Quantensprung: Unterschied zwischen den Versionen

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{{Begriffsklärungshinweis|Zum physikalischen Vorgang siehe [[Elektronischer Übergang]]. Zur Musikgruppe siehe [[Quantensprung (Band)]].}}
{{Begriffsklärungshinweis|Zum physikalischen Vorgang siehe [[Elektronischer Übergang]]. Zur Musikgruppe siehe [[Quantensprung (Band)]].}}


Ein '''Quantensprung''' bezeichnet im [[Marketing]] einen Übergang von einem Modell eines Produkts zu einem anderen, bei dem eine besonders große Verbesserung erreicht wurde.
Als '''Quantensprung''' bezeichnet man in der Alltagssprache des 21. Jahrhunderts einen Fortschritt, der eine Entwicklung innerhalb kürzester Zeit ein sehr großes Stück voranbringt. Dies widerspricht der ursprünglichen [[Elektronischer Übergang|physikalischen Bedeutung]]. Daher gilt ''Quantensprung'' als sogenanntes [[Januswort]] (Autoantonym).


== Etymologie ==
== Etymologie und Entwicklung der fachsprachlichen Wortbedeutung ==


Der Begriff wurde im frühen 20. Jahrhundert geprägt. Hintergrund war die Entdeckung, dass sich fundamentale Widersprüche der damaligen Physik mit der Annahme auflösen lassen, dass manche [[Physikalisches System|physikalische Systeme]] nur [[Diskretheit|diskrete]] Zustände annehmen können. Diese Entdeckung stand in Widerspruch zur damaligen Vorstellung, dass in der Natur alle Abläufe kontinuierlich seien ([[natura non facit saltus]]). Da Zwischenzustände nicht erlaubt sind, nahm man den Wechsel eines solchen Systems von einem Zustand in einen anderen als „sprunghaft“ an.
Der Begriff „Quantensprung“ wurde in den 1910er Jahren geprägt.<ref name="Annalen-515" /> Der Wortbestandteil ''Quanten'' leitet sich von dem von [[Max Planck]] eingeführten [[Quant|Energiequant]] ab und geht auf das Wort ''[[quantum]]'' zurück, welches im Lateinischen: ''wie viel'', ''wie groß'' bedeutet.


Einige Physiker wie [[Erwin Schrödinger]] lehnten den Begriff ab, da hierdurch die falsche Vorstellung eines sofortigen Übergangs suggeriert wird.
Hintergrund der Begriffsbildung war das [[Bohrsche Atommodell]], bei dem Atome ihre Energie nur in diskreten Schritten ändern. Diese Eigenschaft stand entgegen der Annahme, dass [[Natura non facit saltus|in der Natur alle Abläufe kontinuierlich seien]]. Die [[Energiezustand|Zustände]] und damit die möglichen Energiewerte im Bohrschen Atommodell sind mit [[Quantenzahl]]en durchnummeriert. Der Übergang von einem Zustand zu einem anderen wurde als sprunghaft angenommen. Daraus ergab sich die Bezeichnung ''Quantensprung''.<ref name="Annalen-515" /> Dieser sprunghafte Übergang zwischen sonst stationären Zuständen war ein zentraler Bestandteil des Bohrschen Atommodells<ref>{{Internetquelle |autor=Christian Speicher |url=https://www.nzz.ch/wissen/wissenschaft/ein-quantensprung-der-physik-1.18105461 |titel=Ein Quantensprung der Physik |werk=nzz.ch |datum=2013-06-27 |abruf=2018-01-21}}</ref><ref name="Hentschel2009">{{Literatur |Autor=[[Klaus Hentschel]] |Hrsg=[[Daniel Greenberger]], [[Klaus Hentschel]], Friedel Weinert |Titel=Quantum Jumps |Sammelwerk=Compendium of Quantum Physics: Concepts, Experiments, History and Philosophy |Verlag=Springer-Verlag |Ort=Berlin / Heidelberg |Datum=2009 |ISBN=978-3-662-51795-6 |Seiten=599 |DOI=10.1007/978-3-540-70626-7}}</ref>.


