Impulserhaltungssatz: Unterschied zwischen den Versionen

Impulserhaltungssatz: Unterschied zwischen den Versionen

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Der '''Impulserhaltungssatz''' (manchmal auch kurz '''Impulssatz''' genannt) ist einer der wichtigsten [[Erhaltungssatz|Erhaltungssätze]] der Physik und besagt, dass der [[Impuls (Mechanik)|Gesamtimpuls]] in einem [[Abgeschlossenes System|mechanisch abgeschlossenen System]] konstant ist. „''Mechanisch abgeschlossenes System''“ bedeutet, dass das System keine Kräfte aus seiner Umgebung erfährt.
Der '''Impulserhaltungssatz''', auch '''Impulserhaltung''' oder '''Impulssatz''', ist einer der wichtigsten [[Erhaltungssatz|Erhaltungssätze]] der Physik. Er besagt, dass der [[Impuls (Mechanik)|Gesamtimpuls]] eines [[Abgeschlossenes System|mechanisch abgeschlossenen Systems]] konstant ist. „Mechanisch abgeschlossenes System“ bedeutet, dass das System nicht in [[Fundamentale Wechselwirkung|Wechselwirkung]] mit seiner Umgebung steht.


Die Impulserhaltung gilt sowohl in der [[Klassische Mechanik|klassischen Mechanik]] als auch in der [[Spezielle Relativitätstheorie|speziellen Relativitätstheorie]] und der [[Quantenmechanik]]. Sie gilt unabhängig von der [[Erhaltungssatz|Erhaltung der Energie]] und ist etwa bei der Beschreibung von [[Stoß (Physik)|Stoßprozessen]] von grundlegender Bedeutung, wo der Satz besagt, dass der Gesamtimpuls aller Stoßpartner vor und nach dem [[Stoß (Physik)|Stoß]] gleich sein muss. Impulserhaltung gilt sowohl, wenn die [[kinetische Energie]] beim Stoß erhalten bleibt ([[elastischer Stoß]]), als auch dann, wenn dies nicht der Fall ist (unelastischer Stoß).
Die Impulserhaltung gilt sowohl in der [[Klassische Mechanik|klassischen Mechanik]] als auch in der [[Spezielle Relativitätstheorie|speziellen Relativitätstheorie]] und der [[Quantenmechanik]]. Sie gilt unabhängig von der [[Energieerhaltungssatz|Erhaltung der Energie]] und ist etwa bei der Beschreibung von [[Stoß (Physik)|Stoßprozessen]] von grundlegender Bedeutung, wo der Satz besagt, dass der Gesamtimpuls aller Stoßpartner vor und nach dem Stoß gleich ist. Die Impulserhaltung gilt sowohl, wenn die [[kinetische Energie]] beim Stoß erhalten bleibt ([[elastischer Stoß]]), als auch dann, wenn dies nicht der Fall ist (unelastischer Stoß).


== Impulserhaltung in der Newton’schen Mechanik ==
Der Impulserhaltungssatz ist nach dem [[Noether-Theorem]] eine unmittelbare Folge der [[Translationsinvarianz|Homogenität des Raumes]], also der Tatsache, dass das Verhalten eines Objekts nur von den Werten der physikalischen Größen an seinem Ort bestimmt wird, aber nicht vom Ort selbst.<ref>{{Literatur |Autor=[[Lew Dawidowitsch Landau]], E. M. Lifshitz |Titel=Course of theoretical physics |Band=1. Mechanics |Auflage=3rd ed. |Verlag=Butterworth-Heinemann |Datum=1976 |Sprache=en |ISBN=0-7506-2896-0 |Originaltitel=Курс теоретической физики Ландау и Лифшица, Механика |Originalsprache=ru |Übersetzer=J. B. Sykes, J. S. Bell}}</ref>


Der Impulserhaltungssatz folgt direkt aus dem zweiten und dritten [[Newton-Axiome|Newton’schen Axiom]].
== Impulserhaltung in der Newtonschen Mechanik ==
Gemäß dem zweiten Newton’schen Axiom ist die Änderung des Impulses mit der Zeit gleich der auf einen Körper wirkenden äußeren Kraft, also:


