Visby-Linsen: Unterschied zwischen den Versionen

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Als '''Visby-Linsen''' ([[Schwedische Sprache|schwedisch]]: ''Visbylinserna'') werden mehr als zehn größere und zahlreiche kleinere, überwiegend [[Sammellinse|bikonvexe]] [[Linse (Optik)|Linsen]] aus [[Quarz|Bergkristall]] bezeichnet, die heute größtenteils im Museum ''[[Gotlands Fornsal]]'' in [[Visby]] liegen.  
Als '''Visby-Linsen''' ([[Schwedische Sprache|schwedisch]]: ''Visbylinserna'') werden mehr als zehn größere und zahlreiche kleinere, überwiegend [[Sammellinse|bikonvexe]] [[Linse (Optik)|Linsen]] aus [[Quarz|Bergkristall]] bezeichnet, die heute größtenteils im Museum ''[[Gotlands Fornsal]]'' in [[Visby]] liegen.
Der ursprüngliche Fund ist Teil eines Schatzes, den [[Wikinger]] um [[1050]] niedergelegt haben; im Zuge eines Ausgrabungsprogrammes wurden im Jahr 2002 in [[Fröjel]], einer Hafenstadt der Wikingerzeit auf [[Gotland]], mehrere ähnliche Linsen gefunden.<ref name="IfAA">[http://www.leinroden.de/index.php?do=showtext&item=36 Institut für Augenoptik Aalen]</ref>
Der ursprüngliche Fund ist Teil eines Schatzes, den [[Wikinger]] um [[1050]] niedergelegt haben; im Zuge eines Ausgrabungsprogrammes wurden im Jahr 2002 in [[Fröjel]], einer Hafenstadt der Wikingerzeit auf [[Gotland]], mehrere ähnliche Linsen gefunden.<ref name="IfAA">[http://www.leinroden.de/index.php?do=showtext&item=36 Institut für Augenoptik Aalen]</ref>
[[Rodenstock (Unternehmen)|Rodenstock]] fertigte außerdem 1989 mehrere Repliken, von denen eine sich heute, als ''Lesestein'' bezeichnet, in der Optik-Ausstellung des [[Deutsches Museum|Deutschen Museums]] in [[München]] befindet.{{FN|a}}
[[Rodenstock (Unternehmen)|Rodenstock]] fertigte außerdem 1989 mehrere Repliken, von denen eine sich heute, als ''Lesestein'' bezeichnet, in der Optik-Ausstellung des [[Deutsches Museum|Deutschen Museums]] in [[München]] befindet.{{FN|a}}


== Ausführung ==
== Ausführung ==
[[Datei:Viking necklace.jpg|miniatur|Die große Kette]]
[[Datei:Viking necklace.jpg|mini|Die große Kette]]
Einige der Linsen, vor allem kleinere, haben [[silber]]ne Fassungen und wurden offenbar an Halsketten getragen. Bei einigen gefassten Linsen ist die Unterseite mit dünner Silberfolie belegt, {{"|so dass die Linsen wie Spiegel wirken.}}<ref name="leinroden" /> Die größte Kette ist ein [[Kette (Schmuck)|Collier]] aus sieben größeren, verspiegelten Linsen. In jeder dieser Linsen sieht ein Gegenüber des Trägers sein eigenes, verkleinerte Spiegelbild.
Einige der Linsen, vor allem kleinere, haben [[silber]]ne Fassungen und wurden offenbar an Halsketten getragen. Bei einigen gefassten Linsen ist die Unterseite mit dünner Silberfolie belegt, {{"|Text=so dass die Linsen wie Spiegel wirken.}}<ref name="leinroden" /> Die größte Kette ist ein [[Kette (Schmuck)|Collier]] aus sieben größeren, verspiegelten Linsen. In jeder dieser Linsen sieht ein Gegenüber des Trägers sein eigenes, verkleinerte Spiegelbild.


