Pekuliargeschwindigkeit: Unterschied zwischen den Versionen

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Als '''Pekuliargeschwindigkeit''' ({{laS|peculiaris|de=eigentümlich}}) wird in der [[Astronomie]] die [[Geschwindigkeit]] der Bewegung eines [[Stern]]s relativ zu einer Gruppe gleichartiger Objekte oder zu einem bestimmten Bezugssystem bezeichnet. Als Referenzbewegung dient dabei beispielsweise die kosmische Hintergrundstrahlung, die mittlere Bewegung aller Sterne eines [[Sternhaufen]]s oder die mittlere Rotation um das [[Galaktisches Zentrum|galaktische Zentrum]].
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Als '''Pekuliargeschwindigkeit''' ({{laS|peculiaris|de=eigentümlich}}) wird in der [[Astronomie]] die [[Geschwindigkeit]] der Bewegung eines [[Stern]]s relativ zu einer Gruppe gleichartiger Objekte bezeichnet. Als Referenzbewegung dient dabei beispielsweise die mittlere Bewegung aller Sterne eines [[Sternhaufen]]s oder die Rotation um das [[galaktisches Zentrum|galaktische Zentrum]].


Diese Prozesse stehen dabei allerdings eigentlich unter dem Begriff der [[Eigenbewegung (Astronomie)|Pekuliarbewegung]], und als Pekuliargeschwindigkeit wird üblicherweise ein Spezialfall davon bezeichnet. Und zwar bezieht sich der Begriff Pekuliargeschwindigkeit meist auf eine Bewegung, bzw. deren Komponente, in Radialrichtung (Richtung Stern – Beobachter). Eine solche Bewegung ruft eine [[Doppler-Effekt|Doppler-Verschiebung]] des Lichtes (und Strahlung im Allgemeinen) hervor, die zusammen mit der durch den [[Hubble-Effekt]] bewirkten [[Rotverschiebung]] (oder allgemeiner einer Verschiebung zu größeren Wellenlängen) die beobachtbare Gesamtverschiebung des Spektrums ausmacht.
Im Deutschen wird seltener für die [[Eigenbewegung (Astronomie)|Eigenbewegung]] auch der Begriff ''Pekuliarbewegung'' verwendet. Diese beschreibt zunächst nur die scheinbare Bewegung eines Objekts an der [[Himmelskugel]], also ein grundlegend anderes Phänomen.


Da die Verschiebung aufgrund des Hubble-Effektes ein Maß für Entfernung einer Strahlungsquelle ist, stellt die Verschiebung aufgrund der Pekuliargeschwindigkeit des Objektes eine Fehlerquelle in der [[Entfernungsmessung]] dar. Dabei nimmt der relative Fehler mit steigender Entfernung des Objektes ab, da nach der Hubble-Beziehung
== Geschwindigkeiten innerhalb der Milchstraße ==
Betrachtet man Bewegungen von Objekten innerhalb oder in der Nähe der [[Milchstraße]], kann es sinnvoll sein, diese im zylinderförmigen [[Galaktisches Koordinatensystem|galaktischen Koordinatensystem]] zu betrachten, dessen Ursprung sich im [[Galaktisches Zentrum|galaktischen Zentrum]] befindet. Da astronomische Messungen aber dennoch lokal getätigt werden, ist es zweckmäßig, zunächst ein ruhendes Bezugssystem zu definieren. Dieses [[Lokales Ruhesystem|Lokale Ruhesystem]] (auch Local Standard of Rest, LSR) ist an der heutigen Position der Sonne fixiert und folgt einer Rotation um das galaktische Zentrum in einem perfekt kreisförmigen Orbit. Eine Geschwindigkeit relativ zum LSR wird dann Pekuliargeschwindigkeit genannt.<ref name="Schneider">{{Literatur |Autor=Peter Schneider |Titel=Einführung in die extragalaktische Astronomie und Kosmologie |Verlag=Springer |Datum=2008 |ISBN=978-3-540-30589-7 |Seiten=58 ff. |Online={{Google Buch | BuchID = JmQhBAAAQBAJ | Seite = 58}}}}</ref> Nicht-axialsymmetrische Effekte innerhalb des galaktischen Potentials werden dabei herausgemittelt.<ref name="Schönrich">{{Literatur |Autor=Ralph Schönrich, James Binney, Walter Dehnen |Titel=Local kinematics and the local standard of rest |Sammelwerk=Monthly Notices of the Royal Astronomical Society |Band=403 |Nummer=4 |Datum= |Seiten=1829–1833 |arXiv=0912.3693 |DOI=10.1111/j.1365-2966.2010.16253.x |bibcode=2010MNRAS.403.1829S}}</ref>