: <math>\dot{\mathbf{p}} = \mathbf{F}</math>.
Der Impulserhaltungssatz folgt direkt aus dem zweiten und dritten [[Newtonsche Gesetze|Newtonschen Axiom]]. Gemäß dem zweiten Newtonschen Axiom ist die Änderung <math>\dot \vec p</math> des Impulses <math>\vec p</math> eines Körpers mit der Zeit gleich der auf ihn wirkenden äußeren Kraft <math>\vec F</math>. Dieses auch ''[[Newtonsche Gesetze#Zweites Newtonsches Gesetz|Impulssatz]]'' genannte Gesetz lautet also


Wenn keine Kräfte von außen wirken, muss es gemäß dem dritten Newton’schen Axiom (''„actio'' = ''reactio“'') für jede Kraft eine gleich große, aber entgegengesetzt wirkende Gegenkraft geben; die Vektorsumme dieser Kräfte ist daher Null. Da dies für alle Kräfte gilt, ist auch die Vektorsumme aller im System auftretender Kräfte und damit auch die Änderung des Gesamtimpulses gleich Null. Somit gilt:
: <math>\dot \vec p = \vec F</math>.


: <math>\mathbf{F} = \sum_i^n{\mathbf{F_i}} = \sum_i^n{\dot{\mathbf{p_i}}} = \dot{\mathbf{p}} = \mathbf{0}</math>,
Wenn keine Kräfte von außen wirken, muss es gemäß dem dritten Newtonschen Axiom ([[Actio und Reactio|„actio&nbsp;= reactio“]]) für jede Kraft eine gleich große, aber entgegengesetzt wirkende Kraft (die sogenannte ''Gegen''kraft) geben; die Vektorsumme dieser zwei Kräfte ist daher Null. Da dies für alle Kräfte gilt, ist auch die Vektorsumme aller im System auftretenden Kräfte und damit auch die Änderung des Gesamtimpulses gleich Null. Somit gilt


weshalb <math>\mathbf{p}</math> ein konstanter Vektor ist. Wenn der Impuls nur von der Geschwindigkeit abhängt, bedeutet dies, dass sich der Massenschwerpunkt mit konstanter Geschwindigkeit bewegt.
: <math>\vec F = \sum_{i=1}^n \vec F_i = \sum_{i=1}^n \dot \vec p_i = \dot \vec p = \vec 0</math>,


Die Impulserhaltung ist auch mit der Aussage äquivalent, dass sich der [[Massenmittelpunkt|Schwerpunkt]] eines Systems ohne äußere Kraft mit konstanter Geschwindigkeit und Richtung bewegt (dies ist eine Verallgemeinerung des ersten Newton’schen Axioms, das ursprünglich nur für einzelne Körper formuliert wurde).
weshalb der Gesamtimpuls <math>\vec p</math> ein konstanter Vektor ist. Wenn der Impuls nur von der Geschwindigkeit abhängt, bedeutet dies, dass sich der Massenschwerpunkt mit konstanter Geschwindigkeit bewegt.
 
Die Impulserhaltung ist auch mit der Aussage äquivalent, dass sich der [[Massenmittelpunkt|Schwerpunkt]] eines Systems ohne äußere Kraft mit konstanter Geschwindigkeit und Richtung bewegt (das ist eine Verallgemeinerung des ersten Newtonschen Axioms, das ursprünglich nur für einzelne Körper formuliert wurde).


== Impulserhaltung im Lagrange-Formalismus ==
== Impulserhaltung im Lagrange-Formalismus ==


Im [[Lagrange-Formalismus]] folgt die Impulserhaltung für ein freies Teilchen direkt aus den Bewegungsgleichungen. Die [[Lagrangefunktion]] für ein Teilchen in einem Potential <math>V(q)</math> ist allgemein
Im [[Lagrange-Formalismus]] folgt die Impulserhaltung für ein freies Teilchen aus den Bewegungsgleichungen. Für die [[Lagrangefunktion]] <math>L</math> für ein Teilchen in einem Potential <math>V(q)</math> gilt allgemein
 
: <math>L = \frac{1}{2}m\dot q^2 - V(q)</math>.
 
Die Bewegungsgleichungen lauten:
 
: <math>\frac{\partial L}{\partial q} - \frac{\rm d}{{\rm d}t} \frac{\partial L}{\partial \dot q} = 0\ \ \Rightarrow\ \ -\frac{\partial V}{\partial q} - \frac{\rm d}{{\rm d}t} (m\dot q) = 0</math>.
 
