Quantenmechanische Messung: Unterschied zwischen den Versionen

Quantenmechanische Messung: Unterschied zwischen den Versionen

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Bei jedem [[Messung|Messprozess]] gibt es eine '''physikalische Wechselwirkung''' zwischen gewissen Eigenschaften des Messobjektes (z. B. Ort, Impuls, magn. Moment) und dem Zustand (der „Zeigerstellung“) der Messapparatur.
Der '''quantenmechanische Messprozess''' beschreibt die [[Messung]] einer [[physikalische Größe|physikalischen Größe]] an einem Objekt der [[Quantenphysik]]. Für die klassische Physik gilt immer, aber für die Quantenphysik nur teilweise, dass der Messwert schon vor der Messung eindeutig festliegt und bei Wiederholungsmessungen an gleichen und gleich präparierten Messobjekten stets den gleichen Wert hat.


Bei einem Messprozess auf makroskopischer Ebene kann jeder physikalischen Größe, die gemessen werden soll, nach der Wechselwirkung von Objekt und Apparatur eine Zeigerstellung zugeordnet werden. Bei einer Wiederholung der Messung unter denselben Bedingungen stellt sich (etwa) dasselbe Ergebnis ein.
In der Quantenphysik haben aber viele physikalische Größen nicht schon vor der Messung einen bestimmten Wert. Das gilt auch dann, wenn der [[Zustand (Quantenmechanik)|Zustand]] des Messobjekts mit idealer Genauigkeit präpariert wird. Bei Wiederholungsmessungen streuen die Messwerte dann unvermeidlich in einem ganzen Wertebereich. Beispiele sind der Zeitpunkt, an dem ein [[Radioaktivität|radioaktiver]] [[Atomkern]] ein Strahlungsquant aussendet, oder die seitliche Ablenkung, mit der in einem [[Beugung (Physik)|Beugungsexperiment]] mit [[Elektron]]en eins der Teilchen auf den Schirm trifft. Am Messgerät ist, wie bei jeder Messung in der klassischen Physik auch, immer nur ein Wert abzulesen, aber es ist bis heute nicht befriedigend gelöst, auf welche Weise dieser aus den vielen möglich gewesenen Werten ausgewählt wird. Mit der [[Quantenmechanik]] und der [[Quantenfeldtheorie]] lässt sich für jeden der möglichen Messwerte nur die Wahrscheinlichkeit berechnen, dass er auftritt, und die Möglichkeit einer präzisen Vorhersage scheint außer bei gewissen Ausnahmen prinzipiell ausgeschlossen. Damit stellt der quantenmechanische Messprozess für die Interpretation dieser beiden ansonsten überaus erfolgreichen Theorien eins der größten ungelösten Probleme dar.


Bei einem Messprozess in mikroskopischen Dimensionen hingegen kann es vorkommen, dass wiederholte Messungen unter exakt denselben Bedingungen zu beliebig verschiedenen Messergebnissen führen. Diese Abweichungen lassen sich nicht durch die Ungenauigkeit des Messapparates begründen, sondern sind durch den statistischen Charakter der Quantenmechanik verursacht. Die Analyse des Messprozesses in mikroskopischen Dimensionen wird mitunter als '''quantenmechanischer Messprozess''' bezeichnet.
== Überblick ==


== Präparation und Messung in der Quantenmechanik ==
Bei Messungen an einem makroskopischen Objekt gilt, dass sich bei einer exakten Wiederholung von Präparation und Messung dasselbe Ergebnis einstellt (idealerweise exakt, real im Rahmen der Messgenauigkeit). Das erfüllt die Forderung an die Wissenschaft, dass ihre Ergebnisse [[Reproduzierbarkeit#Wissenschaft|reproduzierbar]] seien. Des Weiteren kann man die Rückwirkung des Messprozesses auf das makroskopische Objekt entweder wegen ihrer Geringfügigkeit vernachlässigen (''ideale Messung'') oder genau angeben.


Die theoretische Deutung eines Messprozesses im Rahmen der Quantenmechanik erfordert gemäß Heisenberg drei Schritte:<ref>W. Heisenberg: ''Physik und Philosophie.'' Hirzel, Stuttgart 1959.</ref>
Bei Messungen an Quantenobjekten hingegen ist es typisch, dass identische Messprozeduren an identisch vorbereiteten (‚präparierten‘) Objekten zu weit streuenden Messergebnissen führen. Beispiele sind der Zeitpunkt, an dem ein radioaktiver Kern sein Strahlungsquant emittiert, aber auch der Ort, an dem dieses Strahlungsquant in einem ausgedehnten Detektor die Reaktion auslöst, mit der es nachgewiesen wird. Nach der vorherrschenden [[Kopenhagener Deutung]] der Quantenmechanik sind solche Abweichungen nicht in der Unkenntnis über den genauen [[Zustand (Quantenmechanik)|Zustand]] des Objekts oder des Messapparates begründet, sondern liegen in der Natur der Quantenobjekte und sind damit ein wesentliches Merkmal der Quantenphysik. Reproduzieren lässt sich eine quantenphysikalische Messung und ihr Ergebnis nur in Sonderfällen. Nur in diesen Fällen bleibt auch das Objekt in dem Zustand, den es vor der Messung hatte. Andernfalls wird es auf unvorhersagbare Weise – jeweils passend zum erhaltenen Messwert – verändert. Doch auch bei den nicht reproduzierbaren Messungen kann man reproduzierbare Werte finden, wenn man aus genügend vielen Einzelmessungen Mittelwerte bestimmt, z.&nbsp;B. für die [[Lebensdauer (Physik)|Lebensdauer]], die [[Reaktionsrate]] bzw. den [[Wirkungsquerschnitt]].


* Es wird eine [[Grundgesamtheit]] von Teilchen erzeugt, welche durch eine [[Wellenfunktion]] ''&psi;'' repräsentiert wird (Präparation).
== Ablauf und Folgen des Messprozesses ==
* Es findet eine [[Zeitentwicklungsoperator|zeitliche Entwicklung]] des physikalischen Systems, bestehend aus Messobjekt und Messapparat, statt (Wechselwirkung).
Bei jedem Messprozess gibt es eine physikalische Wechselwirkung zwischen gewissen Eigenschaften des Messobjektes (z.&nbsp;B. Ort, Impuls, magnetisches Moment) und dem Zustand der Messapparatur (allgemein „Zeigerstellung“ genannt). Nach dem Messprozess kann der Wert der gemessenen Größe an der Zeigerstellung des Messgeräts abgelesen werden.
* Nach der Zeitentwicklung wird das Messergebnis bestimmt (Registrierung).


Besonders [[Willis E. Lamb]]<ref>W.E. Lamb: ''An Operational Interpretation of nonrelativistic Quantum Mechanics'', Physics Today 22 (1969) Heft 4, 23–28.</ref> verweist in diesem Zusammenhang auf eine eindeutige Klärung, worin der erste Schritt des Prozesses genau bestehen soll, also die Fixierung der äußeren Bedingungen, durch welche die Ausgangssituation des beobachteten Systems vor der Messung definiert wird, z.&nbsp;B. dass sich die Teilchen zu Beginn in einem bestimmten Raumbereich befinden oder ein bestimmtes magnetisches Moment besitzen.
Der quantenmechanische Messprozess erfordert wegen der prinzipiellen Unterschiede zum klassischen Messprozess eine tiefergehende Interpretation. [[John v. Neumann]] hat 1932 als erster den Messvorgang im Rahmen der [[Kopenhagener Deutung]] formal beschrieben und damit die heute noch weitgehend akzeptierte Sichtweise entwickelt.<ref name="Neumann">J. v. Neumann: ''Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik'', Springer (1932, 1968, 1996).</ref><ref>W. Heisenberg: ''Physik und Philosophie.'' Hirzel, Stuttgart 1959.</ref> Formale Grundlage ist, dass in der [[Quantenmechanik]] die Zustände eines physikalischen Systems durch Vektoren in einem [[Hilbertraum]] und die beobachtbaren Größen (z.&nbsp;B. [[Ort (Physik)|Ort]], [[Impuls]], [[Spin]], [[Energie]]) durch [[Hermitescher Operator|hermitesche Operatoren]] dargestellt werden (z.&nbsp;B. für Energie, [[Drehimpuls]] etc., oder Masse und Ladung des Teilchens). Die [[Eigenwert]]e der Operatoren sind die möglichen Messwerte. Sie sind auch diejenigen Messwerte, die wohlbestimmt sind und bei jeder guten Messung denselben Wert ergeben, wenn das Objekt sich in einem [[Zustand (Quantenmechanik)#Eigenzustand|Eigenzustand]] des betreffenden Operators befindet.


