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Die '''Doppelbrechung''', oder '''Birefringenz''', ist die Fähigkeit von optisch [[Anisotropie|anisotropen]] [[Ausbreitungsmedium|Medien]],  ein [[Licht]]bündel in zwei senkrecht zueinander [[Polarisation|polarisierte]] Teilbündel zu trennen. Die Ursache dieses Effekts liegt im unterschiedlichen [[Brechungsindex]] (''n''<sub>o</sub> und ''n''<sub>ao</sub>) in Abhängigkeit von der Ausbreitungsrichtung und Polarisation des Lichts. Ein prominentes Beispiel für ein solches Material ist [[Calcit]] (Kalkspat, auch Doppelspat), an dem die Doppelbrechung 1669 von [[Erasmus Bartholin]] entdeckt wurde.
Die '''Doppel[[Brechung (Physik)|brechung]]''' oder '''Birefringenz''' ist die Fähigkeit optisch [[Anisotropie|anisotroper]] [[Ausbreitungsmedium|Medien]],  ein [[Licht]]<nowiki/>bündel in zwei senkrecht zueinander [[Polarisation|polarisierte]] Teilbündel zu trennen (ordentlicher und außerordentlicher Strahl). Die Ursache dieses Effekts liegt im unterschiedlichen [[Brechungsindex]]&nbsp;(''n''<sub>o</sub> und&nbsp;''n''<sub>ao</sub>) in Abhängigkeit von der Ausbreitungsrichtung und der Polarisation des Lichts.


Auch [[Isotropie|isotrope]] Materialien können durch äußere Einflüsse, wie mechanische Spannung (Deformations- oder '''Spannungsdoppelbrechung''', siehe [[Spannungsoptik]]) oder Texturen und [[Eigenspannung]]en bei der Formgebung doppelbrechend werden.
Ein prominentes Beispiel für ein solches Material ist [[Calcit]] (auch Kalkspat oder Doppelspat genannt), an dem die Doppelbrechung 1669 von [[Erasmus Bartholin]] entdeckt wurde.


Elektrische Felder (elektrische Doppelbrechung, elektrooptischer [[Kerr-Effekt]]) oder magnetische Felder (magnetische Doppelbrechung, [[Cotton-Mouton-Effekt]], allgemein siehe [[Magnetooptik]]) können ansonsten optisch isotrope Materialien doppelbrechend machen. Auch Flüssigkeiten mit hoher Zähigkeit können bei Strömung durch innere Reibung und damit verbundene Texturen doppelbrechend werden. Die meisten [[Flüssigkristall]]e sind spontan doppelbrechend.
Auch optisch [[Isotropie|isotrope]] Materialien (z.&nbsp;B. im [[Kubisches Kristallsystem|kubischen Kristallsystem]]) können durch äußere Einflüsse doppelbrechend werden. Solche Einflüsse sind z.&nbsp;B.
* [[mechanische Spannung]] (Deformations- oder Spannungsdoppelbrechung, siehe [[Spannungsoptik]])
* [[Textur (Kristallographie)|Texturen]] und [[Eigenspannung]]en bei der Formgebung
* elektrische Felder (elektrische Doppelbrechung, elektrooptischer [[Kerr-Effekt]])
* magnetische Felder (magnetische Doppelbrechung, [[Cotton-Mouton-Effekt]], allgemein siehe [[Magnetooptik]])
* innere Reibung und damit verbundene Texturen bei Strömungen hoch[[Viskosität|zäher]] Flüssigkeiten.
Die meisten [[Flüssigkristall]]e sind spontan doppelbrechend.


Eng verwandt bzw. verbunden mit der Doppelbrechung ist der [[Dichroismus]], bei dem Farben polarisationsabhängig absorbiert werden.
Eng verwandt bzw. verbunden mit der Doppelbrechung ist der [[Dichroismus]], bei dem ''Farben'' polarisationsabhängig ''absorbiert'' werden.


== Physikalische Ursache ==
== Physikalische Ursache ==
[[Datei:Indexellipsoid.png|mini|Indexellipsoid eines optisch einachsigen Kristalls]]
[[Datei:Indexellipsoid.png|mini|Indexellipsoid eines optisch einachsigen Kristalls]]
Doppelbrechung tritt in optisch anisotropen [[Kristall]]en auf. Diese weisen für unterschiedliche [[Polarisation]] und Richtung des eingestrahlten Lichtes einen unterschiedlichen Brechungsindex auf. Das zugehörige [[Indexellipsoid]] kann ''optisch einachsig'' sein (z.&nbsp;B. bei tetragonalen Kristallen) oder drei verschiedene Hauptachsen besitzen (z.&nbsp;B.  bei [[orthorhombisch]]er Symmetrie). In diesem besonderen Fall, d.&nbsp;h. bei ''optisch zweiachsigen'' Kristallen (biaxial), sind im Allgemeinen beide gebrochenen Strahlen ''außerordentlich'' ([[elektrisches Feld]], <math>\vec E</math>, und [[elektrische Flussdichte]], <math>\vec D</math>, haben nicht die gleiche Richtung, wobei der Ausbreitungsvektor, <math>\vec k</math>, senkrecht zu <math>\vec D</math> ist, nicht wie sonst üblich zu <math>\vec E</math>, siehe Literatur).
Doppelbrechung tritt in optisch anisotropen [[Kristall]]en auf. Diese weisen für unterschiedliche [[Polarisation]] und Richtung des eingestrahlten Lichtes einen unterschiedlichen Brechungsindex auf.


