Suprasolidität: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Suprasolidität''' ist ein [[Quantenmechanik|quantenmechanischer]] Zustand der Materie, der gleichzeitig sowohl Eigenschaften [[Festkörper|fester]] als auch [[suprafluid]]er Körper zeigt. Dieser Zustand wurde bereits 1969 sowohl von [[David J. Thouless]] als auch von [[Alexander Fjodorowitsch Andrejew|Alexander Andrejew]] und [[Jewgeni Michailowitsch Lifschitz]] vorausgesagt.<ref>{{cite journal |author=D. J. Thouless |title=The flow of a dense superfluid |journal=Ann. Phys. |volume=51 |pages=403-427 |year=1969}}</ref><ref>{{cite journal |author=A. F. Andreev, I. M. Lifshitz |title=Quantum theory of defects in crystals |journal=Sov. Phys. JETP |volume=29 |pages=1107-1113 |year=1969}}</ref>  
Die '''Suprasolidität''' ist ein [[Quantenmechanik|quantenmechanischer]] Zustand der Materie, der gleichzeitig sowohl Eigenschaften [[Festkörper|fester]] als auch [[suprafluid]]er Körper zeigt. Dieser Zustand wurde bereits 1969 sowohl von [[David J. Thouless]] als auch von [[Alexander Fjodorowitsch Andrejew|Alexander Andrejew]] und [[Ilja Michailowitsch Lifschitz]] vorausgesagt.<ref>{{cite journal |author=D. J. Thouless |title=The flow of a dense superfluid |journal=Ann. Phys. |volume=51 |pages=403–427 |year=1969}}</ref><ref>{{cite journal |author=A. F. Andreev, I. M. Lifshitz |title=Quantum theory of defects in crystals |journal=Sov. Phys. JETP |volume=29 |pages=1107–1113 |year=1969}}</ref>


Über einen ersten experimentellen Nachweis des suprasoliden Zustands berichteten [[Eun-Seong Kim]] und [[Moses H. W. Chan]] am Beispiel von ultrakaltem festem [[Helium|Helium-4]] (<sup>4</sup>He).<ref name="pmid15345778">{{cite journal |author=E. Kim, M. H. Chan |title=Observation of superflow in solid helium |journal=Science |volume=305 |issue=5692 |pages=1941–4 |year=2004 |month=September |pmid=15345778 |doi=10.1126/science.1101501}}</ref><ref name="pmid14724632">{{cite journal |author=E. Kim, M. H. Chan |title=Probable observation of a supersolid helium phase |journal=Nature |volume=427 |issue=6971 |pages=225–7 |year=2004 |month=January |pmid=14724632 |doi=10.1038/nature02220}}</ref> Als Chan das Experiment allerdings 2012 mit Dud Kim wiederholte, fanden sie keinen Hinweis auf Suprasolidität<ref>D. Y. Kim, M. H. W. Chan: Absence of Supersolidity in Solid Helium in Porous Vycor Glass". Physical Review Letters, Band 109, 2012, S. 155301. PMID 23102323 </ref><ref>[https://physics.aps.org/articles/v5/111 Focus: Supersolid Discoverer’s New Experiments Show No Supersolid, APS Physics 2012]</ref>. Der beobachtete Effekt konnte durch die Änderung der Elastizität des festen Heliums erklärt werden.
Über einen ersten experimentellen Nachweis des suprasoliden Zustands berichteten Forscher 2004 am Beispiel von ultrakaltem festem [[Helium|Helium-4]] (<sup>4</sup>He).<ref name="pmid15345778">{{cite journal |author=E. Kim, M. H. Chan |title=Observation of superflow in solid helium |journal=Science |volume=305 |issue=5692 |pages=1941–4 |year=2004 |month=September |pmid=15345778 |doi=10.1126/science.1101501}}</ref><ref name="pmid14724632">{{cite journal |author=E. Kim, M. H. Chan |title=Probable observation of a supersolid helium phase |journal=Nature |volume=427 |issue=6971 |pages=225–7 |year=2004 |month=January |pmid=14724632 |doi=10.1038/nature02220}}</ref> Allerdings erst als das Experiment 2012 wiederholt wurde, konnte der beobachtete Effekt durch die Änderung der Elastizität des festen Heliums erklärt werden.<ref>D. Y. Kim, M. H. W. Chan: Absence of Supersolidity in Solid Helium in Porous Vycor Glass". Physical Review Letters, Band 109, 2012, S. 155301. PMID 23102323</ref><ref>[https://physics.aps.org/articles/v5/111 Focus: Supersolid Discoverer’s New Experiments Show No Supersolid, APS Physics 2012]</ref> Zweifelsfrei nachgewiesen wurde die Existenz verschiedener Formen der Suprasolidität ab 2017 in Experimenten mit [[Bose-Einstein-Kondensat]]en.<ref>[http://news.mit.edu/2017/mit-researchers-create-new-form-matter-0302 Julia Keller, MIT researchers create new form of matter, MIT News, 2. März 2017]</ref><ref name=":0" /> Die allgemeinen Voraussetzungen und notwendigen Eigenschaften für die Entstehung eines Supersolids sind Thema aktueller Forschung.