Hingegen ist das Ergebnis einer einzelnen Messung eine reelle Zahl oder eine Eigenschaft der betrachteten Messgröße. Bei Wiederholungen der Messung erhält man nicht dasselbe Ergebnis wie zuvor, sondern bestenfalls eine Werte-Statistik für die fragliche Messgröße. Bei vorgegebener Präparation kann die ''Wahrscheinlichkeit''&nbsp; für das Ergebnis einer Messung im Rahmen der Quantenmechanik aus der zeitlichen Entwicklung der Wellenfunktion im Messapparat vorhergesagt werden.
Nach [[John von Neumann|von Neumann]] müssen beim typischen quantenphysikalischen Messprozess zunächst drei Schritte unterschieden werden:


Es war [[John von Neumann#Arbeiten zur Quantenmechanik|John von Neumann]], der dieses Konzept 1932 als erster ausführlich in seinem mathematischen Lehrbuch zur Quantenmechanik formalisierte.<ref name="Neumann">J. v. Neumann: ''Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik'', Springer (1932, 1968, 1996).</ref> Von Neumanns Ziel dabei war es, sowohl das Messobjekt (genannt ''System'') also auch den Messapparat inklusive deren Wechselwirkung im Rahmen der Quantenmechanik zu beschreiben. Dieses Konzept wird in der Literatur häufig als '''von Neumann Messprozess''' bezeichnet.
* Präparation: Es wird eine [[Grundgesamtheit]] von Teilchen (oder anderen [[Quantensystem]]en) erzeugt, welche durch einen [[Zustand (Quantenmechanik)|Zustand]] <math>\psi</math> eines der Teilchen repräsentiert wird. Der Messvorgang bezieht sich jeweils auf die Messung an einem Exemplar.
* Wechselwirkung: Das zu messende Quantensystem und das Messgerät bilden ein Gesamtsystem. Zwischen ihnen findet eine Wechselwirkung statt, durch die das Gesamtsystem sich [[Zeitentwicklungsoperator|zeitlich entwickelt]].
* Registrierung: Nach Abschluss der Wechselwirkung wird am Messgerät das Messergebnis abgelesen. Bei streuenden Messergebnissen wird die ganze Messung so oft wiederholt, bis sich ein verlässlicher Mittelwert bilden lässt.


== Von Neumann-Messprozess ==
Obwohl diese drei Schritte so auch für Messungen in der klassischen Physik gelten, sind die Folgen der quantenmechanischen Messung höchst unterschiedlich. Aufgrund des Zustandsbegriffs der Quantenmechanik ist der Messwert vor der Messung nur in den Sonderfällen festgelegt, dass das Quantenobjekt sich in einem Eigenzustand der Messgröße befindet. Im Allgemeinen wird dieser aber erst bei der Messung aus einer Vielzahl der im betrachteten Zustand vorhandenen Eigenzustände ausgewählt. Ein Beispiel ist die Messung der Ortskoordinate in einem Beugungsexperiment, wenn die zum Teilchen gehörende Materiewelle auf dem ganzen Schirm auftrifft, aber nur an einem Ort ein Signal hervorruft.


In der [[Quantenmechanik]] werden die beobachtbaren Größen (z.&nbsp;B. Ort, Impuls, Spin oder Energie) eines physikalischen Systems durch die [[Eigenwert]]e von [[Hermitescher Operator|hermiteschen Operatoren]] dargestellt. Die Hermitezität der Operatoren gewährleistet dabei, dass alle Messgrößen stets reelle Zahlen sind. Die möglichen Eigenwerte der Operatoren können einerseits diskrete Werte annehmen, man spricht dann von einem sogenannten [[Punktspektrum#Unbeschr.C3.A4nkte Operatoren.3B Spektralzerlegung|Punktspektrum]], oder die Eigenwerte entsprechen einem Kontinuum von reellen Zahlen, dem sogenannten [[Spektrum (Operatortheorie)#Das stetige Spektrum|stetigen Spektrum]].
Da die Quantenobjekte sich außerhalb eines Messprozesses nach einer Bewegungsgleichung (wie z.&nbsp;B. der Schrödingergleichung) stetig entwickeln, sind in infinitesimalen Zeiten keine endlichen Veränderungen möglich. Daher muss eine  zweite Messung direkt im Anschluss an die erste Messung für dieselbe Messgröße auch dasselbe Ergebnis liefern. Damit die Theorie dies sicherstellt, muss sie voraussetzen, dass das Quantenobjekt durch die Messung in denjenigen Eigenzustand der Messgröße überführt wurde, der den gefundenen Messwert zum Eigenwert hat. Alle Komponenten des für die Messung präparierten Zustands, die zu anderen Eigenwerten gehören, müssen bei der Messung gelöscht werden. Dieser Prozess ist irreversibel, denn am überlebenden Eigenzustand lässt sich nicht spezifizieren, welche anderen Komponenten das Quantensystem vorher noch besessen hat. Dieser Vorgang wird als [[Kollaps der Wellenfunktion]] oder Zustandsreduktion bezeichnet, konnte aber bisher in seinem Ablauf nicht aufgeklärt werden.


=== Präparation ===
Dabei wird manchmal ein entscheidender Unterschied gegenüber einer „klassischen“ Zustandsbeschreibung übersehen: Die Wellenfunktion enthält vor der Messung Wahrscheinlichkeiten <100 % für die einzelnen Eigenzustände. Sie beschreibt daher gewissermaßen nicht wirklich das System, sondern das unvollständige Wissen über das System. Fröhner<ref>F. H. Fröhner: Missing Link between Probability Theory and Quantum Mechanics: the Riesz-Fejér Theorem. ''Zeitschrift für Naturforschung'' 53a (1998) Seite 637–654 [https://doi.org/10.1515/zna-1998-0801]</ref> hat nachgewiesen, dass die quantenmechanischen Wahrscheinlichkeiten widerspruchsfrei als [[Bayesscher Wahrscheinlichkeitsbegriff|Bayessche]] Wahrscheinlichkeiten aufgefasst werden können. Diese ändern sich, indem die Messung den Informationsstand des Beobachters ändert. Dazu wird keine Zeit benötigt; was kollabiert („zusammenbricht“), ist nichts Physikalisches, sondern nur der Informationsmangel des Beobachters. Ganz entsprechend haben sich hierzu [[Werner Heisenberg|Heisenberg]] 1960 in einer brieflichen Diskussion (siehe Zitat bei Fröhner) und Styer<ref>Daniel F. Styer: ''The Strange World of Quantum Mechanics.'' Cambridge University Press, 2000, ISBN 0-521-66780-1, Seite 115</ref> geäußert.


Bei der Präparation wird der quantenmechanische [[Zustand (Quantenmechanik)|Zustand]] des Systems vor der Messung spezifiziert. Diese Spezifikation wird formal in dem der physikalischen Größe zugeordneten abstrakten [[Hilbertraum]] vorgenommen. Ist <math>\hat{Q}</math> der hermitesche Operator der betrachteten physikalischen Größe und <math>q_n</math> das dazugehörige Punktspektrum von Eigenwerten, so bilden die (normierten) [[Eigenvektor]]en <math>\{|\phi_n\rangle\}</math> des Operators [[Basis (Vektorraum)|Basisvektoren]] des so definierten Hilbertraumes <math>{\mathcal H}_Q</math>. Jeder beliebige Zustand <math>|\psi\rangle</math> dieses Hilbertraumes kann eindeutig in dieser Basis dargestellt werden
== Präparation des Messobjekts ==


:<math>|\psi\rangle=\sum_n\,c_n\,|\phi_n\rangle,</math>
=== Allgemeines ===


wobei <math>c_n=\langle \phi_n|\psi\rangle</math> die Komponenten des Zustandsvektors sind. Für solche Zustände ist die Wahrscheinlichkeit dafür, einen der möglichen Messwerte <math>q_n</math> zu erhalten, durch das Absolutquadrat der Komponenten des Zustandsvektors gegeben (Born'sches Postulat). Für physikalische Systeme mit einem stetigen Eigenwertspektrum ist die Vorgehensweise ähnlich, aber mathematisch anspruchsvoller.
Als Präparation eines Quantenobjekts bezeichnet man einen Vorgang, durch den das Objekt in einen bestimmten Zustand gebracht wird, etwa den, der durch den Vektor <math>|\psi\rangle</math> des [[Hilbertraum]]s beschrieben ist (z.&nbsp;B. ein [[Elektron]] mit bestimmtem [[Impuls]] und bestimmter Richtung des [[Spin]]). Für die Praxis wichtiger ist der Fall, dass eine ganze Gruppe von Zuständen vorliegt (z.&nbsp;B. beim gegebenen Impuls alle möglichen Richtungen des Spin). Dann handelt es sich um ein Zustandsgemisch, das besser mit einem [[Dichteoperator]] beschrieben wird (s.&nbsp;u.).