Die [[Optische Achse (Kristalloptik)|Achsen eines doppelbrechenden Kristalls]] sind nicht zu verwechseln mit der [[Optische Achse (Optik)|optischen Achse]] eines Systems von Linsen und Spiegeln.
Das zugehörige [[Indexellipsoid]] kann sein:
* ''optisch einachsig'' bzw. ''uniaxial'', d.&nbsp;h. eine [[Optische Achse (Kristalloptik)|optische Achse]] und zwei verschiedene [[Indexellipsoid|Hauptbrechachsen]] bzw. Brechungsindizes haben; dies ist der Fall in den [[Wirteliges Kristallsystem|wirteligen Kristallsystemen]] ([[Trigonales Kristallsystem|trigonal]], [[Tetragonales Kristallsystem|tetragonal]] und [[Hexagonales Kristallsystem|hexagonal]])
* ''optisch zweiachsig'' bzw. ''biaxial'', d.&nbsp;h. zwei optische Achsen und drei verschiedene Hauptbrechachsen bzw. Brechungsindizes haben. Dies ist der Fall im [[Orthorhombisches Kristallsystem|orthorhombischen]], [[monoklines Kristallsystem|monoklinen]] und [[Triklines Kristallsystem|triklinen]] [[Kristallsystem]]. Hier sind im Allgemeinen ''beide'' gebrochenen Strahlen ''außerordentlich'' ([[elektrisches Feld]] <math>\vec E</math> und [[elektrische Flussdichte]] <math>\vec D</math> haben nicht die gleiche Richtung, wobei der [[Wellenvektor|Ausbreitungsvektor]] <math>\vec k</math> nicht – wie sonst üblich – senkrecht zu <math>\vec E</math> ist, sondern zu <math>\vec D</math>, siehe Literatur).
 
Die optischen Achsen eines doppelbrechenden Kristalls sind nicht zu verwechseln mit der [[Optische Achse (Optik)|optischen Achse]] eines Systems von Linsen und Spiegeln.
<div style="clear:both;"></div>
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== Ordentlicher und außerordentlicher Strahl ==
== Ordentlicher und außerordentlicher Strahl ==
[[Datei:Doppelbrechung schema.png|mini|Konstruktion des ordentlichen (links) und des außerordentlichen (rechts) Strahles nach Huygens. Im linken Fall ist das Licht senkrecht zur Zeichenebene polarisiert, im rechten parallel dazu. Die Ausbreitungsgeschwindigkeiten sind relativ zur optischen Achse definiert, nicht relativ zur Polarisation.]]
[[Datei:Doppelbrechung schema.png|mini|300px|Konstruktion des ordentlichen (links) und des außerordentlichen (rechts) Strahles nach Huygens in einem einachsigen Kristall. Im linken Fall ist das Licht senkrecht zur Zeichenebene polarisiert, im rechten parallel dazu. Die Ausbreitungsgeschwindigkeiten sind relativ zur optischen Achse definiert, nicht relativ zur Polarisation.]]
Der '''ordentliche Strahl''' und der '''außerordentliche Strahl''' werden definiert durch die Orientierung ihres elektrischen Feldes zur Ebene, die durch die [[Optische Achse (Kristalloptik)|optische Achse]] und die Ausbreitungsrichtung des einfallenden Strahls aufgespannt wird ([[Hauptschnitt]]):
* Der '''ordentliche Strahl''' ist der Anteil des einfallenden Strahls, dessen elektrisches Feld ''senkrecht'' zum Hauptschnitt steht. Für den ordentlichen Strahl gilt in einachsigen Kristallen das [[Snelliussches Brechungsgesetz|Snelliussche Brechungsgesetz]] für isotrope Medien,<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Zinth, Ursula Zinth |Titel=Optik |Verlag=Oldenbourg Wissenschaftsverlag |Datum=2005 |ISBN=978-3-486-27580-3 |Seiten=230}}</ref> d.&nbsp;h., er wird bei senkrechtem Einfall auf den doppelbrechenden Kristall ''nicht'' gebrochen. Die [[Elementarwelle]]n des ordentlichen Strahls bilden [[Kugelwelle]]n, die dem [[Huygenssches Prinzip|Huygensschen Prinzip]] genügen.<ref>{{Literatur |Autor=[[Hans-Joachim Bautsch]], [[Will Kleber]], [[Joachim Bohm (Kristallograph)|Joachim Bohm]] |Titel=Einführung in die Kristallographie |Verlag=Oldenbourg Wissenschaftsverlag |Datum=1998 |ISBN=978-3-486-27319-9 |Seiten=273}}</ref>
* Der zweite, der '''außerordentliche Strahl''', hingegen ist der Anteil des einfallenden Strahls, dessen elektrisches Feld ''im'' Hauptschnitt des Kristalls schwingt. Für ihn gilt das Brechungsgesetz ''nicht'', d.&nbsp;h., er wird auch bei senkrechtem Einfall auf den doppelbrechenden Kristall gebrochen. Die Elementarwellen des außerordentlichen Strahls bilden [[Rotationsellipsoid]]e.


