Trägheitstensor: Unterschied zwischen den Versionen

Trägheitstensor: Unterschied zwischen den Versionen

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Der '''Trägheitstensor''' (Formelzeichen <math>\mathbf{I},\mathbf{\Theta}, I</math>, [[Dimension (Größensystem)|Dimension]] {{Zeile|1=M L²,}} [[Internationales Einheitensystem|SI-Einheit]] {{Zeile|1=kg m²}}) eines [[Starrer Körper|starren Körpers]] gibt seine [[Trägheitsmoment]]e an, also die [[Trägheit]] des Körpers bezüglich [[Rotation (Physik)|Drehungen]], genauer den Widerstand des Körpers gegen Änderungen seines [[Drehimpuls]]es. Im Allgemeinen zeigen die [[Winkelgeschwindigkeit]] und der Drehimpuls nicht in die gleiche Richtung&nbsp;– ein rotierender Körper „eiert“, wenn er sich frei bewegen kann, oder zeigt [[Unwucht]], wenn die Richtung der [[Drehachse]] festgehalten wird. Deshalb muss der Zusammenhang zwischen Winkelgeschwindigkeit und Drehimpuls durch einen [[Dyadisches Produkt#Koordinatenfreie Darstellung|Tensor]] –&nbsp;den Trägheitstensor&nbsp;– dargestellt werden:
{{Infobox Physikalische Größe
| Name=Trägheitstensor
| Größenart=[[Trägheitsmoment]]
| Formelzeichen=<math>\mathbf \Theta,I</math>
| SI=<math>\mathrm{kg\,\cdot\,m^2}</math>
| SI-Dimension=<math>M\,\cdot\,L^2</math>
| Anmerkungen=Der Trägheitstensor ist ein [[Kovarianz (Physik)|kovarianter]] und [[Definitheit|positiv definiter]] [[Tensor#Arten von Tensoren|Tensor 2.&nbsp;Stufe]].}}
Der '''Trägheitstensor''' ist in der [[Mechanik]] die Eigenschaft eines [[Starrer Körper|starren Körpers]], die seine [[Trägheit]] gegenüber Änderungen seines [[Drehimpuls]]es beschreibt. Sein Formelzeichen ist <math>\mathbf\Theta</math> oder <math>\mathbf I</math>. Er ist ein [[Kovarianz (Physik)|kovarianter]] [[Tensor#Arten von Tensoren|Tensor 2.&nbsp;Stufe]] und für ausgedehnte Körper [[Definitheit|positiv definit]].


:<math>\vec{L}=\mathbf{I}\cdot\vec\omega</math>
Mit Hilfe des Trägheitstensors lässt sich der Zusammenhang zwischen dem Drehimpuls <math>\vec L</math> eines Körpers und seiner [[Winkelgeschwindigkeit]] <math>\vec \omega</math> in [[vektor]]ieller Form als [[Matrixprodukt]] des Trägheitstensors mit der Winkelgeschwindigkeit darstellen:


Darin ist <math>\vec{L}</math> der Drehimpuls bezüglich des [[Massenmittelpunkt]]es des Körpers, <math>\vec\omega</math> die Winkelgeschwindigkeit und <math>\mathbf{I}</math> der Trägheitstensor des Körpers bezüglich seines Massenmittelpunktes. Der Trägheitstensor bildet durch [[Matrizenmultiplikation]] „·“ die Winkelgeschwindigkeit auf den Drehimpuls ab und diese [[lineare Abbildung]] ist bei einem Tensor vom verwendeten [[Bezugssystem]] unabhängig.
:<math>\vec{L}=\mathbf{\Theta}\cdot\vec\omega</math>


Ein Vergleich mit der Definition des [[Impuls (Physik)|Impulses]] <math>\vec p:=m\vec v</math>, der proportional zur Geschwindigkeit <math>\vec v</math> mit der [[Masse (Physik)|Masse]] ''m'' als Proportionalitätsfaktor ist, zeigt, dass der Trägheitstensor für Drehungen eine vergleichbare Rolle wie die Masse für [[Translation (Physik)|Translationsbewegungen]] spielt. Allerdings sind die Verhältnisse bei einer Rotation wesentlich komplizierter als bei einer Translation&nbsp;– unter anderem, weil der Trägheitstensor im Allgemeinen von der Ausrichtung des Körpers abhängt, die sich bei einer Drehung natürlich laufend ändert. So wird der Trägheitstensor eine Funktion der Zeit, während bei Translationen die Masse konstant ist.
Der Wert des Trägheitstensors hängt von der Wahl seines Bezugspunkts ab. Dieser wird zur Berechnung des Trägheitstensors meist auf den [[Massenmittelpunkt]] des Körpers festgelegt. Diese Wahl erleichtert die separate Berechnung von [[Drehimpuls#Der Eigendrehimpuls|Eigen-]] und [[Drehimpuls#Der Drehimpuls eines starren Körpers|Bahndrehimpuls]]. Mit Hilfe des [[Steinerscher Satz|Steinerschen Satzes]] lässt sich aus dem Trägheitstensor des Schwerpunktes der für einen beliebigen Bezugspunkt berechnen.


Trägheitstensoren einfacher Körper finden sich in der [[Liste von Trägheitstensoren]].  
In der [[Koordinatendarstellung]] des Trägheitstensors bezüglich einer [[Orthonormalbasis]] mit dem [[Koordinatenursprung]] im Bezugspunkt enthält er die [[Trägheitsmoment|Trägheits-]] und [[Deviationsmoment]]e für [[Rotation (Physik)|Rotationsachsen]], die parallel zu den [[Basisvektor]]en sind. Durch [[Koordinatentransformation]] erhält man die Trägheits- und Deviationsmomente bezüglich anderer Achsen durch den Bezugspunkt.


== Berechnung ==
Für bestimmte [[Drehachse]]n ist der Drehimpuls parallel zur Winkelgeschwindigkeit. Diese Achsen heißen [[Hauptträgheitsachse]]n. Zu jedem Körper gibt es mindestens drei aufeinander senkrecht stehende Hauptträgheitsachsen. Sie sind parallel zu den [[Eigenvektor]]en des Trägheitstensors. Die entsprechenden [[Eigenwerte]] des Trägheitstensors nennt man die [[Hauptträgheitsmoment]]e des Körpers. Rotiert der Körper um eine andere Achse als eine der Hauptträgheitsachsen, sind sein Drehimpuls und seine Rotationsachse im Allgemeinen nicht parallel. Dann ist als Folge der [[Drehimpulserhaltung]] die Rotationsachse nicht fest, sondern rotiert ebenfalls: der Körper ‚eiert‘. Hält man die Rotationsachse in diesem Fall durch Zwang fest, wirken aufgrund der [[Unwucht]] Kräfte auf die Lager und der Drehimpuls ist veränderlich.
Ist ein [[starrer Körper]] durch einzelne [[Massenpunkt]]e gegeben, so lautet der Trägheitstensor '''I''' des Starrkörpers bezüglich des [[Koordinatenursprung]]s:


:<math>\mathbf{I}
Trägheitstensoren einfacher Körper finden sich in der [[Liste von Trägheitstensoren]].
=
\sum_i m_i
\begin{pmatrix}
y_i^2+z_i^2 & -x_i y_i & -x_i z_i\\
-y_i x_i & x_i^2+z_i^2 & -y_i z_i\\
-z_i x_i & - z_i y_i & x_i^2+y_i^2\\
\end{pmatrix}
=
\sum_i m_i [(\vec x_i\cdot\vec x_i)\mathbf{1}-\vec x_i\otimes\vec x_i]
</math>
 
bzw. in Komponentenschreibweise
 
:<math>I_{\alpha\beta}
=I_{\beta\alpha}
=\sum_i m_i (r_i ^2\delta _{\alpha\beta}-x_{i\alpha} x_{i\beta})
\quad\text{für}\quad\alpha,\beta=1,2,3
</math>
 
Hierbei bezeichnen
* <math>m_i</math> die Masse des <math>i</math>-ten Massenpunkts,
* <math>x_{i1} = x_i</math>, <math>x_{i2} = y_i</math> und <math>x_{i3} = z_i</math> die [[Kartesische Koordinaten|kartesischen Koordinaten]] seines [[Ortsvektor]]s <math>\vec x_i</math>,
* <math>r_i=|\vec x_i|:=\sqrt{\vec x_i\cdot\vec x_i}=\sqrt{x_i^2+y_i^2+z_i^2}</math> mit dem [[Frobenius-Skalarprodukt]] „·“ seinen Abstand vom Ursprung,
* <math>\delta_{\alpha\beta}=\begin{cases}1&\text{für}\;\alpha=\beta\\0&\text{sonst.}\end{cases}</math> das [[Kronecker-Delta]]
* '''1''' den [[Einheitstensor]] und
* &otimes; das [[Dyadisches Produkt|dyadische Produkt]]<ref name="dyade">Das dyadische Produkt zweier Vektoren ist eine Dyade und definiert durch die Eigenschaften
<math>\begin{align}
(\vec a\otimes\vec b)^\top:=&\vec b\otimes\vec a
\\
(\vec a\otimes\vec b)\cdot\vec c:=&(\vec b\cdot\vec c)\vec a
\\
\vec c\cdot(\vec b\otimes\vec a):=&(\vec b\cdot\vec c)\vec a=(\vec a\otimes\vec b)^\top\cdot\vec c
\\
(\vec a\otimes\vec b)\cdot(\vec c\otimes\vec d)
:=&
(\vec b\cdot\vec c)\vec a\otimes\vec d
=[(\vec a\otimes\vec b)\cdot\vec c]\otimes\vec d
\\=&
\vec a\otimes[\vec b\cdot(\vec c\otimes\vec d)]
=\vec a\otimes[(\vec c\otimes\vec d)^\top\cdot\vec b]
\end{align}</math><br />
Ersteres definiert die [[Transponierte Matrix|Transposition]] und Letzteres das [[Matrizenmultiplikation|Tensorprodukt]]. Jeder Tensor (zweiter Stufe) ist als Summe von Dyaden darstellbar.</ref>
 
Ist die Masse [[Kontinuum (Physik)|kontinuierlich]] im Körper verteilt und die Massen[[dichte]] <math>\varrho(\vec{x})</math> bekannt, so ergeben sich die Komponenten aus den [[Integralrechnung|Integralen]]
 
:<math>I_{\alpha\beta}=\int_V(r^2\delta_{\alpha\beta}-x_\alpha x_\beta)\,\varrho(\vec{x})\mathrm{d}V.</math>
 
Dabei ist ''V'' das Integrationsgebiet, hier das Volumen des Körpers, und d''V'' das [[Volumenelement]].


Der Trägheitstensor ist [[Symmetrische Matrix|symmetrisch]] (<math>I_{\alpha\beta}=I_{\beta\alpha}</math>). Die [[Hauptdiagonale|Diagonalelemente]] des Trägheitstensors heißen [[Trägheitsmoment]]e und die [[Nebendiagonale]]lemente [[Deviationsmoment]]e. Diese bewirken bei Rotation durch [[Fliehkraft|Fliehkräfte]] ein [[Drehmoment]] [[Orthogonalität|normal]] zur Drehachse. Solche Drehmomente existieren im raumfesten Bezugssystem z.&nbsp;B. bei einer Stange, die um eine Achse rotiert, die mit der [[Symmetrieachse]] der Stange einen [[Spitzer Winkel|spitzen Winkel]] einschließt. Wegen der Symmetrie gibt es nicht mehr als drei verschiedene Deviationsmomente.
== Analogie zur Masse bei translatorischer Bewegung ==
{{Hauptartikel|Rotation (Physik)#Vergleich mit der Translationsbewegung}}
Der Trägheitstensor hat in den Bewegungsgleichungen der Mechanik eine vergleichbare Position bezüglich der Rotation, wie die [[Masse (Physik)|Masse]] bezüglich der [[Translation (Physik)|Translation]].
{| class="wikitable"
! Rotation !! Translation
|-
| <math>\underbrace\vec{L}_{\mathrm{Drehimpuls}} = \underbrace\mathbf{\Theta}_{\mathrm{Tr\ddot{a}gheitstensor}} \cdot\underbrace\vec{\omega}_{\mathrm{Winkelgeschwindigkeit}}</math> || <math>\underbrace\vec{p}_{\mathrm{Impuls}}=\underbrace m_{\mathrm{Masse}} \cdot \underbrace\vec{v}_{\mathrm{Geschwindigkeit}}</math>
|}
Jenseits der formal gleichen Position als Ausdruck der Trägheit, die kinematische Größe (Winkel-)Geschwindigkeit mit der dynamischen Größe (Dreh-)[[Impuls (Physik)|impuls]] zu verknüpfen, bestehen wesentliche Unterschiede, die die Rotationen gegenüber den Translationen auszeichnen:
* die Masse ist eine [[Skalar (Mathematik)#Skalare in der Physik|skalare Größe]], der Trägheitstensor ein Tensor zweiter Stufe.
* Impuls und Geschwindigkeit sind immer parallel, Drehimpuls und Winkelgeschwindigkeit im Allgemeinen nicht.
* Die Masse ist in allen Bezugssystemen zeitlich konstant, der Trägheitstensor hängt im Allgemeinen von der Ausrichtung des Körpers und seiner Lage zum Bezugspunkt ab. Da diese sich ändern können, sind die Komponenten zeitabhängig, während bei Translationen die Masse konstant ist. Nur in einem körperfesten Bezugssystem sind die Komponenten des Trägheitstensors konstant.