Heute wird ''Quantensprung'' in der physikalischen Fachsprache kaum noch benutzt. Man spricht allgemein von [[Energieniveau#Übergänge zwischen Energieniveaus|Übergängen]] zwischen [[Zustand (Quantenmechanik)|Zuständen]].
In einigen frühen physikalischen Publikationen wurde diese Bezeichnung explizit mit Anführungszeichen geschrieben,<ref name="Verhandlungen-150" /> und einige Physiker wie beispielsweise [[Erwin Schrödinger]] lehnten diesen visuellen Begriff als unzutreffend ab.<ref name="zeit-2012-08-13" /> Am Ende einer intensiven Diskussion auf einer Konferenz im September 1926 in Kopenhagen war aber laut [[Werner Heisenberg]] für alle Teilnehmer und auch Schrödinger klar, {{"|daß eine Deutung der [[Wellenmechanik]] ohne Quantensprünge unmöglich}} sei. Schrödinger wird mit den Worten zitiert: {{"|Wenn es doch bei dieser verdammten Quantenspringerei bleiben soll, dann bedauere ich, daß ich mich überhaupt mit diesem Gegenstand beschäftigt habe.}}<ref name="Heisenberg1946" /> Bereits wenige Jahre nach der Ersterwähnung wurde der abstraktere Begriff [[Energieniveau#Übergänge zwischen Energieniveaus|„Übergang“]] eingeführt,<ref name="Sitzung-79" /> der den „Quantensprung“ in der Fachsprache ersetzte.


== Heutige Verwendung ==
Dem „Quantensprung“ folgten in der englischen physikalischen Literatur die analogen Begriffe ''quantum jump'' (im Jahr 1924) und ''quantum leap'' (im Jahr 1932),<ref name="CJR" /> doch ebenso wie in der deutschen Fachliteratur wurden diese Begriffe allmählich durch das dem Wort ''Übergang'' entsprechende ''transition'' ersetzt.
 
== Alltagssprachliche Verwendung ==


Verglichen mit Vorgängen des alltäglichen Lebens ist ein physikalischer Quantensprung wegen seiner nur sehr geringfügigen Auswirkungen äußerst schwer zu beobachten.
Verglichen mit Vorgängen des alltäglichen Lebens ist ein physikalischer Quantensprung wegen seiner nur sehr geringfügigen Auswirkungen äußerst schwer zu beobachten.
Im Gegensatz dazu versteht der (Werbe-)Sprachgebrauch in Wirtschaft und Politik unter einem Quantensprung einen (vorgeblich) ungewöhnlich großen Fortschritt in einem bestimmten Bereich.<ref name="Fischer2011">{{Literatur |Autor=Ernst Peter Fischer |Titel=Max Planck: Wissenschaftsgeschichte |Verlag=Komplett-Media |Datum=2011 |ISBN=978-3-8312-5683-9 |Fundstelle=S. 6f |Sprache=de |Online=https://books.google.com/books?id=DreYDQAAQBAJ&pg=PT6}}</ref>


Im Gegensatz dazu versteht der Sprachgebrauch in Wirtschaft und Politik unter einem Quantensprung einen ungewöhnlich großen Fortschritt in einem bestimmten Bereich. Dies widerspricht der ursprünglichen physikalischen Bedeutung, daher wird ''Quantensprung'' als sogenanntes [[Januswort]] (Autoantonym) verstanden.
Bei einem Quantensprung soll es sich meistens um einen [[Dialektische Grundgesetze#Umschlag von Quantität in Qualität|qualitativen großen Fortschritt]], bei dem etwas Neues, Anderes entsteht oder geschaffen wird, handeln. Beispielsweise der Fortschritt in der Medizin vom [[Stethoskop]] zum [[Sonografie|Ultraschall]]. Wenn etwas lediglich mehr oder größer wird, spricht man nicht von einem Quantensprung – es sei denn, es handelt sich um einen bisher undenkbaren oder unmöglichen Zuwachs, der darüber hinaus in anderen Bereichen zu qualitativen Veränderungen führt. Beispielsweise führte der Zuwachs amerikanischer und russischer Atomwaffen zu einer grundlegenden Veränderung der politischen Machtstruktur in der Welt.
 
