Als Ozonloch bezeichnet man eine starke Ausdünnung der Ozonschicht, wie sie insbesondere über der Antarktis zu beobachten ist. Die Ursachen der Ozonzerstörung sind hauptsächlich radikalische Chloratome aus chlorierten organischen Verbindungen, die zusammenfassend als Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW oder CFCs) bezeichnet werden. Die ausgedünnte Ozonschicht lässt mehr vom UV-B-Anteil der Sonnenstrahlung zum Erdboden durch. Ultraviolette Strahlung kann bei Lebewesen karzinogen wirken.
Seit Anfang der 1980er Jahre tritt das Ozonloch jährlich auf: Innerhalb weniger Wochen nach dem Sonnenaufgang in der Antarktis bricht die Ozonkonzentration ein und erholt sich innerhalb weniger Monate. Ursache dieser Dynamik ist die Speicherung und Umwandlung von Schadstoffen auf den Eiskristallen stratosphärischer Wolken, die nach der langen, kalten Polarnacht verdunsten.
Die Größe des Einbruchs entwickelte sich innerhalb weniger Jahre von wenigen Prozent auf mehr als fünfzig Prozent. Betroffen ist der ganze Polarwirbel, eine Fläche von mehreren Millionen Quadratkilometern, wie die damals beginnende Fernerkundung eindrucksvoll illustrierte. Die dramatische Entwicklung und die zweifelsfreien wissenschaftlichen Beweise der Ursachen[1] führten schnell zu einem weltweiten Verbot von FCKW, vereinbart 1987 im Montrealer Protokoll, einem Höhepunkt der Umweltbewegung.
Bereits 1974 warnten die Physikochemiker Mario J. Molina und Frank Sherwood Rowland, die Anreicherung der schwer abbaubaren FCKW in der Atmosphäre würde irgendwann zu einer wesentlichen Abnahme der Ozonkonzentration führen, weltweit und ganzjährig – das Ozonloch hatte niemand vorausgesehen. Sie erhielten zusammen mit dem Atmosphärenchemiker Paul Crutzen den Nobelpreis für Chemie 1995 für die Aufklärung des Mechanismus des Ozonlochs.[2]
Die Photolyse der FCKW-Moleküle durch UV-C setzt nicht nur die schädlichen Halogen-Atome frei, sondern leitet auch den vollständigen Abbau des FCKW-Moleküls ein. Allerdings beträgt die Lebensdauer der meisten FCKW-Verbindungen durch diesen Prozess viele Jahrzehnte, da die UV-C-Strahlung der Sonne den größten Teil der Atmosphäre nicht erreicht. Daher dürfte sich das Ozonloch erst in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts schließen.[3]
Nach Auswertungen der Messungen aus dem Jahre 2012 wurde am Südpol zum ersten Mal von einer Umkehrung des Ozon-Trends gesprochen: Laut der Leitung des meteorologischen Observatoriums der Forschungsstation Neumayer III sei die Hauptursache dieser Trendumkehrung der Erfolg des weltweiten Verbots von FCKW.[4]
Im September 2014 veröffentlichte die Welt-Organisation für Meteorologie (WMO) einen Bericht: Das Ozonloch werde spätestens im Jahr 2050 kein Thema mehr sein, wenn der Trend anhielte, den die Forschung seit Jahren beobachte.[5]
Im Herbst 2015 teilte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit, nach den jüngsten Daten sei das Ozonloch über der Antarktis (Südpol) ca. 2,5 Mio. Quadratkilometer größer als im Vorjahr und erreiche mit etwa 26 Mio. Quadratkilometern (mehr als die Fläche Nordamerikas) die größte Ausdehnung seit dem Rekordjahr 2006 (ca. 27 Mio. km²).[6][7]
Im Juni 2016 gaben Forscher bekannt, dass sich die Ozonschicht, wie seit Jahren vermutet, tatsächlich wieder erholt. Laut ihren Messungen hat sich das Loch im September um etwa 4 Mio. km² verringert, gegenüber dem Wendepunkt Jahrtausendwende. Nach Computersimulationen sei höchstens die Hälfte davon auf Wetterschwankungen zurückzuführen. Der Größenrekord vom Vorjahr sei maßgeblich auf den Ausbruch des Vulkans Calbuco zurückzuführen.[8][9]
Im Jahr 2017 erreichte es laut NASA mit rund 20 Millionen Quadratkilometern seine geringste Ausdehnung seit dem Jahr 1988. Während beim Peak sonst immer in irgendeiner Höhe der Stratosphäre eine Ozonkonzentration von 0 geherrscht habe, sei dies laut den Wetterballons dieses Jahr nicht der Fall. Als Ursache für diese geringe Ausdehnung nannte die NASA natürliche Schwankungen durch unüblich warme Stratosphärentemperaturen über der Antarktis. Dadurch wurde die Wolkenbildung über der Antarktis vermindert, die die Ausdünnung der Ozonschicht begünstigen. Diese Wolken wiederum sind ein wichtiger Ausgangspunkt für chemische Reaktionen, bei denen dann mit Hilfe der als Katalysatoren dienenden Schadstoffe Chlor und Brom die Zerstörung des Ozons erfolgt. Das schwächer ausgeprägte Ozonloch sei hingegen kein Signal für eine erhoffte schnellere Heilung. Wissenschaftler erwarten die weitgehende Erholung des UV-Schutzes bis etwa 2070; derzeit sei die Konzentration an ozonschädlichen Substanzen in der Atmosphäre noch zu hoch.[10][11][12]
Dass in der oberen Atmosphäre mehr Ozon vorhanden sein muss, als am Boden chemisch nachzuweisen war, schloss Walter Noel Hartley 1881 aus dem Vergleich des Absorptionsspektrums des Ozons im UV-B-Bereich (Hartley-Bande) mit dem dort steil abfallenden Sonnenspektrum. Quantitative Messungen wurden um 1930 mit den Dobson-Spektrophotometer Routine. Zeitgleich entwickelte Sydney Chapman einen ersten Reaktionsmechanismus, der die relative Stabilität der Ozonschicht erklärte, den Ozon-Sauerstoff-Zyklus.
