Magdeburger Halbkugeln: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Magdeburg hemispheres, drawing from Fotothek 0005669.jpg|mini|hochkant=1.1|Die Magdeburger Halbkugeln in senkrechter Anordnung]]


Schon 1654 zeigte [[Otto von Guericke]] verschiedene Vakuumexperimente auf dem [[Jüngster Reichsabschied|Reichstag]] in [[Regensburg]]. Ab 1656 ließ Guericke in [[Magdeburg]] Versuche mit den '''Magdeburger Halbkugeln''' durchführen. So auch 1663 am Hof des Kurfürsten [[Friedrich Wilhelm (Brandenburg)|Friedrich Wilhelm]]. Er zeigte auf diese Weise die Wirkung des [[Luftdruck]]s, bewies damit die Existenz der [[Erdatmosphäre]] und widerlegte auf leicht nachvollziehbare Weise den sogenannten [[Vakuum#Horror vacui|Horror vacui]], wie das 1647 schon [[Blaise Pascal]] mit seinem weniger anschaulichen Experiment ''[[Leere in der Leere]]'' getan hatte.
Mit seinen '''Magdeburger Halbkugeln''' demonstrierte [[Otto von Guericke]] mehrfach in der Öffentlichkeit auf spektakuläre Weise die Wirkung des [[Luftdruck]]s. 1654 zeigte Guericke auf dem [[Jüngster Reichsabschied|Reichstag]] in [[Regensburg]] verschiedene Vakuum-Experimente. Ab 1656 ließ er in Magdeburg erste Versuche mit den Magdeburger Halbkugeln durchführen. Danach trat er mit seinen populärwissenschaftlich inszenierten Experimenten vielerorts auf, so 1657 in [[Magdeburg]] und 1663 auch am Hof des Kurfürsten [[Friedrich Wilhelm (Brandenburg)|Friedrich Wilhelm]]. Er zeigte mit seinem Schauversuch die Existenz der [[Erdatmosphäre]] und widerlegte auf leicht nachvollziehbare Weise den sogenannten [[Vakuum#Horror vacui|Horror vacui]], wie es 1643 schon [[Evangelista Torricelli]] mit dem [[Barometer|Quecksilber-Barometer]] und 1647 schon [[Blaise Pascal]] mit weiteren Barometer-Experimenten, wie etwa ''[[Leere in der Leere]]'', getan hatte.


== Der Ablauf des Experiments ==
== Der Ablauf des Experiments ==
 
Guericke legte zwei Halb[[kugelschale]]n aus [[Kupfer]] mit etwa 42 cm Durchmesser so aneinander, dass sie eine Kugel bildeten. Zwischen den Kugelschalen diente ein mit [[Wachs]] und [[Terpentin]] getränkter [[Leder]]streifen als [[Dichtung (Technik)|Dichtung]]. Anschließend entzog er dem so entstandenen Hohlraum mit der von ihm erfundenen [[Kolbenpumpe]] über ein [[Ventil]] die Luft. Der [[Luftdruck]], der nun nur von außen auf die Kugel wirkte, drückte diese so stark zusammen, dass sich diese selbst mit 30 (in Regensburg, zwei Gespanne mit je 15) bzw. 16 (in Magdeburg, zwei Gespanne mit je acht) Pferden nicht mehr auseinanderziehen ließ. Die Halbkugeln konnten erst wieder getrennt werden, nachdem durch das Ventil wieder Umgebungsluft zurück in die Kugel gelassen worden war.
[[Datei:Magedurger Halbkugeln Luftpumpe Deutsches Museum.jpg|miniatur|Magdeburger Halbkugeln samt Luftpumpe ([[Deutsches Museum]])]]
Guericke legte zwei Halb[[kugelschale]]n aus [[Kupfer]] mit etwa 42&nbsp;cm Durchmesser so aneinander, dass sie eine Kugel bildeten. Zwischen den Kugelschalen diente ein mit [[Wachs]] und [[Terpentin]] getränkter [[Leder]]streifen als [[Dichtung (Technik)|Dichtung]]. Anschließend entzog er dem so entstandenen Hohlraum mit der von ihm erfundenen [[Kolbenpumpe]] über ein [[Ventil]] die Luft. Der [[Luftdruck]], der nun nur von außen auf die Kugel wirkte, drückte diese so stark zusammen, dass sich diese selbst mit 30 (in Regensburg, zwei Gespanne mit je 15) bzw. 16 (in Magdeburg, zwei Gespanne mit je acht) Pferden nicht mehr auseinanderziehen ließ.<ref>Diese Angabe ist etwas irreführend, denn es hätten auch 15 bzw. 8 Pferde und auf der anderen Seite eine feste Mauer gereicht. Siehe Jürgen Beetz: ''E=mc^2: Physik für Höhlenmenschen''. Springer Spektrum, Heidelberg 2015, ISBN 978-3-642-54408-8, S. 13 und der Abschnitt [[Magdeburger Halbkugeln#Die physikalischen Zusammenh.C3.A4nge|#Die physikalischen Zusammenhänge]].</ref> Die Halbkugeln konnten erst wieder getrennt werden, nachdem durch das Ventil wieder Umgebungsluft zurück in die Kugel gelassen worden war.


