Mehrkörperdynamik: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Mehrkörperdynamik''' (zuweilen auch „Dynamik der Mehrkörpersysteme“ (DMKS) genannt) betrachtet den Bewegungsvorgang mehrerer (z. B. durch Gelenke) unter Zwang stehender Körper eines [[Mehrkörpersystem|Mehrkörpersystems]], wobei Trägheitskräfte maßgeblich sind.
Die '''Mehrkörperdynamik''' (zuweilen auch „Dynamik der Mehrkörpersysteme“ (DMKS) genannt) betrachtet den Bewegungsvorgang mehrerer (z. B. durch Gelenke) unter Zwang stehender Körper eines [[Mehrkörpersystem]]s, wobei Trägheitskräfte maßgeblich sind.


== Forschungsbereiche ==
== Forschungsbereiche ==
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* Sensitivität des Bewegungsvorganges hinsichtlich geometrischer Größen, Materialgrößen und Anfangsbedingungen
* Sensitivität des Bewegungsvorganges hinsichtlich geometrischer Größen, Materialgrößen und Anfangsbedingungen
* Ermittlung der [[Anfangsbedingung|Anfangskonfiguration]]
* Ermittlung der [[Anfangsbedingung|Anfangskonfiguration]]
* Optimierung des Bewegungsvorganges (Schnelligkeit, Energieeffizienz, ...)
* Optimierung des Bewegungsvorganges (Schnelligkeit, Energieeffizienz, )
* inverse Bewegung (rückwärts in der Zeit)
* inverse Bewegung (rückwärts in der Zeit)
* [[Regelungstechnik|Regelung]] von bewegten Systemen
* [[Regelungstechnik|Regelung]] von bewegten Systemen
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=== Redundante Koordinaten ===
=== Redundante Koordinaten ===
Falls in den Bewegungsgleichungen [[Zwangsbedingung]]en auftreten, können numerische Lösungsverfahren für gewöhnliche Differentialgleichungen nicht ohne weiteres eingesetzt werden, da es sich bei den Gleichungen um Differenzial-Algebraische Gleichungen (DAE - ''differential algebraic equations'') handelt. Die Charakterisierung von DAEs geschieht vorwiegend mit Hilfe des Index, welcher angibt, wie oft die algebraischen Gleichungen (Zwangsbedingungen) differenziert werden müssen, um ein System gewöhnlicher Differentialgleichungen zu erhalten. Die Bewegungsgleichungen haben üblicherweise bei Verschiebungszwangsbedingungen den Index 3.
Falls in den Bewegungsgleichungen [[Zwangsbedingung]]en auftreten, können numerische Lösungsverfahren für gewöhnliche Differentialgleichungen nicht ohne weiteres eingesetzt werden, da es sich bei den Gleichungen um Differenzial-Algebraische Gleichungen (DAE ''differential algebraic equations'') handelt. Die Charakterisierung von DAEs geschieht vorwiegend mit Hilfe des Index, welcher angibt, wie oft die algebraischen Gleichungen (Zwangsbedingungen) differenziert werden müssen, um ein System gewöhnlicher Differentialgleichungen zu erhalten. Die Bewegungsgleichungen haben üblicherweise bei Verschiebungszwangsbedingungen den Index 3.


Es existieren nur einige Methoden welche mit einigen Modifikationen (z. B. Skalierung der Gleichungen) und dann nur beschränkt auf Differenzial-Algebraische Gleichungen mit Index angewandt werden können um eine gute Näherungslösung zu erhalten (z. B. HHT, RadauIIA ab 2 Stufen).
Es existieren nur einige Methoden welche mit einigen Modifikationen (z. B. Skalierung der Gleichungen) und dann nur beschränkt auf Differenzial-Algebraische Gleichungen mit Index angewandt werden können um eine gute Näherungslösung zu erhalten (z. B. HHT, RadauIIA ab 2 Stufen).
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'''Indexreduktion'''
'''Indexreduktion'''


Meistens wird allerdings eine sogenannte Index-Reduktion angewendet, um einfachere  
Meistens wird allerdings eine sogenannte Index-Reduktion angewendet, um einfachere
Lösungsverfahren verwenden zu können. Die Indexreduktion geschieht mittels der Ableitung der Zwangsbedingung nach der Zeit, wodurch aus einfachen Verschiebungszwangsbedingungen Zwangsbedingungen in den Geschwindigkeiten erhalten werden. Effiziente Lösungsverfahren für Index 2 Systeme sind z. B. BDF (''backward difference'') oder implizite Mittelpunktsregel, Trapezregel oder das Newmark Verfahren.
Lösungsverfahren verwenden zu können. Die Indexreduktion geschieht mittels der Ableitung der Zwangsbedingung nach der Zeit, wodurch aus einfachen Verschiebungszwangsbedingungen Zwangsbedingungen in den Geschwindigkeiten erhalten werden. Effiziente Lösungsverfahren für Index 2 Systeme sind z. B. BDF (''backward difference'') oder implizite Mittelpunktsregel, Trapezregel oder das Newmark Verfahren.


