Quantenschaum: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Quantenschaum''' ist ein Begriff aus der Physik, der bildhaft beschreibt, was passiert, wenn man die zwei großen Theorien der Physik, die [[Quantenfeldtheorie]] und die [[allgemeine Relativitätstheorie]], auf einem extrem kleinen Maßstab von 10<sup>−35</sup>&nbsp;Metern (so genannte [[Planck-Länge]]) anwendet. Hier würden permanent kleine Blasen in der [[Raumzeit]] entstehen und wieder zusammenfallen. [[John Archibald Wheeler]] gab diesem Phänomen 1955 den zuerst salopp gemeinten Namen Quantenschaum, der später Einzug in die Fachliteratur fand (engl. ''Quantum foam'' oder auch ''Spacetime foam'').
'''Quantenschaum''' ist ein Begriff aus der Physik, der bildhaft beschreibt, was passiert, wenn man die zwei großen Theorien der Physik, die [[Quantenfeldtheorie]] und die [[allgemeine Relativitätstheorie]], auf einem extrem kleinen Maßstab von 10<sup>−35</sup>&nbsp;Metern (so genannte [[Planck-Länge]]) anwendet. Hier würden permanent kleine „Blasen“ in der [[Raumzeit]] entstehen und wieder zusammenfallen. [[John Archibald Wheeler]] gab diesem Phänomen 1955 den zuerst salopp gemeinten Namen Quantenschaum, der später Einzug in die Fachliteratur fand (engl. ''Quantum foam'' oder auch ''Spacetime foam'').


== Theorie ==
== Theorie ==
Quanteneffekte mischen die Raumzeit bei kleinen Abständen zu Quantenschaum auf. Aus der Sicht der Quantentheorie ist das Vakuum nicht leer, sondern angefüllt mit [[Virtuelles Teilchen|virtuellen Teilchen]]. Die Grundlage der Vorgänge im Quantenvakuum ist die [[Heisenbergsche Unschärferelation]], insbesondere deren grundlegende Beziehung zwischen [[Energie]] <math>E</math> und [[Zeit]] <math>t</math>. Diese beiden Größen sind gemäß der nachstehenden Formel nicht gleichzeitig beliebig genau festgelegt:
Quanteneffekte mischen die Raumzeit bei kleinen Abständen zu Quantenschaum auf. Aus der Sicht der Quantentheorie ist das Vakuum nicht leer, sondern angefüllt mit [[Virtuelles Teilchen|virtuellen Teilchen]]. Die Grundlage der Vorgänge im Quantenvakuum ist die [[Heisenbergsche Unschärferelation]], insbesondere deren grundlegende Beziehung zwischen [[Energie]] <math>E</math> und [[Zeit]] <math>t</math>. Diese beiden Größen sind gemäß der nachstehenden Formel nicht gleichzeitig beliebig genau festgelegt:
:<math> \Delta E \cdot \Delta t  \ge \frac{h}{4\pi} = \frac{\hbar}{2}</math>
:<math> \Delta E \cdot \Delta t  \ge \frac{h}{4\pi} = \frac{\hbar}{2}</math>,
wobei <math>h = 6{,}6261 \cdot 10^{-34} \mathrm{Js}</math> das [[Plancksches Wirkungsquantum|plancksche Wirkungsquantum]] ist und <math>\hbar = {h\over{2\pi}}</math>.
wobei <math>h = 6{,}6261 \cdot 10^{-34} \mathrm{Js}</math> das [[Plancksches Wirkungsquantum|Plancksche Wirkungsquantum]] ist und <math>\hbar = {h\over{2\pi}}</math>.


Diese Beziehung besagt, dass Teilchen der Energie <math>E</math> spontan entstehen können und für eine Zeit <math>\Delta t < \hbar /E</math> existieren, dann aber wieder verschwinden müssen.
Diese Beziehung besagt, dass Teilchen der Energie <math>E</math> spontan entstehen können und für eine Zeit <math>\Delta t < \hbar /E</math> existieren, dann aber wieder verschwinden müssen.