Der '''ordentliche Strahl''' und der '''außerordentliche Strahl''' werden definiert durch die Orientierung ihres elektrischen Feldes zur Ebene, die durch die [[Optische Achse (Kristalloptik)|optische Achse]] und die Ausbreitungsrichtung des einfallenden Strahls aufgespannt wird ([[Hauptschnitt]]). Der '''ordentliche Strahl''' ist der Anteil des einfallenden Strahls, dessen elektrisches Feld senkrecht zum Hauptschnitt steht. Für den ordentlichen Strahl gilt in einachsigen Kristallen das Snelliussche [[Brechungsgesetz]] für isotrope Medien.<ref>{{Literatur |Autor=Wolfgang Zinth, Ursula Zinth |Titel=Optik |Verlag=Oldenbourg Wissenschaftsverlag |Datum=2005 |ISBN=978-3-486-27580-3 |Seiten=230}}</ref> Für den zweiten Strahl, den '''außerordentlichen Strahl''', gilt das Brechungsgesetz hingegen nicht, er wird auch bei senkrechtem Einfall auf den doppelbrechenden Kristall gebrochen. Sein elektrisches Feld schwingt im Hauptschnitt des Kristalls. Die  [[Elementarwelle]]n des außerordentlichen Strahls bilden [[Rotationsellipsoid]]e, die des ordentlichen Strahls hingegen Kugelwellen, die dem [[Huygenssches Prinzip|Huygensschen Prinzip]] genügen.<ref>{{Literatur |Autor=[[Hans-Joachim Bautsch]], [[Will Kleber]], [[Joachim Bohm (Kristallograph)|Joachim Bohm]] |Titel=Einführung in die Kristallographie |Verlag=Oldenbourg Wissenschaftsverlag |Datum=1998 |ISBN=978-3-486-27319-9 |Seiten=273}}</ref> Die Wellenfronten für den außerordentlichen und den ordentlichen Strahl breiten sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten <math>v_{\|}</math> und <math>v_{\perp}</math> aus.
Die [[Wellenfront]]en für den ordentlichen und den außerordentlichen Strahl breiten sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten <math>v_{\perp}</math> und <math>v_{\|}</math> aus, daraus folgen die zugehörigen Brechungsindizes:
 
:<math>n_\mathrm{o} = \frac c {v_{\perp}}</math>


Die zugehörigen [[Brechungsindex|Brechungsindizes]] berechnen sich wie folgt:
:<math>n_\mathrm{ao}=c/v_{\|}</math>
und
und
:<math>n_\mathrm{o}=c/v_{\perp}</math>


mit ''c'' – [[Lichtgeschwindigkeit]] im Vakuum
:<math>n_\mathrm{ao} = \frac c {v_{\|}}</math>


Die Differenz der Brechungsindizes (<math>\Delta n=n_\mathrm{ao}-n_o</math>) ist ein Maß für die Doppelbrechung. Das [[Vorzeichen (Zahl)|Vorzeichen]] wird als ''optischer Charakter'' oder ''optische Orientierung'' bezeichnet. Für [[Kalkspat]] ist <math>\Delta n=-0{,}172</math>. Kalkspat ist daher ein '''optisch negativer''' einachsiger Kristall. In ihm bewegt sich der außerordentliche Strahl schneller als der ordentliche Strahl.
mit der [[Lichtgeschwindigkeit]]&nbsp;''c'' im [[Vakuum]].


In diesem Zusammenhang spricht man auch von der ''schnellen'' und der ''langsamen Achse''. In einem optisch positiven einachsigen Kristall verläuft die schnelle Achse senkrecht zur optischen Achse des Kristalls, während die langsame Achse mit der optischen Achse übereinstimmt.
Die Differenz der Brechungsindizes (<math>\Delta n = n_\mathrm{ao} - n_o</math>) ist ein Maß für die Doppelbrechung. Das [[Vorzeichen (Zahl)|Vorzeichen]] wird als ''optischer Charakter'' oder ''optische Orientierung'' bezeichnet. Für [[Kalkspat]] ist <math>\Delta n = -0{,}172</math>. Kalkspat ist daher ein '''optisch negativer''' einachsiger Kristall, d.&nbsp;h., in ihm bewegt sich der außerordentliche Strahl ''schneller'' als der ordentliche:
 
<math>\begin{align}
                \Delta n        &< 0\\
\Leftrightarrow n_\mathrm{ao}    &< n_\mathrm{o}\\
\Leftrightarrow \frac c {v_{\|}} &< \frac c {v_{\perp}}\\
\Leftrightarrow          v_{\|}  &>          v_{\perp}
\end{align}</math>
 
In diesem Zusammenhang spricht man auch von der ''schnellen'' und der ''langsamen Achse''. In einem optisch negativen einachsigen Kristall verläuft die schnelle Achse parallel zur optischen Achse des Kristalls und die langsame Achse senkrecht zu ihr.
 
Entsprechend bewegt sich in einem '''optisch positiven''' einachsigen Kristall der außerordentliche Strahl ''langsamer'' als der ordentliche:
 
<math>\begin{align}
                \Delta n      &> 0\\
\Leftrightarrow n_\mathrm{ao} &> n_\mathrm{o}\\
\Leftrightarrow    v_{\|}    &< v_{\perp}
\end{align}</math>
 
Daher verläuft in einem optisch positiven einachsigen Kristall die schnelle Achse senkrecht zur optischen Achse des Kristalls, während die langsame Achse mit der optischen Achse übereinstimmt.


