Multielektrodenarray: Unterschied zwischen den Versionen

Multielektrodenarray: Unterschied zwischen den Versionen

imported>Schnabeltassentier
(satzbau)
 
imported>P2jones
(P2jones verschob die Seite Multielektrodenarray nach Mikroelektrodenarray: Sowohl Mikroelektrodenarray als auch Multielektrodenarray werden häufig verwendet. Allerdings ist "mikro" besser geeignet: Mikro ist eine wichtige Eigenschaft der Elektroden. Eine Multielektrodenarray mit Elektroden, die größer als Mikroelektroden sind, würde nicht die Funktion der Aufzeichnung der Einzelzellenaktivität erfüllen. Darüber hinaus sind "Multi" und "Array" zusammen redundant.)
 
Zeile 1: Zeile 1:
'''Multielektrodenarrays (MEAs)''' oder Mikroelektrodenarrays sind Geräte, die mehrere Plättchen oder Nadeln enthalten, durch die neuronale [[Signal]]e aufgenommen oder abgegeben werden können. Sie dienen damit als neuronale Schnittstelle, die [[Nervenzelle]]n mit [[Elektronische Schaltung|elektronischen Schaltungen]] verbinden können. Es gibt zwei Klassen von MEAs: implantierbare MEAs, die [[in vivo]] benutzt werden, und nicht implantierbare MEAs, die [[in vitro]] benutzt werden.
#WEITERLEITUNG [[Mikroelektrodenarray]]
 
== Theorie ==
Wenn Neuronen oder [[Muskel]]zellen angeregt werden, fließen [[Ion]]enströme durch ihre [[Zellmembran|Membranen]]. Dadurch werden [[Elektrische Ladung|Ladungspotentiale]] innerhalb und außerhalb der Zelle geändert. Bei der Aufzeichnung wandeln die [[Elektrode]]n des MEA die Potentialänderung, die durch den Ionenfluss hervorgerufen wird (was einer [[Elektrische Spannung|Spannungsänderung]] durch eine Verschiebung der Ladungsträger ''Ionen'' entspricht), in einen [[Elektrischer Strom|Stromfluss]] um (was einer Verschiebung der Ladungsträger ''[[Elektron]]en'' entspricht). Werden die Elektroden der MEAs zur [[Stimulation]] benutzt, so wandeln sie Stromfluss von außen in Ionenfluss im Medium um. Dies veranlasst die [[Spannungsaktivierung|spannungsaktivierten]] [[Natriumkanal|Natrium-Ionenkanäle]] der [[Zellmembran|Membran]] einer erregbaren Zelle zur [[Depolarisation (Physiologie)|Depolarisation]]. Dadurch wird bei einer Nervenzelle ein [[Aktionspotential]], bei einer Muskelzelle eine Verkürzung ausgelöst.
 
Größe und Form des aufgezeichneten Signals hängen von mehreren Faktoren ab:<ref name="Boven">K.-H. Boven, M. Fejtl, A. Möller, W. Nisch, A. Stett: ''On Micro-Electrode Array Revival.'' In: M. Baudry, M. Taketani (Hrsg.): ''Advances in Network Electrophysiology Using Multi-Electrode Arrays.'' Springer Press, New York 2006, S. 24–37.</ref>
* Von der Art des Mediums, in dem sich die Zelle oder die Zellen befinden (z.&nbsp;B. [[Elektrische Leitfähigkeit|Leitfähigkeit]], [[Elektrische Kapazität|Kapazität]] und [[Homogenität]]).
* Von der Art der Kontakte zwischen der Zelle und dem MEA (z.&nbsp;B. Fläche des Kontaktes und dessen Dichte).
* Von der Art der MEA Elektrode selbst (z.&thinsp;B. Geometrie, [[Impedanz]]).
* Von der analogen Signalverarbeitung (z.&thinsp;B. [[Verstärkung (Physik)|Verstärkung]], [[Bandbreite]]).
* Von der [[Digitale Signalverarbeitung|digitalen Signalverarbeitung]] (z.&nbsp;B. [[Abtastrate]], Art der Verarbeitung).
Bei der Aufnahme einer einzelnen Zelle, die eine ebene Elektrode teilweise bedeckt, ist die Spannung an der Kontaktfläche etwa gleich der Spannung der überlappenden Region der Zelle mit der Elektrode, multipliziert mit dem Verhältnis des Oberflächenbereiches der überlappten Region mit der Gesamtoberfläche der Elektrode, oder:
 