Hängt <math>V</math> nicht von <math>q</math> ab (d.&nbsp;h.: Durch das Potential wirkt keine Kraft auf das Teilchen, man spricht von einem freien Teilchen), so folgt:
 
: <math>\frac{\rm d}{{\rm d}t} (m\dot q) = 0</math>.
 
Dies entspricht gerade der Impulserhaltung der Newtonschen Mechanik.
 
Im Lagrange-Formalismus ist eine entsprechende Ableitung auch für die [[Drehimpulserhaltungssatz|Erhaltung des Drehimpulses]] möglich, wenn man [[generalisierte Koordinate]]n verwendet.
 
== Impulserhaltung als Folgerung der Homogenität und Isotropie des Raumes ==


=== Impulserhaltung ===
: <math>L = \frac{1}{2} m \dot q^2 - V(q)</math>


Unter der [[Homogenität]] des Raumes versteht man eine Verschiebungsinvarianz; d.&nbsp;h., ein Prozess am Punkt ''A'' wird nicht anders ablaufen, wenn er stattdessen an irgendeinem anderen Punkt ''B'' stattfindet. Es besteht kein physikalischer Unterschied zwischen den Punkten ''A'' und ''B'' in dem Sinne, dass der Raum bei ''B'' andere Eigenschaften besäße als bei ''A''. Aus dieser Eigenschaft folgt die Impulserhaltung auf folgende Weise:
mit einer [[Generalisierte Koordinate|generalisierten Koordinate]] <math>q</math> und der Teilchenmasse <math>m</math>. Die Bewegungsgleichungen lauten


Es sei eine generalisierte Koordinate <math>\!\ q_i</math>, die eine Verschiebung beschreibt und die Lagrangefunktion muss gemäß der Homogenität des Raumes unter dieser Verschiebung invariant bleiben. Dann ist <math>\!\ q_i</math> eine zyklische Koordinate und der zugehörige generalisierte Impuls ist erhalten.
: <math>\frac{\partial L}{\partial q} - \frac{\rm d}{{\rm d}t} \frac{\partial L}{\partial \dot q} = 0</math>


Der Vektor <math>\mathbf r_i(q_i)</math> sei also um <math>\mathrm d q_i</math> in irgendeine Richtung verschoben, dann ergibt sich durch [[Taylor-Formel|Taylor-Entwicklung]]:
und nach Einsetzen des obigen Terms für <math>L</math>


: <math>\mathbf r_i(q_i + \mathrm d q_i) = \mathbf r_i(q_i) + \frac{\partial \mathbf r_i}{\partial q_i}\mathrm d q_i</math>.
: <math>-\frac{\partial V}{\partial q} - \frac{\rm d}{{\rm d}t} (m \dot q) = 0</math>.


Der Ausdruck:
Wenn <math>V</math> nicht von <math>q</math> abhängt, dann ergibt die partielle Ableitung des Potentials nach der generalisierten Koordinate den Wert Null. Es verbleibt


: <math>\mathbf n_i:= \frac{\partial \mathbf r_i}{\partial q_i}</math>
: <math>\frac{\rm d}{{\rm d}t} (m \dot q) = 0</math>.


ist ein Vektor, der die Verschiebungsrichtung angibt. Der zur zyklischen Koordinate <math>q_i</math> zugehörige generalisierte Impuls ist dann
Wenn man für <math>q</math> eine Ortskoordinate wählt, dann ergibt sich die Impulserhaltung der Newtonschen Mechanik.


: <math>p_i = \frac{\partial L}{\partial {\dot q_i}} = \frac{\partial T}{\partial {\dot q_i}} = \frac{\partial}{\partial {\dot q_i}} \left(\sum_i^n \frac{1}{2} m_i \dot {\mathbf r_i}^2 \right) = \sum_i^n \left(m_i \dot {\mathbf r_i} \frac{\partial \dot {\mathbf r_i}}{\partial {\dot q_i}}\right)</math>.
== Impulserhaltung als Folge der Homogenität des Raumes ==


Hierbei wurde im ersten Rechenschritt angenommen, dass das Potential V nicht von der generalisierten Geschwindigkeit abhängt. Nun benutzt man, dass:
Nach dem [[Noether-Theorem]] existiert zu jeder kontinuierlichen Symmetrie eine Erhaltungsgröße. Die [[Symmetrie (Physik)|physikalische Symmetrie]], die der Impulserhaltung entspricht, ist dabei die „[[Homogenität]] des Raumes“.