Die größte Linse hat einen Durchmesser von 50&nbsp;mm und ist 28,5&nbsp;mm dick. Aus den Ausgrabungen in Fröjel stammt auch ein beinahe exakt [[Sphäre (Mathematik)|sphärisch]] geschliffener Bergkristall, der mit einem Durchmesser von 45&nbsp;mm ebenfalls zu den größten gefundenen Linsen zählt.
Die größte Linse hat einen Durchmesser von 50&nbsp;mm und ist 28,5&nbsp;mm dick. Aus den Ausgrabungen in Fröjel stammt auch ein beinahe exakt [[Sphäre (Mathematik)|sphärisch]] geschliffener Bergkristall, der mit einem Durchmesser von 45&nbsp;mm ebenfalls zu den größten gefundenen Linsen zählt.


== Optische Eigenschaften ==
== Optische Eigenschaften ==
[[Datei:Visby-Linse.svg|miniatur|Asphärische Form der von Karl-Heinz Wilms vermessenen Linse{{FN|b}}]]
[[Datei:Visby-Linse.svg|mini|Asphärische Form der von Karl-Heinz Wilms vermessenen Linse{{FN|b}}]]
[[Datei:Visby-Linse cropped.jpg|miniatur|Nachbildung der von Karl-Heinz Wilms vermessenen Visby-Linse im [[Deutsches Museum|Deutschen Museum]]]]
[[Datei:Visby-Linse cropped.jpg|mini|Nachbildung der von Karl-Heinz Wilms vermessenen Visby-Linse im [[Deutsches Museum|Deutschen Museum]]]]
Fast alle Visby-Linsen sind [[asphärisch]] ausgeführt – ihr auffälligstes Merkmal. Schon Otto Ahlström beschrieb 1950 die ungewöhnliche Form der Linsen.<ref>Otto Ahlström: ''Swedish Vikings used optical lenses.'' The Optician 1950, S.&nbsp;459–469.</ref>
Fast alle Visby-Linsen sind [[asphärisch]] ausgeführt – ihr auffälligstes Merkmal. Schon Otto Ahlström beschrieb 1950 die ungewöhnliche Form der Linsen.<ref>Otto Ahlström: ''Swedish Vikings used optical lenses.'' The Optician 1950, S.&nbsp;459–469.</ref>
Zur Herstellung der rotationssymmetrischen Formen diente wahrscheinlich eine [[Drehbank#Geschichte|Drechselbank]].<ref name="VAL">[http://www.vikinganswerlady.com/fire.shtml#BurningGlasses ''Viking Age Fire-Steels and Strike-A-Lights''] bei Viking Answer Lady (englisch).</ref>
Zur Herstellung der rotationssymmetrischen Formen diente wahrscheinlich eine [[Drehbank#Geschichte|Drechselbank]].<ref name="VAL">[http://www.vikinganswerlady.com/fire.shtml#BurningGlasses ''Viking Age Fire-Steels and Strike-A-Lights''] bei Viking Answer Lady (englisch).</ref>