<math>U_{Kontakt}=U_{Ueberlappung}\times\frac{A_{Ueberlappung}}{A_{Elektrode}}</math>
 
vorausgesetzt, der Bereich um die Elektrode ist gut [[Isolator|isoliert]] und hat eine kleine Kapazität.<ref name="Boven" /> Die Formel beruht darauf, dass die Elektrode, die Zelle und die Umgebung als [[Schaltplan|Schaltung]] modelliert sind. Ein alternatives Hilfsmittel, das Verhalten Zelle-Elektrode vorherzusagen, ist eine Modellierung auf der Grundlage einer geometriebasierten [[Finite-Elemente-Methode]], die versucht, die Begrenzungen durch eine zu vereinfachte Darstellung des Systems in einem kompakten Schaltplan zu umgehen.<ref name="Buitenweg">J. R. Buitenweg, W. L. Rutten, E. Marani: ''Geometry-based finite element modeling of the electrical contact between a cultured neuron and a microelectrode.'' In: ''IEEE Trans Biomed Eng.'' Band 50, 2003, S. 501–509.</ref>
 
Ein MEA kann auch dazu benutzt werden, [[Elektrophysiologie|elektrophysiologische]] Versuche an Gewebeproben oder [[Zellkultur]]en durchzuführen. Bei Gewebeproben bleiben die Verbindungen zwischen den Zellen innerhalb der Probe mehr oder weniger erhalten, während sie bei Zellkulturen nicht vorhanden sind. In Zellkulturen neuronaler Zellen bilden sich spontan [[Neuronales Netz|neuronale Netze]].<ref name="Potter2001">S. M. Potter: ''Distributed processing in cultured neuronal networks.'' In: ''Prog Brain Res.'' Band 130, 2001, S. 49–62.</ref>
 
Es zeigt sich, dass die [[Amplitude|Spannungshöhe]], die eine Elektrode abgibt, [[Antiproportionalität|umgekehrt proportional]] zum Abstand einer Zelle von ihrer Depolarisation ist.<ref name="PineBook">J. Pine: ''A History of MEA Development.'' In: M. Baudry, M. Taketani (Hrsg.): ''Advances in Network Electrophysiology Using Multi-Electrode Arrays.'' Springer Press, New York 2006, S. 3–23.</ref> Deshalb kann es notwendig sein, die Zellen so nahe an der Elektrode wie möglich zu züchten oder sonst zu platzieren. Bei Gewebeproben bildet sich aufgrund von [[Ödem]]en eine Lage elektrisch passiver toter Zellen um den Schnitt herum.<ref name="Buisson">B. Buisson, M. O. Heuschkel, E. M. Steidl, C. Wirth: ''Development of 3-D Multi-Electrode Arrays for Use with Acute Tissue Slices.'' In: M. Baudry, M. Taketani (Hrsg.): ''Advances in Network Electrophysiology Using Multi-Electrode Arrays.'' Springer Press, New York 2006, S. 69–111.</ref> Ein Weg, damit umzugehen, sind MEAs mit dreidimensionalen Elektroden, die [[Fotolithografie (Halbleitertechnik)|fotolitografisch]] hergestellt werden. Diese dreidimensionalen Elektroden durchdringen die Lage der toten Zellen der Gewebeprobe und vermindern den Abstand zwischen den lebenden Zellen und der Elektrode.<ref name="Thiebaud">P. Thiebaud, N. F. deRooij, M. Koudelka-Hep, L. Stoppini: ''Microelectrode arrays for electrophysiological monitoring of hippocampal organotypic slice cultures.'' In: ''IEEE Trans Biomed Eng.'' 44, 1997, S. 1159–1163.</ref> In Zellkulturen ist eine gute Haftung der Zellen auf dem MEA Substrat wichtig für stabile Signale.
 