: <math>\frac{\partial \dot{\mathbf r_i}}{\partial \dot{q_i}} = \frac{\partial {\mathbf r_i}}{\partial q_i}</math>
Homogenität des Raumes bedeutet dabei, dass das betrachtete System [[Translationsinvarianz|verschiebungsinvariant]] ist, d.&nbsp;h., ein Prozess am Punkt ''A'' wird nicht anders ablaufen, wenn er stattdessen an irgendeinem anderen Punkt ''B'' stattfindet. Es besteht kein physikalischer Unterschied zwischen den Punkten ''A'' und ''B'' in dem Sinne, dass der Raum bei ''B'' andere Eigenschaften besäße als bei ''A.''


gilt. Damit folgt schließlich:
Sei ''L'' die [[Lagrangefunktion]] eines physikalischen Systems, das somit die [[Wirkung (Physik)|Wirkung]] <math display="inline">S = \int L \, \text{d}t</math> hat. Das Noether-Theorem besagt nun: Wenn die [[Wirkung (Physik)|Wirkung]] unter einer Transformation


: <math>\sum_i^n \left(m_i \dot {\mathbf r_i} \frac{\partial {\mathbf r_i}}{\partial q_i}\right) = \sum_i^n \left(m_i \dot {\mathbf r_i} \right) \mathbf n_i = \mathbf p \mathbf n</math>.
: <math>\begin{alignat}{2}
  q_i & \mapsto q'_i && = q_i + \delta\     \psi_i (q, \dot q, t)\\
  t  & \mapsto t'  && = t  + \varepsilon\ \varphi(q, \dot q, t)
\end{alignat}</math>


Demnach ist die Projektion des Gesamtimpulses in Richtung der Verschiebung erhalten. Wenn <math>\mathbf n</math> ein Einheitsvektor ist, ist der generalisierte Impuls mit dieser Projektion identisch. Ist dies nicht der Fall, unterscheidet er sich durch einen konstanten Faktor davon.
invariant bleibt, dann ist
: <math>Q := \sum_i \frac{\partial L}{\partial \dot q_i} \psi_i + \left(L - \sum_i \frac{\partial L}{\partial \dot q_i} \dot q_i \right) \ \varphi</math>
eine Erhaltungsgröße. Dabei können die Raum- bzw. Zeitrichtungen <math>\psi_i</math> und <math>\varphi</math>, in die kleine Verschiebungen <math>\delta</math> bzw. <math>\varepsilon</math> durchgeführt werden sollen, für eine allgemeine Transformation räumlich und zeitlich variieren, weshalb oben <math>\psi_i(q, \dot q, t)</math> und <math>\varphi(q, \dot q, t)</math> steht.<ref>{{Literatur |Autor=Thorsten Fließbach |Titel=Mechanik |Auflage=6 |Verlag=Spektrum |Ort=Heidelberg/Berlin |Datum=2009 |ISBN=978-3-8274-1433-5 |Online={{Google Buch |BuchID=USUgBAAAQBAJ |Seite=frontcover}} |Abruf=2020-04-13}}</ref>


=== Anmerkung: Das Noether-Theorem ===
Aus der Homogenität des Raumes folgt, dass zu den Raumkoordinaten Beliebiges hinzuaddiert werden kann, ohne die Lagrangefunktion zu ändern. In der obigen allgemeinen Formulierung des Noether-Theorems entspricht dies dem Spezialfall <math>\varepsilon = 0</math>. Es gibt drei Raumkoordinaten, in jeder der drei Raumrichtungen <math>x</math>, <math>y</math> und <math>z</math> können wir die Koordinaten um räumlich und zeitlich konstantes <math>\delta</math> verschieben, ohne dass sich die Lagrangefunktion ändert. Mit <math>k = x, y, z</math> erhalten wir daher nach dem Noether-Theorem die drei Erhaltungsgrößen <math display="inline">Q_k = \frac{\partial L}{\partial \dot q_k}</math>, die gerade die [[Generalisierter Impuls|konjugierten Impulse]] zu den drei Raumkoordinaten sind:
: <math>Q_k = \frac{\partial L}{\partial \dot q_k} = p_k</math>


