Jeans-Kriterium: Unterschied zwischen den Versionen

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Das '''Jeans-Kriterium''' der [[Sternentstehung]] (nach [[James Jeans]]), auch '''Jeanssches Kriterium''', besagt, dass eine kosmische [[Gaswolke]] kollabiert und aus ihr letztlich ein [[Stern]] entstehen kann, wenn ihre Masse größer als die '''Jeans-Masse''' <math>M_{\mathrm{Jeans}}</math> ist. Handelt es sich bei der Gaswolke um eine [[protoplanetare Scheibe]], so kann das Jeans-Kriterium auch für die Entstehung von [[Gasplanet]]en herangezogen werden.
Das '''Jeans-Kriterium''' der [[Sternentstehung]] (nach [[James Jeans]]), auch '''Jeanssches Kriterium''', besagt, dass eine kosmische [[Gaswolke]] kollabiert und aus ihr letztlich ein [[Stern]] entstehen kann, wenn ihre Masse größer als die '''Jeans-Masse''' <math>M_{\mathrm{Jeans}}</math> ist. Handelt es sich bei der Gaswolke um eine [[protoplanetare Scheibe]], so kann das Jeans-Kriterium auch für die Entstehung von [[Gasplanet]]en herangezogen werden.


Unter irdischen Bedingungen breiten sich [[Gas]]e aufgrund der [[kinetische Energie]] der Moleküle und ihrer damit verbundenen Kollisionen in dem zur Verfügung stehenden Raum gleichmäßig aus. Im freien Weltall dagegen werden größere Ansammlungen von Gasen durch ihre [[Schwerkraft]] zusammengehalten und sind deswegen räumlich begrenzt. Nach Überschreiten der Jeans-Masse zieht sich die Wolke immer weiter zusammen, bis ein neuer [[Gleichgewichtszustand]] erreicht wird (Sternentstehung).
Unter irdischen Bedingungen breiten sich [[Gas]]e aufgrund der [[kinetische Energie|kinetischen Energie]] der Moleküle und ihrer damit verbundenen Kollisionen in dem zur Verfügung stehenden Raum gleichmäßig aus. Im freien Weltall dagegen werden größere Ansammlungen von Gasen durch ihre [[Schwerkraft]] zusammengehalten und sind deswegen räumlich begrenzt. Nach Überschreiten der Jeans-Masse zieht sich die Wolke immer weiter zusammen, bis ein neuer [[Gleichgewichtszustand]] erreicht wird (Sternentstehung).


== Berechnung bzw. Abschätzung der Jeans-Masse ==
== Berechnung bzw. Abschätzung der Jeans-Masse ==
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* einem numerischen Vorfaktor <math>\alpha</math>, der von der Abschätzung und ihrer Genauigkeit abhängt
* einem numerischen Vorfaktor <math>\alpha</math>, der von der Abschätzung und ihrer Genauigkeit abhängt
* weiteren Variablen, die im Folgenden erläutert werden.
* weiteren Variablen, die im Folgenden erläutert werden.
[[Datei:Spherical molecular cloud d hc2.png|miniatur|Kräfte bzw. Drücke in einer kosmischen Gaswolke]]
[[Datei:Spherical molecular cloud d hc2-de.svg|mini|Kräfte bzw. Drücke in einer kosmischen Gaswolke]]
Es wird eine kugelförmige Gaswolke der Masse&nbsp;M, der homogenen [[Dichte]] <math>\rho = \frac M{\tfrac{4}{3} \pi R^3}</math>, dem daraus zu berechnenden Radius&nbsp;R und der Temperatur&nbsp;T angenommen. Auf die Gaswolke wirken keine äußeren Kräfte, sie rotiert nicht, und das Gas verhält sich wie ein [[ideales Gas]].
Es wird eine kugelförmige Gaswolke der Masse&nbsp;<math>M</math>, der homogenen [[Dichte]] <math>\textstyle\rho = M/(\frac{4}{3} \pi R^3)</math>, dem daraus zu berechnenden Radius&nbsp;<math>R</math> und der Temperatur&nbsp;<math>T</math> angenommen. Auf die Gaswolke wirken keine äußeren Kräfte, sie rotiert nicht, und das Gas verhält sich wie ein [[ideales Gas]].


