Victor Mordechai Goldschmidt: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Victor Mordechai Goldschmidt''' (Rufname Victor Goldschmidt; * [[10. Februar]] [[1853]] in [[Mainz]]; † [[8. Mai]] [[1933]] in [[Salzburg]]) war ein deutscher [[Mineraloge]], [[Kristallograph]], [[Naturphilosoph]], [[Mineralien|Mineraliensammler]] und [[Mäzen]].
'''Victor Mordechai Goldschmidt''' (Rufname Victor Goldschmidt; * [[10. Februar]] [[1853]] in [[Mainz]]; † [[8. Mai]] [[1933]] in [[Salzburg]]) war ein deutscher [[Mineraloge]], [[Kristallograph]], [[Naturphilosoph]], [[Mineralien]]sammler und [[Mäzen]].


== Leben ==
== Leben ==
[[Datei:V goldschmidt.JPG|miniatur|Grabstätte von Victor und Leontine Goldschmidt auf dem [[Bergfriedhof (Heidelberg)|Heidelberger Bergfriedhof]] (Abt. S).]]
[[Datei:V goldschmidt.JPG|miniatur|Grabstätte von Victor und Leontine Goldschmidt auf dem [[Bergfriedhof (Heidelberg)|Heidelberger Bergfriedhof]] (Abt. S).]]
Victor Goldschmidt studierte an der [[Bergakademie Freiberg]] in Sachsen und bestand 1874 dort sein Staatsexamen im [[Ingenieurwesen]] für [[Metallurgie]].<ref name="NDB" />
Victor Goldschmidt studierte an der [[Bergakademie Freiberg]] in Sachsen und erwarb dort 1874 sein Diplom als Hütteningenieur.<ref name="NDB" />


1880 wurde er in [[Heidelberg]] mit seiner Arbeit über ''mechanische Gesteinsanalyse'' zum [[Dr. rer. nat.]] promoviert,  anschließend setzte er seine Studien von 1882 bis 1887 in [[Wien]] fort. 1888 habilitierte er sich bei seinem Doktorvater über ''Projektion und graphische Krystallberechnung''. Im selben Jahr heiratete er seine Cousine Leontine von Portheim (Porges), Tochter eines Prager Großindustriellen aus der Verwandtschaft mütterlicherseits.
Nach kurzem Studienaufenthalt in [[München]] wurde er 1880 in [[Heidelberg]] mit seiner Arbeit ''Über Verwendbarkeit einer Kaliumquecksilberjodidlösung bei mineralogischen und petrographischen Untersuchungen'' zum Dr. phil. promoviert. Anschließend setzte er seine Studien von 1882 bis 1887 in [[Wien]] fort. 1888 habilitierte er sich an der [[Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg|Universität Heidelberg]] ''Über'' ''Projektion und graphische Krystallberechnung''. Im selben Jahr heiratete er seine Cousine Leontine von Portheim, Tochter eines Prager Großindustriellen.


Victor Goldschmidt gründete in Heidelberg das Institut für [[Mineralogie]] und [[Kristallographie]]. 1892 wurde er außerordentlicher Professor an der [[Universität Heidelberg]], 1909 ordentlicher Honorarprofessor. 1912 wurde er als korrespondierendes Mitglied in die [[Russische Akademie der Wissenschaften]] in [[Sankt Petersburg]] aufgenommen.<ref>{{Internetquelle| hrsg=Russische Akademie der Wissenschaften| url=http://www.ras.ru/win/db/show_per.asp?P=.id-50172.ln-en| sprache=englisch| titel=Ausländische Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724
1892 wurde er außerordentlicher Professor an der [[Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg|Universität Heidelberg]], 1909 ordentlicher Honorarprofessor. 1912 wurde er als korrespondierendes Mitglied in die [[Russische Akademie der Wissenschaften]] in [[Sankt Petersburg]] aufgenommen.<ref>{{Internetquelle| hrsg=Russische Akademie der Wissenschaften| url=http://www.ras.ru/win/db/show_per.asp?P=.id-50172.ln-en| sprache=englisch| titel=Ausländische Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724
| titelerg=Victor Goldschmidt| zugriff=2015-08-20}}</ref> Im Jahr 1913 wurde er zum Mitglied der [[Heidelberger Akademie der Wissenschaften]] gewählt, 1914 in die [[American Academy of Arts and Sciences]].
| titelerg=Victor Goldschmidt| zugriff=2015-08-20}}</ref> Im Jahr 1913 wurde er zum Mitglied der [[Heidelberger Akademie der Wissenschaften]] gewählt, 1914 in die [[American Academy of Arts and Sciences]].  