Die oben abgeleiteten Erhaltungssätze sind eigentlich Spezialfälle einer allgemeineren Formulierung, die von [[Emmy Noether]] gegeben wurde. Mit dem [[Noether-Theorem]] wird allgemein festgelegt, unter welchen Umständen es sich bei einer Größe eines physikalischen Systems um eine Erhaltungsgröße handelt und wie diese aussieht.
Die Erhaltung dieser drei Größen ist nun aber gerade der Impulserhaltungssatz:
: <math>0 = \frac{\text{d}Q_k}{\text{d}t} = \frac{\text{d}}{\text{d}t} \frac{\partial L}{\partial \dot q_k} = \frac{\text{d}}{\text{d}t} p_k</math>
Dies gilt für alle drei Raumrichtungen <math>k = x, y, z</math>.


== Impulserhaltung im Kristallgitter ==
== Impulserhaltung im Kristallgitter ==


Ein Spezialfall ist ein ideales [[Kristallgitter]], in dem die [[Translation (Physik)|Translation]] (Verschiebung) um einen [[Gittervektor]] eine Symmetrieoperation ist, also wieder zu einer vom ursprünglichen Gitter nicht unterscheidbaren Anordnung führt; andere Verschiebungen ergeben ein Gitter, dessen Gitterpunkte nicht mehr mit den ursprünglichen Gitterpunkten zusammenfallen. In diesem Fall gilt die Impulserhaltung mit der Einschränkung, dass zum Impuls ein mit dem [[Plancksches Wirkungsquantum|planckschen Wirkungsquantum]] <math>\hbar</math> multiplizierter Gittervektor <math>\mathbf{G}</math> des [[Reziprokes Gitter|reziproken Gitters]] addiert werden kann:
Ein Spezialfall ist ein ideales [[Kristallgitter]], in dem die [[Translation (Physik)|Translation (Verschiebung)]] um einen [[Gittervektor]] eine Symmetrieoperation ist, also wieder zu einer vom ursprünglichen Gitter nicht unterscheidbaren Anordnung führt; andere Verschiebungen ergeben ein Gitter, dessen Gitterpunkte nicht mehr mit den ursprünglichen Gitterpunkten zusammenfallen. In diesem Fall gilt die Impulserhaltung mit der Einschränkung, dass zum Impuls ein mit dem [[Plancksches Wirkungsquantum|Planckschen Wirkungsquantum]] <math>\hbar</math> multiplizierter Gittervektor <math>\vec G</math> des [[Reziprokes Gitter|reziproken Gitters]] addiert werden kann:


: <math>\mathbf{p}_{\rm nachher} = \mathbf{p}_{\rm vorher} + \hbar\mathbf{G}</math>.
: <math>\vec p_{\text{nachher}} = \vec p_{\text{vorher}} + \hbar \vec G</math>


Es kann also Impuls nicht in beliebigem Ausmaß an das Kristallgitter transferiert werden, sondern nur in diskreten Schritten, die durch das reziproke Gitter bestimmt werden. Wenn der Impuls für den kleinsten solchen Schritt zu klein ist, z.&nbsp;B. bei sichtbarem Licht im Inneren eines Kristalls, gilt wieder die Impulserhaltung wie im freien Raum. Daher wird sichtbares Licht in Kristallen nicht gebeugt, hingegen kann [[Röntgenstrahlung]], die einen höheren Impuls hat, gebeugt werden. Die Impulserhaltung unter Berücksichtigung des reziproken Gittervektors ist in diesem Fall äquivalent zur [[Bragg-Gleichung]].
Es kann also Impuls nicht in beliebigem Ausmaß an das Kristallgitter transferiert werden, sondern nur in diskreten Schritten, die durch das reziproke Gitter bestimmt werden. Wenn der Impuls für den kleinsten solchen Schritt zu klein ist, z.&nbsp;B. bei sichtbarem Licht im Inneren eines Kristalls, gilt wieder die Impulserhaltung wie im freien Raum. Daher wird sichtbares Licht in Kristallen nicht gebeugt, hingegen kann [[Röntgenstrahlung]], die einen höheren Impuls hat, gebeugt werden. Die Impulserhaltung unter Berücksichtigung des reziproken Gittervektors ist in diesem Fall äquivalent zur [[Bragg-Gleichung]].
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== Impulserhaltung in strömenden Fluiden ==
== Impulserhaltung in strömenden Fluiden ==