== Experiment von Chan, Kim==
== Experiment von Chan, Kim ==
[[Datei:TOwhitebackground.svg|mini|Schematischer Aufbau eines Torsionsoszillators zum Nachweis der Suprasolidität]]
[[Datei:TOwhitebackground.svg|mini|Schematischer Aufbau eines Torsionsoszillators zum Nachweis der Suprasolidität|217x217px]]
Die Experimente von Eun-Seong Kim und Moses H. W. Chan an der [[Pennsylvania State University]] mit <sup>4</sup>He bei Temperaturen unterhalb von 200&nbsp;[[Kelvin|mK]] mit Hilfe eines [[Torsionsoszillator]]s lieferten einen ersten experimentellen Hinweis auf die Existenz der Suprasolidität. In diesem Experiment bewegte sich <sup>4</sup>He bei Abkühlung auf unterhalb von etwa 200&nbsp;mK nicht mehr wie ein klassischer Feststoff, sondern zeigte eine Rotationsanomalie, welche mit der des suprafluiden <sup>4</sup>He vergleichbar ist.<ref name="pmid15345778"/><ref name="pmid14724632"/> Paradoxerweise ist mit dem teilweisen Übergang in den suprafluiden Zustand eine Zunahme der [[Steifigkeit]] der Materie verbunden.<ref name="pmid18064007">{{cite journal |author=J. Day, J. Beamish |title=Low-temperature shear modulus changes in solid 4He and connection to supersolidity |journal=Nature |volume=450 |issue=7171 |pages=853–6 |year=2007 |month=December |pmid=18064007 |doi=10.1038/nature06383}}</ref> Messungen der [[spezifische Wärme|spezifischen Wärme]] am Übergangspunkt zur Rotationsanomalie deuten auf einen echten [[Phasenübergang]].<ref name="pmid17960238">{{cite journal |author=X. Lin, A. C. Clark, M. H. Chan |title=Probable heat capacity signature of the supersolid transition |journal=Nature |volume=449 |issue=7165 |pages=1025–8 |year=2007 |month=October |pmid=17960238 |doi=10.1038/nature06228}}</ref>
Die Experimente von [[Eun-Seong Kim]] und [[Moses H. W. Chan]] an der [[Pennsylvania State University]] mit kristallinem <sup>4</sup>He bei Temperaturen unterhalb von 200&nbsp;[[Kelvin|mK]] mit Hilfe eines [[Torsionsoszillator]]s lieferten einen ersten experimentellen Hinweis auf die Existenz der Suprasolidität. In diesem Experiment änderte sich unterhalb von etwa 200&nbsp;mK die Eigenfrequenz des Torsionsoszillators, was darauf zurückgeführt wurde, dass ein Teil des kristallinen <sup>4</sup>He superfluid geworden war. Messungen der [[spezifische Wärme|spezifischen Wärme]] am Übergangspunkt zur Rotationsanomalie deuten auf einen echten [[Phasenübergang]].<ref name="pmid17960238">{{cite journal |author=X. Lin, A. C. Clark, M. H. Chan |title=Probable heat capacity signature of the supersolid transition |journal=Nature |volume=449 |issue=7165 |pages=1025–8 |year=2007 |month=October |pmid=17960238 |doi=10.1038/nature06228}}</ref> Spätere Studien zeigten jedoch, dass die Änderung der Eigenfrequenz auch durch eine Zunahme der [[Steifigkeit]] des kristallinen <sup>4</sup>He bei tiefen Temperaturen erklärt werden kann.<ref name="pmid18064007">{{cite journal |author=J. Day, J. Beamish |title=Low-temperature shear modulus changes in solid 4He and connection to supersolidity |journal=Nature |volume=450 |issue=7171 |pages=853–6 |year=2007 |month=December |pmid=18064007 |doi=10.1038/nature06383}}</ref>