Sein Werk ''Atlas der Krystallformen'' entstand in den Jahren 1913 bis 1923. In diese Zeit fällt auch seine Ernennung zum Geheimen [[Hofrat]] 1917. Im Jahr 1923 wurde Goldschmidt [[Ehrenmitglied]] des ''Naturhistorisch-Medizinischen Vereins Heidelberg''.
Victor Goldschmidt gründete um 1895 in Heidelberg sein privates „Mineralogisch-Krystallographisches Institut“. Sein ''Atlas der Krystallformen'' (18 Bände) erschien in den Jahren 1913 bis 1923. In diese Zeit fällt auch seine Ernennung zum Geheimen [[Hofrat]] 1917. Im Jahr 1923 wurde Victor Goldschmidt Ehrenmitglied des [[Naturhistorisch-Medizinischen Vereins Heidelberg]].


1919 schenkten Victor und [[Leontine Goldschmidt]] dem [[Freistaat Baden]] ihre umfangreiche [[Privatsammlung]] [[Völkerkunde|völkerkundlicher]] Objekte und begründeten damit das [[Völkerkundemuseum Heidelberg]]. Trägerin wurde die finanziell großzügig ausgestattete „Josephine und Eduard von Portheim-Stiftung für Wissenschaft und Kunst“, benannt nach Leontine Goldschmidts Eltern.<ref name="NDB">{{NDB|6|612||Goldschmidt, Victor Mordechai|Ferdinand Herrmann|116757264}}</ref> 1933 gab das [[Kuratorium]] der Portheim-Stiftung dem Mineralogisch-Kristallographischen Institut den Namen ''Victor-Goldschmidt-Institut für Kristallforschung''.
Victor Goldschmidt war [[Freimaurerei|Freimaurer]] und Mitglied der Heidelberger [[Freimaurerloge]] ''[[Ruprecht zu den fünf Rosen]]''.  


Obwohl er getauft war, sah sich Goldschmidt aufgrund seiner jüdischen Herkunft gezwungen, nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 nach Österreich zu emigrieren. Victor Goldschmidt war [[Freimaurerei|Freimaurer]] und Mitglied der Heidelberger [[Freimaurerloge]] ''[[Ruprecht zu den fünf Rosen]]''. Er fand seine letzte Ruhe in Heidelberg, der Stätte seines wissenschaftlichen Wirkens und des Verbleibs seines Lebenswerkes. Sein Grab befindet sich auf dem [[Bergfriedhof (Heidelberg)|Bergfriedhof]] in Heidelberg. Leontine Goldschmidt beging am 25. August 1942 [[Suizid]], um sich der bevorstehenden Deportation nach [[KZ Theresienstadt|Theresienstadt]] zu entziehen.<ref>[http://www.mattes.de/buecher/heidelbergensia/978-3-930978-98-4_a.pdf Spurensuche (PDF)] mattes.de, abgerufen am 3. November 2017.</ref>
1919 errichteten Victor und Leontine Goldschmidt die [[Josefine und Eduard von Portheim Stiftung für Wissenschaft und Kunst]], benannt nach Victor Goldschmidts Mutter und Leontine Goldschmidts Vater.<ref name="NDB">[[Hans Jürgen Rösler]]: ''Der Kristallograph Victor Goldschmidt 1853–1933. Seine Jugendjahre und seine Beziehungen zu Berlin und Freiberg''. TU Bergakademie Freiberg, 2004. ISBN 3-86012-232-0, S. 26–29.</ref> Sie brachten ihre umfangreichen privaten Sammlungen an europäischer und außereuropäischer Kunst und Ethnographica in die Stiftung ein.
 