In einen Strömungsraum sind die ein- und austretenden Impulsströme mit den äußeren, auf diesen Strömungsraum einwirkenden Kräften stets im Gleichgewicht (ausgeglichene Kräftebilanz).
In einem Strömungsraum sind die ein- und austretenden Impulsströme mit den äußeren, auf diesen Strömungsraum einwirkenden Kräften stets im Gleichgewicht (ausgeglichene Kräftebilanz). Daher gilt für jede Koordinatenrichtung:
Daher gilt für jede Koordinatenrichtung:
 
:<math>\ \rho A c^2 + \sum{F} = 0</math>
: <math>\rho A c^2 + \sum{F} = 0</math>


Die Kräfte <math>F</math> beinhalten dabei Impulskräfte, Druckkräfte, Wandkräfte, Massenkräfte und Reibungskräfte.
Die Kräfte <math>F</math> beinhalten dabei Impulskräfte, Druckkräfte, Wandkräfte, Massenkräfte und Reibungskräfte. Die weiteren Größen in der Gleichung sind: Dichte des Fluids <math>\rho,</math> durchströmte Querschnittsfläche <math>A,</math> Strömungsgeschwindigkeit des Fluids <math>c.</math>


Die weiteren Größen in der Gleichung sind: Dichte des Fluids ''ρ''; durchströmte Querschnittsfläche ''A''; Strömungsgeschwindigkeit des Fluids ''c''.
== Einzelnachweise ==
 
<references />


[[Kategorie:Klassische Mechanik]]
[[Kategorie:Klassische Mechanik]]
[[Kategorie:Physikalisches Grundkonzept]]
[[Kategorie:Physikalisches Grundkonzept]]
[[en:Momentum#Conservation]]
[[pl:Zasada zachowania pędu]]

Aktuelle Version vom 27. Januar 2022, 07:52 Uhr

Der Impulserhaltungssatz hilft, das Verhalten eines Kugelstoßpendels zu verstehen

Der Impulserhaltungssatz, auch Impulserhaltung oder Impulssatz, ist einer der wichtigsten Erhaltungssätze der Physik. Er besagt, dass der Gesamtimpuls eines mechanisch abgeschlossenen Systems konstant ist. „Mechanisch abgeschlossenes System“ bedeutet, dass das System nicht in Wechselwirkung mit seiner Umgebung steht.

Die Impulserhaltung gilt sowohl in der klassischen Mechanik als auch in der speziellen Relativitätstheorie und der Quantenmechanik. Sie gilt unabhängig von der Erhaltung der Energie und ist etwa bei der Beschreibung von Stoßprozessen von grundlegender Bedeutung, wo der Satz besagt, dass der Gesamtimpuls aller Stoßpartner vor und nach dem Stoß gleich ist. Die Impulserhaltung gilt sowohl, wenn die kinetische Energie beim Stoß erhalten bleibt (elastischer Stoß), als auch dann, wenn dies nicht der Fall ist (unelastischer Stoß).

Der Impulserhaltungssatz ist nach dem Noether-Theorem eine unmittelbare Folge der Homogenität des Raumes, also der Tatsache, dass das Verhalten eines Objekts nur von den Werten der physikalischen Größen an seinem Ort bestimmt wird, aber nicht vom Ort selbst.[1]

Impulserhaltung in der Newtonschen Mechanik

Der Impulserhaltungssatz folgt direkt aus dem zweiten und dritten Newtonschen Axiom. Gemäß dem zweiten Newtonschen Axiom ist die Änderung $ {\dot {\vec {p}}} $ des Impulses $ {\vec {p}} $ eines Körpers mit der Zeit gleich der auf ihn wirkenden äußeren Kraft $ {\vec {F}} $. Dieses auch Impulssatz genannte Gesetz lautet also

$ {\dot {\vec {p}}}={\vec {F}} $.