== Die physikalischen Zusammenhänge ==
== Die physikalischen Zusammenhänge ==
[[Datei:Magdeburg Hemispheres sheme.svg|mini|hochkant=1.1|Tatsächlich presst der äußere [[Luftdruck]] die Magdeburger Halbkugeln zusammen<br />
a) Halbkugeln mit Luft gefüllt<br />
b) luftleere Halbkugeln<br />
1. Griff<br />
2. luftdichte Abdichtung<br />
3. Magdeburger Halbkugel<br />
4. Luftdruck<br />
5. Vakuum]]


Die Kraft, die die Halbkugeln zusammendrückt, ergibt sich aus der Fläche, die vom Dichtungsring eingeschlossen wird<!-- Ist das exakt? Wieso ist das so? muß man die Fläche normal zur Belastungsrichtung projizieren oder nicht? -->, multipliziert mit der Luftdruckdifferenz zwischen dem Inneren der Kugel und der Umgebung. Der normale Luftdruck beträgt 1 bar = 0,1 MPa. Es müssten 13850 N aufgebracht werden um die Halbkugeln zu trennen, wenn in deren Innerem ein perfektes [[Vakuum]] herrscht. Wie gut das Vakuum war, das von Guerickes [[Luftpumpe]] erzeugen konnte, ist jedoch nicht genau bekannt.
Die Kraft, mit welcher der äußere Luftdruck die Halbkugeln gegeneinander drückt, berechnet sich bei einer Kugel mit einem inneren Durchmesser von 42 cm und einem äußeren Luftdruck von 0,1 MPa zu circa 14 kN. Sie ergibt sich aus der Fläche des Kreises, die vom Dichtungsring eingeschlossen wird, multipliziert mit der Luftdruckdifferenz zwischen dem Inneren der Kugel und der Umgebung. Der Wert von 14 kN entspricht etwa dem Gewicht eines mittleren Personenwagens. Wie gut das Vakuum war, das von Guerickes [[Luftpumpe]] erzeugt werden konnte, ist nicht bekannt.


Aus mechanischer Sicht ist zu bemerken, dass die effektive Zugkraft der Pferde nur von einem der beiden Gespanne aufgebracht wird. Es wirkte also im historischen Experiment nur die Zugkraft von 15 bzw. acht Pferden. Das andere Gespann dient lediglich dazu, dass sich die Versuchsanordnung nicht in Bewegung setzt, und hätte durch das Anbinden der Seile an einem Baum oder Mauerhaken ersetzt werden können.
Aus mechanischer Sicht ist zu bemerken, dass die effektive Zugkraft der Pferde nur von einem der beiden Gespanne aufgebracht wird. Es wirkte also im historischen Experiment nur die Zugkraft von 15 bzw. acht Pferden. Das andere Gespann dient lediglich dazu, die Versuchsanordnung fest zu halten, was auch durch Befestigung einer der beiden Halbkugeln an einem Fixpunkt hätte erreicht werden können.
Manche vermuten, dass von Guericke den Mehraufwand von zwei Gespannen für eine eindrucksvollere Inszenierung seines Experiments bewusst in Kauf genommen habe. Andererseits wurde das [[Newtonsche Gesetze|3. Newtonsche Gesetz]] erst 1687 veröffentlicht, so dass es auch gut denkbar ist, dass die mechanischen Zusammenhänge einfach noch nicht bekannt waren.
Manche vermuten, dass von Guericke bewusst den Mehraufwand von zwei Gespannen für ein eindrucksvolleres Experiment inszenierte. Andererseits wurde das [[Newtonsche Gesetze#Drittes Newtonsches Gesetz|3. Newtonsche Gesetz]] erst 1687 veröffentlicht, so dass auch denkbar ist, dass die mechanischen Zusammenhänge noch nicht bekannt waren.