'''Drift'''
'''Drift'''


Durch die Ableitung der Zwangsbedingungen werden diese Bedingungen in jedem Zeitschritt nur noch exakt ([[Maschinengenauigkeit]]) in den Geschwindigkeiten erfüllt, allerdings entwickelt sich ein Fehler in den Positionen über die Zeit hinweg (''Drift''). Dieser Fehler kann durch Stabilisierungsverfahren verringert oder eliminiert werden. Gängige Stabilisierungsmethoden sind die ''Baumgarte'' Stabilisierung oder die Gear Gupta Leimkuhler (GGL) Stabilisierung. Der Drift bei einer Index 2 Formulierung kann durch sehr genaue Integration klein gehalten werden, er wächst meist allerdings linear an.  
Durch die Ableitung der Zwangsbedingungen werden diese Bedingungen in jedem Zeitschritt nur noch exakt ([[Maschinengenauigkeit]]) in den Geschwindigkeiten erfüllt, allerdings entwickelt sich ein Fehler in den Positionen über die Zeit hinweg (''Drift''). Dieser Fehler kann durch Stabilisierungsverfahren verringert oder eliminiert werden. Gängige Stabilisierungsmethoden sind die ''Baumgarte'' Stabilisierung oder die Gear Gupta Leimkuhler (GGL) Stabilisierung. Der Drift bei einer Index 2 Formulierung kann durch sehr genaue Integration klein gehalten werden, er wächst meist allerdings linear an.
Um explizite Lösungsverfahren anwenden zu können, muss der Index auf 1 reduziert werden, wodurch der Drift sehr groß wird und Stabilisierungsverfahren unausweichlich sind.
Um explizite Lösungsverfahren anwenden zu können, muss der Index auf 1 reduziert werden, wodurch der Drift sehr groß wird und Stabilisierungsverfahren unausweichlich sind.


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* K. Magnus: ''Dynamics of multibody systems.'' Springer Verlag, Berlin (1978).
* K. Magnus: ''Dynamics of multibody systems.'' Springer Verlag, Berlin (1978).
* E.J. Haug: ''Computer-Aided Kinematics and Dynamics of Mechanical Systems.'' Allyn and Bacon, Boston (1989).
* E.J. Haug: ''Computer-Aided Kinematics and Dynamics of Mechanical Systems.'' Allyn and Bacon, Boston (1989).
* E. Hairer and Ch. Lubich, and M. Roche: ''The numerical solution of differential-algebraic systems by Runge-Kutta methods.'' Lecture Notes in Math. 1409, Springer–Verlag, (1989).
* E. Hairer and Ch. Lubich, and M. Roche: ''The numerical solution of differential-algebraic systems by Runge-Kutta methods.'' Lecture Notes in Math. 1409, Springer-Verlag, (1989).
* E. Hairer and G. Wanner: ''Solving ordinary differential equations II, stiff and differential-algebraic problems.'' Springer Verlag: Berlin Heidelberg, 1991.
* E. Hairer and G. Wanner: ''Solving ordinary differential equations II, stiff and differential-algebraic problems.'' Springer Verlag: Berlin Heidelberg, 1991.
* K. E. Brenan, S. L. Campbell, and L. R. Petzold: ''Numerical Solution of Initial-Value Prob-lems in Differential-Algebraic Equations.'' SIAM, Philadelphia, 1996.
* K. E. Brenan, S. L. Campbell, and L. R. Petzold: ''Numerical Solution of Initial-Value Prob-lems in Differential-Algebraic Equations.'' SIAM, Philadelphia, 1996.

Aktuelle Version vom 4. Oktober 2020, 18:21 Uhr

Die Mehrkörperdynamik (zuweilen auch „Dynamik der Mehrkörpersysteme“ (DMKS) genannt) betrachtet den Bewegungsvorgang mehrerer (z. B. durch Gelenke) unter Zwang stehender Körper eines Mehrkörpersystems, wobei Trägheitskräfte maßgeblich sind.

Forschungsbereiche

  • Numerische Simulation
  • Stabilität der Bewegung
  • Sensitivität des Bewegungsvorganges hinsichtlich geometrischer Größen, Materialgrößen und Anfangsbedingungen
  • Ermittlung der Anfangskonfiguration
  • Optimierung des Bewegungsvorganges (Schnelligkeit, Energieeffizienz, …)
  • inverse Bewegung (rückwärts in der Zeit)
  • Regelung von bewegten Systemen

Man unterteilt Mehrkörpersysteme in Starrkörpersysteme, s. Mehrkörpersystem, und flexible Mehrkörpersysteme. Ein Beispiel veranschaulicht das Prinzip eines Mehrkörpersystems

Simulation von Mehrkörpersystemen

Zur Simulation von Mehrkörpersystemen (als Beispiele s. Link unten), müssen die Bewegungsgleichungen für bestimmte Anfangsbedingungen (D. h. Anfangskonfiguration und Anfangsgeschwindigkeiten) über eine bestimmte Zeit hinweg gelöst werden.