Victor Goldschmidt gründete mehrere wissenschaftliche Institute, darunter ein Ethnographisches Institut, auf dessen Sammlungen das heutige [[Völkerkundemuseum Heidelberg|Völkerkundemuseum]] aufbaut.
 
Zum 80. Geburtstag Victor Goldschmidts im Jahre 1933 gab der Verwaltungsrat der von Portheim-Stiftung dem „Mineralogisch-Krystallographischen Institut“ den Namen „Victor-Goldschmidt-Institut“. Im Jahr 1939 wurde das Institut von der Stiftung geschlossen und anschließend verkauft.
 
Obwohl er getauft war, sah sich Victor Goldschmidt aufgrund seiner jüdischen Herkunft gezwungen, nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 nach Österreich zu emigrieren. Er verstarb während eines Kuraufenthaltes am 8. Mai 1933 in Salzburg. Er fand seine letzte Ruhe in Heidelberg, der Stätte seines wissenschaftlichen Wirkens und des Verbleibs seines Lebenswerkes. Sein Grab befindet sich auf dem [[Bergfriedhof (Heidelberg)|Bergfriedhof]] in Heidelberg. Leontine Goldschmidt wählte am 25. August 1942 den Freitod, nachdem sie von ihrer anstehenden Deportation nach Theresienstadt erfahren hatte.<ref>[http://www.mattes.de/buecher/heidelbergensia/978-3-930978-98-4_a.pdf Spurensuche (PDF)] mattes.de, abgerufen am 3. November 2017.</ref>


== Veröffentlichungen (Auswahl) ==
== Veröffentlichungen (Auswahl) ==
* ''Index der Kristallformen'', Katalog bekannter Kristallformen aller Mineralien, 3 Bände, 1886–1891.
* ''Index der Krystallformen der Mineralien'', 3 Bde., Berlin: Julius Springer, 1886–1891
* ''Die Gesetze der Mineralassoziationen vom Standpunkt der Phasenregel'', Z. f. Anorgan. Chemie, Band 71, 1911
* ''Krystallographische Winkeltabellen'', Berlin: Julius Springer, 1897
* ''Anwendung der Phasenregel auf Silikatgesteine'', Z. f. Elektrochemie, Band 17, 1911
* ''Ueber Harmonie und Complication'', Berlin: Julius Springer, 1901
* ''Die Gesetze der Gesteinsmetamorphose, mit Beispielen aus der Geologie des südlichen Norwegens'', Vid.-Selsk. Skr. 1, Mat.-Naturv. Klasse, 1912
* ''Atlas der Krystallformen'', je 9 Tafel- und Textbde., Heidelberg: Carl Winter, 1919 (2., erw. Aufl. 1929).
* ''Atlas der Krystallformen'', 9 Tafelbände mit je einem Textband, Winter, Heidelberg 1913–1923.
* ''Über Complikation und Displikation'', Winter, Heidelberg: Carl Winter, 1921. ([http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/12511 Digitalisat Univ. Heidelberg])
* ''Über Complikation und Displikation'', Winter, Heidelberg 1921. ([http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/12511 Digitalisat Univ. Heidelberg])
* ''Kursus der Kristallometrie'' (hg. v. Hans Himmel & K. Müller), Berlin: Borntraeger, 1934.
* ''Unser Alphabet'', Winter, Heidelberg 1932.
* ''Vorlesungen zur Naturphilosophie (hg. v. F. Pösch), Wertheim am Main: E. Bechstein, 1935.''
* ''Die Entstehung unserer Ziffern'', Winter, Heidelberg 1932. ([http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/12683 Digitalisat Univ. Heidelberg])