Beginnen sich die Massenpunkte oder das Volumen ''V'', also der Starrkörper, zu drehen, werden die Komponenten seines Trägheitstensors in einem [[Inertialsystem]] im Allgemeinen zeitabhängig. In einem körperfesten System sind die Komponenten jedoch konstant, siehe [[#Wechsel des Bezugssystems]]. Die Orientierung eines körperfesten Koordinatensystems kann so gewählt werden, dass der Tensor Diagonalform annimmt. So gewählte Achsen heißen Haupt(trägheits)achsen des Körpers.
== Trägheitstensor für eine Punktmasse ==
=== Herleitung und Definition ===
Für den [[Drehimpuls]] <math>\vec{L}</math> einer [[Punktmasse]] bezüglich des Koordinatenursprungs gilt:
:<math>\vec{L} = m\, \vec r \times \vec v = m\, \vec r \times (\vec \omega \times \vec r )</math>.
Hier sind:
* <math>m</math>: die [[Masse (Physik)|Masse]] der Punktmasse
* <math>\vec r</math>: der Ortsvektor der Punktmasse
* <math>\vec v = \dot\vec r</math>: die Geschwindigkeit der Punktmasse
* <math>\vec \omega</math>: die Winkelgeschwindigkeit der Punktmasse relativ zum Koordinatenursprung


== Steinerscher Satz ==
Dies lässt sich mit Hilfe der [[Kreuzprodukt#Graßmann-Identität|BAC-CAB-Formel]], dem [[Einheitstensor]] <math>\mathbf{1}</math> und dem Operator <math>\otimes</math> für das [[Dyadisches Produkt|dyadische Produkt]] umformen zu:
[[Datei:Steinerregel2.png|mini|Illustration des Steinerschen Satzes: Drehachse 1 geht durch den Schwerpunkt ''s'' des Körpers der Masse ''m''. Drehachse 2 ist um den Abstand <math>d=|\vec c|\sin\alpha</math> parallel verschoben.]] Der [[Steinerscher Satz|Steinersche Satz]] dient der Berechnung des Trägheitsmomentes eines starren Körpers für [[Parallelität (Geometrie)|parallel]] verschobene [[Drehachse]]n, siehe Bild. Wenn der Trägheitstensor nicht bezüglich seines Massenmittelpunkts, sondern eines anderen Bezugspunkts <math>\vec c</math> berechnet wird, dann können mit ihm die Trägheitsmomente zu beliebigen Drehachsen berechnet werden, die durch diesen Bezugspunkt gehen. Der Trägheitstensor '''I'''<sub>c</sub> bezüglich <math>\vec c</math> wird aus dem Trägheitstensor '''I'''<sub>s</sub> bezüglich des Massenmittelpunkts <math>\vec s</math> durch Addition des Trägheitstensors einer Punktmasse mit der Masse ''m'' des Starrkörpers bezüglich <math>\vec c</math> berechnet:


:<math>\mathbf{I}_c=\mathbf{I}_s+m [(\vec c\cdot\vec c)\mathbf{1}-\vec c\otimes\vec c]</math> &nbsp;bzw.&nbsp; <math>I^{ij}_c=I^{ij}_s+m[(c_1^2+c_2^2+c_3^2)\delta_{ij}-c_i c_j]</math> &nbsp;für ''i, j'' = 1, 2, 3
:<math>\vec{L} =m\,[(\vec{r}\cdot\vec r)\,\mathbf{1}-\vec{r}\otimes\vec r]\cdot\vec{\omega}</math>


Durch den Summanden <math>m [(\vec c\cdot\vec c)\mathbf{1}-\vec c\otimes\vec c]</math> ändern sich im Allgemeinen sowohl die Hauptträgheitsmomente als auch die Hauptträgheitsachsen. Die Formel kann benutzt werden, um den Trägheitstensor eines Körpers zu berechnen, der sich aus einzelnen Teilen zusammensetzt, deren Massenmittelpunkte, Hauptträgheitsachsen und Hauptträgheitsmomente bekannt sind, siehe [[Trägheitsmoment#Hauptträgheitsmomente einfacher geometrischer Körper|Hauptträgheitsmomente einfacher geometrischer Körper]] und das Beispiel [[#Trägheitstensor eines v-förmigen Körpers]] unten.
Mit der Definition des Trägheitstensors <math>\mathbf{\Theta}</math>:
:<math>\mathbf{\Theta} := m\,[(\vec{r}\cdot\vec r)\,\mathbf{1}-\vec{r}\otimes\vec r]</math>
ergibt sich der oben genannte Zusammenhang zwischen Drehimpuls und Winkelgeschwindigkeit <math>\textstyle\vec L = \mathbf{\Theta} \cdot \vec \omega</math>.


Das Trägheitsmoment bezüglich einer Drehachse <math>\hat n</math> durch den Punkt <math>\vec c</math>, dessen Abstandsvektor vom Massenmittelpunkt den Winkel <math>\alpha</math> mit der Drehachse einschließt, errechnet sich dann mit der Definition des [[Skalarprodukt]]es „·“ und <math>\sin^2\alpha = 1-\cos^2\alpha</math> zu:<ref name="dyade" />
=== Berechnung ===
Die Matrixdarstellung des Trägheitstensors <math>\mathbf{\Theta}</math> bezüglich der [[Orthonormalbasis]] mit den Einheitsvektoren <math>\hat{e}_{1,2,3}</math> erhält man aus der [[Bilinearform]] <math>\Theta_{ij} = \hat{e}_i\cdot\mathbf{\Theta}\cdot\hat{e}_j </math>, wobei die Indizes <math>i,j</math> die Koordinaten nummerieren:


:<math>\begin{align}
:<math>\begin{align}
J_c
\Theta_{ij}
=&
=& \hat{e}_i\cdot\mathbf{\Theta}\cdot\hat{e}_j\\
\hat n\cdot\{\mathbf{I}_s+m [(\vec c\cdot\vec c)\mathbf{1}-\vec c\otimes\vec c]\}\cdot\hat n
=& \hat{e}_i\cdot m\,[(\vec{r}\cdot\vec r)\,\mathbf{1}-\vec{r}\otimes\vec r]\cdot\hat{e}_j\\
\\=&
=& m\,\hat{e}_i\cdot[(\vec{r}\cdot\vec r)\hat{e}_j-(\vec r\cdot\hat{e}_j)\vec{r}]\\
\hat n\cdot\mathbf{I}_s\cdot\hat n+m [\vec c\cdot\vec c-(\vec c\cdot\hat n)^2]
=& m\,[(\vec{r}\cdot\vec r)(\hat{e}_i\cdot\hat{e}_j)-r_j(\hat{e}_i\cdot\vec{r})]\\
\\=&
=& m\,[(\vec{r}\cdot\vec r)\delta_{ij}-r_i\, r_j]\\
J_s+m |\vec c|^2(1-\cos^2\alpha)
\Rightarrow\Theta=& m\,\begin{pmatrix}
\\=&
  (r_2^2+r_3^2) & -r_1 r_2      & -r_1 r_3\\
J_s+m d^2
-r_1 r_2      &  (r_1^2+r_3^2)   & -r_2 r_3\\
-r_1 r_3      & -r_2 r_3      & (r_1^2+r_2^2) \end{pmatrix} \\
\end{align}</math>
\end{align}</math>


Da ''d'' der Abstand des Massenmittelpunkts von der Drehachse ist, sind die Trägheitsmomente bezüglich des Massenmittelpunkts minimal, denn durch Verschiebung des Bezugspunktes lassen sie sich nicht weiter verkleinern.
Hier sind zusätzlich:
 
* <math>\vec r = (r_1,\, r_2,\, r_3) </math> die Koordinaten des [[Ortsvektor]]s
Um obige Formel für den Trägheitstensor bezüglich eines Bezugspunkts <math>\vec c</math> nachzuweisen, sei der Massenmittelpunkt im Ursprung und der Trägheitstensor
* <math>\delta_{ij}=\begin{cases}1&\text{für}\;i=j\\0&\text{sonst.}\end{cases}</math> das [[Kronecker-Delta]]


:<math>\mathbf{I}_s=\int_V [(\vec x\cdot\vec x)\mathbf{1}-\vec x\otimes\vec x]\,\varrho\mathrm{d}V</math>
Der Trägheitstensor ist ein symmetrischer Tensor, denn es gilt stets <math>\Theta_{ij} = \Theta_{ji}</math>.
 
bekannt. Der Trägheitstensor bezüglich <math>\vec c</math> berechnet sich dann zu:<ref name="dyade" />
 
:<math>\begin{align}
\mathbf{I}_c
:=&
\int_V\{[(\vec x-\vec c)\cdot(\vec x-\vec c)]\mathbf{1}-(\vec x-\vec c)\otimes(\vec x-\vec c)\}\,\varrho\mathrm{d}V
\\=&
\int_V\{[\vec x\cdot\vec x-2\vec x\cdot\vec c+\vec c\cdot\vec c]\mathbf{1}
-\vec x\otimes\vec x
+\vec x\otimes\vec c
+\vec c\otimes\vec x
-\vec c\otimes\vec c
\}\,\varrho\mathrm{d}V
\\=&
\int_V [(\vec x\cdot\vec x)\mathbf{1}-\vec x\otimes\vec x]\,\varrho\mathrm{d}V
+ [(\vec c\cdot\vec c)\mathbf{1}-\vec c\otimes\vec c]\int_V\,\varrho\mathrm{d}V
+\underline{\int_V [-2(\vec x\cdot\vec c)\mathbf{1}+\vec x\otimes\vec c+\vec c\otimes\vec x]\,\varrho\mathrm{d}V}
\\=&
\mathbf{I}_s+m [(\vec c\cdot\vec c)\mathbf{1}-\vec c\otimes\vec c]
\end{align}</math>


Das unterstrichene Volumenintegral trägt nichts bei, weil nach Voraussetzung der Massenmittelpunkt <math>\vec s:=\tfrac1m\int_V\vec x\,\varrho\mathrm{d}V=\vec0</math> im Ursprung liegt.
== Struktur des Trägheitstensors ==
Die Elemente des Trägheitstensors in einer Koordinatendarstellung haben unmittelbare physikalische Bedeutung:


== Transformationseigenschaften ==
=== Trägheitsmoment bezüglich einer beliebigen Achse ===
=== Trägheitsmomente ===
{{Hauptartikel|Trägheitsmoment}}
{{Hauptartikel|Trägheitsmoment}}
Das Trägheitsmoment bezüglich einer Achse durch den Ursprung (also anschaulich die Schwierigkeit, den Körper um diese Achse zu drehen) lässt sich mit Hilfe des Trägheitstensors berechnen. Ist <math>\hat n</math> ein [[Einheitsvektor]] (Vektor der Länge&nbsp;1 und deshalb mit Hut geschrieben) in Richtung der Achse, so ist das zugehörige Trägheitsmoment
Die drei Elemente der Hauptdiagonale sind die Trägheitsmomente des Körpers bei Rotation um die jeweilige Achse des Koordinatensystems.  
 
Das Trägheitsmoment <math>\Theta_{ee}</math> um eine Achse in Richtung eines beliebigen Einheitsvektors <math>\hat e</math> ergibt sich durch
:<math>I_{nn}
=\sum_{\alpha=1}^3\sum_{\beta=1}^3 n_\alpha I_{\alpha\beta}n_\beta
=\hat n\cdot\mathbf{I}\cdot\hat n,</math>


wobei <math>n_\alpha</math> die Komponenten des Einheitsvektors bezüglich der Standardbasis <math>\hat{e}_{1,2,3}</math> sind. Insbesondere geben die Diagonalelemente <math>I_{\alpha\alpha}</math> für <math>\hat n=\hat{e}_\alpha</math> die Trägheitsmomente um die Koordinatenachse <math>\hat{e}_\alpha</math> an.
:<math>\Theta_{ee} = \hat e \cdot \mathbf{\Theta} \cdot \hat e</math>.


Denn das Trägheitsmoment gibt den Widerstand eines [[Starrer Körper|starren Körpers]] gegenüber einer Änderung seiner [[Rotationsbewegung]] um eine gegebene Achse an:
Das sieht man einfach an der obigen Matrixdarstellung, wenn man den gewählten Einheitsvektor <math>\hat e</math> durch zwei weitere Einheitsvektoren zu einer Orthogonalbasis erweitert. Denn die Diagonalelemente sind die Trägheitsmomente um die Richtungen der Basisvektoren.