=== Messung ===
Für die mathematische Beschreibung des Messprozesses stellt man einen beliebigen Zustandsvektor <math>|\psi\rangle</math> als Linearkombination der [[Eigenvektor]]en <math>|\phi_n\rangle</math> des der Messgröße zugeordneten Operators  <math>\hat{Q}</math> dar:


In Analogie zu der betrachteten Messgröße beschreibt von Neumann auch die (makroskopische) Messapparatur durch Basisvektoren <math>\{|M_n\rangle\}</math> in einem entsprechenden Hilbertraum <math>{\mathcal H}_M</math>. Der Sinn des Messgerätes ist es, den Zustand des beobachteten Systems nach der Wechselwirkung im Messgerät anzuzeigen. Die „Zeigerstellungen“ <math>n</math> des Messgerätes werden dabei durch den Zustand <math>{|M_n\rangle}</math> angezeigt, falls das System vor der Wechselwirkung im Zustand <math>{|\phi_n\rangle}</math> war. Zu Beginn der Messung wird definiert, dass das Messgerät in einem Zustand <math>{|M_0\rangle}</math> sei, dem Zustand der anzeigt, dass noch nicht gemessen wurde. Die Wechselwirkung von System und Messgerät ergibt gemäß der [[Zeitentwicklungsoperator|Schrödinger-Zeitentwicklung]] nach der Zeit <math>t</math> das folgende Schema:
:<math>|\psi\rangle=\sum_n\,c_n\,|\phi_n\rangle,</math>


:<math>\underbrace{|\phi_n\rangle|M_0\rangle}_\text{Anfangszustand}\;\xrightarrow[]{\quad t \quad}\quad \underbrace{|\phi_n\rangle|M_n\rangle}_\text{Endzustand},</math>
Sind die <math>|\phi_n\rangle</math>, wie üblich,
[[Einheitsvektor|normiert]], so sind die Koeffizienten <math>c_n</math> durch <math>|\psi\rangle</math> eindeutig definiert und es ist
:<math>\sum_n\,|c_n|^2 = 1\,.</math>


wobei das Produkt dem sogenannten [[Tensorprodukt]] der beiden Zustände des Gesamtsystems entspricht. Dieses Produkt kann man vereinfacht als [[Konjunktion_(Logik)|UND-Verknüpfung]] verstehen. Gemäß diesem Schema ergibt sich eine eindeutige Zuordnung von möglichen Zuständen des Systems und den möglichen Zeigerstellungen des Messgerätes. Da dieses Schema den Zustand <math>|\phi_n\rangle</math> des beobachteten Systems vor und nach der Wechselwirkung im Messgerät nicht beeinflusst, wird es als '''ideale Messung''' bezeichnet.
Für die Eigenzustände <math>|\phi_n\rangle</math>  und die Eigenwerte <math>q_n</math>, die die prinzipiell möglichen Messergebnisse sind, gilt
<math>\hat{Q}|\phi_n\rangle = q_n |\phi_n\rangle </math>.


==== Messung an Zustandsgemischen ====
Hier ist dies für eine endliche oder höchstens abzählbar unendliche Menge relevanter Eigenzustände geschrieben. Bei einem [[Kontinuum (Physik)|Kontinuum]] ist anstelle der Summe ein Integral zu verwenden.
{{Siehe auch|Dichteoperator}}
Für Systeme, deren Zustand durch einen [[Dichteoperator]] <math>\hat \rho</math> beschrieben wird, ist die Wahrscheinlichkeit den Eigenwert <math>a</math> des Operators <math>A</math> zu messen gegeben durch:
:<math>p_a = \sum_i\left\langle a_i\right|\hat {\rho} \left|a_i\right\rangle=\operatorname{Tr}(\hat{P}_a \hat {\rho}),</math>.
Der Operator <math>\hat P</math> ist der Projektor in den Eigenraum zum Eigenwert <math>a</math>. Direkt nach der Messung befindet sich das System im Zustand, der durch den Dichteoperator
:<math>\hat\rho'=\frac{\hat{P}_a \hat{\rho} \hat{P}_a}{\operatorname{Tr}(\hat{P}_a \hat{\rho} \hat{P}_a)}</math>
gegeben ist.
=== Das Messproblem ===


Die zeitliche Entwicklung der Wechselwirkung zwischen einem Messobjekt und dem Messgerät kann einen Endzustand des Gesamtsystems ergeben, der zunächst keiner eindeutigen Zeigerstellung des Messgerätes entspricht. Andererseits werden am Messgerät in der Praxis aber eindeutige Messergebnisse abgelesen. Die Frage danach, auf welche Weise in diesem Prozess die Entscheidung für die Anzeige des Gerätes geschieht, ist als '''Messproblem''' bekannt.<ref name="Neumann" /> Das Messproblem wird im Folgenden anhand eines Beispiels erläutert:
=== Präparieren durch Messen ===


Ein Messobjekt sei zu Beginn im Eigenzustand <math>|\phi_1\rangle</math>. Das Messgerät sei am Anfang in Initialzustand <math>|M_0\rangle</math>. Nachdem das Objekt die Wechselwirkung mit dem Messgerät nach der Zeit <math>t</math> durchlaufen hat befindet sich das Gerät in dem Zustand <math>|M_1\rangle</math>. Schematisch lässt sich dieser Vorgang folgendermaßen darstellen
Um einen Zustand zu präparieren, misst man Material, das in Form eines (anderen) Zustands oder als Zustandsgemisch vorliegt. Einen reinen Zustand stellt man dar als Linearkombination von orthogonalen Komponenten, von denen eine der gewünschte Zustand ist. Die Messung reduziert dann den vorliegenden auf den Zielzustand. Bei einem geeigneten Zustandsgemisch dient die Messung nur dazu, die Objekte auszusortieren, die sich im gewünschten Zustand befinden. Ein Spalt, der einen Anteil aus einem breiten Strahl ausblendet, bewirkt in erster Linie eine Ortsmessung in Richtung quer zum Strahl. Als Bestandteil eines Spektrographen dient er zur Frequenz- bzw. Energiemessung. Ein Polarisationsfilter kann in beiden Funktionen, nämlich auf reine wie gemischte Zustände angewendet werden.


:<math>|\phi_1\rangle|M_0\rangle\;\xrightarrow[]{\quad t\quad}\;|\phi_1\rangle|M_1\rangle.</math>
== Wechselwirkung erzeugt Verschränkung mit dem Messapparat ==
Auch die (makroskopische) Messapparatur wird mit ihren verschiedenen „Zeigerstellungen“ durch Basisvektoren <math>|M_n\rangle</math> in einem entsprechenden Hilbertraum beschrieben. Jeder Basiszustand entspricht einer bestimmten Zeigerstellung <math>n</math>. Das Messgerät ist so konstruiert, dass es bei der Messung das Objekt im Eigenzustand  <math>|\phi_n\rangle</math> in den Zustand <math>|M_n\rangle</math> übergeht. Vor Beginn einer Messung sei das Messgerät in einem beliebigen Zustand <math>|M_\text{vor}\rangle</math> und das Objekt im  Eigenzustand  <math>|\phi_{n_0}\rangle</math>. Dann hat das Gesamtsystem aus Messobjekt und Messgerät anfangs den Zustand
:<math>|\Psi_0\rangle = |\phi_{n_0}\rangle|M_\text{vor}\rangle</math>
und nach der Messung den Zustand
:<math>|\Psi\rangle_\text{nach} = |\phi_{n_0}\rangle|M_{n_0}\rangle</math>,
denn der Zeiger zeigt nun auf <math>n_0</math>.
Das Objekt selbst, wenn es schon in einem Eigenzustand zum betreffenden Operator ist, verändert sich im Messprozess nach von Neumann nicht. Die Voraussetzung ist in der Realität selten gegeben, ist aber als Modellvorstellung hilfreich.


Analog ist die Situation, wenn das Objekt am Anfang im Zustand <math>|\phi_2\rangle</math> vorliegt. In diesem Fall ergibt die Wechselwirkung mit dem Messgerät das folgende Schema
Im interessierenden Fall ist das System nicht vor der Messung schon in einem Eigenzustand des Messoperators, sondern in einer aus verschiedenen Eigenzuständen gebildeten Linearkombination <math>|\psi_0\rangle =\sum_n\,c_n\,|\phi_n\rangle</math>. Der Anfangszustand des Gesamtsystems ist dann <math>|\Psi_0\rangle = |\psi_0\rangle |M_\text{vor}\rangle</math>. Durch die Wechselwirkung bildet sich nach den Regeln der Quantenmechanik zunächst der Zustand
:<math>|\Psi\rangle_\text{nach}=\sum_n\,c_n\,|\phi_n\rangle|M_n\rangle</math>,
denn auf jede Komponente <math>|\phi_n\rangle</math> des Objektzustands reagiert das Messgerät, indem es den Zustand <math>|M_n\rangle</math> annimmt.


:<math>|\phi_2\rangle|M_0\rangle\;\xrightarrow[]{\quad t\quad}\;|\phi_2\rangle|M_2\rangle.</math>
In diesem Zustand des Gesamtsystems nach der Wechselwirkung kommen gleichzeitig alle Komponenten des Anfangszustands in Korrelation mit ihren zugehörigen Zeigerstellungen vor. Die Superposition der Eigenzustände im Anfangszustand <math>\sum_n\,c_n\,|\phi_n\rangle</math> des Messobjekts wurde durch die Wechselwirkung auf die makroskopischen Zustände des Messgerätes übertragen. Der Zustand ist nicht mehr als Produkt ''eines'' Zustands des Systems mit ''einem'' Zustand des Geräts darzustellen, sondern entspricht einem [[Quantenverschränkung|verschränkten]] Zustand von System und Messgerät.