Nach der Erstveröffentlichung der Beobachtung der Suprasolidität wurden auch andere mögliche Ursachen in den Fachjournalen heftig und kontrovers diskutiert. Eine alternative Erklärung war eine nicht vollständig ausschließbare Verunreinigung mit <sup>3</sup>He im [[ppb]]-Bereich, die für die Suprafluidität verantwortlich sei<ref name="pmid18352487">{{cite journal |author=E. Kim, J. S. Xia, J. T. West, X. Lin, A. C. Clark, M. H. Chan |title=Effect of 3He impurities on the nonclassical response to oscillation of solid 4He |journal=Phys. Rev. Lett. |volume=100 |issue=6 |pages=065301 |year=2008 |month=February |pmid=18352487 |url=http://link.aps.org/abstract/PRL/v100/p065301}}</ref>, während die kristalline Struktur nur in der <sup>4</sup>He-Spezies zu finden ist. Ein gleichzeitiges Auftreten beider Phasen (suprafluid und fest) in derselben atomaren Spezies wäre dann nicht gegeben. Schließlich widerlegte die Wiederholung des Experiments 2012 durch Chan die ursprüngliche Erklärung der Beobachtung als Suprasolidität. Der Effekt wurde auf elastisches Verhalten aufgrund von Dislokationen in Heliumkristallen zurückgeführt (sie können sich zwar nicht in den Vycor-Nanoporen bilden, es besteht aber die Möglichkeit dass größere Hohlräume vorhanden sind in denen das möglich ist).<ref>Auf diese Fehlerquelle wiesen zuerst James Day und John Beamish hin. Day, Beamish, Low-Temperature Shear Modulus Changes in Solid 4He and Connection to Supersolidity, Nature, Band 450, 2007, S. 853</ref>
Nach der Erstveröffentlichung der Beobachtung der Suprasolidität wurden auch andere mögliche Ursachen in den Fachjournalen heftig und kontrovers diskutiert. Eine alternative Erklärung war eine nicht vollständig ausschließbare Verunreinigung mit <sup>3</sup>He im [[parts per billion|ppb]]-Bereich, die für die Suprafluidität verantwortlich sei<ref name="pmid18352487">{{cite journal |author=E. Kim, J. S. Xia, J. T. West, X. Lin, A. C. Clark, M. H. Chan |title=Effect of 3He impurities on the nonclassical response to oscillation of solid 4He |journal=Phys. Rev. Lett. |volume=100 |issue=6 |pages=065301 |year=2008 |month=February |pmid=18352487 |url=http://link.aps.org/abstract/PRL/v100/p065301}}</ref>, während die kristalline Struktur nur in der <sup>4</sup>He-Spezies zu finden ist. Ein gleichzeitiges Auftreten beider Phasen (suprafluid und fest) in derselben atomaren Spezies wäre dann nicht gegeben. Schließlich widerlegte die Wiederholung des Experiments 2012 durch Chan die ursprüngliche Erklärung der Beobachtung als Suprasolidität. Der Effekt wurde auf elastisches Verhalten aufgrund von Dislokationen in Heliumkristallen zurückgeführt. Diese können sich zwar nicht in den Vycor-Nanoporen bilden, es besteht aber die Möglichkeit, dass größere Hohlräume vorhanden sind, in denen die Möglichkeit besteht.<ref>Auf diese Fehlerquelle wiesen zuerst James Day und John Beamish hin. Day, Beamish, Low-Temperature Shear Modulus Changes in Solid 4He and Connection to Supersolidity, Nature, Band 450, 2007, S. 853</ref>