:<math>L=J\omega</math>
=== Deviationsmomente ===
 
{{Hauptartikel|Deviationsmoment}}
mit
Die Nichtdiagonalelemente heißen [[Deviationsmoment]]e. Sie geben (nach Multiplikation mit <math>\omega^2</math>) die Drehmomente an, die von den Lagern ausgeübt werden müssen, damit die Drehachse ihre Richtung beibehält.
* ''L:'' Achsenparallele Komponente des Drehimpulses,
* ''J:'' Trägheitsmoment des Körpers um die raumfeste Achse,
* ''ω:'' Winkelgeschwindigkeit um die Achse.
 
Weil die Achse <math>\hat n</math> gegeben ist, ist <math>\vec\omega=\omega\hat n</math>, und die achsenparallele Komponente des Drehimpulses ergibt sich zu
 
:<math>L:=\hat{n}\cdot\vec{L}
=\hat{n}\cdot\mathbf{I}\cdot\vec\omega
=\hat{n}\cdot\mathbf{I}\cdot\omega\hat n
=\hat{n}\cdot\mathbf{I}\cdot\hat n\,\omega
=J\omega
\quad\rightarrow\quad
J=\hat{n}\cdot\mathbf{I}\cdot\hat n
.</math>
 
Die Hauptträgheitsachsen <math>\hat{g}_k</math> und Hauptträgheitsmomente <math>I_k</math> erfüllen <math>\mathbf{I}\cdot\hat{g}_k=I_k\hat{g}_k</math> mit ''k''&nbsp;= 1, 2, 3, siehe [[#Hauptträgheitsachsen und Hauptträgheitsmomente]]. Bei einer Drehung um eine Hauptträgheitsachse ergibt sich:
 
:<math>L
=\hat{g}_k\cdot\vec L
=\hat{g}_k\cdot\mathbf{I}\cdot\hat{g}_k\,\omega
=\hat{g}_k\cdot I_k\hat{g}_k\,\omega
=I_k\omega
</math>
 
Das Trägheitsmoment um eine Hauptträgheitsachse ist das jeweilige Hauptträgheitsmoment.
 
=== Drehimpuls ===
Der [[Drehimpuls]] eines Starrkörpers bezüglich seines Massenmittelpunkts lässt sich –&nbsp;wie eingangs erwähnt&nbsp;– aus der [[Winkelgeschwindigkeit]] <math>\vec\omega</math> durch [[Matrizenmultiplikation]] des Trägheitstensors mit der Winkelgeschwindigkeit berechnen:
 
:<math>\vec L =\mathbf{I}\cdot\vec\omega</math>
 
Die Komponenten lauten für ''α'' = 1, 2, 3
* in kartesischen Koordinaten: <math>L_\alpha=\sum_{\beta=1}^3 I_{\alpha\beta}\omega_\beta,</math>
* im körperfesten Hauptachsensystem: <math>L_\alpha=I_\alpha\omega_\alpha.</math>
 
=== Rotationsenergie ===
{{Hauptartikel|Rotationsenergie}}
Die Rotationsenergie eines starren Körpers, der mit der Winkelgeschwindigkeit <math>\vec\omega</math> um seinen Massenmittelpunkt rotiert, ist
 
:<math>E_\text{rot}
:=\frac12\vec\omega\cdot\mathbf{I}\cdot\vec\omega
=\frac12\sum_{\alpha=1}^3\sum_{\beta=1}^3\omega_\alpha I_{\alpha\beta}\omega_\beta
=\frac12(I_1\omega_1^2+I_2\omega_2^2+I_3\omega_3^2)
.</math>
 
Im letzten Schritt wurde das mit dem Körper rotierende Hauptachsensystem benutzt. Weil der Trägheitstensor [[positiv definit]] ist, ist die Rotationsenergie bei Rotationen immer positiv. Die Winkelgeschwindigkeiten mit gleicher Rotationsenergie liegen im körperfesten System auf einem [[Ellipsoid]], dem ''[[Energieellipsoid]]''.
 
== Eigenschaften ==
Der Trägheitstensor eines ausgedehnten Körpers hat den [[Rang (Mathematik)|Rang]] 3 und die Dimension und Einheit eines Trägheitsmoments, wie sie eingangs angegeben sind.
 
Der Trägheitstensor ist ein symmetrischer Tensor zweiter Stufe, also
 
:<math>\mathbf{I}=\mathbf{I}^\top
\quad\text{bzw.}\quad
I_{ij} = I_{ji}
.</math>
 
Das Superskript „<math>{}^\top</math>“ steht für die [[Transponierte Matrix|Transposition]].
 
=== Positive Definitheit ===
Der Trägheitstensor ist [[positiv definit]]. Anschaulich klar ist diese Aussage, weil die [[Rotationsenergie]]
 
:<math>E_\text{rot}:=\frac12\vec\omega\cdot\mathbf{I}\cdot\vec\omega</math>
 
bei realen Körpern und vorhandener Winkelgeschwindigkeit <math>\vec\omega\ne\vec 0</math> immer positiv ist. Mit der [[Kreuzprodukt#Lagrange-Identität|Lagrange-Identität]] <math>(\vec\omega\times\vec{x})^2
=(\vec\omega\cdot\vec\omega)(\vec{x}\cdot\vec{x})-(\vec\omega\cdot\vec{x})^2</math> berechnet sich tatsächlich
 
:<math>\begin{align}
\vec\omega\cdot\mathbf{I}\cdot\vec\omega
=&
\vec\omega\cdot
\int_V [(\vec x\cdot\vec x)\mathbf{1}-\vec x\otimes\vec x]\,\varrho\mathrm{d}V
\cdot\vec\omega
=
\vec\omega\cdot
\int_V [(\vec x\cdot\vec x)\vec\omega-(\vec x\cdot\vec\omega)\vec x]\,\varrho\mathrm{d}V
\\=&
\int_V [(\vec x\cdot\vec x)(\vec\omega\cdot\vec\omega)-(\vec x\cdot\vec\omega)(\vec x\cdot\vec\omega)]\,\varrho\mathrm{d}V
=
\int_V (\vec\omega\times\vec x)^2\,\varrho\mathrm{d}V > 0
\end{align}</math>
 
Im Integranden steht das abseits der Drehachse positive Betragsquadrat der Geschwindigkeit der Partikel im Körper bei reiner Rotation. In realen, in allen drei Raumrichtungen ausgedehnten Körpern mit positiver Dichte und bei vorhandener Winkelgeschwindigkeit ist dieses Integral immer positiv und der Trägheitstensor mithin positiv definit.
 
=== Additivität ===
Der Trägheitstensor eines Körpers, der aus mehreren Starrkörpern besteht, ist die Summe der Trägheitstensoren dieser Teilkörper. Das ergibt sich direkt aus der Vorschrift zur [[#Berechnung|Berechnung]] des Trägheitstensors eines Körpers aus seinen Massepunkten oder der [[Integralrechnung#Axiomatischer Zugang|Linearität des bestimmten Integrals]]. Die Trägheitstensoren der Teilkörper müssen alle mit demselben Bezugspunkt, ggf. unter Benutzung des [[Steinerscher Satz|Steiner’schen Satzes]], berechnet werden, siehe das Beispiel [[#Trägheitstensor eines v-förmigen Körpers]] unten.
 
Die Additivität gilt auch für Differenzen, mit denen der Trägheitstensor eines Körpers mit einer Aussparung berechnet werden kann.
 
[[Datei:Zylinder-rohr-s.svg|mini|Hohlzylinder]]
 
Beispielsweise ist der Trägheitstensor eines [[Hohlzylinder]]s wie im Bild die Differenz der Trägheitstensoren zweier Vollzylinder, die denselben Massenmittelpunkt besitzen. Ein homogener Vollzylinder mit Radius ''r'', Höhe ''h'' und Dichte ''ρ'' hat den Trägheitstensor
 
:<math>\mathbf{I}(\rho, r,h)
=
\frac{m}{12}
\begin{pmatrix}
3r^2+h^2\\
& 3r^2+h^2 &\\
& & 6r^2
\end{pmatrix}
.</math>
 
Dabei ist <math>m=\pi\rho h r^2</math> die Masse des Vollzylinders und die 3-Achse seine [[Figurenachse]]. Der Trägheitstensor des Hohlzylinders ist die Differenz aus dem Trägheitstensor des Vollzylinders mit Radius ''R'' und dem Trägheitstensor des Vollzylinders mit Radius ''{{nowrap|1=r < R,}}'' der ausgespart wird:
 
:<math>
\mathbf{I}_{\rm hohl}
=
\mathbf{I}(\rho,R,h)-\mathbf{I}(\rho,r,h)
=
\frac{m}{12}
\begin{pmatrix}
3(R^2+r^2)+h^2 & &\\
& 3(R^2+r^2)+h^2 &\\
& & 6(R^2+r^2)
\end{pmatrix}
</math>
 
Dabei ist <math>m=\pi\rho h(R^2-r^2)</math> die Masse des Hohlzylinders.


=== Hauptträgheitsachsen und Hauptträgheitsmomente ===
=== Hauptträgheitsachsen und Hauptträgheitsmomente ===
Häufig liegt der Trägheitstensor ''nicht'' diagonal vor. Da er symmetrisch ist, lässt er sich jedoch durch Lösen des [[Eigenwertproblem]]s [[Diagonalmatrix#Diagonalisierung|diagonaliseren]].
{{Hauptartikel|Hauptträgheitsachse}}
Im Allgemeinen gilt <math>\vec{L}=\mathbf{\Theta}\cdot\vec\omega</math>. Aus der positiven Definitheit des Tensors <math>\mathbf{\Theta}</math> folgt, dass es in drei Raumdimensionen auch drei positive [[Eigenwerte]] <math>\Theta_k</math> und zugehörige [[Eigenvektor]]en <math>\vec\omega_k</math> gibt, für die gilt <math>\vec{L}=\Theta_k \vec\omega_k</math>.


Dazu wird zunächst das [[Charakteristisches Polynom|charakteristische Polynom]] des Trägheitstensors gebildet:
Die Eigenvektoren des Trägheitstensors heißen Hauptträgheitsachsen und seine Eigenwerte sind die [[Hauptträgheitsmoment]]e.
 
:<math>\operatorname{det}(\mathbf{I}-I_k\mathbf{1})=-I_k^3+a_1 I_k^2-a_2 I_k+a_3=0</math>
 
Der Operator <math>\operatorname{det}</math> liefert die [[Determinante]] und damit die Koeffizienten ''a''<sub>1,2,3</sub>, also die [[Hauptinvariante]]n des Trägheitstensors. Die Lösungen dieser Gleichung sind die Eigenwerte des Trägheitstensors, also die Hauptträgheitsmomente <math>I_k \ (\text{mit}\quad k=1,2,3)</math>. Sie sind positiv, weil es sich um die Trägheitsmomente um die jeweilige Hauptträgheitsachse handelt. Die zugehörigen Hauptträgheitsachsen sind parallel zu den [[Eigenvektor]]en <math>\hat{g}_k</math>, die eine Lösung des Problems
 
:<math>\mathbf{I}\cdot\hat{g}_k=I_k\hat{g}_k</math>
 
sind. Eine Hauptträgheitsachse ist eindeutig bestimmt, wenn das zugehörige Hauptträgheitsmoment sich von den beiden anderen Hauptträgheitsmomenten unterscheidet. Weil der Trägheitstensor symmetrisch ist, bilden die Eigenvektoren (nach Normierung <math>|\hat{g}_k|=1</math>) eine [[Orthonormalbasis]] im Raum, d.&nbsp;h. sie stehen paarweise senkrecht aufeinander oder lassen sich orthogonalisieren.


Mit den Hauptträgheitsmomenten und ihren Hauptträgheitsachsen bekommt der Trägheitstensor eine besonders einfache [[Diagonalmatrix|Diagonalgestalt]]:
Mit den Hauptträgheitsmomenten und ihren Hauptträgheitsachsen bekommt der Trägheitstensor eine besonders einfache [[Diagonalmatrix|Diagonalgestalt]]:


:<math>\mathbf{I}
:<math>\mathbf{\Theta}
=\sum_{i=1}^3 I_i\hat{g}_i\otimes\hat{g}_i
=\begin{pmatrix}\Theta_1 &&\\ & \Theta_2 &\\ && \Theta_3\end{pmatrix}
=\begin{pmatrix}I_1 &&\\ & I_2 &\\ && I_3\end{pmatrix}_{\hat{g}_i\otimes\hat{g}_j}
</math>
 
Von den drei Hauptträgheitsachsen hat eine das größte mögliche Trägheitsmoment und eine andere das kleinste.<ref name="timm">Carsten Timm: ''[https://www.physik.tu-dresden.de/~timm/personal/teaching/mechla_s09/TM_Skript.pdf Theoretische Mechanik.]'' Kapitel 5.3.1 ''Rotation um freie Achsen''. 18. Juli 2011, Technische Universität Dresden, Institut für Theoretische Physik, abgerufen am 3. Februar 2017.</ref> Die Koordinatenachsen mit dem größten und dem kleinsten Trägheitsmoment sowie die auf diesen beiden senkrecht stehende Achse bilden die Hauptträgheitsachsen.
 