== Zirkulare Doppelbrechung ==
== Zirkulare Doppelbrechung ==
[[Datei:Plastic Protractor Polarized 05375.jpg|mini|[[Polystyrol]]-Platte zwischen gekreuzten Polarisationsfiltern: dichroitische zirkulare Doppelbrechung, hervorgerufen durch Texturen bei der Formgebung]]
[[Datei:Plastic Protractor Polarized 05375.jpg|mini|dichroitische zirkulare Doppelbrechung bei [[Polystyrol]]-Platten zwischen gekreuzten [[Polarisationsfilter]]n, hervorgerufen durch Texturen bei der Formgebung]]
Die Eigenschaft von [[Optische Aktivität|optisch aktiven]] Substanzen, einen unterschiedlichen Brechungsindex für links- und rechts-[[Zirkularpolarisation|zirkular polarisiertes]] Licht zu zeigen, wird als '''zirkulare Doppelbrechung'''<ref name="RaithSchaefer">{{Literatur |Autor=Wilhelm Raith, Clemens Schaefer |Titel=Elektromagnetismus |Verlag=Walter de Gruyter |Datum=1999 |ISBN=978-3-11-016097-0 |Seiten=425–426}}</ref> bezeichnet.
Die Eigenschaft [[Optische Aktivität|optisch aktiver]] Substanzen, einen unterschiedlichen Brechungsindex für links- und rechts-[[Polarisation#Polarisationsarten|zirkular polarisiertes]] Licht zu zeigen, wird als '''zirkulare Doppelbrechung''' bezeichnet.<ref name="RaithSchaefer">{{Literatur |Autor=Wilhelm Raith, Clemens Schaefer |Titel=Elektromagnetismus |Verlag=Walter de Gruyter |Datum=1999 |ISBN=978-3-11-016097-0 |Seiten=425–426}}</ref>
Erstmals beschrieben wurde die zirkulare Doppelbrechung durch [[Dominique François Jean Arago]] (1811) am [[Quarz]]. Bei Quarz ist der Effekt jedoch ungefähr um den Faktor 100 geringer als die lineare Doppelbrechung. Da sich beide Effekte überlagern, kann die zirkulare Doppelbrechung nur dann beobachtet werden, wenn die lineare Doppelbrechung nicht auftritt. Im Fall von Quarz ist dies entlang der optischen Achse der Fall.
 
Sie wurde erstmals&nbsp;1811 von [[Dominique François Jean Arago]] am [[Quarz]] beschrieben. Dort ist der Effekt ungefähr um den Faktor&nbsp;100 geringer als die lineare Doppelbrechung. Da sich beide Effekte überlagern, kann die zirkulare Doppelbrechung nur dann beobachtet werden, wenn die lineare Doppelbrechung nicht auftritt. Bei Quarz ist dies entlang der optischen Achse der Fall.
 
Um die Drehung eines linear polarisierten Strahls durch die zirkulare Doppelbrechung in einem Material zu berechnen, kann dieser als eine [[Kohärenz (Physik)|kohärent]]e [[Superposition (Physik)|Überlagerung]] eines links- und eines rechtsdrehenden Anteils mit gleicher Intensität beschrieben werden. Durch das Material bewegen sich die beiden Anteile mit unterschiedlichen [[Phasengeschwindigkeit]]en (die größere Phasengeschwindigkeit entspricht dem kleineren Brechungsindex). Nach dem Materialdurchgang ergibt die Überlagerung beider Anteile wieder einen linear polarisierten Strahl. Die [[Phasendifferenz]]&nbsp;Δφ der beiden Anteile nach dem Materialdurchgang zeigt sich in einer Drehung der Polarisations-[[Schwingungsebene]] um den Winkel&nbsp;Δφ/2 gegenüber der Schwingungsebene vor dem Materialdurchgang. Bei Quarz beträgt dieser Winkel ±21,7&nbsp;°/mm&nbsp;Materialdicke (±,&nbsp;da Quarz sowohl rechts- als auch linksdrehend auftritt).
* Eine ''Rechts''drehung wird mit einem positiven Drehwinkel beschrieben und entsteht, wenn der Brechungsindex für den ''links''drehenden Anteil größer ist als der für den rechtsdrehenden Anteil: <math>n_\text{L} > n_\text{R}</math>.
* Eine ''Links''drehung wird mit einem negativen Drehwinkel beschrieben und entsteht, wenn der Brechungsindex für den ''rechts''drehenden Anteil größer ist als der für den linksdrehenden Anteil: <math>n_\text{R} > n_\text{L}</math>.


Um die Drehung eines linear polarisierten Strahls durch die zirkulare Doppelbrechung in einem Material zu berechnen, kann dieser als eine kohärente Überlagerung eines links- und eines rechtsdrehenden Anteils mit gleicher Intensität beschrieben werden. Beide bewegen sich mit unterschiedlicher Phasengeschwindigkeit (eine größere Phasengeschwindigkeit entspricht einem kleineren Brechungsindex) durch das Material. Die Überlagerung beider Anteile nach dem Durchgang ergibt wieder einen linear polarisierten Strahl. Die Phasendifferenz Δφ der beiden Anteile zeigt sich in einer Drehung der Schwingungsebene um den Winkel Δφ/2. Bei Quarz beträgt der Winkel ±21,7&nbsp;°/mm (Quarz tritt sowohl rechts- als auch linksdrehend auf). Eine Rechtsdrehung wird mit einem positiven Drehwinkel beschrieben und entsteht im Fall, dass der Brechungsindex für den linksdrehenden Anteil größer als der für den rechtsdrehenden Anteil ist (<math>n_\text{L} > n_\text{R}</math>).
Die Ursache für die zirkulare Doppelbrechung beim Quarz ist sein „[[Helix|schraubenförmiger]]“ Kristallbau.<ref name="RaithSchaefer" /><!--Vereinfachte Erklärung fehlt noch--> Aber nicht nur kristalline Materialien mit einer „schraubenförmigen“ Struktur zeigen ein Drehvermögen der Polarisationsebene, auch Flüssigkeiten weisen diese Eigenschaft auf, z.&nbsp;B. [[Terpentin]]. Die Ursache hierfür liegt ebenfalls in ihrem molekularen Aufbau, die [[Chiralität (Chemie)|Chiralität]] genannt wird. Weiterhin kann eine zirkulare Doppelbrechung durch ein Magnetfeld induziert werden, siehe [[Faraday-Effekt]], z.&nbsp;B. bei Bleisilikatglas.