Insofern ist das Experiment ein interessantes Beispiel für eine ganze Reihe von naturwissenschaftlichen Fakten (''horror vacui'', ständiger gewaltiger Luftdruck, ''actio = reactio''), die sämtlich zur Intuition eines „gesunden Menschenverstands“ im krassen Gegensatz stehen.
Der Schauversuch ist ein bemerkenswertes Beispiel für eine Reihe von Experimenten, welche naturwissenschaftlichen Fakten (''horror vacui'', ständiger gewaltiger Luftdruck, ''actio = reactio'') demonstrieren, die intuitiv aus der Alltagserfahrung heraus meist nicht erwartet werden und daher oft Erstaunen auslösen.


== Halbkugel-Sätze ==
== Halbkugel-Sätze ==
 
[[Datei:Magedurger Halbkugeln Luftpumpe Deutsches Museum.jpg|mini|Magdeburger Halbkugeln samt Luftpumpe ([[Deutsches Museum]])]]
Für seine Vorführungen ließ Otto von Guericke nach und nach mehrere Sätze Halbkugeln anfertigen:
Für seine Vorführungen ließ Otto von Guericke nach und nach mehrere Sätze Halbkugeln anfertigen:
 
* Ein Satz von Halbkugeln und eine Luftpumpe aus dem Besitz Otto von Guerickes gelangte aus der privaten [[Wunderkammer|Kuriositätensammlung]] des Helmstedter Hochschullehrers [[Gottfried Christoph Beireis]] über die [[Universität Helmstedt]] in den Besitz der [[Technische Universität Braunschweig|Technischen Universität Braunschweig]], wo sie in der [[Universitätsbibliothek Braunschweig|Universitätsbibliothek]] ausgestellt sind.<ref>[http://www.gibs.info/index.php?id=99 Bericht über die Halbkugeln in Braunschweig]</ref>
* Ein Satz von Halbkugeln und eine Luftpumpe aus dem Besitz Otto von Guerickes gelangte über die [[Universität Helmstedt]] in den Besitz der [[Technische Universität Braunschweig|Technischen Universität Braunschweig]], wo sie in der Bibliothek ausgestellt sind.<ref>[http://www.gibs.info/index.php?id=99 Bericht über die Halbkugeln in Braunschweig]</ref>
* Der Große Kurfürst [[Friedrich Wilhelm (Brandenburg)]] lud Otto von Guericke ein, ihm das Experiment vorzuführen. Dafür ließ Guericke einen weiteren Satz Halbkugeln herstellen, die sich von 1663 bis 1889 in der Churfürstlichen Bibliothek zu Cölln an der Spree befanden, wo auch das Experiment stattfand.<ref>Bibliotheksmagazin: ''Mitteilungen aus den Staatsbibliotheken in Berlin und München'', 2016, Heft 2, S. 6</ref> Anlässlich der Gründung des [[Deutsches Museum|Deutschen Museums]] [[1903]] in [[München]] bat man den Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Berlin, [[Paul Drude]], um eine Nachbildung der Geräte, die im Oktober [[1906]] auch dort eintrafen. Einen Monat später stattete [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Kaiser Wilhelm&nbsp;II.]] München einen Besuch ab und vermachte dem Museum die Originalhalbkugeln und die Luftpumpe.<ref>Bibliotheksmagazin: ''Mitteilungen aus den Staatsbibliotheken in Berlin und München'', 2016, Heft 2, S. 11</ref> Sie sind seit 1908 dort Ausstellungsstücke.
* Der Große Kurfürst [[Friedrich Wilhelm (Brandenburg)]] lud Otto von Guericke ein, ihm das Experiment vorzuführen. Dafür ließ Guericke einen weiteren Satz Halbkugeln herstellen, die sich von 1663 bis 1889 in der Churfürstlichen Bibliothek zu Cölln an der Spree befanden, wo auch das Experiment stattfand.<ref>Bibliotheksmagazin: ''Mitteilungen aus den Staatsbibliotheken in Berlin und München'', 2016, Heft 2, S. 6</ref> Anlässlich der Gründung des [[Deutsches Museum|Deutschen Museums]] [[1903]] in [[München]] bat man den Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Berlin, [[Paul Drude]], um eine Nachbildung der Geräte, die im Oktober [[1906]] auch dort eintrafen. Einen Monat später stattete [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Kaiser Wilhelm&nbsp;II.]] München einen Besuch ab und vermachte dem Museum die Originalhalbkugeln und die Luftpumpe.<ref>Bibliotheksmagazin: ''Mitteilungen aus den Staatsbibliotheken in Berlin und München'', 2016, Heft 2, S. 11</ref> Sie sind seit 1908 dort Ausstellungsstücke.
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== Heutige Vorführungen ==
== Das Denkmal ==
[[Datei:Magdeburger Halbkugeln am Ratswaageplatz.jpg|mini|Denkmal am Ratswaageplatz in Magdeburg]]
Am 15. Juni 2002 wurde in Magdeburg die Großplastik zum Magdeburger Halbkugelversuch eingeweiht. Auf dem Ratswaageplatz im Stadtzentrum enthüllten Oberbürgermeister [[Lutz Trümper]] und Otto von Guericke (alias Wolfgang Emmrich) die Großplastik zum Magdeburger Halbkugelversuch. Der Oberbürgermeister hatte zuvor aus den Händen von Peter Transfeld, Vorstandsvorsitzender der ÖHMI AG<ref>{{Internetquelle |url=https://www.oehmi.de |titel=ÖHMI AG |abruf=2021-02-04}}</ref>, die Schenkungsurkunde für das von dem ebenfalls anwesenden Bildhauer [[Thomas Virnich]] geschaffene Kunstwerk erhalten. Die ÖHMI AG war Initiatorin und Auftraggeberin der fünf Meter hohen und acht Meter langen Bronzegussplastik, mit der aus Anlass des 400. Geburtstages von Otto von Guericke vor allem die wissenschaftlichen Leistungen des früheren Magdeburger Bürgermeisters und Gelehrten gewürdigt werden sollte. 200 Sponsoren und Spender haben dazu beigetragen, die Stadt Magdeburg als Ort des berühmten Halbkugelversuchs Guerickes noch bekannter zu machen.<ref>[http://www.halbkugelversuch.de/ Magdeburger Halbkugelversuch - Website zum Denkmal]</ref> Der Halbkugelversuch ist in Form diverser Souvenirs erhältlich.