Wenn keine Kräfte von außen wirken, muss es gemäß dem dritten Newtonschen Axiom („actio = reactio“) für jede Kraft eine gleich große, aber entgegengesetzt wirkende Kraft (die sogenannte Gegenkraft) geben; die Vektorsumme dieser zwei Kräfte ist daher Null. Da dies für alle Kräfte gilt, ist auch die Vektorsumme aller im System auftretenden Kräfte und damit auch die Änderung des Gesamtimpulses gleich Null. Somit gilt

$ {\vec {F}}=\sum _{i=1}^{n}{\vec {F}}_{i}=\sum _{i=1}^{n}{\dot {\vec {p}}}_{i}={\dot {\vec {p}}}={\vec {0}} $,

weshalb der Gesamtimpuls $ {\vec {p}} $ ein konstanter Vektor ist. Wenn der Impuls nur von der Geschwindigkeit abhängt, bedeutet dies, dass sich der Massenschwerpunkt mit konstanter Geschwindigkeit bewegt.

Die Impulserhaltung ist auch mit der Aussage äquivalent, dass sich der Schwerpunkt eines Systems ohne äußere Kraft mit konstanter Geschwindigkeit und Richtung bewegt (das ist eine Verallgemeinerung des ersten Newtonschen Axioms, das ursprünglich nur für einzelne Körper formuliert wurde).

Impulserhaltung im Lagrange-Formalismus

Im Lagrange-Formalismus folgt die Impulserhaltung für ein freies Teilchen aus den Bewegungsgleichungen. Für die Lagrangefunktion $ L $ für ein Teilchen in einem Potential $ V(q) $ gilt allgemein

$ L={\frac {1}{2}}m{\dot {q}}^{2}-V(q) $

mit einer generalisierten Koordinate $ q $ und der Teilchenmasse $ m $. Die Bewegungsgleichungen lauten

$ {\frac {\partial L}{\partial q}}-{\frac {\rm {d}}{{\rm {d}}t}}{\frac {\partial L}{\partial {\dot {q}}}}=0 $

und nach Einsetzen des obigen Terms für $ L $

$ -{\frac {\partial V}{\partial q}}-{\frac {\rm {d}}{{\rm {d}}t}}(m{\dot {q}})=0 $.

Wenn $ V $ nicht von $ q $ abhängt, dann ergibt die partielle Ableitung des Potentials nach der generalisierten Koordinate den Wert Null. Es verbleibt

$ {\frac {\rm {d}}{{\rm {d}}t}}(m{\dot {q}})=0 $.

Wenn man für $ q $ eine Ortskoordinate wählt, dann ergibt sich die Impulserhaltung der Newtonschen Mechanik.

Impulserhaltung als Folge der Homogenität des Raumes

Nach dem Noether-Theorem existiert zu jeder kontinuierlichen Symmetrie eine Erhaltungsgröße. Die physikalische Symmetrie, die der Impulserhaltung entspricht, ist dabei die „Homogenität des Raumes“.

Homogenität des Raumes bedeutet dabei, dass das betrachtete System verschiebungsinvariant ist, d. h., ein Prozess am Punkt A wird nicht anders ablaufen, wenn er stattdessen an irgendeinem anderen Punkt B stattfindet. Es besteht kein physikalischer Unterschied zwischen den Punkten A und B in dem Sinne, dass der Raum bei B andere Eigenschaften besäße als bei A.

Sei L die Lagrangefunktion eines physikalischen Systems, das somit die Wirkung $ {\textstyle S=\int L\,{\text{d}}t} $ hat. Das Noether-Theorem besagt nun: Wenn die Wirkung unter einer Transformation

$ {\begin{alignedat}{2}q_{i}&\mapsto q'_{i}&&=q_{i}+\delta \ \psi _{i}(q,{\dot {q}},t)\\t&\mapsto t'&&=t+\varepsilon \ \varphi (q,{\dot {q}},t)\end{alignedat}} $

invariant bleibt, dann ist

$ Q:=\sum _{i}{\frac {\partial L}{\partial {\dot {q}}_{i}}}\psi _{i}+\left(L-\sum _{i}{\frac {\partial L}{\partial {\dot {q}}_{i}}}{\dot {q}}_{i}\right)\ \varphi $

eine Erhaltungsgröße. Dabei können die Raum- bzw. Zeitrichtungen $ \psi _{i} $ und $ \varphi $, in die kleine Verschiebungen $ \delta $ bzw. $ \varepsilon $ durchgeführt werden sollen, für eine allgemeine Transformation räumlich und zeitlich variieren, weshalb oben $ \psi _{i}(q,{\dot {q}},t) $ und $ \varphi (q,{\dot {q}},t) $ steht.[2]