==Bose-Einstein-Kondensat==
== Experimente mit Bose-Einstein-Kondensaten ==
2017 berichteten zwei Gruppen über die Realisierung eines Superfestkörpers in einem optischen Gitter ultrakalter Atome ([[Bose-Einstein-Kondensat]]), eines von der ETH Zürich, das andere vom MIT (unter Leitung von [[Wolfgang Ketterle]]).<ref>[https://www.nature.com/nature/journal/v543/n7643/full/nature21067.html Julian Léonard,Andrea Morales, Philip Zupancic,Tilman Esslinger, Tobias Donner: Supersolid formation in a quantum gas breaking a continuous translational symmetry, Nature, Band 543, 2017, S. 87-90]</ref><ref>[http://news.mit.edu/2017/mit-researchers-create-new-form-matter-0302 Julia Keller, MIT researchers create new form of matter, MIT News, 2. März 2017]</ref><ref>Jun-Ru Li, Jeongwon Lee, Jeongwon, Wujie Huang, Sean Burchesky, Sean, Boris Shteynas, Furkan Çağrı Top, Alan O. Jamison, Wolfgang Ketterle: A stripe phase with supersolid properties in spin–orbit-coupled Bose–Einstein condensates, Nature, Band 543, 2017, S. 91–94</ref>
2017 berichteten zwei Gruppen über die Realisierung eines Superfestkörpers in einem optischen Gitter ultrakalter Atome ([[Bose-Einstein-Kondensat]]), eines von der ETH Zürich (unter der Leitung von [[Tilman Esslinger]]), das andere vom MIT (unter Leitung von [[Wolfgang Ketterle]]).<ref name=":1">[https://www.nature.com/nature/journal/v543/n7643/full/nature21067.html Julian Léonard,Andrea Morales, Philip Zupancic,Tilman Esslinger, Tobias Donner: Supersolid formation in a quantum gas breaking a continuous translational symmetry, Nature, Band 543, 2017, S. 87–90]</ref><ref name=":2">Jun-Ru Li, Jeongwon Lee, Jeongwon, Wujie Huang, Sean Burchesky, Sean, Boris Shteynas, Furkan Çağrı Top, Alan O. Jamison, Wolfgang Ketterle: A stripe phase with supersolid properties in spin–orbit-coupled Bose–Einstein condensates, Nature, Band 543, 2017, S. 91–94</ref> Während in diesen Experimenten die Kristallstruktur durch das optische Gitter induziert wurde, gelang es 2019 mehreren Gruppen (unter der Leitung von [[Francesca Ferlaino]], [[Tilman Pfau]] und Giovanni Modugno) einen Superfestkörper zu erzeugen, bei dem, wie in Helium, die Wechselwirkung der Atome allein bereits zur Ausbildung suprasolider Eigenschaften führte.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Tobias Donner |Titel=Viewpoint: Dipolar Quantum Gases go Supersolid |Sammelwerk=Physics |Band=12 |Datum=2019-04-03 |Online=https://physics.aps.org/articles/v12/38 |Abruf=2019-04-19}}</ref> Hierbei spielten magnetische Atome mit langreichweitiger [[Dipol-Dipol-Kräfte|Dipol-Dipol Wechselwirkung]] eine entscheidende Rolle. Für bestimmte Stärken dieser Wechselwirkung bildete sich spontan eine Gitterstruktur auf dem superfluiden Bose-Einstein Kondensat aus. In den Experimenten konnten sowohl die spontane Bildung der Gitterstruktur, als auch der superfluide Fluss der Atome direkt beobachtet und so die Suprasolidität zweifelsfrei nachgewiesen werden.<ref>{{Literatur |Autor=Mingyang Guo, Fabian Böttcher, Jens Hertkorn, Jan-Niklas Schmidt, Matthias Wenzel |Titel=The low-energy Goldstone mode in a trapped dipolar supersolid |Sammelwerk=Nature |Band=574 |Nummer=7778 |Datum=2019-10 |ISSN=1476-4687 |DOI=10.1038/s41586-019-1569-5 |Seiten=386–389 |Online=https://www.nature.com/articles/s41586-019-1569-5 |Abruf=2019-11-01}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=L. Tanzi, S. M. Roccuzzo, E. Lucioni, F. Famà, A. Fioretti |Titel=Supersolid symmetry breaking from compressional oscillations in a dipolar quantum gas |Sammelwerk=Nature |Band=574 |Nummer=7778 |Datum=2019-10 |ISSN=1476-4687 |DOI=10.1038/s41586-019-1568-6 |Seiten=382–385 |Online=https://www.nature.com/articles/s41586-019-1568-6 |Abruf=2019-11-01}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=G. Natale, R. M. W. van Bijnen, A. Patscheider, D. Petter, M. J. Mark |Titel=Excitation Spectrum of a Trapped Dipolar Supersolid and Its Experimental Evidence |Sammelwerk=Physical Review Letters |Band=123 |Nummer=5 |Datum=2019-08-01 |DOI=10.1103/PhysRevLett.123.050402 |Seiten=050402 |Online=https://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevLett.123.050402 |Abruf=2019-11-01}}</ref> 2021 erzeugte das Team um Ferlaino suprasolide Zustände in zwei Dimensionen eines Quantengases.<ref>{{Literatur |Autor=M.A. Norcia, C. Politi, L. Klaus, et al. |Titel=Two-dimensional supersolidity in a dipolar quantum gas |Sammelwerk=Nature |Band=596 |Datum=2021-08-18 |DOI=10.1038/s41586-021-03725-7 |Seiten= 357–361 |Online=https://www.nature.com/articles/s41586-021-03725-7 |Abruf=2021-08-24}}</ref>