== Geschichte ==
Die ersten implantierbaren Arrays waren Feindrahtarrays, die in den 1950er Jahren entwickelt wurden.<ref name="Cheung" /> Das erste Experiment, das mit ebenen Elektroden stattfand, um Signale von Zellkulturen aufzuzeichnen, wurde 1972 von C.A. Thomas, Jr. und seinen Kollegen durchgeführt.<ref name="PineBook" /> Der Aufbau bestand aus einem Array von 2 × 15 [[Gold]]elektroden, die mit [[Platin]] beschichtet waren, jeweils 100&nbsp;µm voneinander entfernt. Eine Zellkultur von aus [[embryonal]]en Hühnern gewonnenen [[Muskelfaser]]n, die auf dem MEA kultiviert wurde, lieferte bei der Aufzeichnung Signale mit einer Amplitude bis 1&nbsp;mV.<ref name="Thomas">C. A. Thomas, P. A. Springer, G. E. Loeb, Y. Berwald-Netter, L. M. Okun: ''A miniature microelectrode array to monitor the bioelectric activity of cultured cells.'' In: ''[[Exp Cell Res]].'' 74, 1972, S. 61–66.</ref> MEAs wurden unabhängig von den Arbeiten von Thomas von G. Gross und seinen Kollegen 1977 gebaut und genutzt, um die Elektrophysiologie von Schnecken[[Ganglion (Nervensystem)|ganglien]] zu untersuchen.<ref name="PineBook" /> 1982 entdeckte Gross spontane elektrophysiologische Aktivität bei Zellkulturen von [[Rückenmark]]szellen und stellte fest, dass die Aktivität sehr temperaturabhängig war. Unterhalb von 30&thinsp;˚C sinkt die Amplitude rasch auf sehr kleine Werte bei [[Raumtemperatur]].<ref name="PineBook" />
 
Vor den 1990er Jahren bestanden für Labore, die mit MEAs forschen wollten, bedeutende Einstiegsbarrieren durch die kundenspezifische Produktion der MEAs und die Software, die sie zu entwickeln hatten.<ref name="Potter2001" /> Als jedoch immer preiswertere Computer<ref name="Boven" /> und kommerzielle MEA Hard- und Software verfügbar wurde,<ref name="Potter2001" /> waren viele andere Labore ebenfalls in der Lage, Forschung mit MEAs zu betreiben.
 
== Typen ==
Mikroelektrodenarrays können über ihre potentielle Einsetzbarkeit in Unterkategorien aufgeteilt werden: ''In-vitro''- und ''In-vivo''-Arrays.
 
=== Typen von ''In-vitro''-Arrays ===
Der Standardtyp des ''In-vitro''-MEA hat ein Raster von 8 × 8 oder 6 × 10 Elektroden. Die Elektroden bestehen typischerweise aus [[Indiumzinnoxid]] oder [[Titan (Element)|Titan]] und haben Durchmesser von 10 bis 30&thinsp;µm. Diese Arrays werden für Zellkulturen oder Gewebeproben aus dem Gehirn benutzt.<ref name="Boven" />
 
Eine Herausforderung bei ''In-vitro''-MEAs war die Bildgebung mit [[Mikroskop]]en, die hochauflösende Linsen benutzen und einen geringen [[Arbeitsabstand (Mikroskopie)|Arbeitsabstand]] im Bereich von Mikrometern brauchen. Um dieses Problem zu vermeiden, wurden „dünne“ MEAs gefertigt, die ein abdeckendes Glas benutzen. Diese Arrays haben einen Durchmesser von etwa 180&nbsp;µm, wodurch sie auch mit hochauflösenden Linsen benutzt werden können.<ref name="Boven" /><ref>D. Eytan, A. Minerbi, N. E. Ziv, S. Marom: ''Dopamine-induced dispersion of correlations between action potentials in networks of cortical neurons.'' In: ''[[J Neurophysiol]].'' 92(3), 2004, S. 1817–1824.</ref>
 
Bei einer anderen speziellen Bauart sind 60 Elektroden in ein 6×5-Array aufgeteilt, die 500&thinsp;µm Abstand haben. Die Elektroden innerhalb einer Gruppe haben einen Abstand von 30&thinsp;µm und haben einen Durchmesser von 10&thinsp;µm. Arrays wie diese werden benutzt, um lokale neuronale Antworten und gleichzeitig funktionale Zusammenhänge des organischen Gewebes zu untersuchen.<ref name="Boven" /><ref>R. Segev, M. J. Berry: ''Recording from all of the ganglion cells in the retina.'' In: ''Soc Neurosci Abstr.'' 264, 2003, S. 11.</ref>
 