Das kurzzeitige Entstehen virtueller Teilchenpaare bestehend aus jeweils einem Materieteilchen und einem Antimaterieteilchen nennt man [[Vakuumfluktuation]]. Die Heisenbergsche Unschärferelation gestattet dabei, dass für kurze Zeit der [[Energieerhaltungssatz]] verletzt wird. Für hinreichend kurze Zeiten können Teilchen mit beliebig großer Energie bzw. Masse (<math>m_0=E/c^2</math>) entstehen. Je größer die benötigte Energie, also je schwerer die Teilchenpaare sind, umso kürzer ist der Zeitraum ihrer Existenz. Denn nach der Quantentheorie kann sich das Universum in gewisser Weise Energie „borgen“. Je mehr Energie dabei geliehen wird, umso schneller muss sie zurückgezahlt werden. Dies alles geschieht in zeitlichen Größenordnungen von 10<sup>−27</sup> Sekunden. Die entstehenden und vergehenden Teilchen kann man bereits Quantenschaum nennen. Gemäß der allgemeinen Relativitätstheorie (ART) krümmen die Teilchenmassen jedoch auch die umgebende Raumzeit. Das Resultat ist ein Durcheinander, das manchmal mit dem Begriff Raumzeitschaum bezeichnet wird. Der Raum ist nicht mehr glatt, sondern ein wildes Gekrissel, für das die Gleichungen der allgemeinen Relativität nicht mehr gelten.
Das kurzzeitige Entstehen virtueller Teilchenpaare, bestehend aus jeweils einem Materieteilchen und einem Antimaterieteilchen, nennt man [[Vakuumfluktuation]]. Die Heisenbergsche Unschärferelation gestattet dabei, dass für kurze Zeit der [[Energieerhaltungssatz]] verletzt wird. Für hinreichend kurze Zeiten können Teilchen mit beliebig großer Energie bzw. Masse (<math>m_0=E/c^2</math>) entstehen. Je größer die benötigte Energie, also je schwerer die Teilchenpaare sind, umso kürzer ist der Zeitraum ihrer Existenz. Denn nach der Quantentheorie kann sich das Universum in gewisser Weise Energie „borgen“. Je mehr Energie dabei geliehen wird, umso schneller muss sie „zurückgezahlt“ werden. Dies alles geschieht in zeitlichen Größenordnungen von 10<sup>−27</sup> Sekunden. Die entstehenden und vergehenden Teilchen kann man bereits Quantenschaum nennen. Gemäß der allgemeinen Relativitätstheorie (ART) krümmen die Teilchenmassen jedoch auch die umgebende Raumzeit. Die Konsequenz für die Raumzeit wird manchmal mit dem Begriff Raumzeitschaum bezeichnet: Der Raum ist nicht mehr glatt und die Gleichungen der speziellen Relativität gelten nicht mehr.


Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte die Entwicklung einer [[Quantengravitation]]stheorie sein, die Quantentheorien und die Allgemeine Relativitätstheorie vereint. Das neuere Modell der [[Schleifenquantengravitation]] beruht auf einem [[Spin-Schaum]]. Die sich bildenden „Blasen“ aus Quantenschaum könnten nach einer spekulativen Vorstellung der [[Quantenkosmologie]] ganze Mini-Universen sein, die durch die Inflationsära zu großskaligen Makro-Universen aufgebläht wurden. Die meisten dieser Blasen dürften jedoch „geplatzt“ sein: es wird vermutet, dass nicht bei jeder die Inflationsphase starten könne.
Zur vollständigen Beschreibung des Phänomens wäre eine [[Quantengravitation]]stheorie nötig, die Quantentheorien und die allgemeine Relativitätstheorie vereint. Die hypothetische [[Schleifenquantengravitation]] beruht beispielsweise auf einem [[Spin-Schaum]]. Die sich bildenden „Blasen“ aus Quantenschaum könnten nach einer spekulativen Vorstellung der [[Quantenkosmologie]] ganze Mini-Universen sein, die sich in einer „Inflations-Ära“ zu großskaligen Makro-Universen aufblähen können. Die meisten dieser Blasen dürften jedoch „geplatzt“ sein: Es wird vermutet, dass nicht bei jeder die Inflationsphase starten könne.


Nachweise für die Existenz des Quantenschaums gibt es bisher allerdings nicht. Es wurde versucht, den Einfluss des Quantenschaums auf kosmische Gammastrahlung nachzuweisen. Dazu wurde die Gammastrahlung der [[Blazar]]e [[Markarjan 421]] und [[Markarjan 501]] untersucht, aber keine Zeichen gefunden, die auf die Existenz des Quantenschaums hindeuten.<ref>[http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/233835.html Wieder keine Hinweise auf den Quantenschaum der Raumzeit – Bild der Wissenschaft]</ref>
Nachweise für die Existenz des Quantenschaums gibt es bisher allerdings nicht. Es wurde versucht, den Einfluss des Quantenschaums auf kosmische Gammastrahlung nachzuweisen. Dazu wurde die Gammastrahlung der [[Blazar]]e [[Markarjan 421]] und [[Markarjan 501]] untersucht, es wurden jedoch keine Zeichen gefunden, die auf die Existenz des Quantenschaums hindeuten.<ref>{{Webarchiv | url= http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/233835.html | archive-is=20161231220042 | text= Wieder keine Hinweise auf den Quantenschaum der Raumzeit – Bild der Wissenschaft }}</ref>
 
== Literatur ==
* [[John Archibald Wheeler|John A. Wheeler]], [[Kenneth Ford|K. Ford]]: ''Geons, black holes, and quantum foam – a life in physics.'' Norton, New York / London 1998, ISBN 0-393-04642-7 (zur Einführung des Begriffs ''Quantenschaum'').


