Magdeburger Halbkugeln

Magdeburger Halbkugeln

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Stich von Guerickes Halbkugelversuch aus seinem Hauptwerk Experimenta nova … Magdeburgica

Schon 1654 zeigte Otto von Guericke verschiedene Vakuumexperimente auf dem Reichstag in Regensburg. Ab 1656 ließ Guericke in Magdeburg Versuche mit den Magdeburger Halbkugeln durchführen. So auch 1663 am Hof des Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Er zeigte auf diese Weise die Wirkung des Luftdrucks, bewies damit die Existenz der Erdatmosphäre und widerlegte auf leicht nachvollziehbare Weise den sogenannten Horror vacui, wie das 1647 schon Blaise Pascal mit seinem weniger anschaulichen Experiment Leere in der Leere getan hatte.

Der Ablauf des Experiments

Magdeburger Halbkugeln samt Luftpumpe (Deutsches Museum)

Guericke legte zwei Halbkugelschalen aus Kupfer mit etwa 42 cm Durchmesser so aneinander, dass sie eine Kugel bildeten. Zwischen den Kugelschalen diente ein mit Wachs und Terpentin getränkter Lederstreifen als Dichtung. Anschließend entzog er dem so entstandenen Hohlraum mit der von ihm erfundenen Kolbenpumpe über ein Ventil die Luft. Der Luftdruck, der nun nur von außen auf die Kugel wirkte, drückte diese so stark zusammen, dass sich diese selbst mit 30 (in Regensburg, zwei Gespanne mit je 15) bzw. 16 (in Magdeburg, zwei Gespanne mit je acht) Pferden nicht mehr auseinanderziehen ließ.[1] Die Halbkugeln konnten erst wieder getrennt werden, nachdem durch das Ventil wieder Umgebungsluft zurück in die Kugel gelassen worden war.

Die physikalischen Zusammenhänge

Die Kraft, die die Halbkugeln zusammendrückt, ergibt sich aus der Fläche, die vom Dichtungsring eingeschlossen wird, multipliziert mit der Luftdruckdifferenz zwischen dem Inneren der Kugel und der Umgebung. Der normale Luftdruck beträgt 1 bar = 0,1 MPa. Es müssten 13850 N aufgebracht werden um die Halbkugeln zu trennen, wenn in deren Innerem ein perfektes Vakuum herrscht. Wie gut das Vakuum war, das von Guerickes Luftpumpe erzeugen konnte, ist jedoch nicht genau bekannt.

Aus mechanischer Sicht ist zu bemerken, dass die effektive Zugkraft der Pferde nur von einem der beiden Gespanne aufgebracht wird. Es wirkte also im historischen Experiment nur die Zugkraft von 15 bzw. acht Pferden. Das andere Gespann dient lediglich dazu, dass sich die Versuchsanordnung nicht in Bewegung setzt, und hätte durch das Anbinden der Seile an einem Baum oder Mauerhaken ersetzt werden können. Manche vermuten, dass von Guericke den Mehraufwand von zwei Gespannen für eine eindrucksvollere Inszenierung seines Experiments bewusst in Kauf genommen habe. Andererseits wurde das 3. Newtonsche Gesetz erst 1687 veröffentlicht, so dass es auch gut denkbar ist, dass die mechanischen Zusammenhänge einfach noch nicht bekannt waren.

Insofern ist das Experiment ein interessantes Beispiel für eine ganze Reihe von naturwissenschaftlichen Fakten (horror vacui, ständiger gewaltiger Luftdruck, actio = reactio), die sämtlich zur Intuition eines „gesunden Menschenverstands“ im krassen Gegensatz stehen.

Halbkugel-Sätze

Für seine Vorführungen ließ Otto von Guericke nach und nach mehrere Sätze Halbkugeln anfertigen:

  • Ein Satz von Halbkugeln und eine Luftpumpe aus dem Besitz Otto von Guerickes gelangte über die Universität Helmstedt in den Besitz der Technischen Universität Braunschweig, wo sie in der Bibliothek ausgestellt sind.[2]
  • Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (Brandenburg) lud Otto von Guericke ein, ihm das Experiment vorzuführen. Dafür ließ Guericke einen weiteren Satz Halbkugeln herstellen, die sich von 1663 bis 1889 in der Churfürstlichen Bibliothek zu Cölln an der Spree befanden, wo auch das Experiment stattfand.[3] Anlässlich der Gründung des Deutschen Museums 1903 in München bat man den Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Berlin, Paul Drude, um eine Nachbildung der Geräte, die im Oktober 1906 auch dort eintrafen. Einen Monat später stattete Kaiser Wilhelm II. München einen Besuch ab und vermachte dem Museum die Originalhalbkugeln und die Luftpumpe.[4] Sie sind seit 1908 dort Ausstellungsstücke.