Die Wolke beginnt zu kollabieren, falls die [[Kontraktion (Physik)|kontrahierenden]] Gravitationskräfte größer sind als die stabilisierende Kraft des [[Gasdruck]]es (Jeans-Kriterium). Dieser Zustand ist erreicht, wenn die Masse der Gaswolke bei einer bestimmten Dichte und Temperatur die zugehörige Jeans-Masse überschreitet. Sie kann sowohl über das Gleichgewicht der Drücke als auch über das der Energien ermittelt werden.
Die Wolke beginnt zu kollabieren, falls die zusammenziehenden Gravitationskräfte größer sind als die stabilisierende Kraft des [[Gasdruck]]es (Jeans-Kriterium). Dieser Zustand ist erreicht, wenn die Masse der Gaswolke bei einer bestimmten Dichte und Temperatur die zugehörige Jeans-Masse überschreitet. Sie kann sowohl über das Gleichgewicht der Drücke als auch über das der Energien ermittelt werden.


=== über den Gleichgewichtsdruck ===
=== Über den Gleichgewichtsdruck ===
Bei Gleichgewicht der Drücke im Zentrum der Wolke gilt:
Bei Gleichgewicht der Drücke im Zentrum der Wolke gilt:


:<math>|p_{\mathrm{Gas}}| = |p_{\mathrm{grav}}|</math>
:<math>|p_{\mathrm{Gas}}| = |p_{\mathrm{grav}}|</math>


Aus der [[Thermische Zustandsgleichung idealer Gase|idealen Gasgleichung]] <math>pV = nkT \Leftrightarrow p = \frac{\rho}{\mu}kT</math> und dem [[Hydrostatischer Druck #Gravitationsdruck in Planeten, Monden, Asteroiden und Meteoriten|Gravitationsdruck im Inneren einer Kugel]] folgt:
Aus der [[Thermische Zustandsgleichung idealer Gase|idealen Gasgleichung]]


:<math>\Rightarrow \frac{\rho}{\mu}kT = \frac{3G M^2}{8\pi R^4}</math>
:<math>pV = nkT \iff p = \frac{\rho}{\mu}kT</math>
 
und dem [[Hydrostatischer Druck #Gravitationsdruck in Planeten, Monden, Asteroiden und Meteoriten|Gravitationsdruck im Inneren einer Kugel]] folgt
 
:<math>\implies \frac{\rho}{\mu}kT = \frac{3G M^2}{8\pi R^4}</math>


mit
mit
* dem Druck&nbsp;p
* dem Druck&nbsp;<math>p</math>
* dem Volumen&nbsp;V
* dem Volumen&nbsp;<math>V</math>
* der Zahl&nbsp;n der Gasmoleküle
* der Zahl&nbsp;<math>n</math> der Gasmoleküle
* der [[Boltzmann-Konstante]]n&nbsp;k
* der [[Boltzmann-Konstante]]n&nbsp;<math>k</math>
* der absoluten [[Temperatur]]&nbsp;T
* der absoluten [[Temperatur]]&nbsp;<math>T</math>
* der Masse&nbsp;µ des einzelnen Gasmoleküls
* der Masse&nbsp;<math>\mu</math> des einzelnen Gasmoleküls
* der [[Gravitationskonstante]]n&nbsp;G.
* der [[Gravitationskonstante]]n&nbsp;<math>G</math>.


Daraus ergibt sich<ref>Siehe das Skript von Hermann Kolanoski, Einführung in die Astroteilchenphysik, HU Berlin, WS 2009/2010 in den Literaturangaben</ref>:
Daraus ergibt sich:<ref>Siehe das Skript von Hermann Kolanoski: ''Einführung in die Astroteilchenphysik''. HU Berlin, WS 2009/2010 in den Literaturangaben</ref>


:<math>\Rightarrow M_{\mathrm{Jeans}} = \sqrt{\frac{6}{\pi}} \cdot \sqrt{\frac{1}{\rho} \cdot \left( \frac{k T}{G \mu} \right)^3}</math>
:<math>\implies M_{\mathrm{Jeans}} = \sqrt{\frac{6}{\pi}} \cdot \sqrt{\frac{1}{\rho} \cdot \left( \frac{k T}{G \mu} \right)^3}</math>.