Die räumliche Auflösung ist einer der besonderen Vorteile der MEAs. Sie erlaubt es, Signale aufzuzeichnen, die über große Distanzen gesendet werden, und dies mit hoher Präzision, wenn ein hochauflösendes MEA benutzt wird. Diese Arrays haben üblicherweise ein quadratisches Gitter von 256 Elektroden, welches eine Fläche von 2,8 × 2,8&thinsp;mm abdeckt.<ref name="Boven" />
 
Eine deutlich bessere Auflösung wird durch CMOS-basierte high-density Mikroelektrodenarrays ermöglicht, die tausende von Elektroden mit integrierter Auslese- und Stimulationsschaltkreisen auf kompakten Chips mit der Größe eines Fingernagels aufweisen.<ref name="A1">[[Andreas Hierlemann|A. Hierlemann]], U. Frey, S. Hafizovic, F. Heer: ''Growing Cells atop Microelectronic Chips: Interfacing Electrogenic Cells in Vitro with CMOS-based Microelectrode Arrays.'' In: ''Proceedings of the IEEE.'' Vol. 99, No. 2, 2011, S. 252–284.</ref> Sogar die Signalausbreitung entlang einzelner Axone konnte gezeigt werden.<ref name="A2">D. J. Bakkum, U. Frey, M. Radivojevic, T. L. Russell, J. Müller, M. Fiscella, H. Takahashi, [[Andreas Hierlemann|A. Hierlemann]]: ''Tracking axonal action potential propagation on a high-density microelectrode array across hundreds of sites.'' In: ''Nature Communications.'' 4, 2013, S. 2181.</ref> Um Signale guter Qualität aufnehmen zu können, müssen Gewebe und Elektroden in engem Kontakt zueinander stehen. Gelochte MEAs legen einen Unterdruck an die Öffnungen des Substrats, damit das Gewebe auf den Elektroden positioniert werden kann, um den Kontakt und damit die Signale zu verbessern.<ref name="Boven" />
 
=== Typen von ''In-vivo''-Arrays ===
Die drei Hauptkategorien implantierbarer MEAs sind: Feindraht-, Silizium basierende und flexible Mikroelektrodenarrays.
* Die Feindraht-MEAs sind hauptsächlich aus [[Edelstahl]] oder [[Wolfram]] hergestellt und können dazu benutzt werden, die Lage individuell aufgezeichneter Neuronen durch [[Triangulation (Punktemenge)|Triangulation]] zu bestimmen.
* Silizium basierende Mikroelektrodenarrays enthalten zwei spezielle Modelle: Michigan und Utah Arrays.
** Michigan-Arrays ermöglichen sowohl eine höhere Dichte der Sensoren bei der Implantation als auch eine höhere räumliche Auflösung als Feindrahtarrays. Bei ihnen ist auch die Messung der Signale entlang der Nadeln möglich und nicht nur an dessen Ende.
** Utah-Arrays sind dreidimensional und bestehen aus 100 leitenden Siliziumnadeln. Bei Utah-Arrays können die Signale aber nur von den Spitzen der Nadeln empfangen werden, was die Menge der Information begrenzt, die zu einem Zeitpunkt aufgezeichnet werden kann. Sie werden außerdem in festen Größen und Parametern hergestellt, während bei den Michigan-Arrays größere Freiheitsgrade bei der Herstellung gegeben sind.
* Flexible Mikroelektrodenarrays, die aus [[Polyimid]], [[Parylene]] oder Benzocyclobuten hergestellt werden, haben gegenüber den festen Mikroelektrodenarrays den Vorteil, dass sie eine engere mechanische Verbindung eingehen, da der [[Elastizitätsmodul]] von Silizium viel höher ist als der von Gehirngewebe, was zu [[Entzündung]]en führen kann.<ref name="Cheung">K. C. Cheung: ''Implantable microscale neural interfaces.'' In: ''Biomedical Microdevices.'' 9, 2007, S. 923–938.</ref>
 
