Molnija-Orbit: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Molniya.jpg|miniatur|hochkant=1.5|[[Bodenspur]] eines Molnija-Satelliten]]
Ein '''Molnija-Orbit''' ist ein [[Satellitenorbit#Highly Elliptical Orbit (HEO)|hochelliptischer Orbit]] mit einer [[Bahnneigung|Inklination]] von 63,4° und einer Periode von genau einem halben [[Sterntag]]. Molnija-Orbits sind nach der Baureihe der sowjetischen [[Molnija (Satellit)|Molnija-Kommunikationssatelliten]] benannt, die diese Art Umlaufbahn seit Mitte der 1960er Jahre nutzen.
Ein '''Molnija-Orbit''' ist ein [[Satellitenorbit#Highly Elliptical Orbit (HEO)|hochelliptischer Orbit]] mit einer [[Bahnneigung|Inklination]] von 63,4° und einer Periode von genau einem halben [[Sterntag]].<ref name="Brown, 2002">Ch. D. Brown: ''Elements of Spacecraft Design.'' American Institute of Aeronautics and Astronautics, 2002, ISBN 1-56347-524-3, S. 107–110, ([https://books.google.at/books?hl=de&id=mTSSMhcmVbkC&q=Molniya#v=snippet&q=Molniya&f=false Leseprobe]).</ref> Molnija-Orbits sind nach der Baureihe der sowjetischen [[Molnija (Satellit)|Molnija-Kommunikationssatelliten]] (nach [[Russische Sprache|russisch]] {{lang|ru|Молния}}: „Blitz“) benannt, die diese Art Umlaufbahn seit Mitte der 1960er Jahre nutzen.<ref name="Capderou, 2014">M. Capderou: ''Handbook of Satellite Orbits: From Kepler to GPS.'' Springer Verlag, 2014, ISBN 978-3-319-03415-7, S. 393, ([https://books.google.at/books?hl=de&id=1_68BAAAQBAJ&q=Molniya#v=snippet&q=Molniya&f=false Leseprobe]).</ref>


Ein in einen Molnija-Orbit gesetzter [[Satellit]] verbringt durch seine [[Apogäum|apogäische]] Umkehrruhe einen Großteil seiner Umlaufzeit über einem bestimmten Gebiet der Erde.
Ein in einen Molnija-Orbit gesetzter [[Satellit (Raumfahrt)|Satellit]] verbleibt im [[Apogäum]] für rund acht Stunden weitgehend stationär über einem bestimmten Gebiet der Erde.<ref name="Capderou, 2005">M. Capderou: ''Satellites: Orbits and Missions.'' Springer Verlag, 2005, ISBN 2-287-21317-1, S. 228–229, ([https://books.google.at/books?hl=de&id=BAihdjtLZXcC&dq=Molniya+orbit&q=Molniya#v=snippet&q=Molniya&f=false Leseprobe]).</ref>


== Entstehung und Eigenschaften ==
== Entwicklung und Eigenschaften ==
[[Datei:Molniya.jpg|miniatur|upright=1.5|Bodenspur eines Molnija-Satelliten]]
[[Datei:NASA molniya oblique.png|miniatur|hochkant=1.5|Molnija-Orbit mit Stundenmarkierungen]]
Der Großteil des Gebietes der ehemaligen [[UdSSR]] und insbesondere [[Russland]]s liegt in recht hohen nördlichen Breiten. Diese Gebiete können von [[Geosynchrone Umlaufbahn|geostationären]], also über dem Äquator stehenden (Inklination <math>i</math>&nbsp;=&nbsp;0°), Satelliten aufgrund des ungünstig flachen Einstrahlwinkels nur unzureichend abgedeckt werden.<ref name="Zhang et al., 2017">Y. Zhang, Y. Xu & H. Zhou: ''Theory and Design Methods of Special Space Orbits.'' National Defense Industry Press and Springer Nature Singapore Pte Ltd., 2017, ISBN 978-981-10-2947-9, S. 12–13, ([https://books.google.at/books?id=Pz-gDQAAQBAJ&pg=PA12&lpg=PA12&dq=molniya+orbit&source=bl&ots=NukWDQ9P-b&sig=ACfU3U3pQXezqtgk5h4trxsz1fGOkgDgLA&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjf3YbQ8PXgAhUplIsKHd-bDsk4HhDoATABegQIBBAB#v=onepage&q=molniya%20orbit&f=false Leseprobe]).</ref>