<math>v \approx H_0 \cdot r</math>
Üblicherweise werden Geschwindigkeiten in Bezug auf die Sonne (d.&nbsp;h. [[heliozentrisch]]) gemessen: Dies ist etwa der Fall, wenn aus Eigenbewegung und heliozentrischer [[Radialgeschwindigkeit (Astronomie)|Radialgeschwindigkeit]] eine auf die Sonne bezogene Raumgeschwindigkeit (im Folgenden als <math>\vec{v}_{hel}</math> bezeichnet) berechnet wird. Um die Pekuliargeschwindigkeit des Objekts <math> \vec{v}_{pec}</math> (in Bezug auf den LSR) zu berechnen, muss noch ein Zusatzterm addiert werden, der die Pekuliargeschwindigkeit der Sonne <math>\vec{v}_{\odot}</math> berücksichtigt:<ref name="Schneider" />


''(mit <math>v</math>: zugrundeliegende Geschwindigkeit einer gleich großen Doppler-Verschiebung, <math>H_0</math>: [[Hubble-Konstante]] und <math>r</math>: Entfernung)''
:<math> \vec{v}_{pec} = \vec{v}_{\odot} + \vec{v}_{hel}</math>
Für die Pekuliargeschwindigkeit wird nach neueren Berechnungen, die den [[Metallizität]]sgradienten innerhalb der galaktischen Scheibe berücksichtigen,  <math>\vec{v}_{\odot} = \left( U,V,W \right)_{\odot} = \left(11{,}1, 12{,}2, 7{,}3\right) \, \text{km/s}</math> angenommen.<ref name="Schönrich" />


die durch den Hubble-Effekt verursachte Verschiebung größer wird, wohingegen die von der Pekuliargeschwindigkeit abhängige unverändert bleibt.
Betrachtet man weiterhin die Dispersion von Pekuliargeschwindigkeiten eines Stern-Samples, d.&nbsp;h. deren mittlere quadratische Abweichung von der Bewegung des LSR, so zeigen sich geringe Werte für junge, massereiche Sterne (frühen [[Spektraltyp]]s) und höhere Werte für ältere, metallarme Sterne (späten Spektraltyps). Da die [[Metallizität]] mit dem Alter zusammenhängt, lässt sich zusammenfassend sagen, dass die Pekuliargeschwindigkeit eines Sterns umso höher ist, je älter er ist. Dies lässt sich damit erklären, dass Sterne auf ihrem Weg durch die Milchstraße gravitativen Einflüssen durch andere Sterne oder [[Molekülwolke]]n unterworfen sind und dadurch von ihrer Bahn um das galaktische Zentrum abgelenkt werden. Je länger dieser Einfluss andauern kann, desto größer  ist demnach die Geschwindigkeitsdispersion einer Sternpopulation.<ref>Schneider, S. 51 sowie S. 59</ref> Auch [[Unterzwerg]]e sind metallarm, alt, und zeigen damit hohe Pekuliargeschwindigkeiten.<ref name="Schönrich" />
Soll allerdings die Pekuliargeschwindigkeit, und nicht die Entfernung, bestimmt werden, folgt aus dieser Relation, dass nur bei relativ kleinen Entfernungen zuverlässige radiale Geschwindigkeitsmessungen möglich sind.