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references/>
<references/>
== Siehe auch ==
* [[Quantengeometrie]]


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [https://www.youtube.com/watch?v=tfApMfpdyac Quantenschaum] - Video (2 min) - [[Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik]]
* [https://www.youtube.com/watch?v=tfApMfpdyac Quantenschaum] Video (2 min) [[Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik]]
* [https://www.youtube.com/watch?v=TfoEJoXEj7s Spacetime foam] - Video (1 min, engl. gesprochen)
* [https://www.youtube.com/watch?v=TfoEJoXEj7s Spacetime foam] Video (1 min, engl. gesprochen)


[[Kategorie:Quantenphysik]]
[[Kategorie:Quantenphysik]]
[[Kategorie:Kosmologie (Physik)]]
[[Kategorie:Kosmologie (Physik)]]

Aktuelle Version vom 14. August 2021, 17:14 Uhr

Quantenschaum ist ein Begriff aus der Physik, der bildhaft beschreibt, was passiert, wenn man die zwei großen Theorien der Physik, die Quantenfeldtheorie und die allgemeine Relativitätstheorie, auf einem extrem kleinen Maßstab von 10−35 Metern (so genannte Planck-Länge) anwendet. Hier würden permanent kleine „Blasen“ in der Raumzeit entstehen und wieder zusammenfallen. John Archibald Wheeler gab diesem Phänomen 1955 den zuerst salopp gemeinten Namen Quantenschaum, der später Einzug in die Fachliteratur fand (engl. Quantum foam oder auch Spacetime foam).

Theorie

Quanteneffekte mischen die Raumzeit bei kleinen Abständen zu Quantenschaum auf. Aus der Sicht der Quantentheorie ist das Vakuum nicht leer, sondern angefüllt mit virtuellen Teilchen. Die Grundlage der Vorgänge im Quantenvakuum ist die Heisenbergsche Unschärferelation, insbesondere deren grundlegende Beziehung zwischen Energie $ E $ und Zeit $ t $. Diese beiden Größen sind gemäß der nachstehenden Formel nicht gleichzeitig beliebig genau festgelegt:

$ \Delta E\cdot \Delta t\geq {\frac {h}{4\pi }}={\frac {\hbar }{2}} $,

wobei $ h=6{,}6261\cdot 10^{-34}\mathrm {Js} $ das Plancksche Wirkungsquantum ist und $ \hbar ={h \over {2\pi }} $.

Diese Beziehung besagt, dass Teilchen der Energie $ E $ spontan entstehen können und für eine Zeit $ \Delta t<\hbar /E $ existieren, dann aber wieder verschwinden müssen.

Das kurzzeitige Entstehen virtueller Teilchenpaare, bestehend aus jeweils einem Materieteilchen und einem Antimaterieteilchen, nennt man Vakuumfluktuation. Die Heisenbergsche Unschärferelation gestattet dabei, dass für kurze Zeit der Energieerhaltungssatz verletzt wird. Für hinreichend kurze Zeiten können Teilchen mit beliebig großer Energie bzw. Masse ($ m_{0}=E/c^{2} $) entstehen. Je größer die benötigte Energie, also je schwerer die Teilchenpaare sind, umso kürzer ist der Zeitraum ihrer Existenz. Denn nach der Quantentheorie kann sich das Universum in gewisser Weise Energie „borgen“. Je mehr Energie dabei geliehen wird, umso schneller muss sie „zurückgezahlt“ werden. Dies alles geschieht in zeitlichen Größenordnungen von 10−27 Sekunden. Die entstehenden und vergehenden Teilchen kann man bereits Quantenschaum nennen. Gemäß der allgemeinen Relativitätstheorie (ART) krümmen die Teilchenmassen jedoch auch die umgebende Raumzeit. Die Konsequenz für die Raumzeit wird manchmal mit dem Begriff Raumzeitschaum bezeichnet: Der Raum ist nicht mehr glatt und die Gleichungen der speziellen Relativität gelten nicht mehr.

Zur vollständigen Beschreibung des Phänomens wäre eine Quantengravitationstheorie nötig, die Quantentheorien und die allgemeine Relativitätstheorie vereint. Die hypothetische Schleifenquantengravitation beruht beispielsweise auf einem Spin-Schaum. Die sich bildenden „Blasen“ aus Quantenschaum könnten nach einer spekulativen Vorstellung der Quantenkosmologie ganze Mini-Universen sein, die sich in einer „Inflations-Ära“ zu großskaligen Makro-Universen aufblähen können. Die meisten dieser Blasen dürften jedoch „geplatzt“ sein: Es wird vermutet, dass nicht bei jeder die Inflationsphase starten könne.

Nachweise für die Existenz des Quantenschaums gibt es bisher allerdings nicht. Es wurde versucht, den Einfluss des Quantenschaums auf kosmische Gammastrahlung nachzuweisen. Dazu wurde die Gammastrahlung der Blazare Markarjan 421 und Markarjan 501 untersucht, es wurden jedoch keine Zeichen gefunden, die auf die Existenz des Quantenschaums hindeuten.[1]

Literatur

  • John A. Wheeler, K. Ford: Geons, black holes, and quantum foam – a life in physics. Norton, New York / London 1998, ISBN 0-393-04642-7 (zur Einführung des Begriffs Quantenschaum).

Einzelnachweise

  1. Wieder keine Hinweise auf den Quantenschaum der Raumzeit – Bild der Wissenschaft (Memento vom 31. Dezember 2016 im Webarchiv archive.today)

Siehe auch

Weblinks

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