Der Großteil des Gebietes der ehemaligen [[UdSSR]] und insbesondere [[Russland]]s liegt in recht hohen nördlichen Breiten. Um dorthin von einem [[Geosynchrone_Umlaufbahn|geostationären]], also über dem Äquator stehenden, Satelliten aus zu senden, muss aufgrund des ungünstig flachen Einstrahlwinkels eine beträchtliche Sendeleistung aufgewandt werden. Ein Satellit mit polarer Umlaufbahn ist für Kommunikationszwecke in solchen Gebieten besser geeignet, da er sich senkrecht darüber hinwegbewegt. Ein typischer, kreisförmiger [[sonnensynchroner Orbit]] würde jedoch den Satelliten nur für kurze Zeit über Russland erscheinen lassen. Außerdem würde sich dieser gleichzeitig in Nord-Süd-Richtung und, durch die Erddrehung verursacht, westwärts bewegen, wodurch das Nachverfolgen mit Sende- und Empfangsantennen schwierig wird. Im Gegensatz dazu kann eine geneigte äquatoriale Bahn genutzt werden, auf der sich der Satellit in der halben Zeit nördlich des Äquators befindet und in Ost-West-Richtung, mittels einer [[Parallaktische Montierung|parallaktischen Montierung]], einfacher nachverfolgt werden kann. So erscheint er jedoch nur für kurze Zeit über dem Nutzungsgebiet und für eine durchgehende Abdeckung ist deshalb der Einsatz einer großen Zahl von Satelliten notwendig.
Der andere Extremfall, ein Satellit mit polarer Umlaufbahn (Inklination <math>i</math>&nbsp;=&nbsp;90°) erleichtert zwar den Kontakt zum Satelliten in solchen Gebieten, da er sich senkrecht darüber hinwegbewegt, ist für Kommunikationszwecke jedoch ungeeignet, da er den Satelliten nur für kurze Zeit über dem Nutzungsgebiet erscheinen lässt. Für eine durchgehende Abdeckung ist deshalb der Einsatz einer großen Zahl solcher Satelliten notwendig.<ref name="Kidder & Vonder Haar, 1990">St. Q. Kidder & Th. H. Vonder Haar: ''On the Use of Satellites in Molniya Orbits for Meteorological Observation of Middle and High Latitudes.'' In: ''Journal of Atmospheric and Oceanic Technology'', Band 7, 1990, S. 517–522, ([http://cat.cira.colostate.edu/kidder/Molniya.pdf Digitalisat]).</ref>


[[Datei:NASA molniya oblique.png|miniatur|upright=1.5|Molnija-Orbit mit Stundenmarkierungen]]
Die Lösung der Aufgabe, eine möglichst geringe Zahl von Satelliten möglichst hoch über dem Nutzungsgebiet zu Verfügung zu stellen, liegt in einer stark elliptischen Umlaufbahn und einer Inklination zwischen <math>i</math>&nbsp;=&nbsp;0° und <math>i</math>&nbsp;=&nbsp;90°. Durch die Abgeflachtheit der Erde wird bei Satelliten in der Regel eine [[Apsidendrehung#Künstliche Erdsatelliten|Apsidendrehung]] verursacht, die das Argument der Periapsis und damit die Lage des Apogäums verschieben und durch Lagekorrekturen ausgeglichen werden müssen. Das wird beim Molnija-Orbit durch die Wahl einer Inklination von <math>i</math>&nbsp;=&nbsp;63,4° („kritischer Winkel der Inklination“) vermieden, bei der sich die Bahnstörungen aufheben.<ref name="Capderou, 2014" />