Nach Aussage des ''[[Oxford English Dictionary]]'' trat die Verwendung von ''quantum leap'' in der Bedeutung „außerordentlich groß/bedeutend“ zum ersten Mal im Jahr 1956 auf. In einer Diskussion über das [[Machtgleichgewicht]] zwischen den [[USA]] und der [[Sowjetunion]] in einer nuklearen Nachkriegswelt schrieb ein Journalist:
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|Sprache=en
|Übersetzung=Die enorme Vervielfachung der Macht, der Quantensprung in eine neue Größenordnung der Zerstörung.
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Im [[Marketing]] bezeichnet ein Quantensprung einen Übergang von einem Modell eines Produkts zu einem anderen, bei dem eine besonders große Verbesserung erreicht worden sein soll.
 
„Quantensprung“ ist nicht der einzige Begriff aus der Physik, der eine verfremdete, mediale Verwendung gefunden hat. Auch der Begriff „[[Urknall]]“  wurde in ähnlicher Weise übernommen.<ref>Glosse: [http://www.zeit.de/1999/06/199906.glosse_.xml ''Krachaktuell''], Die Zeit, 4. Februar 1999; abgerufen am 19. Dezember 2017.</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==


* {{Literatur
* {{Literatur
| Autor = H. D. Zeh
  |Autor=Erwin Schrödinger
| Titel = There are no quantum jumps, nor are there particles!
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* {{Literatur
* {{Literatur
| Titel = Der Quantensprung
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  |Titel=There are no quantum jumps, nor are there particles!
| Hrsg = [[Die Zeit]]
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  |Datum=1993
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  |Online=http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~as3/no-quantum-jumps.pdf
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* {{Literatur
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== Weblinks ==
== Weblinks ==


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* {{Internetquelle
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  |autor=Michael Komma
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www.mikomma.de:
== Einzelnachweise ==


* [http://www.mikomma.de/fh/hydrod/h71.html Der Quantensprung im Bohrschen Atommodell] in der frühen Quantenphysik
<references>
* [http://www.mikomma.de/schroe/quantumjumps.htm Are there quantum jumps?] – Schrödingers Meinung
<ref name="Annalen-515">
* [http://www.mikomma.de/soqsp/soqsp.htm Historisches zum Quantensprung] – Sommerfeld und Einstein, 1911
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</ref>
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{{Literatur
|Autor=[[Werner Heisenberg]]
|Titel=Der unanschauliche Quantensprung
|Sammelwerk=Physikal. Blätter
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|Seiten=1946
|Online=http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/phbl.19460020102/pdf
|Abruf=2018-01-20
|DOI=10.1002/phbl.19460020102}}
</ref>
<!--ref name="Exp1986">
{{Literatur
|Autor=J. C. Bergquist, Randall G. Hulet, Wayne M. Itano, [[David J. Wineland]]
|Titel=Observation of Quantum Jumps in a Single Atom
|Sammelwerk=Phys. Rev. Lett.
|Band=57
|Datum=1986-10-06
|Seiten=1699
|Sprache=en
|DOI=10.1103/PhysRevLett.57.1699}}
</ref-->
</references>


[[Kategorie:Quantenphysik]]
[[Kategorie:Quantenphysik]]
[[Kategorie:Redewendung]]
[[Kategorie:Redewendung]]

Aktuelle Version vom 25. August 2021, 12:33 Uhr

Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Zum physikalischen Vorgang siehe Elektronischer Übergang. Zur Musikgruppe siehe Quantensprung (Band).