== Theorie ==
== Theorie ==
[[Datei:Dislocation coin vue en bout et coeur.svg|mini|Kristallfehler (Stufenversetzung)]]
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Als eine mögliche Ursache werden [[Leerstelle]]n in <sup>4</sup>He-[[Kristall]]en angesehen. Es wird diskutiert, ob diese [[Kristallfehler]] essenziell auch am [[Absoluter Nullpunkt|absoluten Nullpunkt]] existieren<ref>{{cite journal |author=P. W. Anderson |title=Bose fluids above Tc: incompressible vortex fluids and ‘supersolidity’ |journal=Phys. Rev. Lett. |volume=100 |pages=215301 |year=2008}}</ref> oder ob sie auf experimentell verwendeten imperfekten Kristallen beruhen. Bei ausreichend niedrigen Temperaturen sind in suprasoliden Körpern wie im [[Bose-Einstein-Kondensat]] die Atome durch Überlagerung ihrer [[Wellenfunktion]]en und somit auch die Leerstellen im Kristall delokalisiert (Quantenkristall). Die Suprasolidität repräsentiert damit analog zum [[Bose-Gas]] und zur Suprafluidität eine Form des Bose-Einstein-Kondensats.
Als eine mögliche Ursache für Suprasolidität in Helium werden [[Leerstelle]]n in <sup>4</sup>He-[[Kristall]]en angesehen. Es wird diskutiert, ob diese [[Kristallfehler]] essenziell auch am [[Absoluter Nullpunkt|absoluten Nullpunkt]] existieren<ref>{{cite journal |author=P. W. Anderson |title=Bose fluids above Tc: incompressible vortex fluids and ‘supersolidity’ |journal=Phys. Rev. Lett. |volume=100 |pages=215301 |year=2008}}</ref> oder ob sie auf experimentell verwendeten imperfekten Kristallen beruhen. Bei ausreichend niedrigen Temperaturen sind in suprasoliden Körpern wie im [[Bose-Einstein-Kondensat]] die Atome durch Überlagerung ihrer [[Wellenfunktion]]en und somit auch die Leerstellen im Kristall delokalisiert (Quantenkristall), was zum charakteristischen reibungslosen Fluss führen könnte. Die Suprasolidität repräsentiert damit analog zum [[Bose-Gas]] und zur Suprafluidität eine Form des Bose-Einstein-Kondensats.