Heutige Vorführungen

Die Otto-von-Guericke-Gesellschaft führt regelmäßig Halbkugel-Experimente öffentlich und in Museen vor.[5]

Das Denkmal

Denkmal am Ratswaageplatz in Magdeburg

Am 15. Juni 2002 wurde in Magdeburg die Großplastik zum Magdeburger Halbkugelversuch eingeweiht. Auf dem Ratswaageplatz im Stadtzentrum enthüllten Oberbürgermeister Lutz Trümper und Otto von Guericke (alias Wolfgang Emmrich) die Großplastik zum Magdeburger Halbkugelversuch. Der Oberbürgermeister hatte zuvor aus den Händen von Peter Transfeld, Vorstandsvorsitzender der ÖHMI AG, die Schenkungsurkunde für das von dem ebenfalls anwesenden Bildhauer Thomas Virnich geschaffene Kunstwerk erhalten. ÖHMI war Initiator und Auftraggeber der fünf Meter hohen und acht Meter langen Bronzegussplastik, mit der aus Anlass des 400. Geburtstages von Otto von Guericke vor allem die wissenschaftlichen Leistungen des früheren Magdeburger Bürgermeisters und Gelehrten gewürdigt werden sollte. 200 Sponsoren und Spender haben dazu beigetragen, die Stadt Magdeburg als Ort des berühmten Halbkugelversuchs Guerickes noch bekannter zu machen.[6] Der Halbkugelversuch ist in Form diverser Souvenirs erhältlich.

Sonstiges

Nachgestellter Versuch in Magdeburg (2015)
  • Luftpumpentaler ist die Bezeichnung des Gedenktalers von 1702, dem ersten Gepräge mit der Darstellung des Trennungsversuchs der Magdeburger Halbkugeln.
  • Die Halbkugeln sind Motiv auf mindestens zwei deutschen Briefmarken.
  • Anlässlich des 400. Geburtstages Otto von Guerickes im „Guericke-Jahr“ 2002 wurden – verteilt über das ganze Stadtgebiet Magdeburgs – stilisierte „Magdeburger Halbkugeln“ als Skulpturen aufgestellt, die mit verschiedenen Motiven, die sich auf das gesellschaftliche Leben beziehen, bemalt sind. Zum 1200. Stadtjubiläum im Jahr 2005 kamen weitere dieser Kunstwerke hinzu.
  • Es gibt auch Pralinen in der Form der berühmten Halbkugeln.
  • Auf dem Label der Jeans von Levi Strauss & Co. wird eine Abwandlung der Skizze Caspar Schotts verwendet, die zwei Pferde zeigt, die versuchen, eine Hose zu zerreißen.
  • An der Vorderfassade des Deutschen Patent- und Markenamtes in München sind als Sinnbild des Forscherdranges Magdeburger Halbkugeln montiert.

Literatur

  • H. Dittmar-Ilgen: Warum platzen Seifenblasen, Hirzel-Verlag; S. 16: Die Magdeburger Halbkugeln
  • Walter Basan: Das Geheimnis der Magdeburger Halbkugeln, 1954

Weblinks

Commons: Magdeburger Halbkugeln – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Diese Angabe ist etwas irreführend, denn es hätten auch 15 bzw. 8 Pferde und auf der anderen Seite eine feste Mauer gereicht. Siehe Jürgen Beetz: E=mc^2: Physik für Höhlenmenschen. Springer Spektrum, Heidelberg 2015, ISBN 978-3-642-54408-8, S. 13 und der Abschnitt #Die physikalischen Zusammenhänge.
  2. Bericht über die Halbkugeln in Braunschweig
  3. Bibliotheksmagazin: Mitteilungen aus den Staatsbibliotheken in Berlin und München, 2016, Heft 2, S. 6
  4. Bibliotheksmagazin: Mitteilungen aus den Staatsbibliotheken in Berlin und München, 2016, Heft 2, S. 11
  5. Vorführungen der Magdeburger Halbkugeln durch die Otto-von-Guericke-Gesellschaft (Memento vom 29. September 2013 im Internet Archive)
  6. Website zum Denkmal

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