Die Lösung der Aufgabe, eine möglichst geringe Zahl von Satelliten möglichst hoch über dem Nutzungsgebiet zu Verfügung zu stellen, liegt in einer stark elliptischen Umlaufbahn. Da die Bahngeschwindigkeit eines Satelliten nach den [[Keplersche Gesetze|Keplerschen Gesetzen]] umgekehrt proportional seiner Entfernung zum Gravizentrum (in diesem Fall dem Erdmittelpunkt) ist, durchläuft dieser den erdnahen Teil seiner Bahn schnell und den entfernt liegenden langsam. Durch eine ostgerichtete Umlaufbahn liegt die Winkelgeschwindigkeit nahe an der Drehgeschwindigkeit der Erde und so verändert sich die scheinbare Position des Satelliten rund um den höchsten Punkt seiner Umlaufbahn, dem [[Apogäum]], über einen längeren Zeitraum nur sehr wenig.
Da die Bahngeschwindigkeit eines Satelliten nach den [[Keplersche Gesetze|Keplerschen Gesetzen]] umgekehrt proportional seiner Entfernung zum Gravizentrum (in diesem Fall dem Erdmittelpunkt) ist, durchläuft dieser den erdnahen Teil seiner Bahn schnell und den entfernt liegenden langsam. Durch eine ostgerichtete Umlaufbahn liegt die Winkelgeschwindigkeit nahe an der Drehgeschwindigkeit der Erde und so verändert sich die scheinbare Position des Satelliten rund um den höchsten Punkt seiner Umlaufbahn, dem [[Apogäum]], über einen längeren Zeitraum nur sehr wenig. Bedingt durch die Erdrotation liegt das Apogäum nicht immer über dem gleichen Punkt. Um nicht nutzbare Apogäen zu vermeiden, wird die Periode der Umlaufbahn so gewählt, dass sie einen ganzzahligen Teiler oder ein Vielfaches eines Tages beträgt und das Apogäum regelmäßig über demselben Gebiet auf der Erde zu liegen kommt. Ein typischer Molnija-Orbit hat eine Periode von ca. 12 Stunden, wodurch der Satellit bei jedem zweiten Umlauf, also einmal täglich, für ca. 8 Stunden über dem Nutzungsgebiet erscheint. So kann für ein bestimmtes Gebiet mit nur 3 Satelliten eine 24-stündige Abdeckung gewährleistet werden.<ref name="Brown, 2002" />


Bedingt durch die Erdrotation liegt das Apogäum nicht immer über dem gleichen Punkt. Um nicht nutzbare Apogäen zu vermeiden, wird die Periode der Umlaufbahn so gewählt, dass sie einen ganzzahligen Teiler oder ein Vielfaches eines Tages beträgt und das Apogäum regelmäßig über demselben Gebiet auf der Erde zu liegen kommt. Ein typischer Molnija-Orbit hat eine Periode von ca. 12 Stunden, wodurch der Satellit bei jedem zweiten Umlauf, also einmal täglich, für ca. 8 Stunden über dem Nutzungsgebiet erscheint. So kann für ein bestimmtes Gebiet mit nur 3 Satelliten eine 24-stündige Abdeckung gewährleistet werden. Eine diesem Konzept ähnliche Umlaufbahn mit einer Periode von 24 Stunden ist der sogenannte [[Tundra-Orbit]].
=== Bahnelemente ===
Durch die Abgeflachtheit der Erde werden bei Satelliten in der Regel [[Bahnstörung|Bahnstörungen]] verursacht, die das Argument der Periapsis und damit die Lage des Apogäums verschieben und durch Lagekorrekturen ausgeglichen werden müssen. Das wird beim Molnija-Orbit durch die Wahl einer Inklination von 63,4° vermieden, bei der sich die Bahnstörungen aufheben.
Ein typischer Molnija-Orbit zeigt folgende charakteristischen Bahnelemente:<ref name="Kidder & Vonder Haar, 1990" />
* Inklination: <math>i</math>&nbsp;=&nbsp;63,4°
* Bahnhöhe im [[Perigäum]]: <math>\textstyle h_\mathrm{P}</math>&nbsp;=&nbsp;600&nbsp;km über der Erdoberfläche (diese Höhe wird häufig gewählt, da hier keine wesentlichen Einflüsse der Erdatmosphäre mehr zu erwarten sind)
* Bahnhöhe im Apogäum: <math>\textstyle h_\mathrm{A}</math>&nbsp;=&nbsp;39.750&nbsp;km über der Erdoberfläche
* Länge der großen Halbachse: <math>a</math>&nbsp;=&nbsp;26.553&nbsp;km
* [[Exzentrizität (Astronomie)|Exzentrizität]]: <math>e</math>&nbsp;=&nbsp;0,737
* [[Umlaufperiode]]: ''U''&nbsp;=&nbsp;717,74&nbsp;[[Minute|min]]
Eine solche Umlaufbahn kann von einem hoch im Norden liegenden [[Weltraumbahnhof]], wie etwa dem [[Kosmodrom Plessezk]] (62,8° nördliche Breite) mit relativ geringem Aufwand erreicht werden. Ein Start in östlicher Richtung führt bereits zu einem Parkorbit mit einer Inklination die der nördlichen Breite des Startbahnhofs entspricht. Um die gewünschte Inklination von <math>i</math>&nbsp;=&nbsp;63,4° zu erreichen sind dementsprechend nur geringe Kurskorrekturen erforderlich. Die notwendige Exzentrizität der Umlaufbahn oder Länge der großen Halbachse kann durch einen einfachen Beschleunigungsschub im Perigäum erreicht werden.<ref name="Brown, 2002" />
 