Die [[Otto-von-Guericke-Gesellschaft]] führt regelmäßig Halbkugel-Experimente öffentlich und in Museen vor.<ref>{{Webarchiv | url=http://www.uni-magdeburg.de/org/ovgg/deutsch/termine/welcome.html | wayback=20130929072626 | text=Vorführungen der Magdeburger Halbkugeln durch die Otto-von-Guericke-Gesellschaft}}</ref>
[[Datei:Magdeburger Halbkugelversuch (2015).JPG|mini|hochkant=1.1|Nachgestellter Versuch in Magdeburg (2015)]]


== Das Denkmal ==
== Heutige Vorführungen ==
 
Die [[Otto-von-Guericke-Gesellschaft]] führt regelmäßig Halbkugel-Experimente öffentlich und in Museen vor.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.uni-magdeburg.de/org/ovgg/deutsch/termine/welcome.html |text=Vorführungen der Magdeburger Halbkugeln durch die Otto-von-Guericke-Gesellschaft |wayback=20130929072626}}</ref>
[[Datei:Magdeburger Halbkugeln am Ratswaageplatz.jpg|mini|Denkmal am Ratswaageplatz in Magdeburg]]
Am 15. Juni 2002 wurde in Magdeburg die Großplastik zum Magdeburger Halbkugelversuch eingeweiht. Auf dem Ratswaageplatz im Stadtzentrum enthüllten Oberbürgermeister Lutz Trümper und Otto von Guericke (alias Wolfgang Emmrich) die Großplastik zum Magdeburger Halbkugelversuch. Der Oberbürgermeister hatte zuvor aus den Händen von Peter Transfeld, Vorstandsvorsitzender der ÖHMI AG, die Schenkungsurkunde für das von dem ebenfalls anwesenden Bildhauer Thomas Virnich geschaffene Kunstwerk erhalten. ÖHMI war Initiator und Auftraggeber der fünf Meter hohen und acht Meter langen Bronzegussplastik, mit der aus Anlass des 400. Geburtstages von Otto von Guericke vor allem die wissenschaftlichen Leistungen des früheren Magdeburger Bürgermeisters und Gelehrten gewürdigt werden sollte. 200 Sponsoren und Spender haben dazu beigetragen, die Stadt Magdeburg als Ort des berühmten Halbkugelversuchs Guerickes noch bekannter zu machen.<ref>[http://www.halbkugelversuch.de/ Website zum Denkmal]</ref> Der Halbkugelversuch ist in Form diverser Souvenirs erhältlich.