Demnach wird das Ozon der Stratosphäre durch Ultraviolettstrahlung der Sonne sowohl gebildet als auch gespalten. Das abgespaltene Sauerstoffatom verbindet sich meist wieder mit einem Sauerstoffmolekül zu Ozon, wobei ein Verlust durch gelegentliche Reaktionen zwischen Sauerstoffatomen und Ozon auftritt, der das Anwachsen der Ozonkonzentration begrenzt.
Dieses Modell sagte korrekt vorher, dass im Höhenbereich der UV-C-Absorption (30–60 km) die Ozonkonzentration mit der Luftdichte abnimmt, was Anfang der 1970er Jahre mit Höhenforschungsraketen bestätigt wurde. Die Ursache ist, dass die Reaktion des Sauerstoffatoms, welche zurück zu Ozon führt,
eigentlich eine trimolekulare Reaktion ist: Es ist ein dritter Stoßpartner M nötig, der die Bindungsenergie als kinetische Energie abführt:
Je kleiner (mit zunehmender Höhe) die Konzentration von M, desto länger ist das Sauerstoffatom Verlustreaktionen ausgesetzt.
Bereits 1930 wurde aber der Makel dieses Modells offensichtlich: Es geht von einer Ozonschicht aus, die etwa dreimal so dick sein sollte, wie sie tatsächlich ist. Daher wurde nach weiteren Verlustprozessen gesucht. Zunächst vermutete man HOx (HO, HO2), wobei das H-Atom aus Verbindungen stammt, die in der Troposphäre genügend langsam abgebaut werden, so dass sie bis in die Stratosphäre gelangen: H2, H2O und CH4. In der unteren Stratosphäre, wo UV-C nicht hinreicht, werden sie durch Singulett-Sauerstoff, O(1D), geknackt, z. B.
O(1D) ist das elektrisch angeregte Sauerstoffatom, das bei der Photolyse von Ozon entsteht,
das aber bei jedem Stoß Gefahr läuft, zu einem O-Atom im elektronischen Grundzustand abgeregt zu werden, z. B.
Die Anregungsenergie wird dabei in kinetische Energie der Reaktionsprodukte umgesetzt, also in Wärme.
In der oberen Stratosphäre werden diese Verbindungen von UV-C gespalten, z. B.
und dann in rascher Folge
Die entstehenden Hydroperoxyl-Radikale, HOO•, fangen fortan O-Atome ab, die sonst Ozon bilden würden:
ohne sich dabei zu verbrauchen, denn HO• bildet unter weiterem Ozonabbau wieder HOO•:
Dieser katalytische Kreisprozess erklärt zu einem guten Teil die geringeren beobachteten Ozon-Säulenhöhen.
Ein weiterer Stoff, der in die Stratosphäre gelangen kann und dort Radikale bildet, ist Lachgas, N2O. Auch dieses wird durch UV-C photolysiert oder reagiert mit O(1D). Es bilden sich die Stickoxide NO und NO2, die miteinander im Gleichgewicht stehen:
Dieses Reaktionspaar stellt quasi eine beschleunigte Version der Ozonphotolyse dar, denn das sichtbare Licht der Sonne ist viel intensiver als das UV-B-Licht, das für die Photolyse von Ozon nötig ist. Zum Ozonabbau tragen Stickoxide indirekt bei, da ja die O-Atome nicht vollständig Ozon zurückbilden (siehe oben).
Crutzen warnte 1970 vor dem Eintrag von Stickoxiden durch Überschallflugzeuge, wie die Concorde (damals in großen Stückzahlen geplant), die in der unteren Stratosphäre fliegen.