Der numerische Vorfaktor ist hier <math>\alpha = \sqrt{\frac{6}{\pi}} \approx 1{,}38</math>.
Der numerische Vorfaktor ist hier <math>\alpha = \sqrt{\frac{6}{\pi}} \approx 1{,}38</math>.


=== über das Energiegleichgewicht ===
=== Über das Energiegleichgewicht ===
Bei dem Ansatz über das Energiegleichgewicht steht die [[kinetische Energie]] <math>\ E_{kin} = \frac{3}{2} nkT</math> nach Verwendung des [[Virialsatz]]es zur [[Bindungsenergie #Gravitation|gravitativen Bindungsenergie]] der Gaswolke wie folgt:  
Bei dem Ansatz über das Energiegleichgewicht steht die [[kinetische Energie]] <math>\textstyle E_\mathrm{kin} = \frac{3}{2} nkT</math> nach Verwendung des [[Virialsatz]]es zur [[Bindungsenergie #Gravitation|gravitativen Bindungsenergie]] der Gaswolke wie folgt:


:<math>2 E_{\mathrm{kin}} = E_{\mathrm{grav}}</math>
:<math>2 E_{\mathrm{kin}} = E_{\mathrm{grav}}</math>


bzw. mit n = M/µ:
bzw. mit <math>n = \tfrac{M}{\mu}</math>:


:<math>\Leftrightarrow 3 \frac{M}{\mu}kT = \frac{3G M^2}{5R}</math>  
:<math>\iff 3 \frac{M}{\mu}kT = \frac{3G M^2}{5R}</math>


Die Auflösung nach&nbsp;M führt zu folgender Jeans-Masse:
Die Auflösung nach&nbsp;<math>M</math> führt zu folgender Jeans-Masse:


:<math>\Rightarrow M_{\mathrm{Jeans}} = \sqrt{\frac{3 \cdot 5^3}{4 \pi}} \cdot \sqrt{\frac{1}{\rho} \cdot \left(\frac{k T}{G \mu}\right)^3}</math>
:<math>\implies M_{\mathrm{Jeans}} = \sqrt{\frac{3 \cdot 5^3}{4 \pi}} \cdot \sqrt{\frac{1}{\rho} \cdot \left(\frac{k T}{G \mu}\right)^3}</math>


Also ein numerischer Vorfaktor <math>\alpha \approx 5{,}46</math>.
Also ein numerischer Vorfaktor <math>\alpha \approx 5{,}46</math>.


Eine andere Ableitung von Jeans<ref>Siehe das Skript von Kolanoski in der Literatur</ref>, ausgehend vom Durchmesser und Dichte der Wolke sowie der [[Schallgeschwindigkeit]] eines idealen Gases, ergibt <math>\alpha \approx 6{,}27</math>.
Eine andere Ableitung von Jeans,<ref>Siehe das Skript von Kolanoski in der Literatur</ref> ausgehend vom Durchmesser und Dichte der Wolke sowie der [[Schallgeschwindigkeit]] eines idealen Gases, ergibt <math>\alpha \approx 6{,}27</math>.


=== Einfluss von Dichte und Temperatur ===
=== Einfluss von Dichte und Temperatur ===
[[Datei:Jeans hc2.png|400px|right|Dichte-Temperaturdiagramm für verschiedene Jeans-Massen&nbsp;(M) für ein einatomiges Wasserstoffgas]]
[[Datei:Jeans hc2.png|400px|rechts|Dichte-Temperaturdiagramm für verschiedene Jeans-Massen&nbsp;(M) für ein einatomiges Wasserstoffgas]]
Wie sich aus den Formeln ablesen lässt, ist die Jeans-Masse für kalte Gaswolken kleiner als für heiße, dafür aber bei niedrigen Gasdichten höher. Das nebenstehende Diagramm gibt diese Abhängigkeit verschiedener Jeans-Massen von der Dichte und der Temperatur wieder. Die Jeans-Masse ist als Vielfaches der Sonnenmasse angegeben, als Gas wurde einatomiges [[Wasserstoff]]gas als häufigstes Element im Universum gewählt (Masse pro Atom: µ&nbsp;≈&nbsp;{{10E|1,67|-27}}&nbsp;kg). Die Berechnung erfolgte wie oben ausgeführt über das Druckgleichgewicht; die Berechnung über das Energiegleichgewicht würde zu einem leicht unterschiedlichen Ergebnis führen, allerdings sind beide Ansätze stark vereinfachte Näherungen.
Wie sich aus den Formeln ablesen lässt, ist die Jeans-Masse für kalte Gaswolken kleiner als für heiße, dafür aber bei niedrigen Gasdichten höher. Das nebenstehende Diagramm gibt diese Abhängigkeit verschiedener Jeans-Massen von der Dichte und der Temperatur wieder. Die Jeans-Masse ist als Vielfaches der Sonnenmasse angegeben, als Gas wurde einatomiges [[Wasserstoff]]gas als häufigstes Element im Universum gewählt (Masse pro Atom: {{ZahlExp|1,67|-27|pre=µ ≈|post=kg}}). Die Berechnung erfolgte wie oben ausgeführt über das Druckgleichgewicht; die Berechnung über das Energiegleichgewicht würde zu einem leicht unterschiedlichen Ergebnis führen, allerdings sind beide Ansätze stark vereinfachte Näherungen.