== Literatur ==
== Literatur ==
* {{NDB|6|612||Goldschmidt, Victor Mordechai|Ferdinand Herrmann|116757264}}
* [[Leo Baer (Antiquar)|Leo Baer:]] ''Ein wissenschaftlicher Bibliophile''. In: Philobiblon, Jg. 6 (1933), Heft 7, S. 257f.
* {{NDB|6|612|612|Goldschmidt, Victor|Ferdinand Herrmann|116757264}}  
* G.C. Amstutz: ''Goldschmidt, Victor''. In: Ch.C. Gillespie (ed.), ''Dictionary of Scientific Biography, Vol. 5''. Charles Scribner’s Sons, New York 1981, S. 455–456 (auch in http://www.encyclopedia.com).
* [[Joseph Walk]] (Hrsg.): ''Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918–1945''. hrsg. vom Leo Baeck Institute, Jerusalem. Saur, München 1988, ISBN 3-598-10477-4, S. 120.
* [[Joseph Walk]] (Hrsg.): ''Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918–1945''. hrsg. vom Leo Baeck Institute, Jerusalem. Saur, München 1988, ISBN 3-598-10477-4, S. 120.
* Clara Schlichtenberger: ''Harmony and Complication. The collection of Victor Goldschmidt, founder of the Ethnographic Museum of the J. u. E. von Portheim-Stiftung in Heidelberg.'' In: ''Journal of the History of Collections.'' Band 10, 1998, S. 199–206 ([http://jhc.oxfordjournals.org/content/10/2/199.abstract Digitalisat]).
* Clara Schlichtenberger: ''Harmony and Complication. The collection of Victor Goldschmidt, founder of the Ethnographic Museum of the J. u. E. von Portheim-Stiftung in Heidelberg''. In: ''Journal of the History of Collections.'' Bd. 10, 1998, S. 199–206 ([http://jhc.oxfordjournals.org/content/10/2/199.abstract Digitalisat]).
* [[Hans Jürgen Rösler]]: ''Der Kristallograph Victor Goldschmidt 1853–1933. Seine Jugendjahre und seine Beziehungen zu Berlin und Freiberg''. TU Bergakademie Freiberg, 2004. ISBN 3-86012-232-0.
* [[Hans Jürgen Rösler]]: ''Der Kristallograph Victor Goldschmidt 1853–1933. Seine Jugendjahre und seine Beziehungen zu Berlin und Freiberg''. TU Bergakademie Freiberg, 2004. ISBN 3-86012-232-0.
*Alexander Kipnis: ''Goldschmidt, Victor Mordechai''. In: ''Badische Biographien'' (N.F.), Bd. 5 (hg. v. von Fred Ludwig Sepaintner). W. Kohlhammer, Stuttgart 2005, S. 96–98.
* Martin Sattler: ''Die Kulturtheorie von Victor Goldschmidt''. Völkerkundemuseum der Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung, Heidelberg 2005 ([http://rundschau-hd.de/wp-content/uploads/prof-martin-sattler-zur-portheim-stiftung.pdf Digitalisat]'').''
* Renate Marzolff: ''Leontine und Victor Goldschmidt''. Heidelberg 2007.
* Renate Marzolff: ''Leontine und Victor Goldschmidt''. Heidelberg 2007.
* Frank Engehausen: ''Die Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung für Wissenschaft und Kunst 1919–1955. Heidelberger Mäzenatentum im Schatten des Dritten Reiches.'' verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher, 2008.  ISBN 3-89735-531-0.
* Frank Engehausen: ''Die Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung für Wissenschaft und Kunst 1919–1955. Heidelberger Mäzenatentum im Schatten des Dritten Reiches.'' verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2008.  ISBN 3-89735-531-0.
* Dagmar Drüll: ''Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803–1932''. (Hrsg.): Rektorat der Ruprecht-Karls-Universität-Heidelberg. Springer Berlin Heidelberg Tokio. 2012. 324 S. ISBN 978-3-642-70761-2.
* Dagmar Drüll: ''Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803–1932''. (Hrsg.): Rektorat der Ruprecht-Karls-Universität-Heidelberg. Springer, Berlin Heidelberg Tokio. 2012, ISBN 978-3-642-70761-2.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/fachinfo/www/math/akademie/goldschmidt.htm Mitglieder der Heidelberger Akademie]
* [http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/fachinfo/www/math/akademie/goldschmidt.htm Mitglieder der Heidelberger Akademie]
* http://www.voelkerkundemuseum-vpst.de
* {{DNB-Portal|116757264}}