== Methoden der Datenverarbeitung ==
Die 'Basiseinheit' der Kommunikation zwischen Nervenzellen ist, zumindest in elektrischer Hinsicht, das Aktionspotenzial. Es wird vermutet, dass dieses "Alles-oder-nichts"-Phänomen am [[Axonhügel]] seinen Ursprung hat<ref name="Angelides">K. J. Angelides, L. W. Elmer, D. Loftus, E. Elson: ''Distribution and lateral mobility of voltage-dependent sodium channels in neurons.'' In: ''[[J Cell Biol]].'' 106, 1988, S. 1911–1925.</ref> und eine Depolarisation der zellulären Umgebung zum Ergebnis hat, die sich über das [[Axon]] ausbreitet. Der Ionenfluss durch die zelluläre Membran verursacht einen deutlichen Spannungswechsel in der extrazellulären Umgebung, was die Elektroden des MEA letztendlich detektieren. Deshalb werden die Zählung der Spannungsspitzen und deren Sortierung häufig bei Untersuchungen zur Einstufung von Netzwerkaktivitäten herangezogen.
 
== Vorteile ==
Grundsätzlich ist der große Vorteil der ''In-vitro''-Arrays verglichen mit traditionelleren Methoden wie der [[Patch-Clamp-Technik]]:<ref>J. Whitson, D. Kubota, K. Shimono, Y. Jia, M. Taketani: ''Multi-Electrode Arrays: Enhancing Traditional Methods and Enabling Network Physiology.'' In: M. Baudry, M. Taketani (Hrsg.): ''Advances in Network Electrophysiology Using Multi-Electrode Arrays''. Springer Press, New York 2006, S. 38–68.</ref>
* Es können viele Elektroden gleichzeitig eingesetzt werden.
* Es ist möglich, im gleichen Versuch sowohl Experimentalelektroden als auch Kontrollelektroden einzusetzen.
* Es ist möglich, unterschiedliche Orte für die Aufzeichnung innerhalb eines Arrays auszuwählen.
* Es ist möglich, gleichzeitig von unterschiedlichen Orten Daten aufzuzeichnen.
* Die Benutzung kann als nicht invasiv bezeichnet werden, da die Zellmembran nicht, wie bei den meisten Konfigurationen der Patch-Clamp-Technik, durchstoßen werden muss.
 
Bei ''In-vivo''-Arrays ist die hohe räumliche Auflösung ein großer Vorteil gegenüber der Patch-Clamp-Technik. Mit implantierbaren Arrays können Signale einzelner Nervenfasern erfasst werden, womit Informationen zu Position oder [[Geschwindigkeit]] einer motorischen Bewegung aufgenommen werden können, womit z.&nbsp;B. eine [[Prothese]] gesteuert werden kann.
 
== Nachteile ==
Verglichen mit Patch-Clamp- oder Dynamic-Clamp-Techniken haben ''In-vitro''-MEAs eine geringere räumliche Auflösung. Deshalb sind sie weniger gut geeignet, um einzelne Zellen zu stimulieren. Die Komplexität der Signale, die eine MEA Elektrode an andere Zellen senden kann, ist gering verglichen mit den Möglichkeiten der Dynamic-Clamp-Technik.
 