Ablese-Beispiel: Eine Wolke aus einatomigen Wasserstoffgas von 10&nbsp;[[Sonnenmasse]]n und einer Dichte von 10<sup>−17</sup>kg•m<sup>−3</sup> kollabiert bei einer Temperatur von ≤&nbsp;10&thinsp;K. Zur Veranschaulichung hätte eine solche Wolke etwa 6000&nbsp;Atome pro cm<sup>3</sup> und einen Durchmesser von 1,65&nbsp;[[Lichtjahr]]en ({{10E|1,56|13}}&nbsp;Kilometer).
Ablese-Beispiel: Eine Wolke aus einatomigem Wasserstoffgas von 10&nbsp;[[Sonnenmasse]]n und einer Dichte von 10<sup>−17</sup>kg&#8239;⋅m<sup>−3</sup> kollabiert bei einer Temperatur von ≤&nbsp;10&thinsp;K. Zur Veranschaulichung hätte eine solche Wolke etwa 6000&nbsp;Atome pro cm³ und einen Durchmesser von 1,65&nbsp;[[Lichtjahr]]en ({{ZahlExp|1,56|13}} Kilometer).


== Literatur und Quellen ==
== Literatur und Quellen ==
* {{Literatur|Autor=Bradley W. Carroll, Dale A. Ostlie|Titel=An introduction to Modern Astrophysics|Seiten=449|Jahr=1996|ISBN=0-321-21030-1}}
* {{Literatur
* {{Internetquelle|autor=Hermann Kolanoski|url=http://www-zeuthen.desy.de/~kolanosk/astro0910/skripte/astro.pdf|titel= Einführung in die Astroteilchenphysik|zugriff=21.07.2013|format=PDF; 13,8&nbsp;MB}}
  |Autor=Bradley W. Carroll, Dale A. Ostlie
* {{Literatur|Autor=[[Malcolm S. Longair]]|Titel=Galaxy Formation|Verlag=Springer, Berlin|Jahr= 1998|ISBN=3-540-63785-0}} (''Astronomy and Astrophysics Library'').
  |Titel=An introduction to Modern Astrophysics
* {{Literatur|Autor=[[Roman Sexl]], Hannelore Sexl|Titel=Weiße Zwerge – Schwarze Löcher. Einführung in die relativistische Astrophysik.|Auflage=2. erweiterte|Verlag= Vieweg Verlag|Ort= Braunschweig |Jahr=1999|ISBN=3-528-17214-2}} (''Vieweg-Studium – Grundkurs Physik'').
  |Datum=1996
* {{Literatur|Autor=[[Albrecht Unsöld]], Bodo Baschek|Titel=Der neue Kosmos|Auflage=4. völlig neubearbeitete|Verlag=Springer, Berlin|Jahr=1988|ISBN=3-540-18171-7}}
  |ISBN=0-321-21030-1
==Einzelnachweise==
  |Seiten=449}}
* {{Internetquelle
  |autor=Hermann Kolanoski
  |url=https://www.zeuthen.desy.de/~kolanosk/astro0910/skripte/astro.pdf
  |titel=Einführung in die Astroteilchenphysik
  |format=PDF; 13,8&nbsp;MB
  |abruf=2013-07-21}}
* {{Literatur
  |Autor=[[Malcolm S. Longair]]
  |Titel=Galaxy Formation
  |Verlag=Springer, Berlin
  |Datum=1998
  |ISBN=3-540-63785-0}} (''Astronomy and Astrophysics Library'').
* {{Literatur
  |Autor=[[Roman Sexl]], Hannelore Sexl
  |Titel=Weiße Zwerge – Schwarze Löcher. Einführung in die relativistische Astrophysik.
  |Auflage=2. erweiterte
  |Verlag=Vieweg Verlag
  |Ort=Braunschweig
  |Datum=1999
  |ISBN=3-528-17214-2
  |Kommentar=Vieweg-Studium – Grundkurs Physik}}
* {{Literatur
  |Autor=[[Albrecht Unsöld]], Bodo Baschek
  |Titel=Der neue Kosmos
  |Auflage=4. völlig neubearbeitete
  |Verlag=Springer
  |Ort=Berlin
  |Datum=1988
  |ISBN=3-540-18171-7}}
 