== Einzelnachweise ==
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<references />
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== Weblinks ==
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[[Kategorie:Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften]]
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[[Kategorie:Geheimer Hofrat]]
[[Kategorie:Person des Judentums (Heidelberg)]]
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Aktuelle Version vom 22. Januar 2022, 13:32 Uhr

V. M. Goldschmidt

Victor Mordechai Goldschmidt (Rufname Victor Goldschmidt; * 10. Februar 1853 in Mainz; † 8. Mai 1933 in Salzburg) war ein deutscher Mineraloge, Kristallograph, Naturphilosoph, Mineraliensammler und Mäzen.

Leben

Grabstätte von Victor und Leontine Goldschmidt auf dem Heidelberger Bergfriedhof (Abt. S).

Victor Goldschmidt studierte an der Bergakademie Freiberg in Sachsen und erwarb dort 1874 sein Diplom als Hütteningenieur.[1]

Nach kurzem Studienaufenthalt in München wurde er 1880 in Heidelberg mit seiner Arbeit Über Verwendbarkeit einer Kaliumquecksilberjodidlösung bei mineralogischen und petrographischen Untersuchungen zum Dr. phil. promoviert. Anschließend setzte er seine Studien von 1882 bis 1887 in Wien fort. 1888 habilitierte er sich an der Universität Heidelberg Über Projektion und graphische Krystallberechnung. Im selben Jahr heiratete er seine Cousine Leontine von Portheim, Tochter eines Prager Großindustriellen.

1892 wurde er außerordentlicher Professor an der Universität Heidelberg, 1909 ordentlicher Honorarprofessor. 1912 wurde er als korrespondierendes Mitglied in die Russische Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg aufgenommen.[2] Im Jahr 1913 wurde er zum Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften gewählt, 1914 in die American Academy of Arts and Sciences.

Victor Goldschmidt gründete um 1895 in Heidelberg sein privates „Mineralogisch-Krystallographisches Institut“. Sein Atlas der Krystallformen (18 Bände) erschien in den Jahren 1913 bis 1923. In diese Zeit fällt auch seine Ernennung zum Geheimen Hofrat 1917. Im Jahr 1923 wurde Victor Goldschmidt Ehrenmitglied des Naturhistorisch-Medizinischen Vereins Heidelberg.

Victor Goldschmidt war Freimaurer und Mitglied der Heidelberger Freimaurerloge Ruprecht zu den fünf Rosen.

1919 errichteten Victor und Leontine Goldschmidt die Josefine und Eduard von Portheim Stiftung für Wissenschaft und Kunst, benannt nach Victor Goldschmidts Mutter und Leontine Goldschmidts Vater.[1] Sie brachten ihre umfangreichen privaten Sammlungen an europäischer und außereuropäischer Kunst und Ethnographica in die Stiftung ein.

Victor Goldschmidt gründete mehrere wissenschaftliche Institute, darunter ein Ethnographisches Institut, auf dessen Sammlungen das heutige Völkerkundemuseum aufbaut.

Zum 80. Geburtstag Victor Goldschmidts im Jahre 1933 gab der Verwaltungsrat der von Portheim-Stiftung dem „Mineralogisch-Krystallographischen Institut“ den Namen „Victor-Goldschmidt-Institut“. Im Jahr 1939 wurde das Institut von der Stiftung geschlossen und anschließend verkauft.