== Sonstiges ==
== Sonstiges ==
[[Datei:Magdeburger Halbkugelversuch (2015).JPG| Nachgestellter Versuch in Magdeburg (2015)|mini]]
[[Datei:Stamps of Germany (DDR) 1969, MiNr 1514.jpg|mini|hochkant=1.1|[[Briefmarke]] ([[DDR]] 1969)]]
* [[Luftpumpentaler]] ist die Bezeichnung des Gedenktalers von 1702, dem ersten Gepräge mit der Darstellung des Trennungsversuchs der Magdeburger Halbkugeln.
* [[Luftpumpentaler]] ist die Bezeichnung des Gedenktalers von 1702, dem ersten Gepräge mit der Darstellung des Trennungsversuchs der Magdeburger Halbkugeln.
* Die Halbkugeln sind Motiv auf mindestens zwei deutschen [[Briefmarke]]n.
* Die Halbkugeln sind Motiv auf mindestens zwei deutschen [[Briefmarke]]n.
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== Literatur ==
== Literatur ==
* H. Dittmar-Ilgen: ''Warum platzen Seifenblasen'', Hirzel-Verlag; S. 16: ''Die Magdeburger Halbkugeln''
* H. Dittmar-Ilgen: ''Warum platzen Seifenblasen'', Hirzel-Verlag; S. 16: ''Die Magdeburger Halbkugeln''
* [[Walter Basan]]: ''Das Geheimnis der Magdeburger Halbkugeln'', 1954
* [[Walter Basan]]: ''Das Geheimnis der Magdeburger Halbkugeln'', 1954


== Weblinks ==
== Weblinks ==
 
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* [http://www.gibs.info/index.php?id=99 Bericht über die Halbkugeln in Braunschweig]
* [http://www.gibs.info/index.php?id=99 Bericht über die Halbkugeln in Braunschweig]
* <!--[http://echo2.mpiwg-berlin.mpg.de/content/jesuit/jesuit_sciences/schot_mecha_051_la_1657 (link ist tot)]--> [[Caspar Schott]]: [http://books.google.de/books?id=nlzr0l7eXGIC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false ''Mechanica hydraulico-pneumatica. Pars I.''] 1657, enthält die erste Beschreibung der Halbkugeln
* <!--[http://echo2.mpiwg-berlin.mpg.de/content/jesuit/jesuit_sciences/schot_mecha_051_la_1657 (link ist tot)]--> [[Caspar Schott]]: [http://books.google.de/books?id=nlzr0l7eXGIC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false ''Mechanica hydraulico-pneumatica. Pars I.''] 1657, enthält die erste Beschreibung der Halbkugeln
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[[Kategorie:Technikgeschichte (Deutschland)]]
[[Kategorie:Technikgeschichte (Deutschland)]]
[[Kategorie:Physikalisches Experiment]]
[[Kategorie:Physikalisches Experiment]]
[[Kategorie:Vakuumtechnik]]

Aktuelle Version vom 14. Oktober 2021, 17:02 Uhr

Die Wirkung des Luftdrucks eindrucksvoll demonstriert mit den Magdeburger Halbkugeln (Stich aus Otto von Guerickes Hauptwerk Experimenta nova … Magdeburgica)
Die Magdeburger Halbkugeln in senkrechter Anordnung

Mit seinen Magdeburger Halbkugeln demonstrierte Otto von Guericke mehrfach in der Öffentlichkeit auf spektakuläre Weise die Wirkung des Luftdrucks. 1654 zeigte Guericke auf dem Reichstag in Regensburg verschiedene Vakuum-Experimente. Ab 1656 ließ er in Magdeburg erste Versuche mit den Magdeburger Halbkugeln durchführen. Danach trat er mit seinen populärwissenschaftlich inszenierten Experimenten vielerorts auf, so 1657 in Magdeburg und 1663 auch am Hof des Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Er zeigte mit seinem Schauversuch die Existenz der Erdatmosphäre und widerlegte auf leicht nachvollziehbare Weise den sogenannten Horror vacui, wie es 1643 schon Evangelista Torricelli mit dem Quecksilber-Barometer und 1647 schon Blaise Pascal mit weiteren Barometer-Experimenten, wie etwa Leere in der Leere, getan hatte.