Diesem Konzept ähnliche Umlaufbahnen mit einer Periode von 24 Stunden sind der [[Tundra-Orbit]] und der [[Supertundra-Orbit]].<ref name="Capderou, 2005_S224">M. Capderou: ''Satellites: Orbits and Missions.'' Springer Verlag, 2005, ISBN 2-287-21317-1, S. 224, ([https://books.google.at/books?hl=de&id=BAihdjtLZXcC&dq=Molniya+orbit&q=Molniya#v=onepage&q=Tundra&f=false Leseprobe]).</ref>


== Verwendung ==
== Verwendung ==
Die hauptsächliche Anwendung des Molnija-Orbits lag bei der gleichnamigen Reihe sowjetischer Kommunikationssatelliten. Nachdem 1964 zwei Starts missglückt waren, wurde mit [[Molnija (Satellit)|Molnija 1-01]] am 23. April 1965 der erste Satellit in diese Umlaufbahn gebracht. Die Molnija-1-Satelliten kamen ab 1968 für militärische Langstreckenkommunikation zum Einsatz, hatten jedoch nur eine kurze Lebensdauer und mussten laufend ersetzt werden. Das Nachfolgesystem, Molnija-2, erlaubte sowohl militärische als auch zivile Übertragungen und diente zum Aufbau des UdSSR-weiten [[Orbita-System|Orbita]]-Fernsehübertragungssystems. Der weitere Nachfolger ist die Reihe Molnija-3. Unter verschiedenen Quellen herrscht Unstimmigkeit über die Bezeichnung der Baureihen, wobei nahegelegt wird, dass alle im Einsatz befindlichen Satelliten Molnija-3 sind und auf Basis ihrer Anwendung zwischen Molnija-1 bis -3 unterschieden wird.
[[Datei:1966 CPA 3382.jpg|miniatur|hochkant=1.5|Eine sowjetische Briefmarke von 1966 zeigt einen Molnija-Satelliten und eine Schemaskizze des Orbits]]
Die hauptsächliche Anwendung des Molnija-Orbits lag bei der gleichnamigen Reihe sowjetischer Kommunikationssatelliten. Nachdem 1964 zwei Starts missglückt waren, wurde mit [[Molnija (Satellit)|Molnija 1-01]] am 23. April 1965 der erste Satellit in diese Umlaufbahn gebracht.<ref name="Gorin, 2010">P. A. Gorin: ''Molniya.'' In: St. B. Johnson (Hrsg.): ''Space Exploration and Humanity: A Historical Encyclopedia'' Band 1, ABC-CLIO, 2010, ISBN 978-1-85109-514-8, S. 415–417, ([https://books.google.at/books?id=2ZNxDwAAQBAJ&pg=PA416&lpg=PA416&dq=Molniya+1&source=bl&ots=zxeH0URN92&sig=ACfU3U2EkW0LUSTG1J_Acs3gNEVS3zwT7w&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjc37j9rffgAhXhtYsKHW05A1k4ChDoATAMegQIAhAB#v=onepage&q=Molniya%201&f=false Leseprobe]).</ref> Bereits am darauf folgenden Tag wurde erstmals eine satellitengestützte Kommunikationsverbindung zwischen [[Moskau]] und [[Wladiwostok]] aufgebaut.<ref name="Chertok, 2009">B. Chertok: ''Rockets and People - Volume III: Hot Days of the Cold War.'' The NASA History Series, 2009, ISBN 978-0-16-081733-5, S. 453–490, ([https://books.google.at/books?id=Jf-odeaeoqkC&pg=PA512&lpg=PA512&dq=Molniya+1&source=bl&ots=ugeePZ6SI1&sig=ACfU3U2NkQcT48T-4HefPxfecUoe7nBRUg&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjk4aegtPfgAhVusIsKHbpDBII4ChDoATAMegQIAhAB#v=onepage&q=Molniya%201&f=false Leseprobe])</ref> Die Molnija-1-Satelliten kamen sowohl für militärische als auch für zivile Langstreckenkommunikation zum Einsatz, unter anderem zum Aufbau des UdSSR-weiten [[Orbita-System|Orbita]]-Fernsehübertragungssystems. Sie hatten jedoch nur eine kurze Lebensdauer und mussten laufend ersetzt werden. Ab Anfang der 1970er Jahre wurde das System durch Molnija-2 und bis 1977 durch Molnija-3 Satelliten ersetzt.<ref name="Gorin, 2010" />