Die Ursache für die zirkulare Doppelbrechung beim Quarz ist sein „schraubenförmiger“ Kristallbau.<ref name="RaithSchaefer" /><!--Vereinfachte Erklärung fehlt noch-->
Vergleichbare Effekte gibt es auch für das Absorptionsverhalten von Materialien, siehe [[Dichroismus#Linearer und zirkularer Dichroismus|zirkularer Dichroismus]].
Aber nicht nur kristalline Materialien mit einer „schraubenförmigen“ Struktur zeigen ein Drehvermögen der Polarisationsebene, auch Flüssigkeiten (z.&nbsp;B. Terpentin) weisen diese Eigenschaft auf. Die Ursache hierfür liegt ebenfalls in ihrem molekularen Aufbau, die [[Chiralität (Chemie)|Chiralität]] genannt wird. Weiterhin kann eine zirkulare Doppelbrechung durch ein Magnetfeld induziert werden, siehe [[Faraday-Effekt]]. Dies ist beispielsweise bei Bleisilikatglas der Fall. Vergleichbare Effekte gibt es auch für das Absorptionsverhalten von Materialien, siehe [[Dichroismus]].


== Tabellen ==
== Doppelbrechende Materialien ==
Die Tabellen enthalten Daten gängiger uniaxialer bzw. biaxialer Systeme. '''D''' ist die Differenz der Brechungsindizes für den außerordentlichen (<math>\hat = e</math>) und den ordentlichen Strahl:
=== Eigenschaften ===
Die Tabellen enthalten die Brechungsindizes gängiger uni- bzw. biaxialer Systeme bei der Wellenlänge von orange-rotem Licht:
{| class="centered"
{| class="centered"
|- style="vertical-align:top"
|- style="vertical-align:top"
|
|
{| class="wikitable sortable"
{| class="wikitable sortable"
|+ Uniaxiale Kristalle, für <math>\lambda</math>=590&nbsp;nm<ref name="hypertextbook">{{cite web|last=Elert|first=Glenn|title=Refraction|work=The Physics Hypertextbook|url=http://hypertextbook.com/physics/waves/refraction/| accessdate=2010-12-21}}</ref>
|+ Uniaxiale Kristalle, für <math>\lambda</math>=590&nbsp;nm<ref name="hypertextbook">{{cite web|last=Elert|first=Glenn|title=Refraction|work=The Physics Hypertextbook|url=http://hypertextbook.com/physics/waves/refraction/|accessdate=2010-12-21|offline=yes|archiveurl=https://web.archive.org/web/20090917063013/http://hypertextbook.com/physics/waves/refraction/|archivedate=2009-09-17|archivebot=2018-04-07 03:16:33 InternetArchiveBot}}</ref>
|- class="hintergrundfarbe6"
|- class="hintergrundfarbe6"
! Material || n<sub>o</sub> || n<sub>ao</sub> || D
! Material || n<sub>o</sub> || n<sub>ao</sub> || <math>\Delta</math>n<br />=&nbsp;n<sub>ao</sub>&nbsp;-&nbsp;n<sub>o</sub>
|-
|-
| [[Beryll]] Be<sub>3</sub>Al<sub>2</sub>(SiO<sub>3</sub>)<sub>6</sub>||1,602 ||1,557 ||−0,045
| [[Beryll]] Be<sub>3</sub>Al<sub>2</sub>(SiO<sub>3</sub>)<sub>6</sub>||1,602 ||1,557 ||−0,045
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|}
|}


== Anwendung doppelbrechender Materialien ==
=== Anwendung ===
Doppelbrechende Materialien werden z.&nbsp;B. in [[Verzögerungsplatte]]n und [[Polarisator]]en verwendet.  Zu den doppelbrechenden Polarisatoren zählen unter anderem das [[Nicolsches Prisma|Nicolsche Prisma]] oder das [[Glan-Thompson-Prisma]]. Sie ermöglichen es, aus unpolarisiertem Licht linear polarisiertes Licht zu erzeugen.
Doppelbrechende Materialien werden z.&nbsp;B. in [[Verzögerungsplatte]]n und [[Polarisator]]en verwendet.  Zu den doppelbrechenden Polarisatoren zählen unter anderem das [[Nicolsches Prisma|Nicolsche Prisma]] oder das [[Glan-Thompson-Prisma]]. Sie ermöglichen es, aus unpolarisiertem Licht linear polarisiertes Licht zu erzeugen.


Bei [[Optische Abbildung|optischen Abbildungen]] können doppelbrechende Materialien als optischer [[Tiefpass]] eingesetzt werden, um beispielsweise den im Zusammenhang mit [[Bayer-Sensor]]en auftretenden [[Alias-Effekt]] zu vermindern.
Bei [[Optische Abbildung|optischen Abbildungen]] können doppelbrechende Materialien als optischer [[Tiefpass]] eingesetzt werden, um beispielsweise den im Zusammenhang mit [[Bayer-Sensor]]en auftretenden [[Alias-Effekt]] zu vermindern.