== Einzelnachweise ==
<references />
<references />
[[Kategorie:Stellarphysik]]
[[Kategorie:Stellarphysik]]
[[Kategorie:Methode der Astrophysik]]
[[Kategorie:Methode der Astrophysik]]

Aktuelle Version vom 14. Juni 2021, 00:35 Uhr

Das Jeans-Kriterium der Sternentstehung (nach James Jeans), auch Jeanssches Kriterium, besagt, dass eine kosmische Gaswolke kollabiert und aus ihr letztlich ein Stern entstehen kann, wenn ihre Masse größer als die Jeans-Masse $ M_{\mathrm {Jeans} } $ ist. Handelt es sich bei der Gaswolke um eine protoplanetare Scheibe, so kann das Jeans-Kriterium auch für die Entstehung von Gasplaneten herangezogen werden.

Unter irdischen Bedingungen breiten sich Gase aufgrund der kinetischen Energie der Moleküle und ihrer damit verbundenen Kollisionen in dem zur Verfügung stehenden Raum gleichmäßig aus. Im freien Weltall dagegen werden größere Ansammlungen von Gasen durch ihre Schwerkraft zusammengehalten und sind deswegen räumlich begrenzt. Nach Überschreiten der Jeans-Masse zieht sich die Wolke immer weiter zusammen, bis ein neuer Gleichgewichtszustand erreicht wird (Sternentstehung).

Berechnung bzw. Abschätzung der Jeans-Masse

Die Jeans-Masse als minimale Grenzmasse lässt sich abschätzen zu:

$ M_{\mathrm {Jeans} }=\alpha \cdot {\sqrt {{\frac {1}{\rho }}\cdot \left({\frac {kT}{G\mu }}\right)^{3}}} $

mit

  • einem numerischen Vorfaktor $ \alpha $, der von der Abschätzung und ihrer Genauigkeit abhängt
  • weiteren Variablen, die im Folgenden erläutert werden.
Kräfte bzw. Drücke in einer kosmischen Gaswolke

Es wird eine kugelförmige Gaswolke der Masse $ M $, der homogenen Dichte $ \textstyle \rho =M/({\frac {4}{3}}\pi R^{3}) $, dem daraus zu berechnenden Radius $ R $ und der Temperatur $ T $ angenommen. Auf die Gaswolke wirken keine äußeren Kräfte, sie rotiert nicht, und das Gas verhält sich wie ein ideales Gas.

Die Wolke beginnt zu kollabieren, falls die zusammenziehenden Gravitationskräfte größer sind als die stabilisierende Kraft des Gasdruckes (Jeans-Kriterium). Dieser Zustand ist erreicht, wenn die Masse der Gaswolke bei einer bestimmten Dichte und Temperatur die zugehörige Jeans-Masse überschreitet. Sie kann sowohl über das Gleichgewicht der Drücke als auch über das der Energien ermittelt werden.

Über den Gleichgewichtsdruck

Bei Gleichgewicht der Drücke im Zentrum der Wolke gilt:

$ |p_{\mathrm {Gas} }|=|p_{\mathrm {grav} }| $

Aus der idealen Gasgleichung

$ pV=nkT\iff p={\frac {\rho }{\mu }}kT $

und dem Gravitationsdruck im Inneren einer Kugel folgt

$ \implies {\frac {\rho }{\mu }}kT={\frac {3GM^{2}}{8\pi R^{4}}} $

mit

Daraus ergibt sich:[1]

$ \implies M_{\mathrm {Jeans} }={\sqrt {\frac {6}{\pi }}}\cdot {\sqrt {{\frac {1}{\rho }}\cdot \left({\frac {kT}{G\mu }}\right)^{3}}} $.