Mit leichten Anpassungen wurden dieselben Umlaufbahnen von sowjetischen Spionagesatelliten genutzt, deren Apogäum über den USA lag. Geostationäre Umlaufbahnen bieten sich zwar zur Beobachtung der USA an, jedoch waren, bedingt durch die eingesetzte Sensortechnik, kontraststarke Beobachtungswinkel notwendig, die nur von höheren Breiten aus erreicht werden konnten. Beispielhaft dafür ist der [[Oko|US-KS]]-Frühwarnsatellit zur Erkennung von US-Raketenstarts, wobei deren spätere Verbesserungen die Nutzung geostationärer Umlaufbahnen erlaubten.
Mit leichten Anpassungen wurden dieselben Umlaufbahnen von sowjetischen Spionagesatelliten genutzt, deren Apogäum über den USA lag. Geostationäre Umlaufbahnen bieten sich zwar zur Beobachtung der USA an, jedoch waren, bedingt durch die eingesetzte Sensortechnik, kontraststarke Beobachtungswinkel notwendig, die nur von höheren Breiten aus erreicht werden konnten. Beispielhaft dafür ist der [[Oko (Satellit)|US-KS]]-Frühwarnsatellit zur Erkennung von US-Raketenstarts, wobei deren spätere Verbesserungen die Nutzung geostationärer Umlaufbahnen erlaubten.<ref name="Sturdevant, 2010">R. W. Sturdevant: ''Oko.'' In: St. B. Johnson (Hrsg.): ''Space Exploration and Humanity: A Historical Encyclopedia'' Band 1, ABC-CLIO, 2010, ISBN 978-1-85109-514-8, S. 794, ([https://books.google.at/books?id=2ZNxDwAAQBAJ&pg=PA794&dq=oko+satellite&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjzq7D2tvjgAhVsmIsKHbocAdwQ6AEILzAB#v=onepage&q=oko%20satellite&f=false Leseprobe]).</ref>


Teilweise nutzten die USA Molnija-Orbits ihrerseits für Spionagesatelliten, wobei die lange Aufenthaltsdauer der Satelliten in den nördlichen Breiten, die für die sowjetische Kommunikation so vorteilhaft ist, genutzt wurde, um ebendiese abzuhören. Die elektronischen Aufklärungssatelliten Jumpseat und deren Nachfolger Trumpet nutzten ebenfalls Molnija-Orbits. Eine weitere Anwendung ist das Satellite-Data-System, SDS, zur Weiterreichung der Daten von über Russland operierenden Spionagesatelliten an US-Bodenstationen. Das SDS ermöglichte die Echtzeit-Datenübertragung von den tief fliegenden [[Keyhole|KH-11]]-[[Aufklärungssatellit|Aufklärungssatelliten]] während deren Vorbeifluges auf ihren polnahen Bahnen unterhalb der SDS-Satelliten.
Teilweise nutzten die USA Molnija-Orbits ihrerseits für [[Aufklärungssatellit|Spionagesatelliten]], wobei die lange Aufenthaltsdauer der Satelliten in den nördlichen Breiten, die für die sowjetische Kommunikation so vorteilhaft ist, genutzt wurde, um ebendiese abzuhören. Die elektronischen Aufklärungssatelliten Jumpseat und deren Nachfolger Trumpet nutzten ebenfalls Molnija-Orbits. Eine weitere Anwendung ist das Satellite-Data-System, SDS, zur Weiterreichung der Daten von über Russland operierenden Spionagesatelliten an US-Bodenstationen. Das SDS ermöglichte die Echtzeit-Datenübertragung von den tief fliegenden [[Keyhole|KH-11]]-[[Aufklärungssatellit]]en während deren Vorbeifluges auf ihren polnahen Bahnen unterhalb der SDS-Satelliten.<ref name="Norris, 2010">P. Norris: ''Watching Earth from Space: How Surveillance Helps Us - and Harms Us.'' Springer Science & Business Media, 2010, ISBN 978-1-4419-6937-8, S. 228–229, ([https://books.google.at/books?id=N7yPF9JjpjYC&pg=PA229&dq=SDS+Molniya&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwi2rfukv_jgAhVms4sKHY2sDvgQ6AEINzAC#v=onepage&q=SDS%20Molniya&f=false Leseprobe]).</ref>