Es sind einige biologische Reaktionen auf die Implantation von Mikroelektrodenarrays bekannt, insbesondere bei dauerhafter Implantation. Die wichtigsten Effekte sind: Verlust neuronaler Zellen, [[Gliose]] und Ausfall von Elektroden.<ref>R. Biran, D. C. Martin, P. A. Tresco: ''Neuronal cell loss accompanies the brain tissue response to chronically implanted silicon microelectrode arrays.'' In: ''Experimental Neurology.'' 195, 2005, S. 115–126.</ref> Die Reaktion des Gewebes auf die Implantation hängt unter anderem von der Größe der MEA-Nadeln, deren Abstand, Materialzusammensetzung und der Zeitdauer der Implantation ab. Die Reaktion des Gewebes wird üblicherweise in eine kurzfristige und eine langfristige Reaktion unterschieden. Die kurzfristige Reaktion ereignet sich innerhalb von Stunden nach der Implantation und beginnt mit einer erhöhten Anzahl von [[Astrozyt]]en und [[Gliazelle]]n in der Umgebung des Arrays. Die angreifenden [[Gliazelle#Mikroglia|Mikroglia]] verursachen eine Entzündung und eine [[Phagozytose]] des fremden Materials beginnt. Mit der Zeit sammeln sich um das Array herum Astrozyten und Mikroglia an und formen eine Hülle um das Array, die sich über mehrere 10&thinsp;µm ausdehnen kann. Dies vergrößert nicht nur den Abstand zwischen den Nadeln, sondern isoliert diese auch wodurch eine höhere Impedanz gemessen wird. Die Probleme bei der dauerhaften Implantation der Arrays war die Triebkraft zur Forschung an ihnen. Eine neue Studie untersuchte die [[Neurodegenerative Erkrankung|neurodegenerativen]] Effekte der Entzündungen, die bei dauerhaften Implantationen entstehen.<ref>G. C. McConnell, H. D. Rees, A. I. Levey, R. G. Gross, R. V. Bellamkonda: ''Chronic electrodes induce a local, neurodegenerative state:  Implications for chronic recording reliability.'' Society for Neuroscience, Washington, D.C 2008.</ref> [[Immunhistochemie|Immunhistochemische]] Marker zeigten die überraschende Anwesenheit von hyperphosphorylierten [[Tau-Protein]]en, einem Indikator für die [[Alzheimer-Krankheit]], in der Nähe der Aufzeichnungselektroden. Die Phagozytose des Elektrodenmaterials wirft auch die Frage nach der biologischen Reaktion auf. Forschungen weisen darauf hin, dass diese gering ist und nach 12 Wochen ''in vivo'' praktisch verschwunden ist. Forschungen zur Verminderung der negativen Effekte der Implantation wurden zur Oberflächenbeschichtung mit [[Polymer]]en wie [[Laminin]] oder mit [[Elution|ausschwemmbaren]] Medikamenten durchgeführt.<ref>W. He, G. C. McConnell, R. V. Bellamkonda: ''Nanoscale laminin coating modulates cortical scarring response around implanted silicon microelectrode arrays.'' In: ''Journal of Neural Engineering.'' 3, 2006, S. 316–326.</ref>
 
== Anwendungen ==
=== ''In-vitro''-Anwendungen ===
In Kulturen neuronaler Zellen scheint sich die [[Pharmakologie|pharmakologische]] Reaktion nicht zu ändern oder zu vermindern verglichen mit ''In-vivo''-Modellen, so dass sich vermuten lässt, dass MEAs für Studien an solchen Kulturen eine einfacher kontrollierbare Umgebung darstellen.<ref name="Gopal">K. V. Gopal, G. W. Gross: ''Emerging Histotypic Properties of Cultured Neuronal Networks.'' In: M. Baudry, M. Taketani (Hrsg.): ''Advances in Network Electrophysiology Using Multi-Electrode Arrays''. Springer Press, New York 2006, S. 193–214.</ref> Es gab bislang eine ganze Anzahl pharmakologischer Studien mittels MEAs, z.&nbsp;B. Studien mit [[Ethanol]].<ref name="Xia">Y. Xia, G. W. Gross: ''Histotypic electrophysiological responses of cultured neuronal networks to ethanol.'' In: ''Alcohol.'' 30, 2003, S. 167–174.</ref>
 
MEAs wurden schon als Schnittstelle zur Steuerung von nicht-biologischen Systemen durch neuronale Zellkulturen eingesetzt. MEAs können als Schnittstelle eines Neuronal-Computers benutzt werden. So wurden Zellkulturen von [[Großhirnrinde|Hirn-Nerven-Zellen]] von Ratten in einem geschlossenen Regelkreis benutzt, um [[Reiz-Reaktions-Modell|Reiz-Reaktions-Rückkopplungen]] eines Animat in einer virtuellen Umgebung zu steuern.<ref name="Animat">T. B. DeMarse, D. A. Wagenaar, A. W. Blau, S. M. Potter: ''The Neurally Controlled Animat: Biological Brains Acting with Simulated Bodies.'' In: ''Autonomous Robots.'' 11, 2001, S. 305–310.</ref>
 