Zusätzlich lässt sich die Messgenauigkeit verbessern, indem man die Verschiebungen mehrerer zueinander räumlich nahen Objekte misst, und danach einen Mittelwert aus diesen Messungen bildet. Da die Pekuliarbewegungen des Objektes durch Schwankungen in der Dichte des umgebenden Raumes, etwa durch andere Galaxien, hervorgerufen werden, ist unter der Annahme, dass die lokalen Dichteschwankungen auf größeren Längenskalen gleichverteilt sind, eine tendenzielle Aufhebung der einzelnen Fehler zu erwarten.
Prinzipiell sind neben dem LSR auch andere Bezugssysteme für Pekuliargeschwindigkeiten denkbar. Für zirkumgalaktische Objekte kann noch die Rotationsgeschwindigkeit der Milchstraße herauskorrigiert werden, das entsprechende Ruhesystem wird dann '' Galactic standard-of-rest (GSR) frame'' genannt. Für Strukturen innerhalb der [[Lokale Gruppe|Lokalen Gruppe]] kann außerdem ein ''Local Group standard-of-rest (LGSR) frame'' eingeführt werden, für den noch die Geschwindigkeit der Milchstraße in Bezug auf den Schwerpunkt der Lokalen Gruppe berücksichtigt wird.<ref>{{Internetquelle |autor=Tobias Westmeier |url=https://www.atnf.csiro.au/people/Tobias.Westmeier/tools_hihelpers.php#restframes |titel=Useful equations for radio astronomy |titelerg=Rest frames |hrsg=Australia Telescope National Facility (ATNF) |datum=2020-10-02 |abruf=2021-02-18 |sprache=en}}</ref>
 
== Kosmologie ==
Der Begriff der Pekuliargeschwindigkeit findet aber auch im Kontext der [[Kosmologie]] Anwendung: Zu jeder Galaxie kann eine [[Rotverschiebung]] gemessen werden. Diese lässt sich innerhalb eines kosmologischen Modells in eine Fluchtgeschwindigkeit umrechnen. Im Idealfall ist diese Geschwindigkeit nur durch das [[Expansion des Universums|Hubble-Lemaître-Gesetz]] bestimmt; diese homogene Expansion wird auch als [[Hubble-Konstante|Hubble-Fluss]] bezeichnet. In der Realität besitzt die beobachtete Rotverschiebung (bzw. Geschwindigkeit) allerdings einen weiteren Anteil: Galaxien bewegen sich relativ zum Hubble-Fluss mit Pekuliargeschwindigkeiten, die durch die  [[Gravitation|gravitative]] Wechselwirkung mit der Umgebung, etwa benachbarten Galaxien innerhalb eines [[Galaxienhaufen]]s oder gar mit [[Superhaufen]], verursacht werden. Ein Beispiel in der Umgebung der Milchstraße ist der [[Großer Attraktor|Große Attraktor]].<ref name="Bartelmann">{{Literatur |Autor=Matthias Bartelmann |Titel=Das kosmologische Standardmodell. Grundlagen, Beobachtungen und Grenzen |Verlag=Springer |Datum=2019 |ISBN=978-3-662-59627-2 |Seiten=43 |Online={{Google Buch | BuchID = o4CvDwAAQBAJ| Seite = 43}}}}</ref>
 
Berechnet werden können solche Pekuliargeschwindigkeiten durch den Vergleich mit der direkten Umgebung der betrachteten Galaxien. Misst man die Rotverschiebung eines Objekts <math>z_{obj}</math> und die Rotverschiebung eines Referenzpunktes in der Nähe <math>z_{ref}</math>, so kann eine Pekuliargeschwindigkeit, unter der Voraussetzung kleiner Unterschiede <math>|z_{obj} - z_{ref}| \ll 1</math> wie folgt definiert werden:
 