Wenn der Körper homogen ist, lassen sich die Hauptträgheitsachsen häufig leicht ermitteln:
* Bei allen irgendwie symmetrischen Körpern liegen Hauptträgheitsachsen in der Symmetrieebene oder der Symmetrieachse.
* Bei einem [[Achsensymmetrie|achsensymmetrischen]] Körper, wie etwa einem kreisrunden Zylinder, aber auch z.&nbsp;B. bei einem Stab mit quadratischer oder regelmäßig [[polygon]]aler Grundfläche, sind zwei der drei Hauptträgheitsmomente untereinander gleich. Ihre Hauptträgheitsachsen spannen die Grundfläche auf und die dritte Hauptträgheitsachse ist senkrecht zu dieser.
* Sind <math>I_1</math>, <math>I_2</math> und <math>I_3</math> paarweise voneinander verschieden, so liegt ''keine'' Achsensymmetrie vor, und/oder der Bezugspunkt liegt ''nicht'' im [[Massenmittelpunkt]].
 
Die Summe von zwei Hauptträgheitsmomenten ist immer größer als das dritte, was mit den [[Binetsches Trägheitsmoment|Binet’schen Trägheitsmomenten]] gezeigt werden kann. Aus drei Seiten mit den Längen der Hauptträgheitsmomente lässt sich also immer ein Dreieck zusammensetzen, weil die [[Dreiecksungleichung]]en erfüllt werden.
 
=== Wechsel des Bezugssystems ===
Die Hauptträgheitsachsen lassen sich zu einer [[Drehmatrix]] <math>Q</math> zusammenfassen, die die Koeffizientenmatrix des Trägheitstensors von der Standardbasis in das Hauptachsensystem [[Koordinatentransformation|transformiert]].
 
Für die allgemeine Koordinatentransformation bilde <math>\hat{g}_{1,2,3}</math> zunächst nur eine beliebige, [[Rechtssystem (Mathematik)|rechtshändige]] [[Orthonormalbasis]]. Dann gelten die Darstellungen des Trägheitstensors<ref name="dyade" />
 
:<math>\mathbf{I}
=
\sum_{\alpha,\beta=1}^3I_{\alpha\beta}\hat{e}_\alpha\otimes\hat{e}_\beta
=
\sum_{i,j=1}^3 I^{ij}_\text{L}\hat{g}_i\otimes\hat{g}_j
</math>
</math>


mit Komponenten <math>I_{ij}</math> bezüglich der Standardbasis und <math>I^{ij}_\text{L}</math> bezüglich der Basis <math>\hat{g}_{1,2,3}</math>. Die Komponenten <math>I_{\alpha\beta}</math> lassen sich extrahieren, indem der Trägheitstensor mit den Basisvektoren <math>\hat{e}_{\alpha,\beta}</math> vor- und nachmultipliziert wird:
=== Symmetriebetrachtungen ===
Jede Symmetrieachse ist eine Hauptträgheitsachse. Es gilt:
* Bei geraden [[Prisma (Geometrie)|prismatischen]] Körpern mit Grundfläche in Form eines Kreises oder eines regelmäßigen Vielecks sind zwei der drei Hauptträgheitsmomente untereinander gleich. Deren Hauptträgheitsachsen sind parallel zur Grundfläche, die dritte Hauptträgheitsachse ist senkrecht dazu.
* Bei [[Symmetrie (Geometrie)#Entsprechungen zu zweidimensionalen Symmetrieelementen|flächensymmetrischen]] Körpern liegt eine Hauptträgheitsachse senkrecht zur Symmetrieebene, die beiden anderen in der Symmetrieebene.
* Besitzt der Körper zwei zueinander senkrechte Symmetrieebenen, dann sind ihre Normalen und ihre Schnittgerade Hauptträgheitsachsen.
* Bei einem [[Tetraeder]], einem [[Würfel (Geometrie)|Würfel]], bei den übrigen drei [[Platonischer Körper|regulären Körpern]] und bei der [[Kugel]] ist jede Raumrichtung Hauptträgheitsachse.
* Sind <math>\Theta_1</math>, <math>\Theta_2</math> und <math>\Theta_3</math> paarweise voneinander verschieden, so liegt keine [[Rotationssymmetrie]] bezüglich einer Achse durch den Bezugspunkt vor, z.&nbsp;B. weil der Bezugspunkt nicht im [[Massenmittelpunkt]] liegt oder der Körper bezüglich keiner Achse rotationssymmetrisch ist.


:<math>I_{\alpha\beta}
== Drehimpuls und Rotationsenergie im körperfesten Hauptachsensystem ==
:=
Im Koordinatensystem, dessen drei Basisvektoren <math>\hat e_k</math> durch die Hauptträgheitsachsen definiert sind, wird die Winkelgeschwindigkeit so ausgedrückt:
\hat{e}_\alpha\cdot\mathbf{I}\cdot\hat{e}_\beta
=
\hat{e}_\alpha\cdot\sum_{i,j=1}^3 I^{ij}_\text{L}\hat{g}_i\otimes\hat{g}_j\cdot\hat{e}_\beta
=
\sum_{i,j=1}^3 (\hat{e}_\alpha\cdot\hat{g}_i)I^{ij}_\text{L}(\hat{g}_j\cdot\hat{e}_\beta)
</math>


Dieser Zusammenhang lässt sich als Matrizengleichung
:<math>\vec\omega = \omega_1 \hat e_1 + \omega_2 \hat e_2 + \omega_3 \hat e_3</math>


:<math>I=QI_\text{L}Q^\top</math>
Dann gilt für den Drehimpuls


schreiben, worin die Matrix ''I'' die Komponenten <math>I_{\alpha\beta}</math>, die Matrix <math>I_\text{L}</math> die Komponenten <math>I^{ij}_\text{L}</math> und die Drehmatrix ''Q'' die Komponenten der Basisvektoren gemäß
:<math>\vec L = \mathbf{\Theta} \cdot \vec\omega = \Theta_1 \omega_1 \hat e_1 + \Theta_2 \omega_2 \hat e_2 + \Theta_3 \omega_3 \hat e_3</math>.


:<math>
und für die [[Rotationsenergie]]
Q=\begin{pmatrix}
\hat{g}_1\cdot\hat{e}_1 &\hat{g}_2\cdot\hat{e}_1 &\hat{g}_3\cdot\hat{e}_1
\\
\hat{g}_1\cdot\hat{e}_2 &\hat{g}_2\cdot\hat{e}_2 &\hat{g}_3\cdot\hat{e}_2
\\
\hat{g}_1\cdot\hat{e}_3 &\hat{g}_2\cdot\hat{e}_3 &\hat{g}_3\cdot\hat{e}_3
\end{pmatrix}
</math>


enthält. Die Vektoren <math>\hat{g}_{1,2,3}</math> gehen durch eine Drehung aus der Standardbasis <math>\hat{e}_{1,2,3}</math> hervor, weswegen die Matrix ''Q'' [[Orthogonale Matrix|eigentlich orthogonal]] ist, und es gilt
:<math>E_\text{rot} = \frac12\vec\omega\cdot\mathbf{\Theta}\cdot\vec\omega = \frac12(\Theta_1\omega_1^2+\Theta_2\omega_2^2+\Theta_3\omega_3^2)</math>.


:<math>QQ^\top=Q^\top Q=E,\quad\operatorname{det}Q=+1</math>
== Trägheitsellipsoid ==
{{Hauptartikel|Trägheitsellipsoid }}
Definiert man die Länge des Ortsvektors <math>\vec r</math> in jeder Richtung durch die Gleichung
:<math>1 = \vec r \cdot \mathbf{\Theta} \cdot \vec r</math>,
dann liegen die Endpunkte dieser Vektoren auf einer geschlossenen Fläche in Form eines Ellipsoids ([[Trägheitsellipsoid#Berechnung|Beweis]]). In jeder Richtung ist der Abstand der Fläche vom Ursprung gleich dem Kehrwert der Wurzel aus dem Trägheitsmoment für die in dieser Richtung liegende Achse:


mit der [[Einheitsmatrix]] ''E'' und der [[Determinante]] det. Damit folgt:
: <math>r = \frac{1}{\sqrt{\Theta_{rr}}}</math>


:<math>I=QI_\text{L}Q^\top
Die drei Achsen des Ellipsoids sind die Hauptträgheitsachsen. Die längste hat die Richtung der Drehachse mit dem kleinstmöglichen Trägheitsmoment bei der gegebenen Anordnung der Massen, die kürzeste Halbachse die Richtung mit dem größtmöglichen Trägheitsmoment. Diese Achsen haben feste Richtungen im körpereigenen Bezugssystem, denn ihre räumliche Lage ist durch die Lage des Körpers festgelegt.
\quad\leftrightarrow\quad
I_\text{L}=Q^\top IQ
</math>
 
Vereinfachungen ergeben sich, wenn die Vektoren <math>\hat{g}_{1,2,3}</math> körperfest sind: Dann sind nämlich die Komponenten <math>I^{ij}_\text{L}</math> auch bei einer Rotation zeitlich konstant. Wenn zusätzlich die Vektoren <math>\hat{g}_{1,2,3}</math> die Hauptträgheitsachsen sind, dann sind von den Komponenten <math>I^{ij}_\text{L}</math> nur die mit {{nowrap|1=''i'' = ''j''}} von null verschieden und dann gleich den Hauptträgheitsmomenten. Die Matrix <math>I_\text{L}</math> ist dann eine [[Diagonalmatrix]].
 
Die obige Transformationsbeziehung kann auch tensoriell ausgedrückt werden und wirft so den Blick auf den Unterschied zwischen Koordinaten- und Tensortransformation: Der Trägheitstensor '''J''' gehöre zum selben Körper wie '''I''', aber in der mit dem [[Orthogonaler Tensor#Berechnung von orthogonalen Tensoren|orthogonalen Tensor]] '''Q''' verdrehten Ausrichtung, die zu einem anderen Zeitpunkt eingenommen oder von einem anderen Beobachter wahrgenommen wird. Der Trägheitstensor '''I''' habe die Hauptträgheitsmomente ''I''<sub>1,2,3</sub> und die Hauptträgheitsachsen <math>\hat g_{1,2,3}.</math> Dann gelten die folgenden Beziehungen:


== Berechnung des Trägheitstensors ==
=== Für ein System von Massenpunkten ===
Der Drehimpuls eines zusammengesetzten Systems <math>\vec L</math> ist die Summe der Drehimpulse der Komponenten des Systems <math>\vec L_n</math>.
:<math> \vec L = \sum_n \vec L_n = \sum_n \mathbf{\Theta}_n \cdot \vec \omega_n</math>
Sind die Winkelgeschwindigkeiten der Komponenten <math>\vec\omega_n</math> alle identisch und gleich <math>\vec\omega</math>, dann gilt:
:<math> \vec L = \sum_n \mathbf{\Theta}_n \cdot \vec \omega</math>
Und somit gilt für den Trägheitstensor <math>\mathbf{\Theta}</math> des Systems:
:<math>\begin{align}
:<math>\begin{align}
\mathbf{I}\cdot\hat g_k
\mathbf{\Theta} & = \sum_n \mathbf{\Theta}_n\\
=&
& = \sum_n m_n\,[(\vec{r}_n\cdot\vec r_n)\,\mathbf{1}-\vec{r}_n\otimes\vec r_n] \\
I_k\hat g_k\quad\text{für}\quad k=1,2,3
& = \sum_n m_n \begin{pmatrix}
\\
  (y_n^2+z_n^2) & -x_n y_n      & -x_n z_n\\
\mathbf{J}\cdot(\mathbf{Q}\cdot\hat g_k)
-y_n x_n      &  (x_n^2+z_n^2) & -y_n z_n\\
=&
-z_n x_n      & -z_n y_n      &  (x_n^2+y_n^2) \end{pmatrix} \\
I_k (\mathbf{Q}\cdot\hat g_k)
& = \begin{pmatrix}
\quad\text{für}\quad k=1,2,3
  \sum m_n (y_n^2+z_n^2) & -\sum m_n\,x_n y_n    & -\sum m_n\,x_n z_n\\
\\
-\sum m_n y_n x_n    &  \sum m_n(x_n^2+z_n^2) & -\sum m_n\,y_n z_n\\
\mathbf{J}
-\sum m_n z_n x_n    & -\sum m_n\,z_n y_n    &  \sum m_n\,(x_n^2+y_n^2)
=&
\end{pmatrix}
\mathbf{Q\cdot I\cdot Q}^\top
\end{align}</math>
\end{align}</math>
Hier sind weiterhin:
* <math>m_{1\ldots N}</math> die Massen der Massepunkte, aus denen das System zusammengesetzt ist,
* <math>\vec r_{1\ldots N} = (x_{1\ldots N},\, y_{1\ldots N},\, z_{1\ldots N})</math> die Koordinaten ihrer [[Ortsvektor]]en


