phonon dispersion.svg|mini|Dispersionsrelation <math> \omega (k) </math>]]
Für das einfache Modell einer [[lineare Kette|linearen Kette]] von Atomen, die durch Federn miteinander verbunden sind, lautet die Dispersionsrelation
Für das einfache Modell einer [[Lineare Kette|linearen Kette]] von Atomen, die durch Federn miteinander verbunden sind, lautet die Dispersionsrelation in erster Näherung
: <math> \omega (k) = 2 \sqrt{\frac{C}{m}} \left| \sin \left( \frac{k a}{2}\right) \right| </math>,
: <math> \omega (k) = 2 \sqrt{\frac{C}{m}} \left| \sin \left( \frac{k a}{2}\right) \right| </math>,
wobei C (in kg/s^2) die Federkonstante zwischen den zwei benachbarten Ebenen und m die Masse des Atoms ist.
wobei C (in kg/s^2) die Federkonstante zwischen den zwei benachbarten Ebenen und m die Masse des Atoms ist.
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Für niedrige Werte von <math>k \left( a k \ll 1 \right)</math> lautet der Ausdruck näherungsweise
Für niedrige Werte von <math>k \left( a k \ll 1 \right)</math> lautet der Ausdruck näherungsweise
: <math> \omega (k) \approx a \sqrt{ \frac{C}{m}} |k|=c_\mathrm{s} |k| </math>.
: <math> \omega (k) \approx a \sqrt{ \frac{C}{m}} |k|=c_\mathrm{s} |k| </math>.
: <math>c_\mathrm{s}</math> ist die Schallgeschwindigkeit.
<math>c_\mathrm{s}</math> ist die Schallgeschwindigkeit.
An den Zonengrenzen gilt
An den Zonengrenzen gilt
: <math> \omega = 2 \sqrt{ \frac{C}{m}} = \text{const} .</math>
: <math> \omega = 2 \sqrt{ \frac{C}{m}} = \text{const} .</math>
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Die [[Gruppengeschwindigkeit]], also die Geschwindigkeit des Energietransports im Medium, ergibt sich zu
Die [[Gruppengeschwindigkeit]], also die Geschwindigkeit des Energietransports im Medium, ergibt sich zu
: <math>v_\mathrm{g} = \frac{ \mathrm{d} \omega}{ \mathrm{d}k}= \sqrt{ \frac{C a^2}{m}} \cos \left( \frac{k a}{2}\right) </math>.
: <math>v_\mathrm{g} = \frac{ \mathrm{d} \omega}{ \mathrm{d}k}= \sqrt{ \frac{C a^2}{m}} \cos \left( \frac{k a}{2}\right) </math>.
Am Zonenrand ist die Gruppengeschwindigkeit Null: die Welle verhält sich wie eine stehende Welle.
Am Zonenrand ist die Gruppengeschwindigkeit Null: Die Welle verhält sich wie eine stehende Welle.<ref>{{Literatur |Autor=Siegfried Hunklinger |Titel=Festkörperphysik |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage=5 |Verlag=De Gruyter |Ort=Berlin/Boston |Datum=2018 |ISBN=978-3-11-056774-8 |Seiten=187-192 |Online= |Abruf=}}</ref>


=== Optische Moden ===
=== Optische Moden ===
Optische Äste existieren nur bei einer mehratomigen [[Basis_(Kristall)|Basis]]. Die Formel beschreibt die Dispersionsrelation für das Modell einer linearen Kette mit zwei unterschiedlichen Atomen, welche die Massen <math>m_1</math> und <math>m_2</math> haben. Die Kraftkonstante <math>C</math> bleibt konstant. Es ergibt sich<ref>Kittel, Einführung in die Festkörperphysik, 5. Auflage, Oldenbourg 1980, S. 134ff</ref><ref>Ibach, Lüth, Festkörperphysik, Springer 1990, S. 57</ref>
Optische Äste existieren nur bei einer mehratomigen [[Basis (Kristall)|Basis]]. Die Formel beschreibt die Dispersionsrelation für das Modell einer linearen Kette mit zwei unterschiedlichen Atomen, welche die Massen <math>m_1</math> und <math>m_2</math> haben. Die Kraftkonstante <math>C</math> bleibt konstant. Es ergibt sich<ref>Kittel: ''Einführung in die Festkörperphysik''. 5. Auflage. Oldenbourg, 1980, S. 134 ff.</ref><ref>Ibach, Lüth: ''Festkörperphysik''. Springer 1990, S. 57</ref>