Karl-Heinz Wilms vermaß eine der Visby-Linsen anhand eines vergrößerten Fotos,{{FN|b}} analysierte die optischen Eigenschaften und ließ bei Rodenstock mehrere Repliken anfertigen. Wilms stellte fest, dass {{"|eine Fläche prolong{{FN|c}} [[ellipsoid]] – vielleicht nahe der Idealform, die andere Fläche aber oblong{{FN|d}} ellipsoid gestaltet|Author=Karl-Heinz Wilms}}<ref name="leinroden">Bernd Lingelbach, Olaf Schmidt: ''Der Zeit voraus: Asphärische Linsen aus dem 11. Jahrhundert.''</ref> war. Die untersuchte Linse weist eine etwa zweifache [[Vergrößerung (Optik)|Vergrößerung]] bei äußerst geringer [[Sphärische Aberration|sphärischer Aberration]] auf. Bernd Lingelbach und Olaf Schmidt vom ''Institut für Augenoptik Aalen'' vermaßen 1998 mehrere Visby-Linsen berührungslos mittels [[Lichtschnittverfahren]] und stellten zumindest bei einigen „nahezu [[Linse (Optik)#Ideale Linse|ideale optische Eigenschaften]]“<ref name="leinroden" /> fest.
Karl-Heinz Wilms, ein Mitarbeiter der Firma Rodenstock, vermaß eine der Visby-Linsen anhand eines vergrößerten Fotos,{{FN|b}} analysierte die optischen Eigenschaften und ließ bei Rodenstock mehrere Repliken anfertigen. Wilms stellte fest, dass {{"|Text=eine Fläche prolong{{FN|c}} [[ellipsoid]] – vielleicht nahe der Idealform, die andere Fläche aber oblong{{FN|d}} ellipsoid gestaltet|Autor=Karl-Heinz Wilms}}<ref name="leinroden">Bernd Lingelbach, Olaf Schmidt: ''Der Zeit voraus: Asphärische Linsen aus dem 11. Jahrhundert.''</ref> war. Die untersuchte Linse weist eine etwa zweifache [[Vergrößerung (Optik)|Vergrößerung]] bei äußerst geringer [[Sphärische Aberration|sphärischer Aberration]] auf. Bernd Lingelbach und Olaf Schmidt vom ''Institut für Augenoptik Aalen'' vermaßen 1998 mehrere Visby-Linsen berührungslos mittels [[Lichtschnittverfahren]] und stellten zumindest bei einigen „nahezu [[Linse (Optik)#Ideale Linse|ideale optische Eigenschaften]]“<ref name="leinroden" /> fest.
Diese vor rund 1000 Jahren gefertigten Linsen verfügen auch nach heutigen Maßstäben über hervorragende [[Abbildung (Optik)|Abbildungseigenschaften]] – späteren, halbkugelförmig plankonvexen Lesesteinen des [[Mittelalter]]s sind sie weit überlegen. Vergleichbare Eigenschaften wurden bei optischen Linsen erst wieder Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts erreicht.
Diese vor rund 1000 Jahren gefertigten Linsen verfügen auch nach heutigen Maßstäben über hervorragende [[Abbildung (Optik)|Abbildungseigenschaften]] – späteren, halbkugelförmig plankonvexen Lesesteinen des [[Mittelalter]]s sind sie weit überlegen. Vergleichbare Eigenschaften wurden bei optischen Linsen erst wieder Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts erreicht.


Erstmals schriftlich erwähnt wurden optische Linsen im [[Schatz der Optik]] des arabischen Gelehrten [[Alhazen|Ibn Al-Haitham]] (996–1038).<ref>Abu-'Ali Al-Hasan Ibn Al-Haytham: ''Kitab-al-Manazir.'' (deutsch: „Schatz der Optik“).</ref><ref>Ian P. Howard: ''Basic Mechanisms. Seeing in Depth.'' Band&nbsp;1. Porteous, Toronto 2002, ISBN 0-9730873-0-7, S.&nbsp;16&nbsp;ff.</ref>
Erstmals schriftlich erwähnt wurden optische Linsen im [[Schatz der Optik]] des arabischen Gelehrten [[Alhazen|Ibn Al-Haitham]] (996–1038).<ref>Abu-'Ali Al-Hasan Ibn Al-Haytham: ''Kitab-al-Manazir.'' (deutsch: „Schatz der Optik“).</ref><ref>Ian P. Howard: ''Basic Mechanisms. Seeing in Depth.'' Band&nbsp;1. Porteous, Toronto 2002, ISBN 0-9730873-0-7, S.&nbsp;16&nbsp;ff.</ref>
Um 1240 wurde das Buch ins [[Latein]]ische übersetzt. Europäische Mönche griffen den Gedanken auf und fertigten sphärische Plankonvexlinsen für Sehhilfen.
Um 1240 wurde das Buch ins [[Latein]]ische übersetzt. Europäische Mönche griffen den Gedanken auf und fertigten sphärische Plankonvexlinsen für Sehhilfen.
Dennoch sind Funde von Bergkristall-Linsen aus dem [[Altertum]] nichts außergewöhnliches. Eine der ältesten bekannten Linsen, die [[Linse von Nimrud]], die [[Austen Henry Layard]] bei seiner Ausgrabung im Königspalast von [[Nimrud]] bei [[Mosul]] im 19.&nbsp;Jahrhundert fand, wird auf ein Alter von etwa 3000 Jahren geschätzt. Die Verarbeitung von [[Quarz|Bergkristall]] war im 11.&nbsp;Jahrhundert bereits weit verbreitet, die mathematische Grundlagen für asphärische Flächen existieren hingegen erst seit 1637 durch [[René Descartes]] – die handwerkliche Praxis war damit der Theorie um 500 Jahre voraus: {{"|Offenbar haben einige oder vielleicht nur ein einziger Linsenhersteller durch jahrelanges Ausprobieren die Abbildungseigenschaften der Linsen verbessert und schließlich die ideale Form gefunden.|Author=Bernd Lingelbach, Olaf Schmidt}}<ref name="leinroden" />
Dennoch sind Funde von Bergkristall-Linsen aus dem [[Altertum]] nichts außergewöhnliches. Eine der ältesten bekannten Linsen, die [[Linse von Nimrud]], die [[Austen Henry Layard]] bei seiner Ausgrabung im Königspalast von [[Nimrud]] bei [[Mosul]] im 19.&nbsp;Jahrhundert fand, wird auf ein Alter von etwa 3000 Jahren geschätzt. Die Verarbeitung von [[Quarz|Bergkristall]] war im 11.&nbsp;Jahrhundert bereits weit verbreitet, die mathematischen Grundlagen für asphärische Flächen existieren hingegen erst seit 1637 durch [[René Descartes]] – die handwerkliche Praxis war damit der Theorie um 500 Jahre voraus: {{"|Text=Offenbar haben einige oder vielleicht nur ein einziger Linsenhersteller durch jahrelanges Ausprobieren die Abbildungseigenschaften der Linsen verbessert und schließlich die ideale Form gefunden.|Autor=Bernd Lingelbach, Olaf Schmidt}}<ref name="leinroden" />