Ist nun der Anfangszustand, der gemessen werden soll, kein Eigenzustand der zu messenden Observablen, sondern eine Überlagerung von verschiedenen Eigenzuständen [[Superposition (Physik)|(Superposition)]], dann wird der Prozess der Messung komplizierter.
Aus dieser Verschränkung heraus wird zum Abschluss des Messprozesses durch die Zustandsreduktion eine der Komponenten <math>|\phi_n\rangle|M_n\rangle</math> ausgewählt, und zwar jeweils mit Wahrscheinlichkeit <math>|c_n|^2</math>. Der ursprüngliche Zustand <math>|\psi_0\rangle =\sum_n\,c_n\,|\phi_n\rangle</math> ist nun in zufälliger Wahl durch einen der Zustände <math>|\psi_\text{nach}\rangle =|\phi_{n_\text{nach}}\rangle</math> ersetzt worden. Mathematisch findet eine Abbildung statt, die aus dem Anfangszustand <math>|\psi_0\rangle </math> den Endzustand mit dem normierten Zustandsvektor <math>|\psi_\text{nach}\rangle</math> macht und daher so geschrieben werden kann:


Ist beispielsweise das Messobjekt am Anfang im Zustand <math>c_1|\phi_1\rangle+c_2|\phi_2\rangle</math>, so kann durch die Wechselwirkung mit dem Messgerät auch eine Superposition von Zuständen des Messgerätes resultieren, d.&nbsp;h., schematisch ergibt sich das Bild
:<math>|\psi_0\rangle \;\xrightarrow{\text{Messung}}\; \frac{P_{\psi_\text{nach}}|\psi\rangle}{\left\|P_{\psi_\text{nach}}|\psi_\text{nach}\rangle\right\|},</math>
Darin ist
:<math>P_{\psi_\text{nach}} = |\psi_\text{nach}\rangle\langle \psi_\text{nach}|</math>
der [[Projektion (Lineare Algebra)|Projektor]] auf den Unterraum zum Eigenvektor  <math>|\psi_\text{nach}\rangle</math>.


:<math>(c_1|\phi_1\rangle+c_2|\phi_2\rangle)|M_0\rangle\;\xrightarrow[]{\quad t\quad}\;c_1|\phi_1\rangle|M_1\rangle+c_2|\phi_2\rangle|M_2\rangle.</math>
Dass sich keine lineare Bewegungsgleichung denken lässt, die diese Abbildung verursachen könnte, wie dies in der Natur aber bei jeder Messung geschieht, ist der Kern des Messproblems der Quantenmechanik.


In diesem Fall lässt sich der Zustand nach der Wechselwirkung nicht mehr als Produkt darstellen. Die Superposition der Zustände des Systems wurden durch die zeitliche Wechselwirkung auf die makroskopischen Zustände des Messgerätes übertragen. Der Endzustand entspricht also einer Superposition von System und Messgerät und es ist dann nicht mehr offensichtlich, welcher Zeigerstellung der Endzustand des Systems entsprechen soll (vgl. [[Schrödingers Katze]]). Lediglich ''nach'' der Registrierung am Ende kann eine eindeutige Aussage gemacht werden, ob entweder <math>|M_1\rangle</math> oder <math>|M_2\rangle</math> vorliegt. Nach der Born'schen Regel treten diese beiden Alternativen jeweils mit den Wahrscheinlichkeiten <math>{|c_1|^2}</math> bzw. <math>{|c_2|^2}</math> auf. Dabei bleibt aber zunächst ungeklärt, wie der Übergang von der Superposition zum Eigenzustand, d.&nbsp;h. schematisch
== Registrierung des Ergebnisses ==
Aus der verschränkten Superposition, die durch die Wechselwirkung im Messgerät entstanden ist, bildet sich durch die Messung genau einer der Zustände <math>|\Psi\rangle_\text{nach}=|\phi_n\rangle|M_n\rangle</math>, und zwar mit einer Wahrscheinlichkeit
:<math>P(n) = |c_n|^2</math>.
Dies kann nicht durch eine zeitliche Entwicklung beschrieben werden, die nach einer Schrödingergleichung abläuft (oder einer anderen Bewegungsgleichung, die wie diese linear ist und die Norm erhält).


:<math>c_1|\phi_1\rangle|M_1\rangle+c_2|\phi_2\rangle|M_2\rangle\;\xrightarrow[]{\quad\text{Reduktion}\quad}\;|\phi_n\rangle|M_n\rangle,</math>
Zur Lösung, oder wenigstens zur Beschreibung des Messproblems wird eine „Reduktion“ des quantenmechanischen Zustandes postuliert, die auch als [[Kollaps der Wellenfunktion]] bezeichnet wird. Sie bewirkt den durch die Messung verursachten Übergang
:<math>\sum_n\,c_n\,|\phi_n\rangle|M_n\rangle\;\xrightarrow[\ \text{prozess}\ ]{\ \text{Mess-}\ }\;|\phi_{n}\rangle|M_{n}\rangle.</math>
Damit wird gleichzeitig die durch <math>P(n) = |c_n|^2</math> gegebene Wahrscheinlichkeitsverteilung der ''möglichen'' Messwerte  auf einen einzigen Wert – ''den'' Messwert reduziert. Erst dann kann durch Ablesen des Messgeräts ''der'' Wert der gemessenen physikalischen Größe festgestellt werden, und das Quantensystem befindet sich dann mit Sicherheit im zugehörigen Eigenzustand <math>|\phi_{n}\rangle</math>. Damit wird gesichert, dass eine unmittelbar anschließende Wiederholung der Messung dasselbe Ergebnis hat.


physikalisch begründet werden kann. Von Neumann argumentiert in diesem Zusammenhang mit einer Reduktion des quantenmechanischen Zustandes (Messung 1. Art), was mitunter als [[Kollaps der Wellenfunktion]] bezeichnet wird. In diesem Zusammenhang weist von Neumann im Besonderen darauf hin (vgl. Kap.&nbsp;5)<ref name="Neumann" />, dass die Reduktion der Wellenfunktion ''unstetig'' und ''augenblicklich'' in der Zeit stattfindet und somit nicht im Rahmen der von Schrödinger vorgeschlagenen linearen Zeitentwicklung beschrieben werden kann.<ref>Arthur Jabs: ''A conjecture concerning determinism, reduction, and measurement in quantum mechanics'', Quantum Studies: Mathematics and Foundations, vol. 3, issue 4 (2016), {{DOI|10.1007/s40509-016-0077-7}}</ref>
Die Zustandsreduktion ist unstetig und findet augenblicklich statt. Wann und wie die Reduktion erfolgt und was ihre physikalische Ursache ist, ist ein auch heute noch ungelöstes Problem. Die vielverwendete Ausdrucksweise, die Zustandsreduktion geschehe bei dem Wechselwirkungsprozess, der mit dem Messgerät beobachtet werden soll, kann spätestens seit der Realisierung von [[Delayed-Choice-Experiment]]en und [[Quantenradierer]]n als widerlegt gelten. Annahmen über Zeitpunkt oder Ursache der Reduktion reichen bis zum Moment der subjektiven Wahrnehmung im Bewusstsein eines Experimentators (z.&nbsp;B. bei [[Schrödingers Katze]] und [[Wigners Freund]]).


== Spinmessungen ==
Diese offene Frage hat wesentlich dazu beigetragen, dass mehrere [[Interpretationen der Quantenmechanik]] entwickelt wurden, die der Kopenhagener Deutung in diesem Punkt widersprechen. Zu nennen ist die spontane Reduktion zu stochastisch verteilten Zeitpunkten in der [[Interpretationen der Quantenmechanik#Dynamischer-Kollaps-Theorien|GRW-Theorie des dynamischen Kollaps]] oder durch Dekohärenz aufgrund der [[Energie-Zeit-Unschärferelation]], wenn die Selbstenergie durch Gravitation berücksichtigt wird<ref name="HamerofPenrose2014">{{Literatur | Autor=Stuart Hameroff, Roger Penrose| Titel=Consciousness in the universe: A review of the ‘Orch OR’theory | Sammelwerk= Physics of life reviews| Band=11 | Nummer=1 | Jahr= 2014| Seiten=39-78 | Online=[https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1571064513001188 online] | Zugriff=2019-03-13}}</ref>. Eine grundsätzlich andere Antwort bietet die [[Viele-Welten-Interpretation]], in der bei jeder Messung unbemerkt so viele Kopien der Welt entstehen wie es mögliche Messwerte gibt, sodass in jeder der Welten einer der Werte realisiert ist.