== Einzelnachweise ==
Eine Analogie zur Supersolidität in magnetischen Phasendiagrammen von anisotropen [[Antiferromagnet]]en im Feld wurde 1956 von [[Takeo Matsubara]] und H. Matsuda aufgezeigt.<ref>{{cite journal|author=T.Matsubara, H. Matsuda|title=A lattice model of liquid helium|journal=Prog. Theor. Phys|volume=16|pages=569–582|year=1956}}</ref>
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In Experimenten mit ultrakalten Atomen kamen ebenfalls Bose-Einstein Kondensate zum Einsatz. In diesen wurden, entweder durch Spin-Bahn Kopplung<ref name=":2" />, Lichtfelder in optischen Resonatoren<ref name=":1" /> oder magnetische Dipol-Dipol Wechselwirkung<ref name=":0" /> [[Roton (Physik)|rotonische]] Anregungsspektren erzeugt. Dadurch kann das Bose-Einstein Kondensat eine periodische Dichtemodulation entwickeln, die einer Gitterstruktur gleichkommt.


== Literatur ==
== Literatur ==
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.spektrum.de/news/ultrakalte-heliumkristalle-verfluessigen-sich-doch-nicht/1071431 „Ultrakalte Heliumkristalle verflüssigen sich doch nicht“] 12. Mai 2011 [[Spektrum der Wissenschaft]]
* [http://www.spektrum.de/news/ultrakalte-heliumkristalle-verfluessigen-sich-doch-nicht/1071431 „Ultrakalte Heliumkristalle verflüssigen sich doch nicht“] auf [[Spektrum der Wissenschaft]] vom 12. Mai 2011  
* [https://eurekalert.org/pub_releases_ml/2021-01/uoi-r010421.php Gequirlte Suprafestkoerper], auf EurekAlert! vom 4. Januar 2021, und<br />[https://science.orf.at/stories/3203912/ Suprafestkörper aus dem Gleichgewicht], auf orf.at vom 3. Januar 2021
 
== Einzelnachweise ==
<references />


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[[Kategorie:Quantenphysik]]
[[Kategorie:Quantenphysik]]

Aktuelle Version vom 24. August 2021, 12:24 Uhr

Die Suprasolidität ist ein quantenmechanischer Zustand der Materie, der gleichzeitig sowohl Eigenschaften fester als auch suprafluider Körper zeigt. Dieser Zustand wurde bereits 1969 sowohl von David J. Thouless als auch von Alexander Andrejew und Ilja Michailowitsch Lifschitz vorausgesagt.[1][2]

Über einen ersten experimentellen Nachweis des suprasoliden Zustands berichteten Forscher 2004 am Beispiel von ultrakaltem festem Helium-4 (4He).[3][4] Allerdings erst als das Experiment 2012 wiederholt wurde, konnte der beobachtete Effekt durch die Änderung der Elastizität des festen Heliums erklärt werden.[5][6] Zweifelsfrei nachgewiesen wurde die Existenz verschiedener Formen der Suprasolidität ab 2017 in Experimenten mit Bose-Einstein-Kondensaten.[7][8] Die allgemeinen Voraussetzungen und notwendigen Eigenschaften für die Entstehung eines Supersolids sind Thema aktueller Forschung.