== Herkunft ==
== Herkunft ==
Die Herkunft der Linsen ist trotz genauer Analyse nicht eindeutig geklärt. Das Rohmaterial, Bergkristall, kommt auf [[Gotland]] nicht vor. Es wurde angenommen, dass die schwedischen Wikinger die Linsen von ihren Handelszügen mitgebracht haben könnten, die sich auf den Südosten Europas und [[Kleinasien]]s konzentrierten. Möglicherweise wurden sie auch von Mitgliedern der [[Warägergarde]] aus [[Byzantinisches Reich|Byzanz]] nach Gotland gebracht. Gefasste und ungefasste Bergkristalle tauchten gegen Ende des 11. Jahrhunderts auf Gotland unvermittelt auf und verschwinden ebenso plötzlich, was die Vermutung nahelegt, dass alle Stücke Gotland aus ein und demselben Anlass erreichten. Dem entgegen steht die Tatsache, dass keine Bergkristall-Linsen mit ähnlichen Eigenschaften außerhalb Gotlands gefunden wurden. Mårten Stenberger hält außerdem zumindest die Goldschmiedearbeit der Fassungen für Gotländisch.
Die Herkunft der Linsen ist trotz genauer Analyse nicht eindeutig geklärt. Das Rohmaterial, Bergkristall, kommt auf [[Gotland]] nicht vor. Es wurde angenommen, dass die schwedischen Wikinger die Linsen von ihren Handelszügen mitgebracht haben könnten, die sich auf den Südosten Europas und [[Kleinasien]]s konzentrierten. Möglicherweise wurden sie auch von Mitgliedern der [[Warägergarde]] aus [[Byzantinisches Reich|Byzanz]] nach Gotland gebracht. Gefasste und ungefasste Bergkristalle tauchten gegen Ende des 11. Jahrhunderts auf Gotland unvermittelt auf und verschwinden ebenso plötzlich, was die Vermutung nahelegt, dass alle Stücke Gotland aus ein und demselben Anlass erreichten. Dem entgegen steht die Tatsache, dass keine Bergkristall-Linsen mit ähnlichen Eigenschaften außerhalb Gotlands gefunden wurden. [[Mårten Stenberger]] hält außerdem zumindest die Goldschmiedearbeit der Fassungen für Gotländisch.