:<math> v_{pec} = \frac{z_{obj} - z_{ref}}{1+z_{ref}} \cdot c  \,\, \text{, wobei} \,\, v_{pec} \ll c </math>
Ist die Galaxie Teil eines Galaxienhaufens, kann auch der Mittelwert der Rotverschiebungen der einzelnen benachbarten Haufengalaxien in
<math>z_{ref}</math> eingesetzt werden.<ref name="Jones">{{Literatur |Autor=Bernard J.T. Jones |Titel=Precision Cosmology |Verlag=Cambridge University Press |Datum=2017 |ISBN=978-0-521-55433-6 |Seiten=26 |Online={{Google Buch | BuchID = cM8oDwAAQBAJ| Seite = 26}}}}</ref> Typische Größenordnungen für Pekuliargeschwindigkeiten von Galaxien sind 300–600 km/s.<ref name="Bartelmann" />
 
Da die Rotverschiebung aufgrund des Hubble-Effektes ein Maß für die Entfernung einer Galaxie ist, stellt die zusätzliche Verschiebung aufgrund der Pekuliargeschwindigkeit des Objektes eine Fehlerquelle in der [[Entfernungsmessung]] dar. Diese Kontamination nimmt mit zunehmender Entfernung ab, da die Pekuliargeschwindigkeit dann gegenüber der Hubble-Geschwindigkeit vernachlässigbar wird. Um die Beobachtungsdaten von diesem Effekt zu bereinigen, müssen nähere Informationen über das lokale Geschwindigkeitsfeld in der Umgebung der betrachteten Galaxie bekannt sein.
 
Diese Problematik ist zudem von Relevanz, wenn nach dem Hubble-Lemaître-Gesetz die Hubble-Konstante bestimmt werden soll: Galaxien in der Umgebung der Milchstraße, für die Entfernungen noch direkt gemessen werden können, zeigen Rotverschiebungen, die stark durch Pekuliargeschwindigkeiten kontaminiert sind. Weiter entfernte Galaxien wären wieder vom Hubble-Fluss dominiert, für diese ist eine direkte Entfernungsmessung aber nur noch sehr schwer möglich.<ref name="Bartelmann" />
 
== Einzelnachweise ==
<references />


[[Kategorie:Himmelsmechanik]]
[[Kategorie:Himmelsmechanik]]
[[Kategorie:Kosmologie (Physik)]]
[[Kategorie:Physikalische Größe]]
[[Kategorie:Galaktische Astronomie]]
[[Kategorie:Extragalaktische Astronomie]]
[[Kategorie:Milchstraße]]

Aktuelle Version vom 7. Mai 2021, 20:13 Uhr

Als Pekuliargeschwindigkeit (lateinisch peculiaris ‚eigentümlich‘) wird in der Astronomie die Geschwindigkeit der Bewegung eines Sterns relativ zu einer Gruppe gleichartiger Objekte oder zu einem bestimmten Bezugssystem bezeichnet. Als Referenzbewegung dient dabei beispielsweise die kosmische Hintergrundstrahlung, die mittlere Bewegung aller Sterne eines Sternhaufens oder die mittlere Rotation um das galaktische Zentrum.

Im Deutschen wird seltener für die Eigenbewegung auch der Begriff Pekuliarbewegung verwendet. Diese beschreibt zunächst nur die scheinbare Bewegung eines Objekts an der Himmelskugel, also ein grundlegend anderes Phänomen.