Der Trägheitstensor '''J''' hat dieselben Hauptträgheitsmomente ''I''<sub>1,2,3</sub> wie der Trägheitstensor '''I''', aber die mit '''Q''' gedrehten Hauptträgheitsachsen, so wie es bei einem gedrehten Körper zu erwarten ist. Die Tensoren '''I''' und '''J''' haben dieselben Komponenten <math>I_{\alpha\beta}</math>, aber bezüglich mit '''Q''' gedrehten Basissystemen <math>\hat{g}_i=\mathbf{Q}\cdot\hat{e}_i=\hat{e}_i\cdot\mathbf{Q}^\top</math>:<ref name="dyade" />
=== Bei kontinuierlicher Masseverteilung ===


:<math>\begin{align}
An die Stelle der Summen tritt beim Übergang zu einer kontinuierlichen Massenverteilung der Massendichte <math>\rho (\vec r)</math> ein Integral:
\mathbf{I}
=&
\sum_{\alpha,\beta=1}^3 I_{\alpha\beta}\hat{e}_\alpha\otimes\hat{e}_\beta
\\
\mathbf{Q\cdot I\cdot Q}^\top
=&
\mathbf{Q}\cdot\sum_{\alpha,\beta=1}^3 I_{\alpha\beta}\hat{e}_\alpha\otimes\hat{e}_\beta\cdot\mathbf{Q}^\top
=
\sum_{\alpha,\beta=1}^3 I_{\alpha\beta}\hat{g}_\alpha\otimes\hat{g}_\beta
=
\mathbf{J}
\end{align}</math>


Die Tensoren '''I''' und '''J''' differieren, wenn '''Q''' nicht die identische Abbildung '''1''' ist. Soll '''J''' im Basissystem <math>\hat e_{1,2,3}</math> dargestellt werden, dann gelten die zu Beginn dieses Abschnittes vorgestellten Koordinatentransformationsbeziehungen.
:<math>\Theta = \int_V \rho (\vec r)\,[(\vec r\cdot\vec r)\mathbf{1} \,-\, \vec r \otimes \vec r] \mathrm{d}V</math>


=== Bezugssysteminvarianz ===
mit den einzelnen Trägheitsmomenten
Der Trägheitstensor ist eine objektive Größe, die invariant gegenüber einer [[Euklidische Transformation|euklidischen Transformation]], also bezugssysteminvariant ist. Verschiedene Betrachter eines Starrkörpers werden ''immer'' Einigkeit über seinen Trägheitstensor erzielen.


Dazu müssen sie sich auf einen Bezugspunkt einigen, beispielsweise den Massenmittelpunkt des Körpers. Dann nehmen die Beobachter die Abstandsvektoren von Partikeln des Körpers zum Bezugspunkt zumeist als gegeneinander verdreht wahr:
:<math>\Theta_{ij} = \int_V \rho (\vec r)\,[(\vec r\cdot\vec r)\delta_{ij} \,-\, r_i r_j] \mathrm{d}V</math>


:<math>\vec{x}^\prime=\mathbf{Q}\cdot\vec{x}</math>
=== Beispiel: Trägheitstensor eines homogenen Würfels ===
Im Massenmittelpunkt eines Würfels mit Kantenlänge <math>d=2a</math> wird ein kartesisches Koordinatensystem so gelegt, dass die Koordinatenachsen parallel zu den Würfelkanten sind. Wegen der Homogenität ist die Dichte konstant und kann vor das Integral gezogen werden:


Der eine Beobachter „sieht“ den Abstandsvektor <math>\vec x</math> und der andere den Vektor <math>\vec{x}^\prime</math> und diese Vektoren sind gegeneinander verdreht, was der [[Orthogonaler Tensor|orthogonale Tensor]] '''Q''' mathematisch ausdrückt <math>(\mathbf{Q^\top\cdot Q}=\mathbf{Q\cdot Q}^\top=\mathbf{1})</math>. Der Trägheitstensor, den der eine Beobachter wahrnimmt, sei durch
:<math>\Theta_{ij} = \Theta_{\beta\alpha} = \varrho \, \int_{V} (r^2\delta_{ij} - r_{i} r_{j})\mathrm{d}V</math>


:<math>\mathbf{I}=\int_V [(\vec x\cdot\vec x)\mathbf{1}-\vec x\otimes\vec x]\,\varrho\mathrm{d}V</math>
Nun lassen sich die sechs unabhängigen Tensorkomponenten bestimmen: Das sind drei Massenträgheitsmomente und drei Deviationsmomente, da der Tensor wegen <math>\Theta_{ij} = \Theta_{ji}</math> [[Symmetrische Matrix|symmetrisch]] ist. Beim Würfel mit Kantenlänge <math>2a</math> wird zur Berechnung des Trägheitstensors bezüglich des Ursprungs in allen drei Raumrichtungen von <math>-a</math> bis <math>+a</math> integriert. Für den Würfel ergibt sich:
 
gegeben. Dann berechnet sich für den anderen Beobachter<ref name="dyade" />


:<math>\begin{align}
:<math>\begin{align}
\mathbf{I}^\prime
\Theta_{xx} =&\varrho\int_{V} (y^2 + z^2)\mathrm{d}V =\varrho\frac{16}{3} a^5\\
=&\int_{V^\prime}
\Theta_{yy} =&\varrho\int_{V} (x^2 + z^2)\mathrm{d}V =\varrho\frac{16}{3} a^5\\
[(\vec{x}^\prime\cdot\vec{x}^\prime)\mathbf{1}-\vec{x}^\prime\otimes\vec{x}^\prime]
\Theta_{zz} =&\varrho\int_{V} (y^2 + x^2)\mathrm{d}V =\varrho\frac{16}{3} a^5\\
\,\varrho^\prime\mathrm{d}V^\prime
\Theta_{xy} =& \Theta_{yx} = -\varrho\int_{V} yx\mathrm{d}V = 0\\
\\=&
\Theta_{yz} =& \Theta_{zy} = -\varrho\int_{V} zy\mathrm{d}V = 0\\
\int_V
\Theta_{zx} =& \Theta_{xz} = -\varrho\int_{V} xz\mathrm{d}V = 0
\{[(\mathbf{Q}\cdot\vec{x})\cdot(\mathbf{Q}\cdot\vec{x})]\mathbf{1}-
(\mathbf{Q}\cdot\vec{x})\otimes(\mathbf{Q}\cdot\vec{x})\}\,\varrho\mathrm{d}V
\\=&
\int_V
\{[\vec{x}\cdot\mathbf{Q^\top\cdot Q}\cdot\vec{x}]\mathbf{Q\cdot 1\cdot Q}^\top
-\mathbf{Q}\cdot\vec{x}\otimes\vec{x}\cdot\mathbf{Q}^\top\}\,\varrho\mathrm{d}V
\\=&
\mathbf{Q}\cdot\int_V
[(\vec{x}\cdot\vec{x})\mathbf{1}-\vec{x}\otimes\vec{x}]\,\varrho\mathrm{d}V\cdot\mathbf{Q}^\top
\\=&
\mathbf{Q\cdot I\cdot Q}^\top,
\end{align}</math>
\end{align}</math>


weil die [[Volumenform]] und die Dichte ebenfalls objektiv sind. Die Transformationsbeziehung zwischen '''I''' und '''I’''' erweist den Trägheitstensor als einen objektiven, räumlichen Ein-Feld-Tensor. Er ist
Dabei wurde
* ein räumlicher Tensor, weil seine Komponenten mit der räumlichen Drehung des Körpers variieren, und
* ein Ein-Feld-Tensor, weil er Vektoren aus einem Vektorraum in denselben Vektorraum abbildet.
 
== Herleitung ==
Für den [[Drehimpuls]] <math>\vec{L}</math> einer [[Punktmasse]] mit Masse ''m'' bezüglich des Ursprungs gilt
 
:<math>\begin{align}
\vec{L} & =\vec{r}\times\vec{p}\\
& =\vec{r}\times (m\cdot\vec{v})\\
& = m\cdot\vec{r}\times (\vec{\omega}\times\vec{r})
\end{align}</math>
 
mit
* <math>\vec{r}</math> dem Abstand vom Ursprung,
* <math>\vec{p}</math> dem [[Impuls (Physik)|Impuls]],
* <math>m</math> der Masse und
* <math>\vec{v}=\vec{\omega}\times\vec{r}</math> der Geschwindigkeit der Punktmasse bei einer Rotation um den Ursprung.
Bei einem Körper aus mehreren Punktmassen muss über diese summiert oder integriert werden.
 
=== Koordinatenfreie Herleitung ===
Mit der [[Kreuzprodukt#Graßmann-Identität|BAC-CAB-Formel]] und den Eigenschaften des [[Dyadisches Produkt|dyadischen Produkts]] „&otimes;“ wird aus obiger Vektorgleichung:<ref name="dyade" />
 
:<math>\begin{align}
\vec{L}
&=m\,\vec{r}\times(\vec{\omega}\times\vec{r})
\\&=m\,[(\vec{r}\cdot\vec r)\vec{\omega}-(\vec{r}\cdot\vec\omega)\vec r]
\\&=\underbrace{m\,[(\vec{r}\cdot\vec r)\mathbf{1}-\vec{r}\otimes\vec r]}_{\mathbf{I}}\cdot\vec{\omega}
\end{align}</math>
 
Sollen doch die Komponenten des Trägheitstensors '''I''' bezüglich der Standardbasis <math>\hat{e}_{1,2,3}</math> ermittelt werden, so gelingt das mit der [[Bilinearform]]
 
:<math>\begin{align}
I_{ij}
:=&\hat{e}_i\cdot\mathbf{I}\cdot\hat{e}_j
\\=&\hat{e}_i\cdot m\,[(\vec{r}\cdot\vec r)\mathbf{1}-\vec{r}\otimes\vec r]\cdot\hat{e}_j
\\=&m\,\hat{e}_i\cdot[(\vec{r}\cdot\vec r)\hat{e}_j-(\vec r\cdot\hat{e}_j)\vec{r}]
\\=&m\,[(\vec{r}\cdot\vec r)(\hat{e}_i\cdot\hat{e}_j)-r_j(\hat{e}_i\cdot\vec{r})]
\\=&m\,[(\vec{r}\cdot\vec r)\delta_{ij}-r_i\, r_j]
.\end{align}</math>
 
=== Herleitung in kartesischen Koordinaten ===
Für die <math>i</math>-te Komponente des Drehimpulses gilt:
:<math>\begin{align}
L_i =& (m\cdot\vec{r}\times(\vec{\omega}\times\vec{r}))_i\\
=&m~\varepsilon_{ijk}~r_j~\varepsilon_{klm}~\omega_l~r_m\\
=&m~\varepsilon_{kij}~\varepsilon_{klm}~r_j~\omega_l~r_m\\
=&m~(\delta_{il}\delta_{jm} -\delta_{im}\delta_{jl})~r_j~\omega_l~r_m\\
=&m~(\delta_{il}\delta_{jm}~r_j~\omega_l~r_m -\delta_{im}\delta_{jl}~r_j~\omega_l~r_m)\\
=&m~(r_j~\omega_i~r_j - r_j~\omega_j~r_i)\\
=&m~(\vec{r}\,^2~\omega_i - r_i~r_j~\omega_j)\\
=&\underbrace{m~(\vec{r}\,^2~\delta_{ij} - r_i~r_j)}_{=I_{ij}}\omega_j
\end{align}</math>
 
Dabei ist <math>\varepsilon</math> das [[Levi-Civita-Symbol]] und <math>\delta</math> das [[Kronecker-Delta]]. Außerdem wurde die [[Einsteinsche Summenkonvention]] benutzt.
 