Für die bemannte Raumfahrt sind Molnija-Orbits ungeeignet, da diese wiederholt den hochenergetischen [[Van-Allen-Gürtel]] kreuzen.
Für die bemannte Raumfahrt sind Molnija-Orbits ungeeignet, da diese wiederholt den hochenergetischen [[Van-Allen-Gürtel]] kreuzen. Die Strahlenbelastung im Van-Allen-Gürtel stellt zudem ein Problem für die Bordelektronik dar und ist einer der Hauptgründe für die relativ kurze Lebensdauer von Satelliten in einem Molnija-Orbit.<ref name="Doniants et al., 2005">V. N. Doniants, Yu. P. Ulybyshev & E. F. Zemskov: ''Elliptic Orbit Communication System „Molniya-Zond“: Spacecraft, Launch and Orbit Stationkeeping.'' In: ''Conference Paper: 56th International Astronautical Congress, at Fukuoka, Japan'', 2005, 8 S., ([https://www.researchgate.net/publication/304715902_ELLIPTIC_ORBIT_COMMUNICATION_SYSTEMMOLNIYA-_ZOND_SPACECRAFT_LAUNCH_AND_ORBIT_STATIONKEEPING Digitalisat]).</ref>


== Quellen ==
== Literatur ==
* Ernst Messerschmid, Stefanos Fasoulas: ''Raumfahrtsysteme: Eine Einführung mit Übungen und Lösungen'', Springer, 2005, ISBN 3-540-21037-7
* Ernst Messerschmid, Stefanos Fasoulas: ''Raumfahrtsysteme: Eine Einführung mit Übungen und Lösungen'', Springer, 2005, ISBN 3-540-21037-7
== Einzelnachweise ==
<references/>


[[Kategorie:Himmelsmechanik]]
[[Kategorie:Himmelsmechanik]]
[[Kategorie:Raumfahrtphysik]]
[[Kategorie:Raumfahrtphysik]]
[[Kategorie:Satellitengeodäsie]]
[[Kategorie:Satellitengeodäsie]]

Aktuelle Version vom 20. Juli 2020, 16:58 Uhr

Bodenspur eines Molnija-Satelliten

Ein Molnija-Orbit ist ein hochelliptischer Orbit mit einer Inklination von 63,4° und einer Periode von genau einem halben Sterntag.[1] Molnija-Orbits sind nach der Baureihe der sowjetischen Molnija-Kommunikationssatelliten (nach russisch {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value): „Blitz“) benannt, die diese Art Umlaufbahn seit Mitte der 1960er Jahre nutzen.[2]

Ein in einen Molnija-Orbit gesetzter Satellit verbleibt im Apogäum für rund acht Stunden weitgehend stationär über einem bestimmten Gebiet der Erde.[3]

Entwicklung und Eigenschaften

Molnija-Orbit mit Stundenmarkierungen

Der Großteil des Gebietes der ehemaligen UdSSR und insbesondere Russlands liegt in recht hohen nördlichen Breiten. Diese Gebiete können von geostationären, also über dem Äquator stehenden (Inklination $ i $ = 0°), Satelliten aufgrund des ungünstig flachen Einstrahlwinkels nur unzureichend abgedeckt werden.[4]

Der andere Extremfall, ein Satellit mit polarer Umlaufbahn (Inklination $ i $ = 90°) erleichtert zwar den Kontakt zum Satelliten in solchen Gebieten, da er sich senkrecht darüber hinwegbewegt, ist für Kommunikationszwecke jedoch ungeeignet, da er den Satelliten nur für kurze Zeit über dem Nutzungsgebiet erscheinen lässt. Für eine durchgehende Abdeckung ist deshalb der Einsatz einer großen Zahl solcher Satelliten notwendig.[5]