Der numerische Vorfaktor ist hier $ \alpha ={\sqrt {\frac {6}{\pi }}}\approx 1{,}38 $.

Über das Energiegleichgewicht

Bei dem Ansatz über das Energiegleichgewicht steht die kinetische Energie $ \textstyle E_{\mathrm {kin} }={\frac {3}{2}}nkT $ nach Verwendung des Virialsatzes zur gravitativen Bindungsenergie der Gaswolke wie folgt:

$ 2E_{\mathrm {kin} }=E_{\mathrm {grav} } $

bzw. mit $ n={\tfrac {M}{\mu }} $:

$ \iff 3{\frac {M}{\mu }}kT={\frac {3GM^{2}}{5R}} $

Die Auflösung nach $ M $ führt zu folgender Jeans-Masse:

$ \implies M_{\mathrm {Jeans} }={\sqrt {\frac {3\cdot 5^{3}}{4\pi }}}\cdot {\sqrt {{\frac {1}{\rho }}\cdot \left({\frac {kT}{G\mu }}\right)^{3}}} $

Also ein numerischer Vorfaktor $ \alpha \approx 5{,}46 $.

Eine andere Ableitung von Jeans,[2] ausgehend vom Durchmesser und Dichte der Wolke sowie der Schallgeschwindigkeit eines idealen Gases, ergibt $ \alpha \approx 6{,}27 $.

Einfluss von Dichte und Temperatur

Dichte-Temperaturdiagramm für verschiedene Jeans-Massen (M) für ein einatomiges Wasserstoffgas

Wie sich aus den Formeln ablesen lässt, ist die Jeans-Masse für kalte Gaswolken kleiner als für heiße, dafür aber bei niedrigen Gasdichten höher. Das nebenstehende Diagramm gibt diese Abhängigkeit verschiedener Jeans-Massen von der Dichte und der Temperatur wieder. Die Jeans-Masse ist als Vielfaches der Sonnenmasse angegeben, als Gas wurde einatomiges Wasserstoffgas als häufigstes Element im Universum gewählt (Masse pro Atom: µ ≈ 1.67e-27 kg). Die Berechnung erfolgte wie oben ausgeführt über das Druckgleichgewicht; die Berechnung über das Energiegleichgewicht würde zu einem leicht unterschiedlichen Ergebnis führen, allerdings sind beide Ansätze stark vereinfachte Näherungen.

Ablese-Beispiel: Eine Wolke aus einatomigem Wasserstoffgas von 10 Sonnenmassen und einer Dichte von 10−17kg ⋅m−3 kollabiert bei einer Temperatur von ≤ 10 K. Zur Veranschaulichung hätte eine solche Wolke etwa 6000 Atome pro cm³ und einen Durchmesser von 1,65 Lichtjahren (1.56e13 Kilometer).

Literatur und Quellen

  • Bradley W. Carroll, Dale A. Ostlie: An introduction to Modern Astrophysics. 1996, ISBN 0-321-21030-1, S. 449.
  • Hermann Kolanoski: Einführung in die Astroteilchenphysik. (PDF; 13,8 MB) Abgerufen am 21. Juli 2013.
  • Malcolm S. Longair: Galaxy Formation. Springer, Berlin, 1998, ISBN 3-540-63785-0. (Astronomy and Astrophysics Library).
  • Roman Sexl, Hannelore Sexl: Weiße Zwerge – Schwarze Löcher. Einführung in die relativistische Astrophysik. 2. erweiterte Auflage. Vieweg Verlag, Braunschweig 1999, ISBN 3-528-17214-2 (Vieweg-Studium – Grundkurs Physik).
  • Albrecht Unsöld, Bodo Baschek: Der neue Kosmos. 4. völlig neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin 1988, ISBN 3-540-18171-7.

Einzelnachweise

  1. Siehe das Skript von Hermann Kolanoski: Einführung in die Astroteilchenphysik. HU Berlin, WS 2009/2010 in den Literaturangaben
  2. Siehe das Skript von Kolanoski in der Literatur

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