Damit ist nun
:<math>I_{ij} = m\cdot(\vec{r}\,^2~\delta_{ij} - r_i~r_j).</math>
 
=== Alternative Herleitung aus der Definition des Trägheitsmoments ===
Sei ein rotierender Körper aus einzelnen Massepunkten aufgebaut. Für die [[Ortsvektor]]en <math>\vec r_i</math> der Massepunkte wird ein [[kartesisches Koordinatensystem]] verwendet, dessen Ursprung mit dem Schwerpunkt des Körpers zusammenfällt. Sei <math>\vec r_n</math> der Ortsvektor des <math>n</math>-ten Massepunktes und <math>s_n</math> sein Abstand von der Drehachse, dann gilt
 
:<math>s_n=\sqrt{(\vec r_n)^2-\left(\frac{\vec\omega}{\omega}\cdot\vec r_n\right)^2}</math>
 
und somit für das Trägheitsmoment


:<math>\begin{align}
:<math>\begin{align}
I=&\sum_{n}m_ns_n^2\\
\int_{-a}^a\mathrm{d}x
=&\sum_{n}m_n\left((\vec r_n)^2-\left(\frac{\vec\omega}{\omega}\cdot\vec r_n\right)^2\right)\\
=&\left[x\right]_{-a}^a=2a \\
=&\frac{1}{\omega^2}\sum_{n}m_n\left((\vec\omega)^2(\vec r_n)^2-\left(\vec\omega\cdot\vec r_n\right)^2\right)\\
\int_{-a}^ax\mathrm{d}x
=&\frac{1}{\omega^2}\sum_{i,j=1}^3\left\{\sum_{n}m_n\left((\vec r_n)^2\delta_{ij}-r_{n,i}r_{n,j}\right)\right\}\omega_i\omega_j\\
=&\left[\frac{x^2}{2}\right]_{-a}^a=0 \\
=&\frac{1}{\omega^2}\sum_{i,j=1}^3 I_{ij}\;\omega_i\omega_j
\end{align}</math>
 
mit den Komponenten des Trägheitstensors
 
:<math>I_{ij}=\sum_{n}m_n\left((\vec r_n)^2\delta_{ij}-r_{n,i}r_{n,j}\right).</math>
 
== Beispiele ==
=== Trägheitstensor eines homogenen Würfels ===
Im Massenmittelpunkt eines Würfels mit Kantenlänge 2''a'' wird ein kartesisches Koordinatensystem so gelegt, dass die Koordinatenachsen parallel zu den Würfelkanten sind. Die Homogenität führt zu einer ortsunabhängigen Dichte, die somit als Konstante vor das Integral gezogen werden kann:
 
:<math>I_{\alpha\beta}=I_{\beta\alpha}
=\varrho\int_{V} (r^2\delta _{\alpha\beta} - x_{\alpha} x_{\beta})\mathrm{d}V
</math>
 
Nun lassen sich die sechs unabhängigen Tensorkomponenten bestimmen: Das sind drei Massenträgheitsmomente und drei Deviationsmomente, da der Tensor wegen <math>I_{xy} = I_{yx}</math> [[Symmetrische Matrix|symmetrisch]] ist. Beim Würfel mit Kantenlänge 2''a'' wird zur Berechnung des Trägheitstensors bezüglich des Ursprungs in allen drei Raumrichtungen von −''a'' bis ''a'' integriert. Für den Würfel ergibt sich:
 
:<math>\begin{align}
I_{xx} =&\varrho\int_{V} (y^2 + z^2)\mathrm{d}V =\varrho\frac{16}{3} a^5\\
I_{yy} =&\varrho\int_{V} (x^2 + z^2)\mathrm{d}V =\varrho\frac{16}{3} a^5\\
I_{zz} =&\varrho\int_{V} (y^2 + x^2)\mathrm{d}V =\varrho\frac{16}{3} a^5\\
I_{xy} =& I_{yx} = -\varrho\int_{V} yx\mathrm{d}V = 0\\
I_{yz} =& I_{zy} = -\varrho\int_{V} zy\mathrm{d}V = 0\\
I_{zx} =& I_{xz} = -\varrho\int_{V} xz\mathrm{d}V = 0
\end{align}</math>
 
Dabei wurde
:<math>\begin{align}
\int_{-a}^a\mathrm{d}x=&[x]_{-a}^a=2a
\\
\int_{-a}^ax\mathrm{d}x=&\left[\frac{x^2}{2}\right]_{-a}^a=0
\\
\int_{V} x^2\mathrm{d}V
\int_{V} x^2\mathrm{d}V
=&\int_{x=-a}^{x=a}\int_{y=-a}^{y=a}\int_{z=-a}^{z=a} x^2\mathrm{d}z\mathrm{d}y\mathrm{d}x
=& \int_{x=-a}^{x=a} \int_{y=-a}^{y=a}\int_{z=-a}^{z=a} x^2\, \mathrm{d}z\mathrm{d}y\mathrm{d}x
=\int_{x=-a}^{x=a} x^2\int_{y=-a}^{y=a}\int_{z=-a}^{z=a}\mathrm{d}z\mathrm{d}y\mathrm{d}x
= \int_{x=-a}^{x=a} x^2\,\mathrm{d}x \int_{y=-a}^{y=a} \mathrm{d}y \int_{z=-a}^{z=a} \mathrm{d}z
=\int_{x=-a}^{x=a} x^2 (2a)^2\mathrm{d}x
= \left[\frac{x^3}{3}\right]_{-a}^a (2a)^2
\\=& 4a^2\left[\frac{x^3}{3}\right]_{-a}^a
= \frac{8}{3}a^5
= 4a^2\frac{2}{3}a^3
=\frac{8}{3}a^5
\end{align}</math>
\end{align}</math>


benutzt. Analoges gilt in y- und z-Richtung. Mit diesen Ergebnissen, der Kantenlänge ''d'' = 2''a'' und der Masse <math>m=\varrho d^3</math> des Würfels bekommt der Tensor die Form
benutzt, Analoges gilt in <math>y</math>- und <math>z</math>-Richtung. Mit diesen Ergebnissen, der Kantenlänge <math>d=2a</math> und der Masse <math>m=\varrho d^3</math> des Würfels bekommt der Tensor die Form


:<math>\mathbf{I}
:<math>\mathbf{\Theta} = \varrho\frac{16}{3} a^5
=
\varrho\frac{16}{3} a^5
\begin{pmatrix}
\begin{pmatrix}
  1 & 0 & 0\\
  1 & 0 & 0\\
Zeile 523: Zeile 204:
  0 & 0 & 1
  0 & 0 & 1
\end{pmatrix}
\end{pmatrix}
=\frac{\varrho}{6}d^5\mathbf{1}
= \frac{\varrho}{6}d^5\mathbf{1} = \frac{m}{6}d^2\mathbf{1}</math>.
=\frac{m}{6}d^2\mathbf{1}
.</math>
 
=== Berechnung eines Trägheitsmoments ===
Mit dem Trägheitstensor
:<math>\mathbf{I}=\begin{pmatrix}
4 & 0 & 0\\
0 & 2 & 0\\
0 & 0 & 6
\end{pmatrix}\text{ kg m}^2,</math>
und der Achse
 
:<math>\hat n =\frac{1}{\sqrt{3}}\begin{pmatrix}1\\1\\1\end{pmatrix}</math>
 
(das ist gerade eine der Raumdiagonalen) berechnet sich das Trägheitsmoment für Drehungen um die Achse zu
 
:<math>I_{nn}
=
\frac{1}{\sqrt{3}}\begin{pmatrix}1\\1\\1\end{pmatrix}
\cdot
\begin{pmatrix}
4 & 0 & 0\\
0 & 2 & 0\\
0 & 0 & 6
\end{pmatrix}\text{ kg m}^2
\cdot
\frac{1}{\sqrt{3}}\begin{pmatrix}1\\1\\1\end{pmatrix}
=
\frac{1}{3}\begin{pmatrix}1\\1\\1\end{pmatrix}
\cdot\begin{pmatrix}4\\2\\6\end{pmatrix}\text{ kg m}^2
= 4\text{ kg m}^2
.</math>
 
=== Trägheitstensor eines v-förmigen Körpers ===
[[Datei:vkoerper.png|mini|Abmessungen eines v-förmigen Körpers aus drei Würfeln]]
Der Trägheitstensor des im Bild dargestellten, aus drei gleichen Würfeln mit Kantenlänge 10&nbsp;[[Millimeter|mm]] und [[Dichte]] {{nowrap|1=ρ = 6000 kg/m³}} soll berechnet werden. Die Masse des Würfels ist {{nowrap|1=''m'' = 6000 kg/m³ · 10³ mm³ = 6 g}} und sein Massenmittelpunkt befindet sich in seiner Mitte. Nach obiger Formel lautet der Trägheitstensors des Würfels bezüglich des Massenmittelpunkts:
 
:<math>\mathbf{I}_w=\frac{m}{6}d^2\mathbf{1}=100\,{\rm g\,mm}^2\,\mathbf{1}</math>
 
Translation des Würfels um 10&nbsp;mm in 1-Richtung liefert für die Komponenten des Trägheitstensors des Würfels 2 nach dem Satz von Steiner:
 
:<math>\begin{align}
\vec c=&10\,{\rm mm}\,\hat{g}_1
\\\rightarrow
I_{2ij}=&
100\,{\rm g\,mm}^2\delta_{ij}+6{\rm g}(100\,{\rm mm}^2\delta_{ij}-100\,{\rm mm}^2\delta_{i1}\delta_{j1})
\\=&
700\,{\rm g\,mm}^2\delta_{ij}-600\,{\rm mm}^2\delta_{i1}\delta_{j1}
\end{align}</math>
 
Für den Würfel 3 ergibt sich analog <math>I_{3ij}=700\,{\rm g\,mm}^2\delta_{ij}-600\,{\rm mm}^2\delta_{i2}\delta_{j2}.</math> Der aus den drei Würfeln zusammengesetzte Körper hat bezüglich des Koordinatenursprungs O im schwarz gezeichneten System mit den Basisvektoren <math>\hat{g}_{1,2,3}</math> den Trägheitstensor
 
:<math>\mathbf{I}_O
=
\begin{pmatrix}
900 & &\\ & 900 &\\ & & 1500
\end{pmatrix}_{\hat{g}_i\otimes\hat{g}_j}
\,{\rm g\,mm}^2
.</math>
 
Der Massenmittelpunkt liegt bei
 
:<math>\vec s=\frac{1}{18{\rm g}}( 6{\rm g}\cdot 10\,{\rm mm}\,\hat{g}_1+6{\rm g}\cdot 10\,{\rm mm}\,\hat{g}_2)
=\frac{10}{3}(\hat{g}_1+\hat{g}_2)\,{\rm mm}
.</math>
 
Der Trägheitstensor <math>\mathbf{I}_O</math> resultiert aus dem Trägheitstensor <math>\mathbf{I}_s</math> bezüglich des Massenmittelpunkts <math>\vec s</math> durch Verschiebung in <math>-\vec s</math>:
 
:<math>\begin{align}
3\cdot 6{\rm g}[(\vec s\cdot\vec s)\mathbf{I}-\vec s\otimes\vec s]
=&
\begin{pmatrix}
200 &-200 &\\-200 & 200 &\\ & & 400
\end{pmatrix}_{\hat{g}_i\otimes\hat{g}_j}{\rm g\,mm}^2
\\
\rightarrow\mathbf{I}_s
=&
\mathbf{I}_O-18{\rm g}[(\vec s\cdot\vec s)\mathbf{I}-\vec s\otimes\vec s)
=
\begin{pmatrix}
700 & 200 &\\ 200 & 700 &\\ & & 1100
\end{pmatrix}_{\hat{g}_i\otimes\hat{g}_j}{\rm g\,mm}^2
\end{align}</math>
 
Dieser muss noch um 45° vom grünen ins rote Schwerpunktssystem mit der Standardbasis <math>\hat{e}_{1,2,3}</math> gedreht werden. Die Drehmatrix hat die Gestalt
 
:<math>\hat{g}_1=\frac{1}{\sqrt{2}}\begin{pmatrix}1\\1\\0\end{pmatrix},\quad
\hat{g}_2=\frac{1}{\sqrt{2}}\begin{pmatrix}-1\\1\\0\end{pmatrix},\quad
\hat{g}_3=\begin{pmatrix}0\\0\\1\end{pmatrix}
\rightarrow
Q =\frac{1}{\sqrt2}\begin{pmatrix}
1 & -1 &0\\ 1 & 1 &0\\ 0&0 &\sqrt{2}
\end{pmatrix}
.</math>
 
Dann sind die Komponenten bezüglich des Schwerpunkts bezüglich der Standardbasis <math>\hat{e}_{1,2,3}</math>:
 
:<math>I=Q I_L Q^\top
=
\begin{pmatrix}
500 & &\\ & 900 &\\ & & 1100
\end{pmatrix}\ {\rm g\,mm}^2
</math>
 
Die rot gezeichnete Standardbasis ist Hauptachsensystem.
 