Doppelbrechung kann auch als störender Effekt auftreten, zum Beispiel beim Spritzpressen von [[Compact Disc]]s.<ref>{{Literatur |Autor=R. Wimberger-Friedl |Titel=Analysis of the birefringence distributions in compact discs of polycarbonate |Sammelwerk=Polymer Engineering & Science |Band=30 |Nummer=14 |Datum=1990 |Seiten=813–820 |DOI=10.1002/pen.760301403}}</ref> Verursacht wird die Doppelbrechung durch mechanische Verspannungen innerhalb der [[Polycarbonat]]-Schicht, beispielsweise durch thermische Belastung oder [[Scherung (Mechanik)|Scherbeanspruchung]] des Materials.
Doppelbrechung kann auch als störender Effekt auftreten, z.&nbsp;B. beim [[Spritzprägen]] von [[Compact Disc]]s.<ref>{{Literatur |Autor=R. Wimberger-Friedl |Titel=Analysis of the birefringence distributions in compact discs of polycarbonate |Sammelwerk=Polymer Engineering & Science |Band=30 |Nummer=14 |Datum=1990 |Seiten=813–820 |DOI=10.1002/pen.760301403}}</ref> Verursacht wird die Doppelbrechung hier durch [[Mechanische Spannung|mechanische Verspannungen]] innerhalb der [[Polycarbonat]]-Schicht, beispielsweise durch [[Thermische Spannung (Mechanik)|thermische Belastung]] oder [[Scherung (Mechanik)|Scherbeanspruchung]] des Materials.


Verschiedene Theorien besagen, dass die Doppelbrechung mit sogenannten [[Sonnenstein (Wikinger)|Sonnensteinen]] ein historisches Hilfsmittel war, um bei bedecktem Himmel den Sonnenstand bestimmen und Schiffe navigieren zu können.
Verschiedene Theorien besagen, dass die Doppelbrechung mit [[Sonnenstein (Wikinger)|Sonnensteinen]] ein historisches Hilfsmittel war, um bei bedecktem Himmel den [[Sonnenstand]] zu bestimmen und Schiffe zu [[Navigation|navigieren]].


== Nachweis doppelbrechender Materialien ==
=== Nachweis ===
[[Datei:Proteinkristall.png|mini|Doppelbrechende [[Proteinkristall]]e<br />unter einem Polarisationsmikroskop]]
[[Datei:Proteinkristall.png|mini|Doppelbrechende [[Proteinkristall]]e<br />unter einem Polarisationsmikroskop]]
Bei Drehung der Probe zwischen gekreuzten Polarisationsfiltern ändert sich die Helligkeit bzw. die Farbe des doppelbrechenden Objektes, während optisch isotrope Materialien keine Veränderungen im Bild zeigen.
Bei Drehung der Probe zwischen gekreuzten Polarisationsfiltern ändert sich die Helligkeit bzw. die Farbe des doppelbrechenden Objektes, während optisch isotrope Materialien keine Veränderungen im Bild zeigen.
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== Literatur ==
== Literatur ==
* Werner Döring: ''Einführung in die Theoretische Physik, Band III (Optik).'' Sammlung Göschen, Berlin 1957.
* Werner Döring: ''Einführung in die Theoretische Physik, Band III (Optik).'' Sammlung Göschen, Berlin 1957.
* Niedrig, Heinz., Eichler, Hans-Joachim., Bergmann, Ludwig., Schaefer, Clemens.:  9. Aufl. De Gruyter, Berlin 1993, ISBN 3-11-012973-6, S. 496 ff


== Weblinks ==
== Weblinks ==

Aktuelle Version vom 3. September 2020, 07:46 Uhr

Doppelbrechung beim Calcit
Doppelbrechung an einem Kalkspat-Kristall:
ordentlicher und außerordentlicher Strahl sind durch rote Fluoreszenz im Kristall sichtbar

Die Doppelbrechung oder Birefringenz ist die Fähigkeit optisch anisotroper Medien, ein Lichtbündel in zwei senkrecht zueinander polarisierte Teilbündel zu trennen (ordentlicher und außerordentlicher Strahl). Die Ursache dieses Effekts liegt im unterschiedlichen Brechungsindex (no und nao) in Abhängigkeit von der Ausbreitungsrichtung und der Polarisation des Lichts.

Ein prominentes Beispiel für ein solches Material ist Calcit (auch Kalkspat oder Doppelspat genannt), an dem die Doppelbrechung 1669 von Erasmus Bartholin entdeckt wurde.

Auch optisch isotrope Materialien (z. B. im kubischen Kristallsystem) können durch äußere Einflüsse doppelbrechend werden. Solche Einflüsse sind z. B.

  • mechanische Spannung (Deformations- oder Spannungsdoppelbrechung, siehe Spannungsoptik)
  • Texturen und Eigenspannungen bei der Formgebung
  • elektrische Felder (elektrische Doppelbrechung, elektrooptischer Kerr-Effekt)
  • magnetische Felder (magnetische Doppelbrechung, Cotton-Mouton-Effekt, allgemein siehe Magnetooptik)
  • innere Reibung und damit verbundene Texturen bei Strömungen hochzäher Flüssigkeiten.

Die meisten Flüssigkristalle sind spontan doppelbrechend.

Eng verwandt bzw. verbunden mit der Doppelbrechung ist der Dichroismus, bei dem Farben polarisationsabhängig absorbiert werden.

Physikalische Ursache

Indexellipsoid eines optisch einachsigen Kristalls

Doppelbrechung tritt in optisch anisotropen Kristallen auf. Diese weisen für unterschiedliche Polarisation und Richtung des eingestrahlten Lichtes einen unterschiedlichen Brechungsindex auf.

Das zugehörige Indexellipsoid kann sein:

Die optischen Achsen eines doppelbrechenden Kristalls sind nicht zu verwechseln mit der optischen Achse eines Systems von Linsen und Spiegeln.

Ordentlicher und außerordentlicher Strahl

Konstruktion des ordentlichen (links) und des außerordentlichen (rechts) Strahles nach Huygens in einem einachsigen Kristall. Im linken Fall ist das Licht senkrecht zur Zeichenebene polarisiert, im rechten parallel dazu. Die Ausbreitungsgeschwindigkeiten sind relativ zur optischen Achse definiert, nicht relativ zur Polarisation.