Geschwindigkeiten innerhalb der Milchstraße

Betrachtet man Bewegungen von Objekten innerhalb oder in der Nähe der Milchstraße, kann es sinnvoll sein, diese im zylinderförmigen galaktischen Koordinatensystem zu betrachten, dessen Ursprung sich im galaktischen Zentrum befindet. Da astronomische Messungen aber dennoch lokal getätigt werden, ist es zweckmäßig, zunächst ein ruhendes Bezugssystem zu definieren. Dieses Lokale Ruhesystem (auch Local Standard of Rest, LSR) ist an der heutigen Position der Sonne fixiert und folgt einer Rotation um das galaktische Zentrum in einem perfekt kreisförmigen Orbit. Eine Geschwindigkeit relativ zum LSR wird dann Pekuliargeschwindigkeit genannt.[1] Nicht-axialsymmetrische Effekte innerhalb des galaktischen Potentials werden dabei herausgemittelt.[2]

Üblicherweise werden Geschwindigkeiten in Bezug auf die Sonne (d. h. heliozentrisch) gemessen: Dies ist etwa der Fall, wenn aus Eigenbewegung und heliozentrischer Radialgeschwindigkeit eine auf die Sonne bezogene Raumgeschwindigkeit (im Folgenden als $ {\vec {v}}_{hel} $ bezeichnet) berechnet wird. Um die Pekuliargeschwindigkeit des Objekts $ {\vec {v}}_{pec} $ (in Bezug auf den LSR) zu berechnen, muss noch ein Zusatzterm addiert werden, der die Pekuliargeschwindigkeit der Sonne $ {\vec {v}}_{\odot } $ berücksichtigt:[1]

$ {\vec {v}}_{pec}={\vec {v}}_{\odot }+{\vec {v}}_{hel} $

Für die Pekuliargeschwindigkeit wird nach neueren Berechnungen, die den Metallizitätsgradienten innerhalb der galaktischen Scheibe berücksichtigen, $ {\vec {v}}_{\odot }=\left(U,V,W\right)_{\odot }=\left(11{,}1,12{,}2,7{,}3\right)\,{\text{km/s}} $ angenommen.[2]

Betrachtet man weiterhin die Dispersion von Pekuliargeschwindigkeiten eines Stern-Samples, d. h. deren mittlere quadratische Abweichung von der Bewegung des LSR, so zeigen sich geringe Werte für junge, massereiche Sterne (frühen Spektraltyps) und höhere Werte für ältere, metallarme Sterne (späten Spektraltyps). Da die Metallizität mit dem Alter zusammenhängt, lässt sich zusammenfassend sagen, dass die Pekuliargeschwindigkeit eines Sterns umso höher ist, je älter er ist. Dies lässt sich damit erklären, dass Sterne auf ihrem Weg durch die Milchstraße gravitativen Einflüssen durch andere Sterne oder Molekülwolken unterworfen sind und dadurch von ihrer Bahn um das galaktische Zentrum abgelenkt werden. Je länger dieser Einfluss andauern kann, desto größer ist demnach die Geschwindigkeitsdispersion einer Sternpopulation.[3] Auch Unterzwerge sind metallarm, alt, und zeigen damit hohe Pekuliargeschwindigkeiten.[2]

Prinzipiell sind neben dem LSR auch andere Bezugssysteme für Pekuliargeschwindigkeiten denkbar. Für zirkumgalaktische Objekte kann noch die Rotationsgeschwindigkeit der Milchstraße herauskorrigiert werden, das entsprechende Ruhesystem wird dann Galactic standard-of-rest (GSR) frame genannt. Für Strukturen innerhalb der Lokalen Gruppe kann außerdem ein Local Group standard-of-rest (LGSR) frame eingeführt werden, für den noch die Geschwindigkeit der Milchstraße in Bezug auf den Schwerpunkt der Lokalen Gruppe berücksichtigt wird.[4]

