Quelltext der Seite Kommutator (Mathematik)

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In der [[Mathematik]] misst der '''Kommutator''' ({{laS|commutare|de=vertauschen}}), wie sehr zwei Elemente einer [[Gruppe (Mathematik)|Gruppe]] oder einer [[Assoziative Algebra|assoziativen Algebra]] das [[Kommutativgesetz]] verletzen.

== Kommutatoren in Gruppen ==
Der Kommutator <math>[g,h]</math> zweier Elemente <math>g</math> und <math>h</math> einer [[Gruppe (Mathematik)|Gruppe]] ist das Element

:<math>[g,h] = g^{-1}h^{-1}gh = (hg)^{-1} gh.</math>

Manchmal wird der Kommutator auch als das Element

:<math>[g,h] = ghg^{-1}h^{-1}</math>

definiert. Insbesondere ist der Kommutator zweier invertierbarer [[Matrix (Mathematik)|Matrizen]] <math>A,B\in GL(n,\R)</math> die Matrix <math>ABA^{-1}B^{-1}</math>.

Genau dann, wenn <math>gh = hg</math> gilt, ist der Kommutator <math>[g,h]</math> das [[Neutrales Element|neutrale Element]] der Gruppe. Die von allen Kommutatoren erzeugte [[Untergruppe]] wird [[Kommutatorgruppe]] genannt. Kommutatoren werden beispielsweise bei der Definition von [[Nilpotente Gruppe|nilpotenten]] und [[Auflösbare Gruppe|auflösbaren Gruppen]] verwendet.

== Kommutatoren in Algebren ==
Kommutatoren werden auch für [[Ring (Algebra)|Ringe]] und [[Assoziative Algebra|assoziative Algebren]] definiert. Hier ist der Kommutator <math>[a,b]</math> zweier Elemente <math>a</math> und <math>b</math> definiert als

:<math>[a,b] = ab - ba.</math>

Er ist genau dann gleich&nbsp;0, wenn <math>a</math> und <math>b</math> „kommutieren“ (vertauschen), also wenn <math>ab = ba</math> gilt:

:<math style="border: 1px black; border-style: solid; padding: 1em;">[a,b] = 0 \Leftrightarrow ab = ba</math>

Seien <math>a</math>, <math>b</math> und <math>c</math> Elemente einer assoziativen Algebra und <math>\lambda</math>, <math>\mu</math> [[Skalar (Mathematik)|Skalare]] (Elemente des Grundkörpers). Dann gilt:
# Der Kommutator ist ''alternierend ([[Antisymmetrische Funktion|antisymmetrisch]]):''
#: <math>[a,b]=-[b,a].</math>
#Der Kommutator ist ''[[Bilineare Abbildung|bilinear]]:''
#: <math>[\lambda a+\mu b,c]=\lambda [a,c] + \mu [b,c],</math>
#: <math>[a, \lambda b + \mu c] = \lambda [a,b] + \mu [a,c].</math>
#Der Kommutator genügt der ''[[Jacobi-Identität]]:''
#: <math>[a,[b,c]]+[b,[c,a]]+[c,[a,b]]=0.</math>
#Der Kommutator genügt der ''[[Produktregel]]:''
#: <math>[a,bc] = [a,b]c+b[a,c],</math>
#: <math>[ab,c] = a[b,c]+[a,c]b.</math>

Aufgrund der Eigenschaften 1, 2 und 3 wird jede assoziative Algebra <math>A</math> mit dem Kommutator als [[Lie-Klammer]] zu einer [[Lie-Algebra]].

Weil der Kommutator linear ist und der Produktregel genügt, ist die zu jedem Element <math>a</math> adjungierte Selbstabbildung der Algebra

:<math>a_{\text{adjungiert}}\colon b\mapsto [a,b]</math>

eine Ableitung oder [[Derivation (Mathematik)|Derivation]].

=== Antikommutator ===
Der ''Antikommutator'' <math>\{a, b\}</math> oder <math>[a, b]_+</math> zweier Elemente <math>a</math> und <math>b</math> ist die Summe ihrer Produkte in beiden Reihenfolgen:

:<math>\{a, b\} = ab + ba.</math>

Er ist genau dann gleich&nbsp;0, wenn <math>a</math> und <math>b</math> „antikommutieren“, also wenn <math>ab = -ba</math> gilt:

:<math>\{a, b\} = 0 \Leftrightarrow ab = -ba</math>

Der Antikommutator ist symmetrisch:

:<math>\{a, b\} = \{b, a\}.</math>

Es folgt der Zusammenhang mit dem Kommutator:

:<math>\Rightarrow [a, bc] = \{a, b\}c - b\{a, c\}.</math>

Die definierenden Relationen einer [[Clifford-Algebra]] oder [[Dirac-Matrizen|Dirac-Algebra]] betreffen Antikommutatoren.