Der ordentliche Strahl und der außerordentliche Strahl werden definiert durch die Orientierung ihres elektrischen Feldes zur Ebene, die durch die optische Achse und die Ausbreitungsrichtung des einfallenden Strahls aufgespannt wird (Hauptschnitt):

  • Der ordentliche Strahl ist der Anteil des einfallenden Strahls, dessen elektrisches Feld senkrecht zum Hauptschnitt steht. Für den ordentlichen Strahl gilt in einachsigen Kristallen das Snelliussche Brechungsgesetz für isotrope Medien,[1] d. h., er wird bei senkrechtem Einfall auf den doppelbrechenden Kristall nicht gebrochen. Die Elementarwellen des ordentlichen Strahls bilden Kugelwellen, die dem Huygensschen Prinzip genügen.[2]
  • Der zweite, der außerordentliche Strahl, hingegen ist der Anteil des einfallenden Strahls, dessen elektrisches Feld im Hauptschnitt des Kristalls schwingt. Für ihn gilt das Brechungsgesetz nicht, d. h., er wird auch bei senkrechtem Einfall auf den doppelbrechenden Kristall gebrochen. Die Elementarwellen des außerordentlichen Strahls bilden Rotationsellipsoide.

Die Wellenfronten für den ordentlichen und den außerordentlichen Strahl breiten sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten $ v_{\perp } $ und $ v_{\|} $ aus, daraus folgen die zugehörigen Brechungsindizes:

$ n_{\mathrm {o} }={\frac {c}{v_{\perp }}} $

und

$ n_{\mathrm {ao} }={\frac {c}{v_{\|}}} $

mit der Lichtgeschwindigkeit c im Vakuum.

Die Differenz der Brechungsindizes ($ \Delta n=n_{\mathrm {ao} }-n_{o} $) ist ein Maß für die Doppelbrechung. Das Vorzeichen wird als optischer Charakter oder optische Orientierung bezeichnet. Für Kalkspat ist $ \Delta n=-0{,}172 $. Kalkspat ist daher ein optisch negativer einachsiger Kristall, d. h., in ihm bewegt sich der außerordentliche Strahl schneller als der ordentliche:

$ {\begin{aligned}\Delta n&<0\\\Leftrightarrow n_{\mathrm {ao} }&<n_{\mathrm {o} }\\\Leftrightarrow {\frac {c}{v_{\|}}}&<{\frac {c}{v_{\perp }}}\\\Leftrightarrow v_{\|}&>v_{\perp }\end{aligned}} $

In diesem Zusammenhang spricht man auch von der schnellen und der langsamen Achse. In einem optisch negativen einachsigen Kristall verläuft die schnelle Achse parallel zur optischen Achse des Kristalls und die langsame Achse senkrecht zu ihr.

Entsprechend bewegt sich in einem optisch positiven einachsigen Kristall der außerordentliche Strahl langsamer als der ordentliche:

$ {\begin{aligned}\Delta n&>0\\\Leftrightarrow n_{\mathrm {ao} }&>n_{\mathrm {o} }\\\Leftrightarrow v_{\|}&<v_{\perp }\end{aligned}} $

Daher verläuft in einem optisch positiven einachsigen Kristall die schnelle Achse senkrecht zur optischen Achse des Kristalls, während die langsame Achse mit der optischen Achse übereinstimmt.

Zirkulare Doppelbrechung

dichroitische zirkulare Doppelbrechung bei Polystyrol-Platten zwischen gekreuzten Polarisationsfiltern, hervorgerufen durch Texturen bei der Formgebung

Die Eigenschaft optisch aktiver Substanzen, einen unterschiedlichen Brechungsindex für links- und rechts-zirkular polarisiertes Licht zu zeigen, wird als zirkulare Doppelbrechung bezeichnet.[3]

Sie wurde erstmals 1811 von Dominique François Jean Arago am Quarz beschrieben. Dort ist der Effekt ungefähr um den Faktor 100 geringer als die lineare Doppelbrechung. Da sich beide Effekte überlagern, kann die zirkulare Doppelbrechung nur dann beobachtet werden, wenn die lineare Doppelbrechung nicht auftritt. Bei Quarz ist dies entlang der optischen Achse der Fall.

Um die Drehung eines linear polarisierten Strahls durch die zirkulare Doppelbrechung in einem Material zu berechnen, kann dieser als eine kohärente Überlagerung eines links- und eines rechtsdrehenden Anteils mit gleicher Intensität beschrieben werden. Durch das Material bewegen sich die beiden Anteile mit unterschiedlichen Phasengeschwindigkeiten (die größere Phasengeschwindigkeit entspricht dem kleineren Brechungsindex). Nach dem Materialdurchgang ergibt die Überlagerung beider Anteile wieder einen linear polarisierten Strahl. Die Phasendifferenz Δφ der beiden Anteile nach dem Materialdurchgang zeigt sich in einer Drehung der Polarisations-Schwingungsebene um den Winkel Δφ/2 gegenüber der Schwingungsebene vor dem Materialdurchgang. Bei Quarz beträgt dieser Winkel ±21,7 °/mm Materialdicke (±, da Quarz sowohl rechts- als auch linksdrehend auftritt).

  • Eine Rechtsdrehung wird mit einem positiven Drehwinkel beschrieben und entsteht, wenn der Brechungsindex für den linksdrehenden Anteil größer ist als der für den rechtsdrehenden Anteil: $ n_{\text{L}}>n_{\text{R}} $.
  • Eine Linksdrehung wird mit einem negativen Drehwinkel beschrieben und entsteht, wenn der Brechungsindex für den rechtsdrehenden Anteil größer ist als der für den linksdrehenden Anteil: $ n_{\text{R}}>n_{\text{L}} $.