Bei Ausgaben in Fröjel im Sommer 2002 wurde neben weiteren Linsen auch erstmals Werkzeug zur Bearbeitung von Bergkristall gefunden, daneben unbearbeitete Bergkristall-Stücke sowie halbfertige Linsen{{FN|e}} und [[Künstliche Perle|Perlen]].<ref>Ausgrabungsberichte vom {{Webarchiv | url=http://www.hgo.se/frojel/report8/Re8.html | wayback=20120220064459 | text=23.&nbsp;August}} und [http://www.hgo.se/frojel/report9/Re9.html 1.&nbsp;September] 1999</ref> Dies lässt die Möglichkeit zu, dass die Visby-Linsen möglicherweise doch auf Gotland entstanden.<ref name="IfAA" />
Bei Ausgrabungen in Fröjel im Sommer 2002 wurde neben weiteren Linsen auch erstmals Werkzeug zur Bearbeitung von Bergkristall gefunden, daneben unbearbeitete Bergkristall-Stücke sowie halbfertige Linsen{{FN|e}} und [[Künstliche Perle|Perlen]].<ref>Ausgrabungsberichte vom {{Webarchiv |url=http://www.hgo.se/frojel/report8/Re8.html |text=23.&nbsp;August |wayback=20120220064459}} und [http://www.hgo.se/frojel/report9/Re9.html 1.&nbsp;September] 1999</ref> Dies lässt die Möglichkeit zu, dass die Visby-Linsen möglicherweise doch auf Gotland entstanden.<ref name="IfAA" />


== Verwendung ==
== Verwendung ==
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== Literatur ==
== Literatur ==
* Bernd Lingelbach, Olaf Schmidt: ''Der Zeit voraus: Asphärische Linsen aus dem 11. Jahrhundert.'' ({{Webarchiv | url=http://www.leinroden.de/22visby.pdf | wayback=20120205212621 | text=Online}}; PDF; 7,3&nbsp;MB).
* {{Literatur |Autor=Olaf Schmidt, Karl-Heinz Wilms, Bernd Lingelbach |Titel=The Visby Lenses |Sammelwerk=Optometry and Vision Science |Band=76 |Nummer=9 |Datum=1999-09 |Seiten=624–639 |Online=[http://journals.lww.com/optvissci/Abstract/1999/09000/The_Visby_Lenses.19.aspx online]}}
* Bernd Lingelbach, Olaf Schmidt: ''Der Zeit voraus: Asphärische Linsen aus dem 11. Jahrhundert.'' ({{Webarchiv |url=http://www.leinroden.de/22visby.pdf |text=Online |wayback=20120205212621}}; PDF; 7,3&nbsp;MB).
* Olaf Schmidt, Karl-Heinz Wilms, Bernd Lingelbach: ''Die Visby-Linsen'' ([http://www.kleinesdorfinschleswigholstein.de/buerger/oschmi/visby/visbyd.html Online]).
* Olaf Schmidt, Karl-Heinz Wilms, Bernd Lingelbach: ''Die Visby-Linsen'' ([http://www.kleinesdorfinschleswigholstein.de/buerger/oschmi/visby/visbyd.html Online]).
* [[Richard Greeff (Augenarzt)|Richard Greeff]]: ''Die Erfindung der Augengläser. Kulturgeschichtliche Darstellungen nach urkundlichen Quellen'' (= ''Optische Bücherei.'' Bd. 1, {{ZDB|988100-1}}). Verlag A. Ehrlich, Berlin 1921.
* [[Richard Greeff (Mediziner, 1862)|Richard Greeff]]: ''Die Erfindung der Augengläser. Kulturgeschichtliche Darstellungen nach urkundlichen Quellen'' (= ''Optische Bücherei.'' Bd. 1, {{ZDB|988100-1}}). Verlag A. Ehrlich, Berlin 1921.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
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Sammlung von Visby-Linsen<br />
Sammlung von Visby-Linsen<br />
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Aktuelle Version vom 18. Dezember 2020, 16:39 Uhr

Visby-Linse mit silberner Fassung

Als Visby-Linsen (schwedisch: Visbylinserna) werden mehr als zehn größere und zahlreiche kleinere, überwiegend bikonvexe Linsen aus Bergkristall bezeichnet, die heute größtenteils im Museum Gotlands Fornsal in Visby liegen. Der ursprüngliche Fund ist Teil eines Schatzes, den Wikinger um 1050 niedergelegt haben; im Zuge eines Ausgrabungsprogrammes wurden im Jahr 2002 in Fröjel, einer Hafenstadt der Wikingerzeit auf Gotland, mehrere ähnliche Linsen gefunden.[1] Rodenstock fertigte außerdem 1989 mehrere Repliken, von denen eine sich heute, als Lesestein bezeichnet, in der Optik-Ausstellung des Deutschen Museums in München befindet.a