Chloratome und andere Radikale X• führen zu zusätzlichen Verlusten, meist nach folgendem katalytischen Kreisprozess:
Dabei ist die zweite Reaktion geschwindigkeitsbestimmend, denn O-Atome sind selbst tagsüber vergleichsweise knapp. Daher findet sich z. B. Chlor in der Stratosphäre überwiegend nicht als Cl•, sondern als ClO•. Insbesondere in der Dämmerung reagieren die (ggf. verschiedenen) Radikale XO• untereinander, z. B.
Auch in diesem Fall werden die beiden Radikale X• wieder freigesetzt. Für manche andere Kombinationen von XO• ist das nicht so, wichtige Beispiele sind
Die dabei entstehenden Reaktionsprodukte werden Reservoirspezies genannt, denn in ihnen sind die Radikale nur vorübergehend gebunden, hauptsächlich nachts, während sie tagsüber mehr oder weniger schnell photolysiert werden. Während der langen Dämmerung der Polarnacht entsteht eher das langlebigere Chlornitrat ClONO2, denn es ist UV-C nötig, um es zu spalten, während für Chlor Cl2 das bei niedrigem Sonnenstand viel intensivere UV-A ausreicht.
Für das ausgeprägte Ozonloch gerade im Frühjahr ist die nächtliche Bildung von {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value) (PSC, polaren Stratosphärenwolken) verantwortlich. Normalerweise gibt es in der Stratosphäre keine Wolken, da sie zu trocken ist. Bei den besonders tiefen Temperaturen der Polarnacht, insbesondere der südlichen, bis unter −80 °C, können jedoch Reste von Wasserdampf H2O zusammen mit Salpetersäure HNO3 ausfrieren. Die Salpetersäure entsteht aus Nitraten, wie obigem Chlornitrat:
wobei Halogenverbindungen, wie hier die Hypochlorige Säure HClO, in der Gasphase bleiben und beim Sonnenaufgang schnell gespalten werden. Plötzlich gibt es sehr viele Ozon zerstörende Radikale. Erst nach und nach verdampfen die PSC und bringen die Stickstoffverbindungen zurück in die Luft, die mit den Chlorradikalen Reservoirspezies bilden und so den Ozonabbau dämpfen.
Der kräftige und stabile Polarwirbel über der Antarktis (Südpol) ist der Grund für die sehr tiefen Temperaturen im Zentrum des dortigen Wirbels: bis unter 190 K (ca. −80 °C).
Der arktische Polarwirbel hingegen wird meist nicht kalt genug für Stratosphärenwolken, sodass sich dort kein deutliches Ozonloch bildet.
Die nebenstehenden vier Abbildungen zeigen oben jeweils die Nordhalbkugel, unten die Südhalbkugel, links die farbkodierten Jahresmittel der Ozon-Säulenhöhe für 1979, vor der Entdeckung des Ozonlochs, rechts für 2007.
Meersalz (NaCl) ist wasserlöslich und wird aus der Atmosphäre ausgewaschen, bevor es die Stratosphäre erreicht.
Pflanzen liefern dagegen einen messbaren Beitrag an ozonschädigenden Verbindungen. Kreuzblütengewächse produzieren Methylbromid. Allein der Raps erzeugt 6600 Tonnen im Jahr, das sind 15 Prozent der Menge, die immer noch industriell hergestellt wird. Immergrüne Bäume und Kartoffeln synthetisieren dagegen Methylchlorid.[13]
Auch bei Vulkanausbrüchen entweichen Halogenverbindungen: Während Chlorwasserstoff größtenteils wie Meersalz ausgewaschen wird, können Bromverbindungen die Ozonschicht zumindest lokal beeinträchtigen. Bei einem Ausbruch eines Supervulkans kommt es zu einer massiven Schädigung der Ozonschicht.[14] Der letzte fand vor 74.000 Jahren statt.
Aufgrund von Forschungsergebnissen der Umweltphysiker der Universität Heidelberg vermuten Wissenschaftler, dass die Ozonschicht eventuell durch natürliche Chlor-, Brom- und möglicherweise Iodverbindungen geschädigt wird, die vor allem in den Küstenbereichen der Ozeane von Wasserpflanzen und Mikroorganismen gebildet werden. Ein Forschungsprojekt soll die natürlichen Quellen halogenierter Kohlenwasserstoffe und den atmosphärischen Transport und Abbau dieser ozonschädlichen Verbindungen untersuchen.[15] Inzwischen erhärteten Untersuchungen in Küstengewässern und in der Atmosphäre über den Gewässern im Rahmen eines Forschungsprojektes diese Vermutungen.[16]
Distickstoffmonoxid („Lachgas“) hat mittlerweile die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) als bedeutendste Quelle ozonschädlicher Emissionen des 21. Jahrhunderts abgelöst.[17]
Online-Auszug – Das Buch gibt die Ozonlochdebatte der 1980er Jahre wieder und analysiert die Veränderung, welche Wissen bei der Vermittlung aus dem wissenschaftlichen in den populärwissenschaftlichen Raum erfährt