Bei der Messung des [[Magnetisches_Moment#Das_magnetische_Moment_von_Teilchen_und_Kernen|magnetischen Spinmomentes]] werden in einer Quelle [[Spin]]-1/2 Teilchen präpariert, die sich nach Austritt in y-Richtung durch ein inhomogenes Magnetfeld <math>B_z</math> bewegen, welches in z-Richtung orientiert ist ([[Stern-Gerlach-Experiment]]). Das magnetische Moment der Teilchen wird darin während einer kurzen Zeit in Wechselwirkung mit dem Magnetfeld sein, welches eine von der Richtung des Spins abhängige Kraft auf die Teilchen bewirkt. Diese Kraft führt dazu, dass Teilchen im Zustand Spin-„up“ in positiver z-Richtung und Teilchen im Zustand Spin-„down“ in negativer z-Richtung abgelenkt werden. Die so abgelenkten Teilchen werden am Ende von Detektoren auf der z-Achse registriert.
== Messung an Zustandsgemischen ==
 
{{Siehe auch|Dichteoperator}}
Die Kopplung von System und Messgerät im von Neumann-Messprozess wird hier also durch das Produkt von Spin und dem magnetischen Feld des Messgerätes ausgelöst. Der für die Wechselwirkung relevante Teil des Hamiltonoperators ist <math>\hat{H}_\mathrm{int}=\mu_B\,\hat{\sigma}_z \hat{B}_z</math>. Als Zeigerzustände können dabei die örtlichen Auslenkungen in die obere oder untere z-Halbebene dienen, z.&nbsp;B. „+1“ für Teilchen oberhalb und „−1“ für Teilchen unterhalb des Koordinatenursprungs. Schematisch ergibt sich damit
Für Systeme, deren Zustand durch einen [[Dichteoperator]] <math>\hat \rho</math> beschrieben wird, ist die Wahrscheinlichkeit, bei der Messung den Eigenwert <math>q_n</math> des Operators <math>\hat Q</math> zu finden, gegeben durch:
 
: <math>P(n) = \langle \phi_{n}| \hat {\rho} |\phi_{n}\rangle=\operatorname{Tr}(\hat{P}_{n} \hat {\rho})</math>.
:<math>|z\pm\rangle|M_0\rangle\;\xrightarrow[]{\quad t \quad}\quad e^{-\mathrm i\hat{H}_\mathrm{int}t}|z\pm\rangle|M_0\rangle=|z\pm\rangle\, e^{\mp \mathrm i\mu_B\hat{B}_z t}|M_0\rangle=:|z\pm\rangle|M_{\pm1}(t)\rangle.</math>
Der Operator <math>\hat P_{n}</math> ist der Projektor in den Teilraum der Eigenzustände zum Eigenwert <math>q_{n}</math>. Direkt nach der Messung befindet sich das System im Zustand, der durch den Dichteoperator
 
:<math>\hat\rho'=\frac{\hat{P}_{n} \hat{\rho} \hat{P}_{n}}{\operatorname{Tr}(\hat{P}_{n_0} \hat{\rho} \hat{P}_{n_0})}</math>
wobei <math>|z\pm\rangle</math> die Eigenvektoren des Spins in z-Richtung sind. Für gewisse Zwecke ist es manchmal sinnvoll den Spin auch in Richtung eines beliebig vorgegebenen Einheitsvektors <math>\mathbf{a}</math> zu messen. Dazu wird die Stern-Gerlach-Apparatur dann in diese Richtung orientiert. Die eigentliche Spinmessung wird dann mit Hilfe des [[Vektor]]s <math>\mathbf{\sigma}=(\sigma_x,\sigma_y,\sigma_z)</math> der [[Pauli-Matrizen]] ermöglicht. Der dazugehörige Operator ist durch das [[Skalarprodukt]] von <math>\mathbf{a}</math> mit dem Spin-Vektor gegeben
gegeben ist.
 
:<math>\hat{\mathbf{a}}=\mathbf{a}\cdot\mathbf{\sigma}\,.</math>
 
Das zu diesem Operator gehörige [[Eigenwertgleichung|Eigenwertproblem]] ist
 
:<math>\hat{\mathbf{a}}|\mathbf{a}\pm\rangle=\pm1|\mathbf{a}\pm\rangle,</math>
 
d.&nbsp;h., die Eigenwerte des Operators sind <math>m=\pm 1</math> und repräsentieren die beiden Spinrichtungen „up“ und „down“ bzw. die Zeigervariablen bezüglich der Orientierung des Vektors <math>\mathbf{a}</math>. Mit Hilfe dieser [[Eigenvektoren]] lässt sich der folgende Spin-Projektor konstruieren
 
:<math>\hat{E}_\sigma(\mathbf{a}m)=|\mathbf{a}m\rangle\langle \mathbf{a}m|\,.</math>
 
Wie jeder Projektor hat dieser Operator gemäß Definition die Eigenwerte „1“ und „0“. Letztere werden in der [[Quantenlogik]] manchmal als „Ja/Nein“-Aussagen interpretiert.
 
=== Wahrscheinlichkeiten bei Spinmessungen ===
 
Betrachtet man eine Gesamtheit von Teilchen die ausschließlich in Richtung des Vektors <math>\mathbf{a}</math> orientiert sind, so werden die so präparierten Objekte durch den Zustand <math>|\mathbf{a}m\rangle</math> dargestellt. Wird an diesem Zustand nun eine Spin-Messung in Richtung eines Vektors <math>\mathbf{b}</math> vorgenommen, dann ist die bedingte Wahrscheinlichkeit dafür, ein Teilchen mit einer Spin-Orientierung in dieser Richtung zu registrieren gleich
 
:<math>P_\sigma(\mathbf{b}n|\mathbf{a}m)=|\langle\mathbf{b}n|\mathbf{a}m\rangle|^2\,.</math>
 
Um diesen Ausdruck auszuwerten beschränkt man sich häufig auf Richtungsvektoren <math>\mathbf{a}</math> und <math>\mathbf{b},</math> die beide in der x-z-Ebene des Ortsraumes liegen und deren Orientierung in beiden Fällen auf die z-Achse bezogen wird. Man bezeichnet die entsprechenden Winkel mit <math>\,\theta_a</math> und <math>\theta_b\,.</math>. Für die Wahrscheinlichkeit von Messungen mit den angegebenen Orientierungen vereinfacht sich die vorige Gleichung zu
 
:<math>P_\sigma(\theta_b|\theta_a)=\frac{1}{2}\,\left[1+\cos(\theta_b-\theta_a)\right]\,.</math>
 
Häufig wird diese Formel auch in einer äquivalenten Form angegeben
 
:<math>P_\sigma(\theta_b|\theta_a)=\cos^2\left(\frac{\theta_b-\theta_a}{2}\right)</math>.
 
Diese Formel für die bedingte Wahrscheinlichkeit spielt u.&nbsp;a. eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der [[Bellsche Ungleichung|Bell’schen Ungleichung]] und der Herleitung des [[Quanten-Zeno-Effekt]]es.
 
=== Spin-Messungen an zusammengesetzten Systemen ===
 
Von der klassischen Physik her ist man gewohnt, dass ''zusammengesetzte Systeme'' in Teilsysteme oder Untersysteme zerlegt werden können. In der Quantenmechanik zeigt sich, dass zusammengesetzte Systeme darüber hinaus völlig andere und überraschende ganzheitliche Eigenschaften aufweisen können. Sie treten auf, wenn sich zusammengesetzte Quantensysteme in [[Quantenverschränkung|verschränkten]] Zuständen befinden.
 
Es können z.&nbsp;B. Quantensysteme präpariert werden, bei denen man an zwei verschiedenen Orten bei Messungen jeweils ein Photon registriert. Analoge Systeme gibt es auch für Elektronen. Zwei solche Teilchen werden als nicht unterscheidbar angesehen. Unterscheidbar sind hingegen die Orte der Objekte, an denen bei einer Messung z.&nbsp;B. eine Photonenpolarisation gemessen wird.
 
Formal kann man z.&nbsp;B. zwei unabhängige Quantensysteme S<sub>1</sub> und S<sub>2</sub> betrachten, die jeweils durch die Spin-Zustände <math>\textstyle \left|\uparrow\right\rangle_1</math> und <math>\textstyle \left|\downarrow\right\rangle_2</math> dargestellt werden. Die Pfeile werden in der Literatur häufig verwendet, wenn die jeweiligen Spins in z-Richtung („up“ bzw. „down“) präpariert sind. Das Produkt
 
:<math>\left|\uparrow\downarrow\right\rangle=\left|\uparrow\right\rangle_1\cdot\left|\downarrow\right\rangle_2</math>
 
definiert ein aus den beiden Teilsystemen gebildetes Gesamtsystem, d.&nbsp;h. einen ''Produktzustand'' der Teilchen. In diesem speziellen Fall faktorisiert die Zweiteilchenwellenfunktion und es handelt sich um unabhängige Teilsysteme, da keine Abhängigkeit zwischen den Systemen nachgewiesen werden kann.
 
Eine [[Quantenverschränkung|Verschränkung]] der Teilsysteme ergibt sich u.&nbsp;a. für den sog. Singulettzustand, der im Rahmen des EPR-Gedankenexperimentes eine zentrale Rolle spielt.<ref>„Verschränkt“ wäre auch der analoge „Triplett“-Zustand, der sich vom Singulettzustand durch ein Plus anstelle des Minus-Zeichens unterscheidet.</ref> Die formale Darstellung dieses Zustandes ist
 
:<math>\left|\phi\right\rangle=\frac{1}{\sqrt{2}}\,\Big[\,\left|\uparrow\downarrow\right\rangle-\left|\downarrow\uparrow\right\rangle\Big]</math>.
 