Aus der Homogenität des Raumes folgt, dass zu den Raumkoordinaten Beliebiges hinzuaddiert werden kann, ohne die Lagrangefunktion zu ändern. In der obigen allgemeinen Formulierung des Noether-Theorems entspricht dies dem Spezialfall $ \varepsilon =0 $. Es gibt drei Raumkoordinaten, in jeder der drei Raumrichtungen $ x $, $ y $ und $ z $ können wir die Koordinaten um räumlich und zeitlich konstantes $ \delta $ verschieben, ohne dass sich die Lagrangefunktion ändert. Mit $ k=x,y,z $ erhalten wir daher nach dem Noether-Theorem die drei Erhaltungsgrößen $ {\textstyle Q_{k}={\frac {\partial L}{\partial {\dot {q}}_{k}}}} $, die gerade die konjugierten Impulse zu den drei Raumkoordinaten sind:

$ Q_{k}={\frac {\partial L}{\partial {\dot {q}}_{k}}}=p_{k} $

Die Erhaltung dieser drei Größen ist nun aber gerade der Impulserhaltungssatz:

$ 0={\frac {{\text{d}}Q_{k}}{{\text{d}}t}}={\frac {\text{d}}{{\text{d}}t}}{\frac {\partial L}{\partial {\dot {q}}_{k}}}={\frac {\text{d}}{{\text{d}}t}}p_{k} $

Dies gilt für alle drei Raumrichtungen $ k=x,y,z $.

Impulserhaltung im Kristallgitter

Ein Spezialfall ist ein ideales Kristallgitter, in dem die Translation (Verschiebung) um einen Gittervektor eine Symmetrieoperation ist, also wieder zu einer vom ursprünglichen Gitter nicht unterscheidbaren Anordnung führt; andere Verschiebungen ergeben ein Gitter, dessen Gitterpunkte nicht mehr mit den ursprünglichen Gitterpunkten zusammenfallen. In diesem Fall gilt die Impulserhaltung mit der Einschränkung, dass zum Impuls ein mit dem Planckschen Wirkungsquantum $ \hbar $ multiplizierter Gittervektor $ {\vec {G}} $ des reziproken Gitters addiert werden kann:

$ {\vec {p}}_{\text{nachher}}={\vec {p}}_{\text{vorher}}+\hbar {\vec {G}} $

Es kann also Impuls nicht in beliebigem Ausmaß an das Kristallgitter transferiert werden, sondern nur in diskreten Schritten, die durch das reziproke Gitter bestimmt werden. Wenn der Impuls für den kleinsten solchen Schritt zu klein ist, z. B. bei sichtbarem Licht im Inneren eines Kristalls, gilt wieder die Impulserhaltung wie im freien Raum. Daher wird sichtbares Licht in Kristallen nicht gebeugt, hingegen kann Röntgenstrahlung, die einen höheren Impuls hat, gebeugt werden. Die Impulserhaltung unter Berücksichtigung des reziproken Gittervektors ist in diesem Fall äquivalent zur Bragg-Gleichung.

Impulserhaltung in strömenden Fluiden

In einem Strömungsraum sind die ein- und austretenden Impulsströme mit den äußeren, auf diesen Strömungsraum einwirkenden Kräften stets im Gleichgewicht (ausgeglichene Kräftebilanz). Daher gilt für jede Koordinatenrichtung:

$ \rho Ac^{2}+\sum {F}=0 $

Die Kräfte $ F $ beinhalten dabei Impulskräfte, Druckkräfte, Wandkräfte, Massenkräfte und Reibungskräfte. Die weiteren Größen in der Gleichung sind: Dichte des Fluids $ \rho , $ durchströmte Querschnittsfläche $ A, $ Strömungsgeschwindigkeit des Fluids $ c. $

Einzelnachweise

  1. Thorsten Fließbach: Mechanik. 6. Auflage. Spektrum, Heidelberg/Berlin 2009, ISBN 978-3-8274-1433-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 13. April 2020]).

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