Weil der Würfel punktsymmetrisch ist, ist sein Trägheitstensor von seiner Ausrichtung unabhängig und kann gleich bezüglich der Standardbasis berechnet werden. Die Würfel liegen an den Orten
 
:<math>\vec{x}_1=\frac{1}{\sqrt{18}}\begin{pmatrix}-30\\10\\0\end{pmatrix}\ {\rm mm},\quad
\vec{x}_2=\frac{1}{\sqrt{18}}\begin{pmatrix}30\\10\\0\end{pmatrix}\ {\rm mm},\quad
\vec{x}_3=\frac{1}{\sqrt{18}}\begin{pmatrix} 0\\-20\\0\end{pmatrix}\ {\rm mm}
,</math>
 
denn diese Vektoren haben den korrekten Abstand und die korrekte Orientierung untereinander sowie den Schwerpunkt im Ursprung:
 
:<math>\begin{align}
|\vec{x}_{1,2}-\vec{x}_3|=&\left|
\frac{1}{\sqrt{18}}\begin{pmatrix}\mp 30\\ 30\\0\end{pmatrix}\ {\rm mm}\right|
=\sqrt{\frac{1}{18}\left(900+900\right)\ {\rm mm}^2}
=10\ {\rm mm}
\\
\left(\vec{x}_1-\vec{x}_3\right)\cdot\left(\vec{x}_2-\vec{x}_3\right)
=&
\frac{1}{\sqrt{18}}\begin{pmatrix}-30\\30\\0\end{pmatrix}\ {\rm mm}
\cdot
\frac{1}{\sqrt{18}}\begin{pmatrix}30\\30\\0\end{pmatrix}\ {\rm mm}
=
0\ {\rm mm}^2
\\
\vec{x}_1+\vec{x}_2+\vec{x}_3
=&
\frac{1}{\sqrt{18}}\begin{pmatrix}-30\\ 10\\ 0\end{pmatrix}\ {\rm mm}
+\frac{1}{\sqrt{18}}\begin{pmatrix}30\\ 10\\ 0\end{pmatrix}\ {\rm mm}
+\frac{1}{\sqrt{18}}\begin{pmatrix}0\\ -20\\ 0\end{pmatrix}\ {\rm mm}
=
\begin{pmatrix}0\\ 0\\ 0\end{pmatrix}\ {\rm mm}
\end{align}</math>
 
Dann ergibt sich der Trägheitstensor:
 
:<math>\begin{align}
\mathbf{I}_s
=& 3\mathbf{I}_w
+\sum_{i=1}^3 m[(\vec{x}_i\cdot\vec{x}_i)\mathbf{1}-\vec{x}_i\otimes\vec{x}_i]
\\=&
300\ {\rm g\,mm}^2\,\mathbf{1}
+
\frac{1000}{3}\ {\rm g\,mm}^2\,\mathbf{1}
-
\frac{1}{3}
\begin{pmatrix}
900 & -300 & 0\\
-300 & 100 & 0\\
0 & 0 & 0
\end{pmatrix}\ {\rm g\,mm}^2
\\&+
\frac{1000}{3}\ {\rm g\,mm}^2\,\mathbf{1}
-
\frac{1}{3}
\begin{pmatrix}
900 & 300 & 0\\
300 & 100 & 0\\
0 & 0 & 0
\end{pmatrix}\ {\rm g\,mm}^2
+
\frac{400}{3}\ {\rm g\,mm}^2\,\mathbf{1}
-
\frac{1}{3}
\begin{pmatrix}
0 & &\\
& 400 &\\
& & 0
\end{pmatrix}\ {\rm g\,mm}^2
\\=&
1100\ {\rm g\,mm}^2\,\mathbf{1}
-
\begin{pmatrix}
600 & &\\
& 200 &\\
& & 0
\end{pmatrix}\ {\rm g\,mm}^2
\\=&
\begin{pmatrix}
500 & &\\
& 900 &\\
& & 1100
\end{pmatrix}\ {\rm g\,mm}^2
\end{align}</math>


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Trägheitsellipsoid]]
* [[Eulersche Gleichungen (Kreiseltheorie)]]
* [[Eulersche Gleichungen (Kreiseltheorie)]]
* [[Flächenträgheitsmoment]]
* [[Flächenträgheitsmoment]]
* [[Formelsammlung Tensoralgebra]]
* [[Formelsammlung Tensoralgebra]]
 
*[[Liste von Trägheitstensoren]]
== Fußnoten ==
<references />


== Literatur ==
== Literatur ==
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  |ISBN=3-400-00134-1}}
  |ISBN=3-400-00134-1}}
* {{Literatur
* {{Literatur
  |Autor=R. Gammel
  |Autor=[[Richard Grammel]]
  |Titel=Der Kreisel
  |Titel=Der Kreisel
  |TitelErg=Seine Theorie und seine Anwendungen
  |TitelErg=Seine Theorie und seine Anwendungen
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{{SORTIERUNG:Tragheitstensor}}
{{SORTIERUNG:Tragheitstensor}}
[[Kategorie:Klassische Mechanik]]
[[Kategorie:Klassische Mechanik]]
[[Kategorie:Technische Dynamik]]
[[Kategorie:Kreiseltheorie]]

Aktuelle Version vom 11. Dezember 2021, 17:46 Uhr

Physikalische Größe
Name Trägheitstensor
Größenart Trägheitsmoment
Formelzeichen $ \mathbf {\Theta } ,I $
Größen- und
Einheitensystem
Einheit Dimension
SI $ \mathrm {kg\,\cdot \,m^{2}} $ $ M\,\cdot \,L^{2} $
Anmerkungen
Der Trägheitstensor ist ein kovarianter und positiv definiter Tensor 2. Stufe.

Der Trägheitstensor ist in der Mechanik die Eigenschaft eines starren Körpers, die seine Trägheit gegenüber Änderungen seines Drehimpulses beschreibt. Sein Formelzeichen ist $ \mathbf {\Theta } $ oder $ \mathbf {I} $. Er ist ein kovarianter Tensor 2. Stufe und für ausgedehnte Körper positiv definit.

Mit Hilfe des Trägheitstensors lässt sich der Zusammenhang zwischen dem Drehimpuls $ {\vec {L}} $ eines Körpers und seiner Winkelgeschwindigkeit $ {\vec {\omega }} $ in vektorieller Form als Matrixprodukt des Trägheitstensors mit der Winkelgeschwindigkeit darstellen:

$ {\vec {L}}=\mathbf {\Theta } \cdot {\vec {\omega }} $

Der Wert des Trägheitstensors hängt von der Wahl seines Bezugspunkts ab. Dieser wird zur Berechnung des Trägheitstensors meist auf den Massenmittelpunkt des Körpers festgelegt. Diese Wahl erleichtert die separate Berechnung von Eigen- und Bahndrehimpuls. Mit Hilfe des Steinerschen Satzes lässt sich aus dem Trägheitstensor des Schwerpunktes der für einen beliebigen Bezugspunkt berechnen.

In der Koordinatendarstellung des Trägheitstensors bezüglich einer Orthonormalbasis mit dem Koordinatenursprung im Bezugspunkt enthält er die Trägheits- und Deviationsmomente für Rotationsachsen, die parallel zu den Basisvektoren sind. Durch Koordinatentransformation erhält man die Trägheits- und Deviationsmomente bezüglich anderer Achsen durch den Bezugspunkt.

Für bestimmte Drehachsen ist der Drehimpuls parallel zur Winkelgeschwindigkeit. Diese Achsen heißen Hauptträgheitsachsen. Zu jedem Körper gibt es mindestens drei aufeinander senkrecht stehende Hauptträgheitsachsen. Sie sind parallel zu den Eigenvektoren des Trägheitstensors. Die entsprechenden Eigenwerte des Trägheitstensors nennt man die Hauptträgheitsmomente des Körpers. Rotiert der Körper um eine andere Achse als eine der Hauptträgheitsachsen, sind sein Drehimpuls und seine Rotationsachse im Allgemeinen nicht parallel. Dann ist als Folge der Drehimpulserhaltung die Rotationsachse nicht fest, sondern rotiert ebenfalls: der Körper ‚eiert‘. Hält man die Rotationsachse in diesem Fall durch Zwang fest, wirken aufgrund der Unwucht Kräfte auf die Lager und der Drehimpuls ist veränderlich.

Trägheitstensoren einfacher Körper finden sich in der Liste von Trägheitstensoren.

Analogie zur Masse bei translatorischer Bewegung

Der Trägheitstensor hat in den Bewegungsgleichungen der Mechanik eine vergleichbare Position bezüglich der Rotation, wie die Masse bezüglich der Translation.

Rotation Translation
$ \underbrace {\vec {L}} _{\mathrm {Drehimpuls} }=\underbrace {\mathbf {\Theta } } _{\mathrm {Tr{\ddot {a}}gheitstensor} }\cdot \underbrace {\vec {\omega }} _{\mathrm {Winkelgeschwindigkeit} } $ $ \underbrace {\vec {p}} _{\mathrm {Impuls} }=\underbrace {m} _{\mathrm {Masse} }\cdot \underbrace {\vec {v}} _{\mathrm {Geschwindigkeit} } $

Jenseits der formal gleichen Position als Ausdruck der Trägheit, die kinematische Größe (Winkel-)Geschwindigkeit mit der dynamischen Größe (Dreh-)impuls zu verknüpfen, bestehen wesentliche Unterschiede, die die Rotationen gegenüber den Translationen auszeichnen:

  • die Masse ist eine skalare Größe, der Trägheitstensor ein Tensor zweiter Stufe.
  • Impuls und Geschwindigkeit sind immer parallel, Drehimpuls und Winkelgeschwindigkeit im Allgemeinen nicht.
  • Die Masse ist in allen Bezugssystemen zeitlich konstant, der Trägheitstensor hängt im Allgemeinen von der Ausrichtung des Körpers und seiner Lage zum Bezugspunkt ab. Da diese sich ändern können, sind die Komponenten zeitabhängig, während bei Translationen die Masse konstant ist. Nur in einem körperfesten Bezugssystem sind die Komponenten des Trägheitstensors konstant.

Trägheitstensor für eine Punktmasse

Herleitung und Definition

Für den Drehimpuls $ {\vec {L}} $ einer Punktmasse bezüglich des Koordinatenursprungs gilt:

$ {\vec {L}}=m\,{\vec {r}}\times {\vec {v}}=m\,{\vec {r}}\times ({\vec {\omega }}\times {\vec {r}}) $.

Hier sind:

  • $ m $: die Masse der Punktmasse
  • $ {\vec {r}} $: der Ortsvektor der Punktmasse
  • $ {\vec {v}}={\dot {\vec {r}}} $: die Geschwindigkeit der Punktmasse
  • $ {\vec {\omega }} $: die Winkelgeschwindigkeit der Punktmasse relativ zum Koordinatenursprung

Dies lässt sich mit Hilfe der BAC-CAB-Formel, dem Einheitstensor $ \mathbf {1} $ und dem Operator $ \otimes $ für das dyadische Produkt umformen zu:

$ {\vec {L}}=m\,[({\vec {r}}\cdot {\vec {r}})\,\mathbf {1} -{\vec {r}}\otimes {\vec {r}}]\cdot {\vec {\omega }} $

Mit der Definition des Trägheitstensors $ \mathbf {\Theta } $:

$ \mathbf {\Theta } :=m\,[({\vec {r}}\cdot {\vec {r}})\,\mathbf {1} -{\vec {r}}\otimes {\vec {r}}] $

ergibt sich der oben genannte Zusammenhang zwischen Drehimpuls und Winkelgeschwindigkeit $ \textstyle {\vec {L}}=\mathbf {\Theta } \cdot {\vec {\omega }} $.

Berechnung

Die Matrixdarstellung des Trägheitstensors $ \mathbf {\Theta } $ bezüglich der Orthonormalbasis mit den Einheitsvektoren $ {\hat {e}}_{1,2,3} $ erhält man aus der Bilinearform $ \Theta _{ij}={\hat {e}}_{i}\cdot \mathbf {\Theta } \cdot {\hat {e}}_{j} $, wobei die Indizes $ i,j $ die Koordinaten nummerieren:

$ {\begin{aligned}\Theta _{ij}=&{\hat {e}}_{i}\cdot \mathbf {\Theta } \cdot {\hat {e}}_{j}\\=&{\hat {e}}_{i}\cdot m\,[({\vec {r}}\cdot {\vec {r}})\,\mathbf {1} -{\vec {r}}\otimes {\vec {r}}]\cdot {\hat {e}}_{j}\\=&m\,{\hat {e}}_{i}\cdot [({\vec {r}}\cdot {\vec {r}}){\hat {e}}_{j}-({\vec {r}}\cdot {\hat {e}}_{j}){\vec {r}}]\\=&m\,[({\vec {r}}\cdot {\vec {r}})({\hat {e}}_{i}\cdot {\hat {e}}_{j})-r_{j}({\hat {e}}_{i}\cdot {\vec {r}})]\\=&m\,[({\vec {r}}\cdot {\vec {r}})\delta _{ij}-r_{i}\,r_{j}]\\\Rightarrow \Theta =&m\,{\begin{pmatrix}(r_{2}^{2}+r_{3}^{2})&-r_{1}r_{2}&-r_{1}r_{3}\\-r_{1}r_{2}&(r_{1}^{2}+r_{3}^{2})&-r_{2}r_{3}\\-r_{1}r_{3}&-r_{2}r_{3}&(r_{1}^{2}+r_{2}^{2})\end{pmatrix}}\\\end{aligned}} $

Hier sind zusätzlich:

  • $ {\vec {r}}=(r_{1},\,r_{2},\,r_{3}) $ die Koordinaten des Ortsvektors
  • $ \delta _{ij}={\begin{cases}1&{\text{für}}\;i=j\\0&{\text{sonst.}}\end{cases}} $ das Kronecker-Delta

Der Trägheitstensor ist ein symmetrischer Tensor, denn es gilt stets $ \Theta _{ij}=\Theta _{ji} $.