Der Ablauf des Experiments

Guericke legte zwei Halbkugelschalen aus Kupfer mit etwa 42 cm Durchmesser so aneinander, dass sie eine Kugel bildeten. Zwischen den Kugelschalen diente ein mit Wachs und Terpentin getränkter Lederstreifen als Dichtung. Anschließend entzog er dem so entstandenen Hohlraum mit der von ihm erfundenen Kolbenpumpe über ein Ventil die Luft. Der Luftdruck, der nun nur von außen auf die Kugel wirkte, drückte diese so stark zusammen, dass sich diese selbst mit 30 (in Regensburg, zwei Gespanne mit je 15) bzw. 16 (in Magdeburg, zwei Gespanne mit je acht) Pferden nicht mehr auseinanderziehen ließ. Die Halbkugeln konnten erst wieder getrennt werden, nachdem durch das Ventil wieder Umgebungsluft zurück in die Kugel gelassen worden war.

Die physikalischen Zusammenhänge

Tatsächlich presst der äußere Luftdruck die Magdeburger Halbkugeln zusammen
a) Halbkugeln mit Luft gefüllt
b) luftleere Halbkugeln
1. Griff
2. luftdichte Abdichtung
3. Magdeburger Halbkugel
4. Luftdruck
5. Vakuum

Die Kraft, mit welcher der äußere Luftdruck die Halbkugeln gegeneinander drückt, berechnet sich bei einer Kugel mit einem inneren Durchmesser von 42 cm und einem äußeren Luftdruck von 0,1 MPa zu circa 14 kN. Sie ergibt sich aus der Fläche des Kreises, die vom Dichtungsring eingeschlossen wird, multipliziert mit der Luftdruckdifferenz zwischen dem Inneren der Kugel und der Umgebung. Der Wert von 14 kN entspricht etwa dem Gewicht eines mittleren Personenwagens. Wie gut das Vakuum war, das von Guerickes Luftpumpe erzeugt werden konnte, ist nicht bekannt.

Aus mechanischer Sicht ist zu bemerken, dass die effektive Zugkraft der Pferde nur von einem der beiden Gespanne aufgebracht wird. Es wirkte also im historischen Experiment nur die Zugkraft von 15 bzw. acht Pferden. Das andere Gespann dient lediglich dazu, die Versuchsanordnung fest zu halten, was auch durch Befestigung einer der beiden Halbkugeln an einem Fixpunkt hätte erreicht werden können. Manche vermuten, dass von Guericke bewusst den Mehraufwand von zwei Gespannen für ein eindrucksvolleres Experiment inszenierte. Andererseits wurde das 3. Newtonsche Gesetz erst 1687 veröffentlicht, so dass auch denkbar ist, dass die mechanischen Zusammenhänge noch nicht bekannt waren.

Der Schauversuch ist ein bemerkenswertes Beispiel für eine Reihe von Experimenten, welche naturwissenschaftlichen Fakten (horror vacui, ständiger gewaltiger Luftdruck, actio = reactio) demonstrieren, die intuitiv aus der Alltagserfahrung heraus meist nicht erwartet werden und daher oft Erstaunen auslösen.

Halbkugel-Sätze

Magdeburger Halbkugeln samt Luftpumpe (Deutsches Museum)

Für seine Vorführungen ließ Otto von Guericke nach und nach mehrere Sätze Halbkugeln anfertigen:

  • Ein Satz von Halbkugeln und eine Luftpumpe aus dem Besitz Otto von Guerickes gelangte aus der privaten Kuriositätensammlung des Helmstedter Hochschullehrers Gottfried Christoph Beireis über die Universität Helmstedt in den Besitz der Technischen Universität Braunschweig, wo sie in der Universitätsbibliothek ausgestellt sind.[1]
  • Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (Brandenburg) lud Otto von Guericke ein, ihm das Experiment vorzuführen. Dafür ließ Guericke einen weiteren Satz Halbkugeln herstellen, die sich von 1663 bis 1889 in der Churfürstlichen Bibliothek zu Cölln an der Spree befanden, wo auch das Experiment stattfand.[2] Anlässlich der Gründung des Deutschen Museums 1903 in München bat man den Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Berlin, Paul Drude, um eine Nachbildung der Geräte, die im Oktober 1906 auch dort eintrafen. Einen Monat später stattete Kaiser Wilhelm II. München einen Besuch ab und vermachte dem Museum die Originalhalbkugeln und die Luftpumpe.[3] Sie sind seit 1908 dort Ausstellungsstücke.