Experiment von Chan, Kim

Schematischer Aufbau eines Torsionsoszillators zum Nachweis der Suprasolidität

Die Experimente von Eun-Seong Kim und Moses H. W. Chan an der Pennsylvania State University mit kristallinem 4He bei Temperaturen unterhalb von 200 mK mit Hilfe eines Torsionsoszillators lieferten einen ersten experimentellen Hinweis auf die Existenz der Suprasolidität. In diesem Experiment änderte sich unterhalb von etwa 200 mK die Eigenfrequenz des Torsionsoszillators, was darauf zurückgeführt wurde, dass ein Teil des kristallinen 4He superfluid geworden war. Messungen der spezifischen Wärme am Übergangspunkt zur Rotationsanomalie deuten auf einen echten Phasenübergang.[9] Spätere Studien zeigten jedoch, dass die Änderung der Eigenfrequenz auch durch eine Zunahme der Steifigkeit des kristallinen 4He bei tiefen Temperaturen erklärt werden kann.[10]

Nach der Erstveröffentlichung der Beobachtung der Suprasolidität wurden auch andere mögliche Ursachen in den Fachjournalen heftig und kontrovers diskutiert. Eine alternative Erklärung war eine nicht vollständig ausschließbare Verunreinigung mit 3He im ppb-Bereich, die für die Suprafluidität verantwortlich sei[11], während die kristalline Struktur nur in der 4He-Spezies zu finden ist. Ein gleichzeitiges Auftreten beider Phasen (suprafluid und fest) in derselben atomaren Spezies wäre dann nicht gegeben. Schließlich widerlegte die Wiederholung des Experiments 2012 durch Chan die ursprüngliche Erklärung der Beobachtung als Suprasolidität. Der Effekt wurde auf elastisches Verhalten aufgrund von Dislokationen in Heliumkristallen zurückgeführt. Diese können sich zwar nicht in den Vycor-Nanoporen bilden, es besteht aber die Möglichkeit, dass größere Hohlräume vorhanden sind, in denen die Möglichkeit besteht.[12]

Experimente mit Bose-Einstein-Kondensaten

2017 berichteten zwei Gruppen über die Realisierung eines Superfestkörpers in einem optischen Gitter ultrakalter Atome (Bose-Einstein-Kondensat), eines von der ETH Zürich (unter der Leitung von Tilman Esslinger), das andere vom MIT (unter Leitung von Wolfgang Ketterle).[13][14] Während in diesen Experimenten die Kristallstruktur durch das optische Gitter induziert wurde, gelang es 2019 mehreren Gruppen (unter der Leitung von Francesca Ferlaino, Tilman Pfau und Giovanni Modugno) einen Superfestkörper zu erzeugen, bei dem, wie in Helium, die Wechselwirkung der Atome allein bereits zur Ausbildung suprasolider Eigenschaften führte.[8] Hierbei spielten magnetische Atome mit langreichweitiger Dipol-Dipol Wechselwirkung eine entscheidende Rolle. Für bestimmte Stärken dieser Wechselwirkung bildete sich spontan eine Gitterstruktur auf dem superfluiden Bose-Einstein Kondensat aus. In den Experimenten konnten sowohl die spontane Bildung der Gitterstruktur, als auch der superfluide Fluss der Atome direkt beobachtet und so die Suprasolidität zweifelsfrei nachgewiesen werden.[15][16][17] 2021 erzeugte das Team um Ferlaino suprasolide Zustände in zwei Dimensionen eines Quantengases.[18]

Theorie

Kristallfehler (Stufenversetzung)

Als eine mögliche Ursache für Suprasolidität in Helium werden Leerstellen in 4He-Kristallen angesehen. Es wird diskutiert, ob diese Kristallfehler essenziell auch am absoluten Nullpunkt existieren[19] oder ob sie auf experimentell verwendeten imperfekten Kristallen beruhen. Bei ausreichend niedrigen Temperaturen sind in suprasoliden Körpern wie im Bose-Einstein-Kondensat die Atome durch Überlagerung ihrer Wellenfunktionen und somit auch die Leerstellen im Kristall delokalisiert (Quantenkristall), was zum charakteristischen reibungslosen Fluss führen könnte. Die Suprasolidität repräsentiert damit analog zum Bose-Gas und zur Suprafluidität eine Form des Bose-Einstein-Kondensats.