Struktur des Trägheitstensors

Die Elemente des Trägheitstensors in einer Koordinatendarstellung haben unmittelbare physikalische Bedeutung:

Trägheitsmoment bezüglich einer beliebigen Achse

Die drei Elemente der Hauptdiagonale sind die Trägheitsmomente des Körpers bei Rotation um die jeweilige Achse des Koordinatensystems. Das Trägheitsmoment $ \Theta _{ee} $ um eine Achse in Richtung eines beliebigen Einheitsvektors $ {\hat {e}} $ ergibt sich durch

$ \Theta _{ee}={\hat {e}}\cdot \mathbf {\Theta } \cdot {\hat {e}} $.

Das sieht man einfach an der obigen Matrixdarstellung, wenn man den gewählten Einheitsvektor $ {\hat {e}} $ durch zwei weitere Einheitsvektoren zu einer Orthogonalbasis erweitert. Denn die Diagonalelemente sind die Trägheitsmomente um die Richtungen der Basisvektoren.

Deviationsmomente

Die Nichtdiagonalelemente heißen Deviationsmomente. Sie geben (nach Multiplikation mit $ \omega ^{2} $) die Drehmomente an, die von den Lagern ausgeübt werden müssen, damit die Drehachse ihre Richtung beibehält.

Hauptträgheitsachsen und Hauptträgheitsmomente

Im Allgemeinen gilt $ {\vec {L}}=\mathbf {\Theta } \cdot {\vec {\omega }} $. Aus der positiven Definitheit des Tensors $ \mathbf {\Theta } $ folgt, dass es in drei Raumdimensionen auch drei positive Eigenwerte $ \Theta _{k} $ und zugehörige Eigenvektoren $ {\vec {\omega }}_{k} $ gibt, für die gilt $ {\vec {L}}=\Theta _{k}{\vec {\omega }}_{k} $.

Die Eigenvektoren des Trägheitstensors heißen Hauptträgheitsachsen und seine Eigenwerte sind die Hauptträgheitsmomente.

Mit den Hauptträgheitsmomenten und ihren Hauptträgheitsachsen bekommt der Trägheitstensor eine besonders einfache Diagonalgestalt:

$ \mathbf {\Theta } ={\begin{pmatrix}\Theta _{1}&&\\&\Theta _{2}&\\&&\Theta _{3}\end{pmatrix}} $

Symmetriebetrachtungen

Jede Symmetrieachse ist eine Hauptträgheitsachse. Es gilt:

  • Bei geraden prismatischen Körpern mit Grundfläche in Form eines Kreises oder eines regelmäßigen Vielecks sind zwei der drei Hauptträgheitsmomente untereinander gleich. Deren Hauptträgheitsachsen sind parallel zur Grundfläche, die dritte Hauptträgheitsachse ist senkrecht dazu.
  • Bei flächensymmetrischen Körpern liegt eine Hauptträgheitsachse senkrecht zur Symmetrieebene, die beiden anderen in der Symmetrieebene.
  • Besitzt der Körper zwei zueinander senkrechte Symmetrieebenen, dann sind ihre Normalen und ihre Schnittgerade Hauptträgheitsachsen.
  • Bei einem Tetraeder, einem Würfel, bei den übrigen drei regulären Körpern und bei der Kugel ist jede Raumrichtung Hauptträgheitsachse.
  • Sind $ \Theta _{1} $, $ \Theta _{2} $ und $ \Theta _{3} $ paarweise voneinander verschieden, so liegt keine Rotationssymmetrie bezüglich einer Achse durch den Bezugspunkt vor, z. B. weil der Bezugspunkt nicht im Massenmittelpunkt liegt oder der Körper bezüglich keiner Achse rotationssymmetrisch ist.

Drehimpuls und Rotationsenergie im körperfesten Hauptachsensystem

Im Koordinatensystem, dessen drei Basisvektoren $ {\hat {e}}_{k} $ durch die Hauptträgheitsachsen definiert sind, wird die Winkelgeschwindigkeit so ausgedrückt:

$ {\vec {\omega }}=\omega _{1}{\hat {e}}_{1}+\omega _{2}{\hat {e}}_{2}+\omega _{3}{\hat {e}}_{3} $

Dann gilt für den Drehimpuls

$ {\vec {L}}=\mathbf {\Theta } \cdot {\vec {\omega }}=\Theta _{1}\omega _{1}{\hat {e}}_{1}+\Theta _{2}\omega _{2}{\hat {e}}_{2}+\Theta _{3}\omega _{3}{\hat {e}}_{3} $.

und für die Rotationsenergie

$ E_{\text{rot}}={\frac {1}{2}}{\vec {\omega }}\cdot \mathbf {\Theta } \cdot {\vec {\omega }}={\frac {1}{2}}(\Theta _{1}\omega _{1}^{2}+\Theta _{2}\omega _{2}^{2}+\Theta _{3}\omega _{3}^{2}) $.

Trägheitsellipsoid

Definiert man die Länge des Ortsvektors $ {\vec {r}} $ in jeder Richtung durch die Gleichung

$ 1={\vec {r}}\cdot \mathbf {\Theta } \cdot {\vec {r}} $,

dann liegen die Endpunkte dieser Vektoren auf einer geschlossenen Fläche in Form eines Ellipsoids (Beweis). In jeder Richtung ist der Abstand der Fläche vom Ursprung gleich dem Kehrwert der Wurzel aus dem Trägheitsmoment für die in dieser Richtung liegende Achse:

$ r={\frac {1}{\sqrt {\Theta _{rr}}}} $

Die drei Achsen des Ellipsoids sind die Hauptträgheitsachsen. Die längste hat die Richtung der Drehachse mit dem kleinstmöglichen Trägheitsmoment bei der gegebenen Anordnung der Massen, die kürzeste Halbachse die Richtung mit dem größtmöglichen Trägheitsmoment. Diese Achsen haben feste Richtungen im körpereigenen Bezugssystem, denn ihre räumliche Lage ist durch die Lage des Körpers festgelegt.

Berechnung des Trägheitstensors

Für ein System von Massenpunkten

Der Drehimpuls eines zusammengesetzten Systems $ {\vec {L}} $ ist die Summe der Drehimpulse der Komponenten des Systems $ {\vec {L}}_{n} $.

$ {\vec {L}}=\sum _{n}{\vec {L}}_{n}=\sum _{n}\mathbf {\Theta } _{n}\cdot {\vec {\omega }}_{n} $

Sind die Winkelgeschwindigkeiten der Komponenten $ {\vec {\omega }}_{n} $ alle identisch und gleich $ {\vec {\omega }} $, dann gilt:

$ {\vec {L}}=\sum _{n}\mathbf {\Theta } _{n}\cdot {\vec {\omega }} $

Und somit gilt für den Trägheitstensor $ \mathbf {\Theta } $ des Systems:

$ {\begin{aligned}\mathbf {\Theta } &=\sum _{n}\mathbf {\Theta } _{n}\\&=\sum _{n}m_{n}\,[({\vec {r}}_{n}\cdot {\vec {r}}_{n})\,\mathbf {1} -{\vec {r}}_{n}\otimes {\vec {r}}_{n}]\\&=\sum _{n}m_{n}{\begin{pmatrix}(y_{n}^{2}+z_{n}^{2})&-x_{n}y_{n}&-x_{n}z_{n}\\-y_{n}x_{n}&(x_{n}^{2}+z_{n}^{2})&-y_{n}z_{n}\\-z_{n}x_{n}&-z_{n}y_{n}&(x_{n}^{2}+y_{n}^{2})\end{pmatrix}}\\&={\begin{pmatrix}\sum m_{n}(y_{n}^{2}+z_{n}^{2})&-\sum m_{n}\,x_{n}y_{n}&-\sum m_{n}\,x_{n}z_{n}\\-\sum m_{n}y_{n}x_{n}&\sum m_{n}(x_{n}^{2}+z_{n}^{2})&-\sum m_{n}\,y_{n}z_{n}\\-\sum m_{n}z_{n}x_{n}&-\sum m_{n}\,z_{n}y_{n}&\sum m_{n}\,(x_{n}^{2}+y_{n}^{2})\end{pmatrix}}\end{aligned}} $

Hier sind weiterhin:

  • $ m_{1\ldots N} $ die Massen der Massepunkte, aus denen das System zusammengesetzt ist,
  • $ {\vec {r}}_{1\ldots N}=(x_{1\ldots N},\,y_{1\ldots N},\,z_{1\ldots N}) $ die Koordinaten ihrer Ortsvektoren

Bei kontinuierlicher Masseverteilung

An die Stelle der Summen tritt beim Übergang zu einer kontinuierlichen Massenverteilung der Massendichte $ \rho ({\vec {r}}) $ ein Integral:

$ \Theta =\int _{V}\rho ({\vec {r}})\,[({\vec {r}}\cdot {\vec {r}})\mathbf {1} \,-\,{\vec {r}}\otimes {\vec {r}}]\mathrm {d} V $

mit den einzelnen Trägheitsmomenten

$ \Theta _{ij}=\int _{V}\rho ({\vec {r}})\,[({\vec {r}}\cdot {\vec {r}})\delta _{ij}\,-\,r_{i}r_{j}]\mathrm {d} V $

Beispiel: Trägheitstensor eines homogenen Würfels

Im Massenmittelpunkt eines Würfels mit Kantenlänge $ d=2a $ wird ein kartesisches Koordinatensystem so gelegt, dass die Koordinatenachsen parallel zu den Würfelkanten sind. Wegen der Homogenität ist die Dichte konstant und kann vor das Integral gezogen werden:

$ \Theta _{ij}=\Theta _{\beta \alpha }=\varrho \,\int _{V}(r^{2}\delta _{ij}-r_{i}r_{j})\mathrm {d} V $

Nun lassen sich die sechs unabhängigen Tensorkomponenten bestimmen: Das sind drei Massenträgheitsmomente und drei Deviationsmomente, da der Tensor wegen $ \Theta _{ij}=\Theta _{ji} $ symmetrisch ist. Beim Würfel mit Kantenlänge $ 2a $ wird zur Berechnung des Trägheitstensors bezüglich des Ursprungs in allen drei Raumrichtungen von $ -a $ bis $ +a $ integriert. Für den Würfel ergibt sich:

$ {\begin{aligned}\Theta _{xx}=&\varrho \int _{V}(y^{2}+z^{2})\mathrm {d} V=\varrho {\frac {16}{3}}a^{5}\\\Theta _{yy}=&\varrho \int _{V}(x^{2}+z^{2})\mathrm {d} V=\varrho {\frac {16}{3}}a^{5}\\\Theta _{zz}=&\varrho \int _{V}(y^{2}+x^{2})\mathrm {d} V=\varrho {\frac {16}{3}}a^{5}\\\Theta _{xy}=&\Theta _{yx}=-\varrho \int _{V}yx\mathrm {d} V=0\\\Theta _{yz}=&\Theta _{zy}=-\varrho \int _{V}zy\mathrm {d} V=0\\\Theta _{zx}=&\Theta _{xz}=-\varrho \int _{V}xz\mathrm {d} V=0\end{aligned}} $

Dabei wurde

$ {\begin{aligned}\int _{-a}^{a}\mathrm {d} x=&\left[x\right]_{-a}^{a}=2a\\\int _{-a}^{a}x\mathrm {d} x=&\left[{\frac {x^{2}}{2}}\right]_{-a}^{a}=0\\\int _{V}x^{2}\mathrm {d} V=&\int _{x=-a}^{x=a}\int _{y=-a}^{y=a}\int _{z=-a}^{z=a}x^{2}\,\mathrm {d} z\mathrm {d} y\mathrm {d} x=\int _{x=-a}^{x=a}x^{2}\,\mathrm {d} x\int _{y=-a}^{y=a}\mathrm {d} y\int _{z=-a}^{z=a}\mathrm {d} z=\left[{\frac {x^{3}}{3}}\right]_{-a}^{a}(2a)^{2}={\frac {8}{3}}a^{5}\end{aligned}} $

benutzt, Analoges gilt in $ y $- und $ z $-Richtung. Mit diesen Ergebnissen, der Kantenlänge $ d=2a $ und der Masse $ m=\varrho d^{3} $ des Würfels bekommt der Tensor die Form

$ \mathbf {\Theta } =\varrho {\frac {16}{3}}a^{5}{\begin{pmatrix}1&0&0\\0&1&0\\0&0&1\end{pmatrix}}={\frac {\varrho }{6}}d^{5}\mathbf {1} ={\frac {m}{6}}d^{2}\mathbf {1} $.

Siehe auch

Literatur

  • Herbert Goldstein: Klassische Mechanik. 6. Auflage. Akademische Verlagsgesellschaft, Wiesbaden 1981, ISBN 3-400-00134-1.
  • Richard Grammel: Der Kreisel. Seine Theorie und seine Anwendungen. 2. überarb. Auflage. Band 2. Springer, Berlin, Göttingen, Heidelberg 1950, DNB 451641280.

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