Als Quantensprung bezeichnet man in der Alltagssprache des 21. Jahrhunderts einen Fortschritt, der eine Entwicklung innerhalb kürzester Zeit ein sehr großes Stück voranbringt. Dies widerspricht der ursprünglichen physikalischen Bedeutung. Daher gilt Quantensprung als sogenanntes Januswort (Autoantonym).

Etymologie und Entwicklung der fachsprachlichen Wortbedeutung

Der Begriff „Quantensprung“ wurde in den 1910er Jahren geprägt.[1] Der Wortbestandteil Quanten leitet sich von dem von Max Planck eingeführten Energiequant ab und geht auf das Wort quantum zurück, welches im Lateinischen: wie viel, wie groß bedeutet.

Hintergrund der Begriffsbildung war das Bohrsche Atommodell, bei dem Atome ihre Energie nur in diskreten Schritten ändern. Diese Eigenschaft stand entgegen der Annahme, dass in der Natur alle Abläufe kontinuierlich seien. Die Zustände und damit die möglichen Energiewerte im Bohrschen Atommodell sind mit Quantenzahlen durchnummeriert. Der Übergang von einem Zustand zu einem anderen wurde als sprunghaft angenommen. Daraus ergab sich die Bezeichnung Quantensprung.[1] Dieser sprunghafte Übergang zwischen sonst stationären Zuständen war ein zentraler Bestandteil des Bohrschen Atommodells[2][3].

In einigen frühen physikalischen Publikationen wurde diese Bezeichnung explizit mit Anführungszeichen geschrieben,[4] und einige Physiker wie beispielsweise Erwin Schrödinger lehnten diesen visuellen Begriff als unzutreffend ab.[5] Am Ende einer intensiven Diskussion auf einer Konferenz im September 1926 in Kopenhagen war aber laut Werner Heisenberg für alle Teilnehmer und auch Schrödinger klar, „daß eine Deutung der Wellenmechanik ohne Quantensprünge unmöglich“ sei. Schrödinger wird mit den Worten zitiert: „Wenn es doch bei dieser verdammten Quantenspringerei bleiben soll, dann bedauere ich, daß ich mich überhaupt mit diesem Gegenstand beschäftigt habe.“[6] Bereits wenige Jahre nach der Ersterwähnung wurde der abstraktere Begriff „Übergang“ eingeführt,[7] der den „Quantensprung“ in der Fachsprache ersetzte.

Dem „Quantensprung“ folgten in der englischen physikalischen Literatur die analogen Begriffe quantum jump (im Jahr 1924) und quantum leap (im Jahr 1932),[8] doch ebenso wie in der deutschen Fachliteratur wurden diese Begriffe allmählich durch das dem Wort Übergang entsprechende transition ersetzt.

Alltagssprachliche Verwendung

Verglichen mit Vorgängen des alltäglichen Lebens ist ein physikalischer Quantensprung wegen seiner nur sehr geringfügigen Auswirkungen äußerst schwer zu beobachten. Im Gegensatz dazu versteht der (Werbe-)Sprachgebrauch in Wirtschaft und Politik unter einem Quantensprung einen (vorgeblich) ungewöhnlich großen Fortschritt in einem bestimmten Bereich.[9]

Bei einem Quantensprung soll es sich meistens um einen qualitativen großen Fortschritt, bei dem etwas Neues, Anderes entsteht oder geschaffen wird, handeln. Beispielsweise der Fortschritt in der Medizin vom Stethoskop zum Ultraschall. Wenn etwas lediglich mehr oder größer wird, spricht man nicht von einem Quantensprung – es sei denn, es handelt sich um einen bisher undenkbaren oder unmöglichen Zuwachs, der darüber hinaus in anderen Bereichen zu qualitativen Veränderungen führt. Beispielsweise führte der Zuwachs amerikanischer und russischer Atomwaffen zu einer grundlegenden Veränderung der politischen Machtstruktur in der Welt.