Obwohl er getauft war, sah sich Victor Goldschmidt aufgrund seiner jüdischen Herkunft gezwungen, nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 nach Österreich zu emigrieren. Er verstarb während eines Kuraufenthaltes am 8. Mai 1933 in Salzburg. Er fand seine letzte Ruhe in Heidelberg, der Stätte seines wissenschaftlichen Wirkens und des Verbleibs seines Lebenswerkes. Sein Grab befindet sich auf dem Bergfriedhof in Heidelberg. Leontine Goldschmidt wählte am 25. August 1942 den Freitod, nachdem sie von ihrer anstehenden Deportation nach Theresienstadt erfahren hatte.[3]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Index der Krystallformen der Mineralien, 3 Bde., Berlin: Julius Springer, 1886–1891
  • Krystallographische Winkeltabellen, Berlin: Julius Springer, 1897
  • Ueber Harmonie und Complication, Berlin: Julius Springer, 1901
  • Atlas der Krystallformen, je 9 Tafel- und Textbde., Heidelberg: Carl Winter, 1919 (2., erw. Aufl. 1929).
  • Über Complikation und Displikation, Winter, Heidelberg: Carl Winter, 1921. (Digitalisat Univ. Heidelberg)
  • Kursus der Kristallometrie (hg. v. Hans Himmel & K. Müller), Berlin: Borntraeger, 1934.
  • Vorlesungen zur Naturphilosophie (hg. v. F. Pösch), Wertheim am Main: E. Bechstein, 1935.

Literatur

  • Leo Baer: Ein wissenschaftlicher Bibliophile. In: Philobiblon, Jg. 6 (1933), Heft 7, S. 257f.
  • Ferdinand Herrmann: Goldschmidt, Victor. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 612 (Digitalisat).
  • G.C. Amstutz: Goldschmidt, Victor. In: Ch.C. Gillespie (ed.), Dictionary of Scientific Biography, Vol. 5. Charles Scribner’s Sons, New York 1981, S. 455–456 (auch in http://www.encyclopedia.com).
  • Joseph Walk (Hrsg.): Kurzbiographien zur Geschichte der Juden 1918–1945. hrsg. vom Leo Baeck Institute, Jerusalem. Saur, München 1988, ISBN 3-598-10477-4, S. 120.
  • Clara Schlichtenberger: Harmony and Complication. The collection of Victor Goldschmidt, founder of the Ethnographic Museum of the J. u. E. von Portheim-Stiftung in Heidelberg. In: Journal of the History of Collections. Bd. 10, 1998, S. 199–206 (Digitalisat).
  • Hans Jürgen Rösler: Der Kristallograph Victor Goldschmidt 1853–1933. Seine Jugendjahre und seine Beziehungen zu Berlin und Freiberg. TU Bergakademie Freiberg, 2004. ISBN 3-86012-232-0.
  • Alexander Kipnis: Goldschmidt, Victor Mordechai. In: Badische Biographien (N.F.), Bd. 5 (hg. v. von Fred Ludwig Sepaintner). W. Kohlhammer, Stuttgart 2005, S. 96–98.
  • Martin Sattler: Die Kulturtheorie von Victor Goldschmidt. Völkerkundemuseum der Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung, Heidelberg 2005 (Digitalisat).
  • Renate Marzolff: Leontine und Victor Goldschmidt. Heidelberg 2007.
  • Frank Engehausen: Die Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung für Wissenschaft und Kunst 1919–1955. Heidelberger Mäzenatentum im Schatten des Dritten Reiches. verlag regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2008. ISBN 3-89735-531-0.
  • Dagmar Drüll: Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803–1932. (Hrsg.): Rektorat der Ruprecht-Karls-Universität-Heidelberg. Springer, Berlin Heidelberg Tokio. 2012, ISBN 978-3-642-70761-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Hans Jürgen Rösler: Der Kristallograph Victor Goldschmidt 1853–1933. Seine Jugendjahre und seine Beziehungen zu Berlin und Freiberg. TU Bergakademie Freiberg, 2004. ISBN 3-86012-232-0, S. 26–29.
  2. Ausländische Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724. Victor Goldschmidt. Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 20. August 2015 (englisch).
  3. Spurensuche (PDF) mattes.de, abgerufen am 3. November 2017.

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