Die Ursache für die zirkulare Doppelbrechung beim Quarz ist sein „schraubenförmiger“ Kristallbau.[3] Aber nicht nur kristalline Materialien mit einer „schraubenförmigen“ Struktur zeigen ein Drehvermögen der Polarisationsebene, auch Flüssigkeiten weisen diese Eigenschaft auf, z. B. Terpentin. Die Ursache hierfür liegt ebenfalls in ihrem molekularen Aufbau, die Chiralität genannt wird. Weiterhin kann eine zirkulare Doppelbrechung durch ein Magnetfeld induziert werden, siehe Faraday-Effekt, z. B. bei Bleisilikatglas.

Vergleichbare Effekte gibt es auch für das Absorptionsverhalten von Materialien, siehe zirkularer Dichroismus.

Doppelbrechende Materialien

Eigenschaften

Die Tabellen enthalten die Brechungsindizes gängiger uni- bzw. biaxialer Systeme bei der Wellenlänge von orange-rotem Licht:

Uniaxiale Kristalle, für $ \lambda $=590 nm[4]
Material no nao $ \Delta $n
= nao - no
Beryll Be3Al2(SiO3)6 1,602 1,557 −0,045
Kalkspat CaCO3 1,658 1,486 −0,172
Kalomel Hg2Cl2 1,973 2,656 +0,683
Eis H2O 1,309 1,313 +0,014
Lithiumniobat LiNbO3 2,272 2,187 −0,085
Magnesiumfluorid MgF2 1,380 1,385 +0,006
Quarz SiO2 1,544 1,553 +0,009
Rubin Al2O3 1,770 1,762 −0,008
Rutil TiO2 2,616 2,903 +0,287
Saphir Al2O3 1,768 1,760 −0,008
Natriumnitrat NaNO3 1,587 1,336 −0,251
Turmalin (komplexes Silikat) 1,669 1,638 −0,031
a-Zirkon ZrSiO4 1,960 2,015 +0,055
b-Zirkon ZrSiO4 1,920 1,967 +0,047
Biaxiale Kristalle, für $ \lambda $= 590 nm[4]
Material na nβ nɣ
Borax 1,447 1,469 1,472
Bittersalz MgSO4·7(H2O) 1,433 1,455 1,461
Glimmer, Biotit 1,595 1,640 1,640
Glimmer, Muskovit 1,563 1,596 1,601
Olivin (Mg, Fe)2SiO4 1,640 1,660 1,680
Perovskit CaTiO3 2,300 2,340 2,380
Topas 1,618 1,620 1,627
Ulexit 1,490 1,510 1,520

Anwendung

Doppelbrechende Materialien werden z. B. in Verzögerungsplatten und Polarisatoren verwendet. Zu den doppelbrechenden Polarisatoren zählen unter anderem das Nicolsche Prisma oder das Glan-Thompson-Prisma. Sie ermöglichen es, aus unpolarisiertem Licht linear polarisiertes Licht zu erzeugen.

Bei optischen Abbildungen können doppelbrechende Materialien als optischer Tiefpass eingesetzt werden, um beispielsweise den im Zusammenhang mit Bayer-Sensoren auftretenden Alias-Effekt zu vermindern.

Doppelbrechung kann auch als störender Effekt auftreten, z. B. beim Spritzprägen von Compact Discs.[5] Verursacht wird die Doppelbrechung hier durch mechanische Verspannungen innerhalb der Polycarbonat-Schicht, beispielsweise durch thermische Belastung oder Scherbeanspruchung des Materials.

Verschiedene Theorien besagen, dass die Doppelbrechung mit Sonnensteinen ein historisches Hilfsmittel war, um bei bedecktem Himmel den Sonnenstand zu bestimmen und Schiffe zu navigieren.

Nachweis

Doppelbrechende Proteinkristalle
unter einem Polarisationsmikroskop

Bei Drehung der Probe zwischen gekreuzten Polarisationsfiltern ändert sich die Helligkeit bzw. die Farbe des doppelbrechenden Objektes, während optisch isotrope Materialien keine Veränderungen im Bild zeigen.

Der Nachweis einer doppelbrechenden Substanz kann daher z. B. auch im Polarisationsmikroskop erfolgen.

Auch mithilfe der Immersionsmethode ist es möglich, doppelbrechende Materialien zu identifizieren.

Literatur

  • Werner Döring: Einführung in die Theoretische Physik, Band III (Optik). Sammlung Göschen, Berlin 1957.
  • Niedrig, Heinz., Eichler, Hans-Joachim., Bergmann, Ludwig., Schaefer, Clemens.: 9. Aufl. De Gruyter, Berlin 1993, ISBN 3-11-012973-6, S. 496 ff

Weblinks

Commons: Doppelbrechung – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Zinth, Ursula Zinth: Optik. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2005, ISBN 978-3-486-27580-3, S. 230.
  2. Hans-Joachim Bautsch, Will Kleber, Joachim Bohm: Einführung in die Kristallographie. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1998, ISBN 978-3-486-27319-9, S. 273.
  3. 3,0 3,1 Wilhelm Raith, Clemens Schaefer: Elektromagnetismus. Walter de Gruyter, 1999, ISBN 978-3-11-016097-0, S. 425–426.
  4. 4,0 4,1 Glenn Elert: Refraction. In: The Physics Hypertextbook. Archiviert vom Original am 17. September 2009.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/hypertextbook.com Abgerufen am 21. Dezember 2010.
  5. R. Wimberger-Friedl: Analysis of the birefringence distributions in compact discs of polycarbonate. In: Polymer Engineering & Science. Band 30, Nr. 14, 1990, S. 813–820, doi:10.1002/pen.760301403.

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