Ausführung

Die große Kette

Einige der Linsen, vor allem kleinere, haben silberne Fassungen und wurden offenbar an Halsketten getragen. Bei einigen gefassten Linsen ist die Unterseite mit dünner Silberfolie belegt, „so dass die Linsen wie Spiegel wirken.“[2] Die größte Kette ist ein Collier aus sieben größeren, verspiegelten Linsen. In jeder dieser Linsen sieht ein Gegenüber des Trägers sein eigenes, verkleinerte Spiegelbild.

Die größte Linse hat einen Durchmesser von 50 mm und ist 28,5 mm dick. Aus den Ausgrabungen in Fröjel stammt auch ein beinahe exakt sphärisch geschliffener Bergkristall, der mit einem Durchmesser von 45 mm ebenfalls zu den größten gefundenen Linsen zählt.

Optische Eigenschaften

Asphärische Form der von Karl-Heinz Wilms vermessenen Linseb
Nachbildung der von Karl-Heinz Wilms vermessenen Visby-Linse im Deutschen Museum

Fast alle Visby-Linsen sind asphärisch ausgeführt – ihr auffälligstes Merkmal. Schon Otto Ahlström beschrieb 1950 die ungewöhnliche Form der Linsen.[3] Zur Herstellung der rotationssymmetrischen Formen diente wahrscheinlich eine Drechselbank.[4]

Karl-Heinz Wilms, ein Mitarbeiter der Firma Rodenstock, vermaß eine der Visby-Linsen anhand eines vergrößerten Fotos,b analysierte die optischen Eigenschaften und ließ bei Rodenstock mehrere Repliken anfertigen. Wilms stellte fest, dass „eine Fläche prolongc ellipsoid – vielleicht nahe der Idealform, die andere Fläche aber oblongd ellipsoid gestaltet“ (Die Seite Vorlage:Person/styles.css hat keinen Inhalt.Karl-Heinz Wilms)[2] war. Die untersuchte Linse weist eine etwa zweifache Vergrößerung bei äußerst geringer sphärischer Aberration auf. Bernd Lingelbach und Olaf Schmidt vom Institut für Augenoptik Aalen vermaßen 1998 mehrere Visby-Linsen berührungslos mittels Lichtschnittverfahren und stellten zumindest bei einigen „nahezu ideale optische Eigenschaften[2] fest. Diese vor rund 1000 Jahren gefertigten Linsen verfügen auch nach heutigen Maßstäben über hervorragende Abbildungseigenschaften – späteren, halbkugelförmig plankonvexen Lesesteinen des Mittelalters sind sie weit überlegen. Vergleichbare Eigenschaften wurden bei optischen Linsen erst wieder Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts erreicht.

Erstmals schriftlich erwähnt wurden optische Linsen im Schatz der Optik des arabischen Gelehrten Ibn Al-Haitham (996–1038).[5][6] Um 1240 wurde das Buch ins Lateinische übersetzt. Europäische Mönche griffen den Gedanken auf und fertigten sphärische Plankonvexlinsen für Sehhilfen. Dennoch sind Funde von Bergkristall-Linsen aus dem Altertum nichts außergewöhnliches. Eine der ältesten bekannten Linsen, die Linse von Nimrud, die Austen Henry Layard bei seiner Ausgrabung im Königspalast von Nimrud bei Mosul im 19. Jahrhundert fand, wird auf ein Alter von etwa 3000 Jahren geschätzt. Die Verarbeitung von Bergkristall war im 11. Jahrhundert bereits weit verbreitet, die mathematischen Grundlagen für asphärische Flächen existieren hingegen erst seit 1637 durch René Descartes – die handwerkliche Praxis war damit der Theorie um 500 Jahre voraus: „Offenbar haben einige oder vielleicht nur ein einziger Linsenhersteller durch jahrelanges Ausprobieren die Abbildungseigenschaften der Linsen verbessert und schließlich die ideale Form gefunden.“ (Die Seite Vorlage:Person/styles.css hat keinen Inhalt.Bernd Lingelbach, Olaf Schmidt)[2]