Das Denkmal

Denkmal am Ratswaageplatz in Magdeburg

Am 15. Juni 2002 wurde in Magdeburg die Großplastik zum Magdeburger Halbkugelversuch eingeweiht. Auf dem Ratswaageplatz im Stadtzentrum enthüllten Oberbürgermeister Lutz Trümper und Otto von Guericke (alias Wolfgang Emmrich) die Großplastik zum Magdeburger Halbkugelversuch. Der Oberbürgermeister hatte zuvor aus den Händen von Peter Transfeld, Vorstandsvorsitzender der ÖHMI AG[4], die Schenkungsurkunde für das von dem ebenfalls anwesenden Bildhauer Thomas Virnich geschaffene Kunstwerk erhalten. Die ÖHMI AG war Initiatorin und Auftraggeberin der fünf Meter hohen und acht Meter langen Bronzegussplastik, mit der aus Anlass des 400. Geburtstages von Otto von Guericke vor allem die wissenschaftlichen Leistungen des früheren Magdeburger Bürgermeisters und Gelehrten gewürdigt werden sollte. 200 Sponsoren und Spender haben dazu beigetragen, die Stadt Magdeburg als Ort des berühmten Halbkugelversuchs Guerickes noch bekannter zu machen.[5] Der Halbkugelversuch ist in Form diverser Souvenirs erhältlich.

Nachgestellter Versuch in Magdeburg (2015)

Heutige Vorführungen

Die Otto-von-Guericke-Gesellschaft führt regelmäßig Halbkugel-Experimente öffentlich und in Museen vor.[6]

Sonstiges

Briefmarke (DDR 1969)
  • Luftpumpentaler ist die Bezeichnung des Gedenktalers von 1702, dem ersten Gepräge mit der Darstellung des Trennungsversuchs der Magdeburger Halbkugeln.
  • Die Halbkugeln sind Motiv auf mindestens zwei deutschen Briefmarken.
  • Anlässlich des 400. Geburtstages Otto von Guerickes im „Guericke-Jahr“ 2002 wurden – verteilt über das ganze Stadtgebiet Magdeburgs – stilisierte „Magdeburger Halbkugeln“ als Skulpturen aufgestellt, die mit verschiedenen Motiven, die sich auf das gesellschaftliche Leben beziehen, bemalt sind. Zum 1200. Stadtjubiläum im Jahr 2005 kamen weitere dieser Kunstwerke hinzu.
  • Es gibt auch Pralinen in der Form der berühmten Halbkugeln.
  • Auf dem Label der Jeans von Levi Strauss & Co. wird eine Abwandlung der Skizze Caspar Schotts verwendet, die zwei Pferde zeigt, die versuchen, eine Hose zu zerreißen.
  • An der Vorderfassade des Deutschen Patent- und Markenamtes in München sind als Sinnbild des Forscherdranges Magdeburger Halbkugeln montiert.

Literatur

  • H. Dittmar-Ilgen: Warum platzen Seifenblasen, Hirzel-Verlag; S. 16: Die Magdeburger Halbkugeln
  • Walter Basan: Das Geheimnis der Magdeburger Halbkugeln, 1954

Weblinks

Commons: Magdeburger Halbkugeln – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Bericht über die Halbkugeln in Braunschweig
  2. Bibliotheksmagazin: Mitteilungen aus den Staatsbibliotheken in Berlin und München, 2016, Heft 2, S. 6
  3. Bibliotheksmagazin: Mitteilungen aus den Staatsbibliotheken in Berlin und München, 2016, Heft 2, S. 11
  4. ÖHMI AG. Abgerufen am 4. Februar 2021.
  5. Magdeburger Halbkugelversuch - Website zum Denkmal
  6. Vorführungen der Magdeburger Halbkugeln durch die Otto-von-Guericke-Gesellschaft (Memento vom 29. September 2013 im Internet Archive)

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