Dieser Zustand lässt sich nicht als ein Produkt der zwei Einteilchenzustände darstellen. Eine Messung der einzelnen Spins der beiden Teilchen in z-Richtung ergibt mit Wahrscheinlichkeit 1 entgegengesetzte [[Vorzeichen (Zahl)|Vorzeichen]] und ist unabhängig von der Reihenfolge mit welcher die Messungen an den beiden Komponenten durchgeführt werden. Die Festlegung auf die Orientierung in z-Richtung ist keine Beschränkung der Allgemeinheit, da dieser Zustand die Eigenschaft der Rotationsinvarianz besitzt.
 
Im Rahmen des [[Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon#Quantentheoretische Grundlagen des EPR-Experiments|EPR-Experimentes]] werden für zwei fest vorgegebene Richtungsvektoren <math>\mathbf a</math> und <math>\mathbf b</math>, Spinmessungen an den beiden Komponenten 1 und 2 des Singulettzustandes durchgeführt. Dabei kann man nach der ''bedingten Wahrscheinlichkeit'' fragen, bei Teilchen 2 einen Spin <math>n\,(=\pm1)</math> in b-Richtung zu erhalten, wenn die Messung an Teilchen 1 das Ergebnis <math>m\,(=\pm1)</math> in a-Richtung ergeben hat:
 
:<math>P_{\sigma\sigma'}(\mathbf{b}n|\mathbf{a}m;\phi)=\frac{||\hat E_{\sigma'}(\mathbf{b}n)\otimes\hat E_{\sigma}(\mathbf{a}m)\phi||^2}{||\hat E_\sigma(\mathbf{a}m)\otimes\mathbf{1}\phi||^2}</math>.
 
Das Tensorprodukt der Operatoren macht deutlich, dass der jeweils links in diesem Produkt vorkommende Operator nur auf die erste Komponente des Singulettzustandes angewendet wird, während der jeweils rechts stehende Operator nur auf die zweite Komponente des Singulattzustandes angewendet werden soll.
Der Nenner ist gleich der Wahrscheinlichkeit <math>\textstyle P_{\sigma}(\mathbf{a}m;\phi)</math>, bei einer Spinmessung am Teilchen 1 in a-Richtung den Wert <math>m</math> zu erhalten. Man beachte dabei, dass diese Wahrscheinlichkeit immer gleich 1/2 ist unabhängig davon, in welche Richtung <math>\mathbf a</math> bei der Messung hat. Der '''1'''-Operator im Nenner bedeutet, dass die zweite Komponente des Singulettzustandes bei der Erwartungswertbildung unverändert bleibt.
 
Nach den Regeln der Spin-Algebra ergibt sich für die bedingte Wahrscheinlichkeit das formal einfache Ergebnis
 
:<math>P_{\sigma,\sigma'}(n|m;\theta_a,\theta_b)=\frac{1}{2}\left[1-n\,m\,\cos(\theta_b-\theta_a)\right]</math>,
 
wobei <math>m</math> und <math>n</math> jeweils die Werte +1 („up“) oder −1 („down“) haben kann. Diese Wahrscheinlichkeit ist invariant gegenüber der Vertauschung der Winkel und der beiden Spins.
 
Die ''Verbundwahrscheinlichkeit'' der beiden Ereignisse ist gleich dem Produkt aus der bedingten Wahrscheinlichkeit und der Randwahrscheinlichkeit, d.&nbsp;h.
 
:<math>P_{\sigma,\sigma'}(m,n|\theta_a,\theta_b)=P_{\sigma,\sigma'}(n|m;\theta_a,\theta_b)\cdot P_{\sigma}(m|\theta_a)</math>.
 
Damit lässt sich die Korrelation <math>\text{E}\left[\mathbf{a},\mathbf{b}\right]</math> der beiden Spin-Operatoren durch gewöhnliche Erwartungswertbildung über die Zufallsvariablen der beiden Spin-Parameter berechnen:
 
:<math>\text{E}\left[\mathbf{a},\mathbf{b}\right]:=\langle\phi|\hat{\mathbf{a}}\,\otimes\,\hat{\mathbf{b}}|\phi\rangle=\sum_{m,n=\pm 1}\,n\,m\,P_{\sigma,\sigma'}(m,n|\theta_a,\theta_b)=-\cos(\theta_b-\theta_a)=-\,\mathbf{a}\cdot\mathbf{b},</math>
 
wobei der letzte Term das gewöhnliche [[Skalarprodukt]] der beiden Richtungsvektoren darstellt. Der spezielle Fall gleicher Orientierungen der beiden Messrichtungen <math>\mathbf a</math> und <math>\mathbf b</math> entspricht einer Winkeldifferenz von 0°. In diesem Fall ist die Korrelation gleich −1. Bilden hingegen die Messorientierungen einen relativen Winkel von 90°, d.&nbsp;h., sie sind orthogonal zueinander ausgerichtet, dann ergibt die obige Formel eine verschwindende Korrelation von 0.
 
== Siehe auch ==
* [[Quantenmechanik]]
* [[quantenmechanischer Zustand]]
* [[Quantentomographie]]
* [[Spektralmaß]]
* [[Unschärferelation]]


== Literatur ==
== Literatur ==

Aktuelle Version vom 21. September 2021, 15:18 Uhr

Der quantenmechanische Messprozess beschreibt die Messung einer physikalischen Größe an einem Objekt der Quantenphysik. Für die klassische Physik gilt immer, aber für die Quantenphysik nur teilweise, dass der Messwert schon vor der Messung eindeutig festliegt und bei Wiederholungsmessungen an gleichen und gleich präparierten Messobjekten stets den gleichen Wert hat.

In der Quantenphysik haben aber viele physikalische Größen nicht schon vor der Messung einen bestimmten Wert. Das gilt auch dann, wenn der Zustand des Messobjekts mit idealer Genauigkeit präpariert wird. Bei Wiederholungsmessungen streuen die Messwerte dann unvermeidlich in einem ganzen Wertebereich. Beispiele sind der Zeitpunkt, an dem ein radioaktiver Atomkern ein Strahlungsquant aussendet, oder die seitliche Ablenkung, mit der in einem Beugungsexperiment mit Elektronen eins der Teilchen auf den Schirm trifft. Am Messgerät ist, wie bei jeder Messung in der klassischen Physik auch, immer nur ein Wert abzulesen, aber es ist bis heute nicht befriedigend gelöst, auf welche Weise dieser aus den vielen möglich gewesenen Werten ausgewählt wird. Mit der Quantenmechanik und der Quantenfeldtheorie lässt sich für jeden der möglichen Messwerte nur die Wahrscheinlichkeit berechnen, dass er auftritt, und die Möglichkeit einer präzisen Vorhersage scheint außer bei gewissen Ausnahmen prinzipiell ausgeschlossen. Damit stellt der quantenmechanische Messprozess für die Interpretation dieser beiden ansonsten überaus erfolgreichen Theorien eins der größten ungelösten Probleme dar.

Überblick

Bei Messungen an einem makroskopischen Objekt gilt, dass sich bei einer exakten Wiederholung von Präparation und Messung dasselbe Ergebnis einstellt (idealerweise exakt, real im Rahmen der Messgenauigkeit). Das erfüllt die Forderung an die Wissenschaft, dass ihre Ergebnisse reproduzierbar seien. Des Weiteren kann man die Rückwirkung des Messprozesses auf das makroskopische Objekt entweder wegen ihrer Geringfügigkeit vernachlässigen (ideale Messung) oder genau angeben.

Bei Messungen an Quantenobjekten hingegen ist es typisch, dass identische Messprozeduren an identisch vorbereiteten (‚präparierten‘) Objekten zu weit streuenden Messergebnissen führen. Beispiele sind der Zeitpunkt, an dem ein radioaktiver Kern sein Strahlungsquant emittiert, aber auch der Ort, an dem dieses Strahlungsquant in einem ausgedehnten Detektor die Reaktion auslöst, mit der es nachgewiesen wird. Nach der vorherrschenden Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik sind solche Abweichungen nicht in der Unkenntnis über den genauen Zustand des Objekts oder des Messapparates begründet, sondern liegen in der Natur der Quantenobjekte und sind damit ein wesentliches Merkmal der Quantenphysik. Reproduzieren lässt sich eine quantenphysikalische Messung und ihr Ergebnis nur in Sonderfällen. Nur in diesen Fällen bleibt auch das Objekt in dem Zustand, den es vor der Messung hatte. Andernfalls wird es auf unvorhersagbare Weise – jeweils passend zum erhaltenen Messwert – verändert. Doch auch bei den nicht reproduzierbaren Messungen kann man reproduzierbare Werte finden, wenn man aus genügend vielen Einzelmessungen Mittelwerte bestimmt, z. B. für die Lebensdauer, die Reaktionsrate bzw. den Wirkungsquerschnitt.