Eine Analogie zur Supersolidität in magnetischen Phasendiagrammen von anisotropen Antiferromagneten im Feld wurde 1956 von Takeo Matsubara und H. Matsuda aufgezeigt.[20]

In Experimenten mit ultrakalten Atomen kamen ebenfalls Bose-Einstein Kondensate zum Einsatz. In diesen wurden, entweder durch Spin-Bahn Kopplung[14], Lichtfelder in optischen Resonatoren[13] oder magnetische Dipol-Dipol Wechselwirkung[8] rotonische Anregungsspektren erzeugt. Dadurch kann das Bose-Einstein Kondensat eine periodische Dichtemodulation entwickeln, die einer Gitterstruktur gleichkommt.

Literatur

  • A. J. Leggett: Can a Solid be “Superfluid”?, Phys. Rev. Lett. 25, 1543 (1970); doi:10.1103/PhysRevLett.25.1543.
  • G. V. Chester: Speculations on Bose-Einstein Condensation and Quantum Crystals, Phys. Rev. A 2, 256 (1970); doi:10.1103/PhysRevA.2.256.
  • S. Balibar: The enigma of supersolidity. In: Nature. 464. Jahrgang, Nr. 7286, März 2010, S. 176–82, doi:10.1038/nature08913, PMID 20220834.
  • N. Prokof’ev: What makes a crystal supersolid? In: Adv. Phys. 56. Jahrgang, 2007, S. 381–402.
  • S. Balibar, F. Caupin: Supersolidity and disorder. In: J. Phys. Condens. Matter. 20,. Jahrgang, 2008, S. 173201.
  • D. E. Galli, L. Reatto: Solid 4He and the supersolid phase: from theoretical speculation to the discovery of a new state of matter? A review of the past and present status of research. In: J. Phys. Soc. Jpn. 77. Jahrgang, 2008, S. 111010.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. D. J. Thouless: The flow of a dense superfluid. In: Ann. Phys. 51. Jahrgang, 1969, S. 403–427.
  2. A. F. Andreev, I. M. Lifshitz: Quantum theory of defects in crystals. In: Sov. Phys. JETP. 29. Jahrgang, 1969, S. 1107–1113.
  3. E. Kim, M. H. Chan: Observation of superflow in solid helium. In: Science. 305. Jahrgang, Nr. 5692, September 2004, S. 1941–4, doi:10.1126/science.1101501, PMID 15345778.
  4. E. Kim, M. H. Chan: Probable observation of a supersolid helium phase. In: Nature. 427. Jahrgang, Nr. 6971, Januar 2004, S. 225–7, doi:10.1038/nature02220, PMID 14724632.
  5. D. Y. Kim, M. H. W. Chan: Absence of Supersolidity in Solid Helium in Porous Vycor Glass". Physical Review Letters, Band 109, 2012, S. 155301. PMID 23102323
  6. Focus: Supersolid Discoverer’s New Experiments Show No Supersolid, APS Physics 2012
  7. Julia Keller, MIT researchers create new form of matter, MIT News, 2. März 2017
  8. 8,0 8,1 8,2 Tobias Donner: Viewpoint: Dipolar Quantum Gases go Supersolid. In: Physics. Band 12, 3. April 2019 (aps.org [abgerufen am 19. April 2019]).
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  12. Auf diese Fehlerquelle wiesen zuerst James Day und John Beamish hin. Day, Beamish, Low-Temperature Shear Modulus Changes in Solid 4He and Connection to Supersolidity, Nature, Band 450, 2007, S. 853
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