Die Lösung der Aufgabe, eine möglichst geringe Zahl von Satelliten möglichst hoch über dem Nutzungsgebiet zu Verfügung zu stellen, liegt in einer stark elliptischen Umlaufbahn und einer Inklination zwischen $ i $ = 0° und $ i $ = 90°. Durch die Abgeflachtheit der Erde wird bei Satelliten in der Regel eine Apsidendrehung verursacht, die das Argument der Periapsis und damit die Lage des Apogäums verschieben und durch Lagekorrekturen ausgeglichen werden müssen. Das wird beim Molnija-Orbit durch die Wahl einer Inklination von $ i $ = 63,4° („kritischer Winkel der Inklination“) vermieden, bei der sich die Bahnstörungen aufheben.[2]

Da die Bahngeschwindigkeit eines Satelliten nach den Keplerschen Gesetzen umgekehrt proportional seiner Entfernung zum Gravizentrum (in diesem Fall dem Erdmittelpunkt) ist, durchläuft dieser den erdnahen Teil seiner Bahn schnell und den entfernt liegenden langsam. Durch eine ostgerichtete Umlaufbahn liegt die Winkelgeschwindigkeit nahe an der Drehgeschwindigkeit der Erde und so verändert sich die scheinbare Position des Satelliten rund um den höchsten Punkt seiner Umlaufbahn, dem Apogäum, über einen längeren Zeitraum nur sehr wenig. Bedingt durch die Erdrotation liegt das Apogäum nicht immer über dem gleichen Punkt. Um nicht nutzbare Apogäen zu vermeiden, wird die Periode der Umlaufbahn so gewählt, dass sie einen ganzzahligen Teiler oder ein Vielfaches eines Tages beträgt und das Apogäum regelmäßig über demselben Gebiet auf der Erde zu liegen kommt. Ein typischer Molnija-Orbit hat eine Periode von ca. 12 Stunden, wodurch der Satellit bei jedem zweiten Umlauf, also einmal täglich, für ca. 8 Stunden über dem Nutzungsgebiet erscheint. So kann für ein bestimmtes Gebiet mit nur 3 Satelliten eine 24-stündige Abdeckung gewährleistet werden.[1]

Bahnelemente

Ein typischer Molnija-Orbit zeigt folgende charakteristischen Bahnelemente:[5]

  • Inklination: $ i $ = 63,4°
  • Bahnhöhe im Perigäum: $ \textstyle h_{\mathrm {P} } $ = 600 km über der Erdoberfläche (diese Höhe wird häufig gewählt, da hier keine wesentlichen Einflüsse der Erdatmosphäre mehr zu erwarten sind)
  • Bahnhöhe im Apogäum: $ \textstyle h_{\mathrm {A} } $ = 39.750 km über der Erdoberfläche
  • Länge der großen Halbachse: $ a $ = 26.553 km
  • Exzentrizität: $ e $ = 0,737
  • Umlaufperiode: U = 717,74 min

Eine solche Umlaufbahn kann von einem hoch im Norden liegenden Weltraumbahnhof, wie etwa dem Kosmodrom Plessezk (62,8° nördliche Breite) mit relativ geringem Aufwand erreicht werden. Ein Start in östlicher Richtung führt bereits zu einem Parkorbit mit einer Inklination die der nördlichen Breite des Startbahnhofs entspricht. Um die gewünschte Inklination von $ i $ = 63,4° zu erreichen sind dementsprechend nur geringe Kurskorrekturen erforderlich. Die notwendige Exzentrizität der Umlaufbahn oder Länge der großen Halbachse kann durch einen einfachen Beschleunigungsschub im Perigäum erreicht werden.[1]

Diesem Konzept ähnliche Umlaufbahnen mit einer Periode von 24 Stunden sind der Tundra-Orbit und der Supertundra-Orbit.[6]

Verwendung

Eine sowjetische Briefmarke von 1966 zeigt einen Molnija-Satelliten und eine Schemaskizze des Orbits

Die hauptsächliche Anwendung des Molnija-Orbits lag bei der gleichnamigen Reihe sowjetischer Kommunikationssatelliten. Nachdem 1964 zwei Starts missglückt waren, wurde mit Molnija 1-01 am 23. April 1965 der erste Satellit in diese Umlaufbahn gebracht.[7] Bereits am darauf folgenden Tag wurde erstmals eine satellitengestützte Kommunikationsverbindung zwischen Moskau und Wladiwostok aufgebaut.[8] Die Molnija-1-Satelliten kamen sowohl für militärische als auch für zivile Langstreckenkommunikation zum Einsatz, unter anderem zum Aufbau des UdSSR-weiten Orbita-Fernsehübertragungssystems. Sie hatten jedoch nur eine kurze Lebensdauer und mussten laufend ersetzt werden. Ab Anfang der 1970er Jahre wurde das System durch Molnija-2 und bis 1977 durch Molnija-3 Satelliten ersetzt.[7]