Herkunft

Die Herkunft der Linsen ist trotz genauer Analyse nicht eindeutig geklärt. Das Rohmaterial, Bergkristall, kommt auf Gotland nicht vor. Es wurde angenommen, dass die schwedischen Wikinger die Linsen von ihren Handelszügen mitgebracht haben könnten, die sich auf den Südosten Europas und Kleinasiens konzentrierten. Möglicherweise wurden sie auch von Mitgliedern der Warägergarde aus Byzanz nach Gotland gebracht. Gefasste und ungefasste Bergkristalle tauchten gegen Ende des 11. Jahrhunderts auf Gotland unvermittelt auf und verschwinden ebenso plötzlich, was die Vermutung nahelegt, dass alle Stücke Gotland aus ein und demselben Anlass erreichten. Dem entgegen steht die Tatsache, dass keine Bergkristall-Linsen mit ähnlichen Eigenschaften außerhalb Gotlands gefunden wurden. Mårten Stenberger hält außerdem zumindest die Goldschmiedearbeit der Fassungen für Gotländisch.

Bei Ausgrabungen in Fröjel im Sommer 2002 wurde neben weiteren Linsen auch erstmals Werkzeug zur Bearbeitung von Bergkristall gefunden, daneben unbearbeitete Bergkristall-Stücke sowie halbfertige Linsene und Perlen.[7] Dies lässt die Möglichkeit zu, dass die Visby-Linsen möglicherweise doch auf Gotland entstanden.[1]

Verwendung

Über die Verwendung der Visby-Linsen ist nichts überliefert, es gibt daher nur Spekulationen. Möglicherweise wurden die Linsen von Handwerkern für die Vergrößerung filigraner Arbeiten, als Lesestein oder als Brennglas verwendet.[4]

Schmuckstücke wie die große Kette dienten daneben wohl auch einem repräsentativen und möglicherweise auch magischen Zweck.

Siehe auch

Literatur

  • Olaf Schmidt, Karl-Heinz Wilms, Bernd Lingelbach: The Visby Lenses. In: Optometry and Vision Science. Band 76, Nr. 9, September 1999, S. 624–639 (online).
  • Bernd Lingelbach, Olaf Schmidt: Der Zeit voraus: Asphärische Linsen aus dem 11. Jahrhundert. (Online (Memento vom 5. Februar 2012 im Internet Archive); PDF; 7,3 MB).
  • Olaf Schmidt, Karl-Heinz Wilms, Bernd Lingelbach: Die Visby-Linsen (Online).
  • Richard Greeff: Die Erfindung der Augengläser. Kulturgeschichtliche Darstellungen nach urkundlichen Quellen (= Optische Bücherei. Bd. 1, ZDB-ID 988100-1). Verlag A. Ehrlich, Berlin 1921.

Weblinks

Sammlung von Visby-Linsen
Link zum Bild

(Bitte Urheberrechte beachten)
Commons: Visby-Linsen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Visbylinsen auf der Webseite des Instituts für Augenoptik Aalen (IfAA)

Anmerkungen

a Inv.-Nr. 89/753, Abbildung
b Abbildung der von Karl-Heinz Wilms vermessenen Linse
c d. h. gestreckt
d d. h. gestaucht
e Abbildung von Funden aus Fröjel

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Institut für Augenoptik Aalen
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Bernd Lingelbach, Olaf Schmidt: Der Zeit voraus: Asphärische Linsen aus dem 11. Jahrhundert.
  3. Otto Ahlström: Swedish Vikings used optical lenses. The Optician 1950, S. 459–469.
  4. 4,0 4,1 Viking Age Fire-Steels and Strike-A-Lights bei Viking Answer Lady (englisch).
  5. Abu-'Ali Al-Hasan Ibn Al-Haytham: Kitab-al-Manazir. (deutsch: „Schatz der Optik“).
  6. Ian P. Howard: Basic Mechanisms. Seeing in Depth. Band 1. Porteous, Toronto 2002, ISBN 0-9730873-0-7, S. 16 ff.
  7. Ausgrabungsberichte vom 23. August (Memento vom 20. Februar 2012 im Internet Archive) und 1. September 1999

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