Nach Aussage des Oxford English Dictionary trat die Verwendung von quantum leap in der Bedeutung „außerordentlich groß/bedeutend“ zum ersten Mal im Jahr 1956 auf. In einer Diskussion über das Machtgleichgewicht zwischen den USA und der Sowjetunion in einer nuklearen Nachkriegswelt schrieb ein Journalist:

„The enormous multiplication of power, the ‘quantum leap’ to a new order of magnitude of destruction.“

„Die enorme Vervielfachung der Macht, der Quantensprung in eine neue Größenordnung der Zerstörung.“[8]

Im Marketing bezeichnet ein Quantensprung einen Übergang von einem Modell eines Produkts zu einem anderen, bei dem eine besonders große Verbesserung erreicht worden sein soll.

„Quantensprung“ ist nicht der einzige Begriff aus der Physik, der eine verfremdete, mediale Verwendung gefunden hat. Auch der Begriff „Urknall“ wurde in ähnlicher Weise übernommen.[10]

Literatur

  • Erwin Schrödinger: Are there quantum jumps? Part I. In: The British Journal for the Philosophy of Science. Band III, Nr. 10, 1. August 1952, S. 109–123, doi:10.1093/bjps/III.10.109 (informationphilosopher.com [PDF; abgerufen am 21. Januar 2018]).
  • Erwin Schrödinger: Are There Quantum Jumps? Part II. In: The British Journal for the Philosophy of Science. Band III, Nr. 11, November 1952, S. 233–242, JSTOR:685266 (kostenpflichtig).
  • H. D. Zeh: There are no quantum jumps, nor are there particles! In: Physics Letters. A172, 189, 1993 (uni-heidelberg.de [PDF; 67 kB]).
  • M.B. Plenio, P.L. Knight: The Quantum Jump Approach to Dissipative Dynamics in Quantum Optics. In: Rev. Mod. Phys. Band 70, 1998, S. 101–144, arxiv:quant-ph/9702007 (Beschreibung der Dynamik offener Systeme mittels Quantensprüngen).

Weblinks

Wiktionary: Quantensprung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Paul S. Epstein: Zur Theorie des Starkeffekts. In: Annalen der Physik. Band 355, 1916, S. 515, 517 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Christian Speicher: Ein Quantensprung der Physik. In: nzz.ch. 27. Juni 2013, abgerufen am 21. Januar 2018.
  3. Klaus Hentschel: Quantum Jumps. In: Daniel Greenberger, Klaus Hentschel, Friedel Weinert (Hrsg.): Compendium of Quantum Physics: Concepts, Experiments, History and Philosophy. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 2009, ISBN 978-3-662-51795-6, S. 599, doi:10.1007/978-3-540-70626-7.
  4. Adolf Smekal: Bohrsche Frequenzbedingung und Röntgenspektra. In: Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. 1919, S. 149 f. (google.es – vgl. S. 150, 154).
  5. Hellmuth Vensky: Der Katzenpiesacker namens Schrödinger. In: Die Zeit. 13. August 2012, abgerufen am 19. Dezember 2017.
  6. Werner Heisenberg: Der unanschauliche Quantensprung. In: Physikal. Blätter. Band 2, Nr. 1, S. 1946, doi:10.1002/phbl.19460020102 (wiley.com [PDF; abgerufen am 20. Januar 2018]).
  7. Paul S. Epstein: Über die Interferenzfähigkeit von Spektrallinien vom Standpunkt der Quantentheorie. In: Sitzungsberichte der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München. 1919, S. 79 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. 8,0 8,1 Merril Perlman: The history of using ‘quantum’ to mean ‘really big’. In: Columbia Journalism Review. 4. August 2014, abgerufen am 12. Dezember 2017.
  9. Glosse: Krachaktuell, Die Zeit, 4. Februar 1999; abgerufen am 19. Dezember 2017.

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