Mit leichten Anpassungen wurden dieselben Umlaufbahnen von sowjetischen Spionagesatelliten genutzt, deren Apogäum über den USA lag. Geostationäre Umlaufbahnen bieten sich zwar zur Beobachtung der USA an, jedoch waren, bedingt durch die eingesetzte Sensortechnik, kontraststarke Beobachtungswinkel notwendig, die nur von höheren Breiten aus erreicht werden konnten. Beispielhaft dafür ist der US-KS-Frühwarnsatellit zur Erkennung von US-Raketenstarts, wobei deren spätere Verbesserungen die Nutzung geostationärer Umlaufbahnen erlaubten.[9]

Teilweise nutzten die USA Molnija-Orbits ihrerseits für Spionagesatelliten, wobei die lange Aufenthaltsdauer der Satelliten in den nördlichen Breiten, die für die sowjetische Kommunikation so vorteilhaft ist, genutzt wurde, um ebendiese abzuhören. Die elektronischen Aufklärungssatelliten Jumpseat und deren Nachfolger Trumpet nutzten ebenfalls Molnija-Orbits. Eine weitere Anwendung ist das Satellite-Data-System, SDS, zur Weiterreichung der Daten von über Russland operierenden Spionagesatelliten an US-Bodenstationen. Das SDS ermöglichte die Echtzeit-Datenübertragung von den tief fliegenden KH-11-Aufklärungssatelliten während deren Vorbeifluges auf ihren polnahen Bahnen unterhalb der SDS-Satelliten.[10]

Für die bemannte Raumfahrt sind Molnija-Orbits ungeeignet, da diese wiederholt den hochenergetischen Van-Allen-Gürtel kreuzen. Die Strahlenbelastung im Van-Allen-Gürtel stellt zudem ein Problem für die Bordelektronik dar und ist einer der Hauptgründe für die relativ kurze Lebensdauer von Satelliten in einem Molnija-Orbit.[11]

Literatur

  • Ernst Messerschmid, Stefanos Fasoulas: Raumfahrtsysteme: Eine Einführung mit Übungen und Lösungen, Springer, 2005, ISBN 3-540-21037-7

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Ch. D. Brown: Elements of Spacecraft Design. American Institute of Aeronautics and Astronautics, 2002, ISBN 1-56347-524-3, S. 107–110, (Leseprobe).
  2. 2,0 2,1 M. Capderou: Handbook of Satellite Orbits: From Kepler to GPS. Springer Verlag, 2014, ISBN 978-3-319-03415-7, S. 393, (Leseprobe).
  3. M. Capderou: Satellites: Orbits and Missions. Springer Verlag, 2005, ISBN 2-287-21317-1, S. 228–229, (Leseprobe).
  4. Y. Zhang, Y. Xu & H. Zhou: Theory and Design Methods of Special Space Orbits. National Defense Industry Press and Springer Nature Singapore Pte Ltd., 2017, ISBN 978-981-10-2947-9, S. 12–13, (Leseprobe).
  5. 5,0 5,1 St. Q. Kidder & Th. H. Vonder Haar: On the Use of Satellites in Molniya Orbits for Meteorological Observation of Middle and High Latitudes. In: Journal of Atmospheric and Oceanic Technology, Band 7, 1990, S. 517–522, (Digitalisat).
  6. M. Capderou: Satellites: Orbits and Missions. Springer Verlag, 2005, ISBN 2-287-21317-1, S. 224, (Leseprobe).
  7. 7,0 7,1 P. A. Gorin: Molniya. In: St. B. Johnson (Hrsg.): Space Exploration and Humanity: A Historical Encyclopedia Band 1, ABC-CLIO, 2010, ISBN 978-1-85109-514-8, S. 415–417, (Leseprobe).
  8. B. Chertok: Rockets and People - Volume III: Hot Days of the Cold War. The NASA History Series, 2009, ISBN 978-0-16-081733-5, S. 453–490, (Leseprobe)
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