== Anwendung in der Physik ==
In der [[Quantenmechanik]] gehört zu jedem Messapparat ein [[hermitescher Operator]]. Seine [[Eigenwert]]e sind die möglichen Messwerte, seine [[Eigenvektor]]en entsprechen denjenigen physikalischen Zuständen des zu vermessenden Systems, bei denen der zugehörige Messwert mit Sicherheit auftritt.

Kommutieren zwei dieser Operatoren, so gibt es einen vollständigen Satz gemeinsamer Eigenvektoren, genauer zwei miteinander kommutierende [[Schur-Zerlegung|spektrale Zerlegungen]]. Physikalisch bedeutet dies, dass man beide Messungen gemeinsam vornehmen und Zustände präparieren kann, bei denen beide Messungen sichere Ergebnisse haben. Man spricht dann von ''kommutierenden'', ''kompatiblen'' oder ''verträglichen'' [[Observable]]n.

Gegeben sei: ein Zustand <math>|A\rang</math> in der [[Dirac-Notation]] und die Observablen (Operatoren) <math>\zeta</math> und <math>\eta</math>. Dann gilt für die Bedingung simultaner Eigenzustände:

:<math>\zeta |A\rang = \zeta^{'}|A\rang</math>
:<math>\eta |A\rang = \eta^{'}|A\rang</math>

mit den im Allgemeinen komplexen Eigenwerten <math>\zeta^{'}</math> und <math>\eta^{'}</math>. Daraus folgt
:<math>\zeta \eta |A\rang =\zeta \eta^{'} |A\rang = \zeta^{'}\eta |A\rang=\eta \zeta^{'}|A\rang = \eta \zeta |A\rang</math>
:<math>[\zeta,\eta]|A\rang \equiv (\zeta \eta - \eta \zeta)|A\rang =0</math>

Ist die Bedingung <math>[\zeta, \eta] = 0</math> erfüllt, so sind die beiden Observablen <math>\zeta</math> und <math>\eta</math> kommutierend und haben simultane Eigenzustände.

Bei [[Quantisierung (Physik) #Quantenmechanik (ab 1925)|kanonischer Quantisierung]] eines physikalischen Systems treten an die Stelle der [[Phasenraum]]<nowiki />koordinaten Ort und Impuls, die den Zustand des [[klassische Physik|klassischen Systems]] charakterisieren, der [[Ortsoperator]] <math>x</math> und der [[Impulsoperator]] <math>p</math>, für die die fundamentale [[Kanonische Vertauschungsrelation|kanonische Kommutatorrelation]] gilt ([[komplementäre Observablen]]):

:<math>[x_j, p_k] = \mathrm i \hbar \delta_{j, k},</math>

wobei <math>j</math> bzw. <math>k</math> die Komponenten der Vektor-Operatoren bezeichnen.

In der [[Heisenbergsche Bewegungsgleichung|Heisenbergschen Bewegungsgleichung]] ersetzt der Kommutator die [[Poisson-Klammer]] im Formelbild der entsprechenden, klassischen [[Bewegungsgleichung]] der [[Hamiltonsche Mechanik|hamiltonschen Mechanik]] (siehe [[Poisson-Klammer #Anwendung|Anwendungen der Poisson-Klammer]]).

Gemäß der [[Heisenbergsche Unschärferelation|Heisenbergschen Unschärferelation]] gibt der [[Erwartungswert]] des Kommutators zweier Operatoren eine [[untere Schranke]] an das Produkt der [[Unschärfe]]n der entsprechenden Observablen.

Mit dem Kommutator werden die algebraischen Eigenschaften derjenigen Operatoren angegeben, die in quantenmechanischen Mehrteilchenzuständen [[Boson]]en erzeugen oder vernichten. Da die [[Erzeugungsoperator]]en untereinander kommutieren, sind in Mehrteilchenzuständen die einzelnen Teilchen [[Ununterscheidbare Teilchen|ununterscheidbar]] in dem Sinn, dass eine Vertauschung zweier Teilchen keinen anderen, sondern denselben Zustand mit gleicher Phase ergibt.

Mit dem Antikommutator werden in der Quantenmechanik die algebraischen Eigenschaften derjenigen Operatoren angegeben, die in Mehrteilchenzuständen [[Fermion]]en erzeugen oder vernichten. Da die Erzeugungsoperatoren untereinander ''anti''kommutieren, sind in Mehrteilchenzuständen die einzelnen Teilchen ununterscheidbar in dem Sinn, dass eine Vertauschung zweier Teilchen keinen anderen, sondern denselben Zustand ''mit entgegengesetzter Phase'' ergibt.

== Siehe auch ==
*[[Lie-Klammer]]
* [[Assoziator (Mathematik)|Assoziator]]

== Literatur ==
* {{Literatur
   |Autor=[[Siegfried Bosch]]
   |Titel=Algebra
   |Auflage=5.
   |Verlag=Springer
   |Ort=Berlin
   |Datum=2003
   |ISBN=3-540-40388-4
   |Seiten=255f.
   |DOI=10.1007/978-3-540-92812-6}}

[[Kategorie:Gruppentheorie]]
[[Kategorie:Notation (Physik)]]
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