Kosmologie

Der Begriff der Pekuliargeschwindigkeit findet aber auch im Kontext der Kosmologie Anwendung: Zu jeder Galaxie kann eine Rotverschiebung gemessen werden. Diese lässt sich innerhalb eines kosmologischen Modells in eine Fluchtgeschwindigkeit umrechnen. Im Idealfall ist diese Geschwindigkeit nur durch das Hubble-Lemaître-Gesetz bestimmt; diese homogene Expansion wird auch als Hubble-Fluss bezeichnet. In der Realität besitzt die beobachtete Rotverschiebung (bzw. Geschwindigkeit) allerdings einen weiteren Anteil: Galaxien bewegen sich relativ zum Hubble-Fluss mit Pekuliargeschwindigkeiten, die durch die gravitative Wechselwirkung mit der Umgebung, etwa benachbarten Galaxien innerhalb eines Galaxienhaufens oder gar mit Superhaufen, verursacht werden. Ein Beispiel in der Umgebung der Milchstraße ist der Große Attraktor.[5]

Berechnet werden können solche Pekuliargeschwindigkeiten durch den Vergleich mit der direkten Umgebung der betrachteten Galaxien. Misst man die Rotverschiebung eines Objekts $ z_{obj} $ und die Rotverschiebung eines Referenzpunktes in der Nähe $ z_{ref} $, so kann eine Pekuliargeschwindigkeit, unter der Voraussetzung kleiner Unterschiede $ |z_{obj}-z_{ref}|\ll 1 $ wie folgt definiert werden:

$ v_{pec}={\frac {z_{obj}-z_{ref}}{1+z_{ref}}}\cdot c\,\,{\text{, wobei}}\,\,v_{pec}\ll c $

Ist die Galaxie Teil eines Galaxienhaufens, kann auch der Mittelwert der Rotverschiebungen der einzelnen benachbarten Haufengalaxien in $ z_{ref} $ eingesetzt werden.[6] Typische Größenordnungen für Pekuliargeschwindigkeiten von Galaxien sind 300–600 km/s.[5]

Da die Rotverschiebung aufgrund des Hubble-Effektes ein Maß für die Entfernung einer Galaxie ist, stellt die zusätzliche Verschiebung aufgrund der Pekuliargeschwindigkeit des Objektes eine Fehlerquelle in der Entfernungsmessung dar. Diese Kontamination nimmt mit zunehmender Entfernung ab, da die Pekuliargeschwindigkeit dann gegenüber der Hubble-Geschwindigkeit vernachlässigbar wird. Um die Beobachtungsdaten von diesem Effekt zu bereinigen, müssen nähere Informationen über das lokale Geschwindigkeitsfeld in der Umgebung der betrachteten Galaxie bekannt sein.

Diese Problematik ist zudem von Relevanz, wenn nach dem Hubble-Lemaître-Gesetz die Hubble-Konstante bestimmt werden soll: Galaxien in der Umgebung der Milchstraße, für die Entfernungen noch direkt gemessen werden können, zeigen Rotverschiebungen, die stark durch Pekuliargeschwindigkeiten kontaminiert sind. Weiter entfernte Galaxien wären wieder vom Hubble-Fluss dominiert, für diese ist eine direkte Entfernungsmessung aber nur noch sehr schwer möglich.[5]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Peter Schneider: Einführung in die extragalaktische Astronomie und Kosmologie. Springer, 2008, ISBN 978-3-540-30589-7, S. 58 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. 2,0 2,1 2,2 Ralph Schönrich, James Binney, Walter Dehnen: Local kinematics and the local standard of rest. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. Band 403, Nr. 4, S. 1829–1833, doi:10.1111/j.1365-2966.2010.16253.x, arxiv:0912.3693, bibcode:2010MNRAS.403.1829S.
  3. Schneider, S. 51 sowie S. 59
  4. Tobias Westmeier: Useful equations for radio astronomy. Rest frames. Australia Telescope National Facility (ATNF), 2. Oktober 2020, abgerufen am 18. Februar 2021 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).
  5. 5,0 5,1 5,2 Matthias Bartelmann: Das kosmologische Standardmodell. Grundlagen, Beobachtungen und Grenzen. Springer, 2019, ISBN 978-3-662-59627-2, S. 43 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Bernard J.T. Jones: Precision Cosmology. Cambridge University Press, 2017, ISBN 978-0-521-55433-6, S. 26 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

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