Unabhängige Koordinaten

Werden die Bewegungsgleichungen ausschließlich mit unabhängigen (nicht-redundanten) Koordinaten beschrieben, so können Lösungsverfahren für gewöhnliche Differentialgleichungen eingesetzt werden, z. B. viele Arten von Runge-Kutta-Verfahren oder Mehrschrittverfahren.

Starre vs. flexible Körper

Handelt es sich ferner noch um reine Starrkörpersysteme, so können explizite Zeitintegrationsverfahren effizient eingesetzt werden. Sind allerdings flexible Körper enthalten, so sind spezielle implizite Zeitintegrationsverfahren (Newmark, Gauss, Radau, Lobatto) oft vorteilhaft, weil die Zeitschritte keinen Beschränkungen hinsichtlich der Größe unterliegen, während bei expliziten Verfahren eine Beschränkung der Zeitschrittweite in der Größe der höchsten auftretenden Frequenz notwendig ist.

Redundante Koordinaten

Falls in den Bewegungsgleichungen Zwangsbedingungen auftreten, können numerische Lösungsverfahren für gewöhnliche Differentialgleichungen nicht ohne weiteres eingesetzt werden, da es sich bei den Gleichungen um Differenzial-Algebraische Gleichungen (DAE – differential algebraic equations) handelt. Die Charakterisierung von DAEs geschieht vorwiegend mit Hilfe des Index, welcher angibt, wie oft die algebraischen Gleichungen (Zwangsbedingungen) differenziert werden müssen, um ein System gewöhnlicher Differentialgleichungen zu erhalten. Die Bewegungsgleichungen haben üblicherweise bei Verschiebungszwangsbedingungen den Index 3.

Es existieren nur einige Methoden welche mit einigen Modifikationen (z. B. Skalierung der Gleichungen) und dann nur beschränkt auf Differenzial-Algebraische Gleichungen mit Index angewandt werden können um eine gute Näherungslösung zu erhalten (z. B. HHT, RadauIIA ab 2 Stufen).

Indexreduktion

Meistens wird allerdings eine sogenannte Index-Reduktion angewendet, um einfachere Lösungsverfahren verwenden zu können. Die Indexreduktion geschieht mittels der Ableitung der Zwangsbedingung nach der Zeit, wodurch aus einfachen Verschiebungszwangsbedingungen Zwangsbedingungen in den Geschwindigkeiten erhalten werden. Effiziente Lösungsverfahren für Index 2 Systeme sind z. B. BDF (backward difference) oder implizite Mittelpunktsregel, Trapezregel oder das Newmark Verfahren.

Drift

Durch die Ableitung der Zwangsbedingungen werden diese Bedingungen in jedem Zeitschritt nur noch exakt (Maschinengenauigkeit) in den Geschwindigkeiten erfüllt, allerdings entwickelt sich ein Fehler in den Positionen über die Zeit hinweg (Drift). Dieser Fehler kann durch Stabilisierungsverfahren verringert oder eliminiert werden. Gängige Stabilisierungsmethoden sind die Baumgarte Stabilisierung oder die Gear Gupta Leimkuhler (GGL) Stabilisierung. Der Drift bei einer Index 2 Formulierung kann durch sehr genaue Integration klein gehalten werden, er wächst meist allerdings linear an. Um explizite Lösungsverfahren anwenden zu können, muss der Index auf 1 reduziert werden, wodurch der Drift sehr groß wird und Stabilisierungsverfahren unausweichlich sind.

Literatur

  • J. Wittenburg: Dynamics of Systems of Rigid Bodies. Teubner, Stuttgart (1977).
  • K. Magnus: Dynamics of multibody systems. Springer Verlag, Berlin (1978).
  • E.J. Haug: Computer-Aided Kinematics and Dynamics of Mechanical Systems. Allyn and Bacon, Boston (1989).
  • E. Hairer and Ch. Lubich, and M. Roche: The numerical solution of differential-algebraic systems by Runge-Kutta methods. Lecture Notes in Math. 1409, Springer-Verlag, (1989).
  • E. Hairer and G. Wanner: Solving ordinary differential equations II, stiff and differential-algebraic problems. Springer Verlag: Berlin Heidelberg, 1991.
  • K. E. Brenan, S. L. Campbell, and L. R. Petzold: Numerical Solution of Initial-Value Prob-lems in Differential-Algebraic Equations. SIAM, Philadelphia, 1996.
  • A.A. Shabana: Dynamics of multibody systems. Second Edition, John Wiley & Sons (1998).

Weblinks

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