:<math>\omega^2(k) = \frac{C(m_1+m_2)}{m_1\cdot m_2}\left[ 1 + \sqrt{1- \frac{4m_1\cdot m_2}{(m_1+m_2)^2}\cdot \sin^2\left(\frac{ka}{2}\right)} \, \right]</math>
: <math>\omega^2(k) = \frac{C(m_1+m_2)}{m_1\cdot m_2}\left[ 1 + \sqrt{1- \frac{4m_1\cdot m_2}{(m_1+m_2)^2}\cdot \sin^2\left(\frac{ka}{2}\right)} \, \right]</math>


und damit näherungsweise <math>\omega^2 \approx 2 \, \frac{C(m_1+m_2)}{m_1\cdot m_2}</math> für den optischen Zweig.
und damit näherungsweise <math>\omega^2 \approx 2 \, \frac{C(m_1+m_2)}{m_1\cdot m_2}</math> für den optischen Zweig.
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Der optische Zweig ist normalerweise höherfrequenter als der akustische Zweig und nahezu dispersionslos. Der akustische Zweig entspricht in obiger Formel einem Minuszeichen vor der Wurzel.
Der optische Zweig ist normalerweise höherfrequenter als der akustische Zweig und nahezu dispersionslos. Der akustische Zweig entspricht in obiger Formel einem Minuszeichen vor der Wurzel.


==Siehe auch==
== Siehe auch ==
*[[Kohn-Anomalie]]
* [[Kohn-Anomalie]]
 
* [[Huang-Rhys-Faktor]]
== Einzelnachweise ==
<references />


== Literatur ==
== Literatur ==
*Charles Kittel: ''Einführung in die Festkörperphysik'', Oldenbourg 2002
* Charles Kittel: ''Einführung in die Festkörperphysik''. Oldenbourg, 2002
* Michael A. Stroscio, Mitra Dutta: ''Phonons in nanostructures.'' Cambridge Univ. Press, Cambridge 2005, ISBN 978-0-521-01805-0.
* Michael A. Stroscio, Mitra Dutta: ''Phonons in nanostructures.'' Cambridge Univ. Press, Cambridge 2005, ISBN 978-0-521-01805-0.


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{{Commonscat|Lattice vibrations|Phonon}}
{{Commonscat|Lattice vibrations|Phonon}}
* [http://www.4phys.de/Website/qm/quantkette.html Einführende Darstellung zu Phononen und kohärenten Phononen bei der linearen Kette]
* [http://www.4phys.de/Website/qm/quantkette.html Einführende Darstellung zu Phononen und kohärenten Phononen bei der linearen Kette]
== Einzelnachweise ==
<references />


[[Kategorie:Quasiteilchen]]
[[Kategorie:Quasiteilchen]]
[[Kategorie:Boson]]
[[Kategorie:Boson]]

Aktuelle Version vom 16. Februar 2022, 16:44 Uhr

Ein Phonon ist die elementare Anregung (Quant) des elastischen Feldes. In der Festkörperphysik beschreiben Phononen elementare bzw. kollektive Anregungen der Gitterschwingungen eines Festkörpers und können als bosonische Quasiteilchen verstanden werden.

Der Begriff Phonon (nach {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:ISO15924:97: attempt to index field 'wikibase' (a nil value)) wurde in Analogie zu den Schwingungsquanten des elektromagnetischen Feldes, den Photonen, gewählt und zum ersten Mal von J. I. Frenkel 1932 in seinem Buch Wave Mechanics, Elementary Theory verwendet.[1]

Schwingungsmoden

Vergleich von optischen und akustischen Transversalwellen von Phononen bei 2-atomiger Basis für kleine k
longitudinal-akustische Mode

In einem dreidimensionalen Kristall mit $ N $ Atomen in der primitiven Basis existieren zu jedem mit der Kristallsymmetrie verträglichen Wellenvektor $ 3N $ mögliche Schwingungsmoden:

  • $ 3 $ akustische Moden, davon eine longitudinal und zwei transversal; akustische Phononen (auch als Schallquanten bezeichnet) sind die Quanten der Schallwellen, die sich durch das Kristallgitter fortpflanzen. Im Zentrum der Brillouin-Zone bewegen sich benachbarte Atome gleichsinnig.
  • $ 3N-3 $ optische Moden; bei optischen Phononen bewegen sich die Atome innerhalb der Basis gegeneinander. Die Bezeichnung „optisch“ beruht darauf, dass in Ionenkristallen wie NaCl benachbarte Ionen meist entgegengesetzte Ladung tragen. Die mechanischen Schwingungen entsprechen dann elektrischen Dipolschwingungen, die je nach Schwingungsfrequenz der Phononen oft im Bereich des infraroten oder sichtbaren Lichts liegen.