Ablauf und Folgen des Messprozesses

Bei jedem Messprozess gibt es eine physikalische Wechselwirkung zwischen gewissen Eigenschaften des Messobjektes (z. B. Ort, Impuls, magnetisches Moment) und dem Zustand der Messapparatur (allgemein „Zeigerstellung“ genannt). Nach dem Messprozess kann der Wert der gemessenen Größe an der Zeigerstellung des Messgeräts abgelesen werden.

Der quantenmechanische Messprozess erfordert wegen der prinzipiellen Unterschiede zum klassischen Messprozess eine tiefergehende Interpretation. John v. Neumann hat 1932 als erster den Messvorgang im Rahmen der Kopenhagener Deutung formal beschrieben und damit die heute noch weitgehend akzeptierte Sichtweise entwickelt.[1][2] Formale Grundlage ist, dass in der Quantenmechanik die Zustände eines physikalischen Systems durch Vektoren in einem Hilbertraum und die beobachtbaren Größen (z. B. Ort, Impuls, Spin, Energie) durch hermitesche Operatoren dargestellt werden (z. B. für Energie, Drehimpuls etc., oder Masse und Ladung des Teilchens). Die Eigenwerte der Operatoren sind die möglichen Messwerte. Sie sind auch diejenigen Messwerte, die wohlbestimmt sind und bei jeder guten Messung denselben Wert ergeben, wenn das Objekt sich in einem Eigenzustand des betreffenden Operators befindet.

Nach von Neumann müssen beim typischen quantenphysikalischen Messprozess zunächst drei Schritte unterschieden werden:

  • Präparation: Es wird eine Grundgesamtheit von Teilchen (oder anderen Quantensystemen) erzeugt, welche durch einen Zustand $ \psi $ eines der Teilchen repräsentiert wird. Der Messvorgang bezieht sich jeweils auf die Messung an einem Exemplar.
  • Wechselwirkung: Das zu messende Quantensystem und das Messgerät bilden ein Gesamtsystem. Zwischen ihnen findet eine Wechselwirkung statt, durch die das Gesamtsystem sich zeitlich entwickelt.
  • Registrierung: Nach Abschluss der Wechselwirkung wird am Messgerät das Messergebnis abgelesen. Bei streuenden Messergebnissen wird die ganze Messung so oft wiederholt, bis sich ein verlässlicher Mittelwert bilden lässt.

Obwohl diese drei Schritte so auch für Messungen in der klassischen Physik gelten, sind die Folgen der quantenmechanischen Messung höchst unterschiedlich. Aufgrund des Zustandsbegriffs der Quantenmechanik ist der Messwert vor der Messung nur in den Sonderfällen festgelegt, dass das Quantenobjekt sich in einem Eigenzustand der Messgröße befindet. Im Allgemeinen wird dieser aber erst bei der Messung aus einer Vielzahl der im betrachteten Zustand vorhandenen Eigenzustände ausgewählt. Ein Beispiel ist die Messung der Ortskoordinate in einem Beugungsexperiment, wenn die zum Teilchen gehörende Materiewelle auf dem ganzen Schirm auftrifft, aber nur an einem Ort ein Signal hervorruft.

Da die Quantenobjekte sich außerhalb eines Messprozesses nach einer Bewegungsgleichung (wie z. B. der Schrödingergleichung) stetig entwickeln, sind in infinitesimalen Zeiten keine endlichen Veränderungen möglich. Daher muss eine zweite Messung direkt im Anschluss an die erste Messung für dieselbe Messgröße auch dasselbe Ergebnis liefern. Damit die Theorie dies sicherstellt, muss sie voraussetzen, dass das Quantenobjekt durch die Messung in denjenigen Eigenzustand der Messgröße überführt wurde, der den gefundenen Messwert zum Eigenwert hat. Alle Komponenten des für die Messung präparierten Zustands, die zu anderen Eigenwerten gehören, müssen bei der Messung gelöscht werden. Dieser Prozess ist irreversibel, denn am überlebenden Eigenzustand lässt sich nicht spezifizieren, welche anderen Komponenten das Quantensystem vorher noch besessen hat. Dieser Vorgang wird als Kollaps der Wellenfunktion oder Zustandsreduktion bezeichnet, konnte aber bisher in seinem Ablauf nicht aufgeklärt werden.

Dabei wird manchmal ein entscheidender Unterschied gegenüber einer „klassischen“ Zustandsbeschreibung übersehen: Die Wellenfunktion enthält vor der Messung Wahrscheinlichkeiten <100 % für die einzelnen Eigenzustände. Sie beschreibt daher gewissermaßen nicht wirklich das System, sondern das unvollständige Wissen über das System. Fröhner[3] hat nachgewiesen, dass die quantenmechanischen Wahrscheinlichkeiten widerspruchsfrei als Bayessche Wahrscheinlichkeiten aufgefasst werden können. Diese ändern sich, indem die Messung den Informationsstand des Beobachters ändert. Dazu wird keine Zeit benötigt; was kollabiert („zusammenbricht“), ist nichts Physikalisches, sondern nur der Informationsmangel des Beobachters. Ganz entsprechend haben sich hierzu Heisenberg 1960 in einer brieflichen Diskussion (siehe Zitat bei Fröhner) und Styer[4] geäußert.

Präparation des Messobjekts

Allgemeines

Als Präparation eines Quantenobjekts bezeichnet man einen Vorgang, durch den das Objekt in einen bestimmten Zustand gebracht wird, etwa den, der durch den Vektor $ |\psi \rangle $ des Hilbertraums beschrieben ist (z. B. ein Elektron mit bestimmtem Impuls und bestimmter Richtung des Spin). Für die Praxis wichtiger ist der Fall, dass eine ganze Gruppe von Zuständen vorliegt (z. B. beim gegebenen Impuls alle möglichen Richtungen des Spin). Dann handelt es sich um ein Zustandsgemisch, das besser mit einem Dichteoperator beschrieben wird (s. u.).

Für die mathematische Beschreibung des Messprozesses stellt man einen beliebigen Zustandsvektor $ |\psi \rangle $ als Linearkombination der Eigenvektoren $ |\phi _{n}\rangle $ des der Messgröße zugeordneten Operators $ {\hat {Q}} $ dar:

$ |\psi \rangle =\sum _{n}\,c_{n}\,|\phi _{n}\rangle , $

Sind die $ |\phi _{n}\rangle $, wie üblich, normiert, so sind die Koeffizienten $ c_{n} $ durch $ |\psi \rangle $ eindeutig definiert und es ist

$ \sum _{n}\,|c_{n}|^{2}=1\,. $

Für die Eigenzustände $ |\phi _{n}\rangle $ und die Eigenwerte $ q_{n} $, die die prinzipiell möglichen Messergebnisse sind, gilt $ {\hat {Q}}|\phi _{n}\rangle =q_{n}|\phi _{n}\rangle $.

Hier ist dies für eine endliche oder höchstens abzählbar unendliche Menge relevanter Eigenzustände geschrieben. Bei einem Kontinuum ist anstelle der Summe ein Integral zu verwenden.

Präparieren durch Messen

Um einen Zustand zu präparieren, misst man Material, das in Form eines (anderen) Zustands oder als Zustandsgemisch vorliegt. Einen reinen Zustand stellt man dar als Linearkombination von orthogonalen Komponenten, von denen eine der gewünschte Zustand ist. Die Messung reduziert dann den vorliegenden auf den Zielzustand. Bei einem geeigneten Zustandsgemisch dient die Messung nur dazu, die Objekte auszusortieren, die sich im gewünschten Zustand befinden. Ein Spalt, der einen Anteil aus einem breiten Strahl ausblendet, bewirkt in erster Linie eine Ortsmessung in Richtung quer zum Strahl. Als Bestandteil eines Spektrographen dient er zur Frequenz- bzw. Energiemessung. Ein Polarisationsfilter kann in beiden Funktionen, nämlich auf reine wie gemischte Zustände angewendet werden.

Wechselwirkung erzeugt Verschränkung mit dem Messapparat

Auch die (makroskopische) Messapparatur wird mit ihren verschiedenen „Zeigerstellungen“ durch Basisvektoren $ |M_{n}\rangle $ in einem entsprechenden Hilbertraum beschrieben. Jeder Basiszustand entspricht einer bestimmten Zeigerstellung $ n $. Das Messgerät ist so konstruiert, dass es bei der Messung das Objekt im Eigenzustand $ |\phi _{n}\rangle $ in den Zustand $ |M_{n}\rangle $ übergeht. Vor Beginn einer Messung sei das Messgerät in einem beliebigen Zustand $ |M_{\text{vor}}\rangle $ und das Objekt im Eigenzustand $ |\phi _{n_{0}}\rangle $. Dann hat das Gesamtsystem aus Messobjekt und Messgerät anfangs den Zustand

$ |\Psi _{0}\rangle =|\phi _{n_{0}}\rangle |M_{\text{vor}}\rangle $

und nach der Messung den Zustand

$ |\Psi \rangle _{\text{nach}}=|\phi _{n_{0}}\rangle |M_{n_{0}}\rangle $,

denn der Zeiger zeigt nun auf $ n_{0} $. Das Objekt selbst, wenn es schon in einem Eigenzustand zum betreffenden Operator ist, verändert sich im Messprozess nach von Neumann nicht. Die Voraussetzung ist in der Realität selten gegeben, ist aber als Modellvorstellung hilfreich.