Ein System für einen [[Regelungstheorie|Regelkreis]] für ein Reiz-Reaktions-Modell, das MEAs benutzt wurde von Dr. Potter, Dr. Mandhavan, Dr. DeMarse sowie Mark Hammond, [[Kevin Warwick]], und Ben Whalley in der [[University of Reading]] gebaut.<ref name="potterrobot">S. M. Potter, R. Madhavan, T. B. DeMarse: ''Long-term bidirectional neuron interfaces for robotic control, and in vitro learning studies.'' Proc. 25th IEEE EMBS Annual Meeting, 2003.</ref> Etwa 300.000 Nervenzellen von Ratten waren auf MEAs platziert, die mit den Motoren und den [[Ultraschall]]-Sensoren eines Roboters verbunden waren, der darauf trainiert wurde, Hindernissen auszuweichen.<ref name="Marks">P. Marks: ''Rise of the rat-brained robots.'' In: ''New Scientist.'' 2669, 2008.</ref>
 
Mit MEAs wurde das Feuern der Nervenimpulse in Gewebeproben aus dem [[Hippocampus]] untersucht.<ref name="Colgin">L. L. Colgin, E. A. Kramar, C. M. Gall, G. Lynch: ''Septal modulation of excitatory transmission in hippocampus.'' In: ''J Neurophysiol.'' 90, 2003, S. 2358–2366.</ref>
 
=== ''In-vivo''-Anwendungen ===
Es gibt mehrere implantierbare Schnittstellen, die derzeit für den "Endanwender" verfügbar sind:
* [[Tiefe Hirnstimulation|Hirnschrittmacher]]
* [[Cochleaimplantat]]e
* [[Herzschrittmacher]]
Hirnschrittmacher haben sich bei der Behandlung von Bewegungsstörungen wie bei der [[Parkinson-Krankheit]]<ref>S. Breit, J. B. Schulz, [[Alim Louis Benabid|A. L. Benabid]]: ''Deep Brain Stimulation.'' In: ''Cell Tissue Research.'' 318, 2004, S. 275–288.</ref> bewährt. Cochleaimplantate haben schon vielen geholfen, besser zu hören, indem der [[Nervus vestibulocochlearis#Nervus cochlearis|Hörnerv]] angeregt wird. Aufgrund ihrer bemerkenswerten Fähigkeiten sind MEAs ein bedeutendes Forschungsfeld in den Neurowissenschaften. Untersuchungen legen nahe, dass MEAs tiefere Einsichten in Prozesse wie Gedächtnisbildung und Wahrnehmung liefern können und therapeutisch wertvoll sein können für Zustände wie [[Epilepsie]], [[Depression]] oder [[Zwangsstörung]]en. In einem Projekt mit dem Namen BrainGate (siehe Video bei den Web Links) wurden klinische Versuche durchgeführt, bei denen Schnittstellen für die Wiederherstellung der motorischen Steuerung bei Wirbelsäulenverletzungen oder als Behandlung von [[Amyotrophe Lateralsklerose|ALS]] eingesetzt wurden. MEAs haben die hohe Auflösung, die notwendig ist, um zeitvariante Signale aufzuzeichnen, womit sie sowohl für die Steuerung als auch für die Rückkopplung von Prothesen geeignet sind, wie das [[Kevin Warwick]], [[Mark Gasson]] und [[Peter Kyberd]] gezeigt haben.<ref>K. Warwick, M. Gasson, B. Hutt, I. Goodhew, P. Kyberd, B. Andrews, P. Teddy, A. Shad: ''The Application of Implant Technology for Cybernetic Systems.'' In: ''[[Archives of Neurology]].'' 60(10), 2003, S. 1369–1373.</ref><ref>A. B. Schwartz: ''Cortical Neural Prosthetics.'' In: ''Annual Review of Neuroscience.'' 27, 2004, S. 487–507.</ref> Untersuchungen legen auch nahe, dass MEAs bei der Wiederherstellung der Sehfähigkeit helfen können, indem mit ihnen der [[Sehnerv]] angeregt wird.<ref name="Cheung" />
 
== Siehe auch ==
* [[Herzschrittmacher]]
* [[Tiefe Hirnstimulation]]
* [[Patch-Clamp-Technik]]
 
== Weblinks ==
* [http://www.cyberkineticsinc.com/video.htm BrainGate]
 
== Referenzen ==
<references />
 
[[Kategorie:Elektrophysiologie]]

Aktuelle Version vom 15. November 2018, 13:46 Uhr

Weiterleitung nach:

  • Mikroelektrodenarray

Die News der letzten Tage