Die Benennung optische Phononen erfolgt dabei unabhängig davon, ob die Phononen tatsächlich in dem Sinne optisch aktiv sind, dass Phononen mit einem Photon wechselwirken:[2] Wechselwirkungen mit Photonen sind dabei nicht nur, dass ein Phonon erzeugt werden kann, indem ein Photon absorbiert wird, oder dass umgekehrt ein Photon emittiert werden kann, indem ein Phonon vernichtet wird. Vielmehr gibt es auch Wechselwirkungen eines Photons mit zwei Phononen und eine Elektron-Photon-Phonon-Wechselwirkung.[3] Optisch aktiv können Phononen nur dann sein, wenn innerhalb der Basis elektrische Polarisation vorliegt, was im Allgemeinen genau dann der Fall ist, wenn die Basis aus verschiedenen Atomen aufgebaut ist. Kristalle, die mit infraroten Photonen wechselwirken, nennt man infrarot-aktiv. Beispiele für solche Gitter sind Ionengitter, zum Beispiel in Natriumchloridkristallen.

Das Modell der Gitterschwingungen setzt eine kristalline Ordnung voraus. Auch amorphe Festkörper wie Gläser zeigen Schwingungen der Atome untereinander, man bezeichnet diese aber nicht als phononische Schwingungen. Für langwellige akustische Schwingungen ist der Einfluss der Unordnung gering.

Anregungsenergie und Statistik

Betrachtet man harmonische Gitterschwingungen im reziproken Raum, erhält man entkoppelte Oszillationen im Impulsraum (Normalschwingungen). Die Energiezustände $ \varepsilon _{n} $ dieser Oszillationen sind die Niveaus eines harmonischen Oszillators nach

$ \varepsilon _{n}(\mathbf {k} )=\hbar \cdot \omega (\mathbf {k} )\cdot \left(n+{\frac {1}{2}}\right) $.

Darin ist die Frequenz $ \omega $ abhängig von der Schwingungsmode $ n $ und dem Wellenvektor $ \mathbf {k} $, siehe Dispersion.

Da Phononen zu den Bosonen zählen, berechnet sich die mittlere Besetzungszahl $ \langle n\rangle $ im thermischen Gleichgewicht gemäß der Bose-Einstein-Verteilung als

$ \langle n\rangle ={\frac {1}{e^{\hbar \cdot \omega /(k_{\mathrm {B} }\cdot T)}-1}} $

mit

Die Besetzungsstatistik ist vom chemischen Potential $ \mu $ unabhängig, weil die Teilchenzahl der Phononen keine Erhaltungsgröße ist.

Üblicherweise werden (wie oben) statistische Gemische von Zuständen mit bestimmter Phononenzahl (Fock-Zustände) verwendet. Wie Roy J. Glauber für Photonen 1963 zeigte, gibt es aber auch für Phononen kohärente Zustände mit unbestimmter Teilchenzahl, die sehr stark klassischen Gitterschwingungen ähneln. Während bei Fock-Zuständen der Erwartungswert der Auslenkung 0 ist, genügt er bei kohärenten Phononen-Zuständen der klassischen Zeitabhängigkeit von Gitterschwingungen.

Nachweis

Die Phononendispersion, d. h. der Zusammenhang zwischen Energie und Impuls der Gitterschwingungen, kann durch die inelastische Neutronenstreuung, die inelastische Röntgenstreuung sowie durch die hochauflösende Elektronenenergieverlustspektroskopie (HREELS) untersucht werden. Phononen mit kleinem Impuls, d. h. im Zentrum der Brillouin-Zone, können durch Raman-, Infrarot-Spektroskopie oder Brillouin-Streuung nachgewiesen werden. Die erste Phononen-Dispersionskurve wurde 1955 am Chalk River Reaktor von Bertram Brockhouse mit Neutronenstreuung an einem Aluminiumeinkristall aufgenommen.[4]

Dispersion

Die Dispersionsrelation gibt die Abhängigkeit der Energie bzw. Kreisfrequenz $ \omega $ vom Impuls bzw. Wellenzahl $ k $ an. Bei Phononen ergibt sich diese Beziehung aus der Newtonschen Bewegungsgleichung. Dazu nimmt man an, dass sich die Atome in einem periodischen Potential $ V $ befinden, in dem sie Schwingungen ausführen.