Im interessierenden Fall ist das System nicht vor der Messung schon in einem Eigenzustand des Messoperators, sondern in einer aus verschiedenen Eigenzuständen gebildeten Linearkombination $ |\psi _{0}\rangle =\sum _{n}\,c_{n}\,|\phi _{n}\rangle $. Der Anfangszustand des Gesamtsystems ist dann $ |\Psi _{0}\rangle =|\psi _{0}\rangle |M_{\text{vor}}\rangle $. Durch die Wechselwirkung bildet sich nach den Regeln der Quantenmechanik zunächst der Zustand

$ |\Psi \rangle _{\text{nach}}=\sum _{n}\,c_{n}\,|\phi _{n}\rangle |M_{n}\rangle $,

denn auf jede Komponente $ |\phi _{n}\rangle $ des Objektzustands reagiert das Messgerät, indem es den Zustand $ |M_{n}\rangle $ annimmt.

In diesem Zustand des Gesamtsystems nach der Wechselwirkung kommen gleichzeitig alle Komponenten des Anfangszustands in Korrelation mit ihren zugehörigen Zeigerstellungen vor. Die Superposition der Eigenzustände im Anfangszustand $ \sum _{n}\,c_{n}\,|\phi _{n}\rangle $ des Messobjekts wurde durch die Wechselwirkung auf die makroskopischen Zustände des Messgerätes übertragen. Der Zustand ist nicht mehr als Produkt eines Zustands des Systems mit einem Zustand des Geräts darzustellen, sondern entspricht einem verschränkten Zustand von System und Messgerät.

Aus dieser Verschränkung heraus wird zum Abschluss des Messprozesses durch die Zustandsreduktion eine der Komponenten $ |\phi _{n}\rangle |M_{n}\rangle $ ausgewählt, und zwar jeweils mit Wahrscheinlichkeit $ |c_{n}|^{2} $. Der ursprüngliche Zustand $ |\psi _{0}\rangle =\sum _{n}\,c_{n}\,|\phi _{n}\rangle $ ist nun in zufälliger Wahl durch einen der Zustände $ |\psi _{\text{nach}}\rangle =|\phi _{n_{\text{nach}}}\rangle $ ersetzt worden. Mathematisch findet eine Abbildung statt, die aus dem Anfangszustand $ |\psi _{0}\rangle $ den Endzustand mit dem normierten Zustandsvektor $ |\psi _{\text{nach}}\rangle $ macht und daher so geschrieben werden kann:

$ |\psi _{0}\rangle \;\xrightarrow {\text{Messung}} \;{\frac {P_{\psi _{\text{nach}}}|\psi \rangle }{\left\|P_{\psi _{\text{nach}}}|\psi _{\text{nach}}\rangle \right\|}}, $

Darin ist

$ P_{\psi _{\text{nach}}}=|\psi _{\text{nach}}\rangle \langle \psi _{\text{nach}}| $

der Projektor auf den Unterraum zum Eigenvektor $ |\psi _{\text{nach}}\rangle $.

Dass sich keine lineare Bewegungsgleichung denken lässt, die diese Abbildung verursachen könnte, wie dies in der Natur aber bei jeder Messung geschieht, ist der Kern des Messproblems der Quantenmechanik.

Registrierung des Ergebnisses

Aus der verschränkten Superposition, die durch die Wechselwirkung im Messgerät entstanden ist, bildet sich durch die Messung genau einer der Zustände $ |\Psi \rangle _{\text{nach}}=|\phi _{n}\rangle |M_{n}\rangle $, und zwar mit einer Wahrscheinlichkeit

$ P(n)=|c_{n}|^{2} $.

Dies kann nicht durch eine zeitliche Entwicklung beschrieben werden, die nach einer Schrödingergleichung abläuft (oder einer anderen Bewegungsgleichung, die wie diese linear ist und die Norm erhält).

Zur Lösung, oder wenigstens zur Beschreibung des Messproblems wird eine „Reduktion“ des quantenmechanischen Zustandes postuliert, die auch als Kollaps der Wellenfunktion bezeichnet wird. Sie bewirkt den durch die Messung verursachten Übergang

$ \sum _{n}\,c_{n}\,|\phi _{n}\rangle |M_{n}\rangle \;{\xrightarrow[{\ {\text{prozess}}\ }]{\ {\text{Mess-}}\ }}\;|\phi _{n}\rangle |M_{n}\rangle . $

Damit wird gleichzeitig die durch $ P(n)=|c_{n}|^{2} $ gegebene Wahrscheinlichkeitsverteilung der möglichen Messwerte auf einen einzigen Wert – den Messwert reduziert. Erst dann kann durch Ablesen des Messgeräts der Wert der gemessenen physikalischen Größe festgestellt werden, und das Quantensystem befindet sich dann mit Sicherheit im zugehörigen Eigenzustand $ |\phi _{n}\rangle $. Damit wird gesichert, dass eine unmittelbar anschließende Wiederholung der Messung dasselbe Ergebnis hat.

Die Zustandsreduktion ist unstetig und findet augenblicklich statt. Wann und wie die Reduktion erfolgt und was ihre physikalische Ursache ist, ist ein auch heute noch ungelöstes Problem. Die vielverwendete Ausdrucksweise, die Zustandsreduktion geschehe bei dem Wechselwirkungsprozess, der mit dem Messgerät beobachtet werden soll, kann spätestens seit der Realisierung von Delayed-Choice-Experimenten und Quantenradierern als widerlegt gelten. Annahmen über Zeitpunkt oder Ursache der Reduktion reichen bis zum Moment der subjektiven Wahrnehmung im Bewusstsein eines Experimentators (z. B. bei Schrödingers Katze und Wigners Freund).

Diese offene Frage hat wesentlich dazu beigetragen, dass mehrere Interpretationen der Quantenmechanik entwickelt wurden, die der Kopenhagener Deutung in diesem Punkt widersprechen. Zu nennen ist die spontane Reduktion zu stochastisch verteilten Zeitpunkten in der GRW-Theorie des dynamischen Kollaps oder durch Dekohärenz aufgrund der Energie-Zeit-Unschärferelation, wenn die Selbstenergie durch Gravitation berücksichtigt wird[5]. Eine grundsätzlich andere Antwort bietet die Viele-Welten-Interpretation, in der bei jeder Messung unbemerkt so viele Kopien der Welt entstehen wie es mögliche Messwerte gibt, sodass in jeder der Welten einer der Werte realisiert ist.

Messung an Zustandsgemischen

Für Systeme, deren Zustand durch einen Dichteoperator $ {\hat {\rho }} $ beschrieben wird, ist die Wahrscheinlichkeit, bei der Messung den Eigenwert $ q_{n} $ des Operators $ {\hat {Q}} $ zu finden, gegeben durch:

$ P(n)=\langle \phi _{n}|{\hat {\rho }}|\phi _{n}\rangle =\operatorname {Tr} ({\hat {P}}_{n}{\hat {\rho }}) $.

Der Operator $ {\hat {P}}_{n} $ ist der Projektor in den Teilraum der Eigenzustände zum Eigenwert $ q_{n} $. Direkt nach der Messung befindet sich das System im Zustand, der durch den Dichteoperator

$ {\hat {\rho }}'={\frac {{\hat {P}}_{n}{\hat {\rho }}{\hat {P}}_{n}}{\operatorname {Tr} ({\hat {P}}_{n_{0}}{\hat {\rho }}{\hat {P}}_{n_{0}})}} $

gegeben ist.

Literatur

  • John v. Neumann: Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik, [Nachdr. der Ausg.] Berlin, Springer, 1932. – Berlin; Heidelberg; New York: Springer, 1996.
  • Jürgen Audretsch: Verschränkte Systeme, ISBN 352740452X, 2005, insbesondere auch zur Messung an verschränkten Systemen, selektive Messung und nicht-selektive Messung Kapitel 7

Einzelnachweise

  1. J. v. Neumann: Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik, Springer (1932, 1968, 1996).
  2. W. Heisenberg: Physik und Philosophie. Hirzel, Stuttgart 1959.
  3. F. H. Fröhner: Missing Link between Probability Theory and Quantum Mechanics: the Riesz-Fejér Theorem. Zeitschrift für Naturforschung 53a (1998) Seite 637–654 [1]
  4. Daniel F. Styer: The Strange World of Quantum Mechanics. Cambridge University Press, 2000, ISBN 0-521-66780-1, Seite 115
  5. Stuart Hameroff, Roger Penrose: Consciousness in the universe: A review of the ‘Orch OR’theory. In: Physics of life reviews. Band 11, Nr. 1, 2014, S. 39–78 (online [abgerufen am 13. März 2019]).

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