Zwei benachbarte Atome haben einen Phasenunterschied von $ ka $, wobei $ a $ der Abstand zweier benachbarter Atome in der Ruhelage ist. Ein Phasenunterschied von $ 2\pi $ entspricht einem von Null; höhere Phasenunterschiede sind dementsprechend äquivalent mit einem Wert zwischen $ 0 $ und $ 2\pi $. Aus Symmetriegründen betrachtet man das Intervall zwischen $ -\pi $ und $ \pi $. Das entspricht $ k $-Werten aus der ersten Brillouin-Zone, also $ k\in \lbrack -\pi /a,\pi /a\rbrack $. Dadurch hat man alle physikalisch relevanten Wellenzahlen abgedeckt.

Akustische Moden

Dispersionsrelation $ \omega (k) $

Für das einfache Modell einer linearen Kette von Atomen, die durch Federn miteinander verbunden sind, lautet die Dispersionsrelation in erster Näherung

$ \omega (k)=2{\sqrt {\frac {C}{m}}}\left|\sin \left({\frac {ka}{2}}\right)\right| $,

wobei C (in kg/s^2) die Federkonstante zwischen den zwei benachbarten Ebenen und m die Masse des Atoms ist.

Für niedrige Werte von $ k\left(ak\ll 1\right) $ lautet der Ausdruck näherungsweise

$ \omega (k)\approx a{\sqrt {\frac {C}{m}}}|k|=c_{\mathrm {s} }|k| $.

$ c_{\mathrm {s} } $ ist die Schallgeschwindigkeit. An den Zonengrenzen gilt

$ \omega =2{\sqrt {\frac {C}{m}}}={\text{const}}. $

Die Gruppengeschwindigkeit, also die Geschwindigkeit des Energietransports im Medium, ergibt sich zu

$ v_{\mathrm {g} }={\frac {\mathrm {d} \omega }{\mathrm {d} k}}={\sqrt {\frac {Ca^{2}}{m}}}\cos \left({\frac {ka}{2}}\right) $.

Am Zonenrand ist die Gruppengeschwindigkeit Null: Die Welle verhält sich wie eine stehende Welle.[5]

Optische Moden

Optische Äste existieren nur bei einer mehratomigen Basis. Die Formel beschreibt die Dispersionsrelation für das Modell einer linearen Kette mit zwei unterschiedlichen Atomen, welche die Massen $ m_{1} $ und $ m_{2} $ haben. Die Kraftkonstante $ C $ bleibt konstant. Es ergibt sich[6][7]

$ \omega ^{2}(k)={\frac {C(m_{1}+m_{2})}{m_{1}\cdot m_{2}}}\left[1+{\sqrt {1-{\frac {4m_{1}\cdot m_{2}}{(m_{1}+m_{2})^{2}}}\cdot \sin ^{2}\left({\frac {ka}{2}}\right)}}\,\right] $

und damit näherungsweise $ \omega ^{2}\approx 2\,{\frac {C(m_{1}+m_{2})}{m_{1}\cdot m_{2}}} $ für den optischen Zweig.

Der optische Zweig ist normalerweise höherfrequenter als der akustische Zweig und nahezu dispersionslos. Der akustische Zweig entspricht in obiger Formel einem Minuszeichen vor der Wurzel.

Siehe auch

Literatur

  • Charles Kittel: Einführung in die Festkörperphysik. Oldenbourg, 2002
  • Michael A. Stroscio, Mitra Dutta: Phonons in nanostructures. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2005, ISBN 978-0-521-01805-0.

Weblinks

Commons: Phonon – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Jakow Iljitsch Frenkel: Wave Mechanics. Elementary Theory. Clarendon Press, Oxford 1932.
  2. Der Begriff optisch aktiver Phononen ist dabei auch vom Begriff der optischen Aktivität von durchsichtigen Materialien zu unterscheiden.
  3. Udo Scherz: Vorlesungsskript „Theoretische Optik“, WS 2012, Kapitel 6.3 (PDF)
  4. B.N. Brockhouse, A.T. Stewart: Scattering of Neutrons by Phonons in an Aluminum Single Crystal. In: Physical Review. 100. Jahrgang, 1955, S. 756, doi:10.1103/PhysRev.100.756 (aps.org).
  5. Siegfried Hunklinger: Festkörperphysik. 5. Auflage. De Gruyter, Berlin/Boston 2018, ISBN 978-3-11-056774-8, S. 187–192.
  6. Kittel: Einführung in die Festkörperphysik. 5. Auflage. Oldenbourg, 1980, S. 134 ff.
  7. Ibach, Lüth: Festkörperphysik. Springer 1990, S. 57

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