Johanna Weber: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Johanna Weber''' (* [[8. August]] [[1910]] in [[Düsseldorf]]; † [[24. Oktober]] [[2014]] in [[Ewshot]], [[Hampshire]])<ref name="Guardian">Nigel Fountain: [https://www.theguardian.com/world/2014/nov/09/johanna-weber ''Johanna Weber obituary. Mathematician who was instrumental in the development of Concorde.''] In: ''[[The Guardian|theguardian.com.]]'' 9.&nbsp;November 2014, abgerufen am 15.&nbsp;Dezember 2014.</ref> war eine deutsch-britische [[Mathematikerin]], die an der Entwicklung der [[Aerodynamik]] des Flugzeugs [[Concorde]] mitwirkte.
{{Dieser Artikel|behandelt die Mathematikerin; zur Sexarbeiterin siehe [[Johanna Weber (Sexarbeiterin)]].}}
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'''Johanna Salome Weber''' (* [[8. August]] [[1910]] in [[Düsseldorf]]; † [[24. Oktober]] [[2014]] in [[Ewshot]], [[Hampshire]])<ref name="Guardian">Nigel Fountain: [https://www.theguardian.com/world/2014/nov/09/johanna-weber ''Johanna Weber obituary. Mathematician who was instrumental in the development of Concorde.''] In: ''[[The Guardian|theguardian.com.]]'' 9.&nbsp;November 2014, abgerufen am 15.&nbsp;Dezember 2014.</ref> war eine deutsch-britische [[Mathematikerin]], die sich vor allem auf dem Gebiet der [[Aerodynamik]] einen Namen machte und u. a. an der Entwicklung des Überschallflugzeugs [[Concorde]] maßgeblich mitwirkte.
[[Datei:Concorde on Bristol.jpg|mini|Concorde der British Airways]]
[[Datei:Concorde on Bristol.jpg|mini|Concorde der British Airways]]
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== Leben ==
== Leben ==
Johanna Weber kam aus kleinen Verhältnissen. Ihr Vater, ein wallonischer Wanderarbeiter, fiel auf deutscher Seite im ersten Kriegsjahr des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]].<ref name="Guardian" /> Weber besuchte eine Klosterschule, begann ihr Chemie- und Mathematikstudium an der [[Universität zu Köln]] und setzte nach einem Jahr das Studium an der [[Georg-August-Universität Göttingen|Universität Göttingen]] fort, deren wissenschaftliches Personal durch den Antisemitismus der Nationalsozialisten [[Machtergreifung|ab 1933]] dezimiert wurde. Nach dem Staatsexamen begann sie ihre Berufstätigkeit in der deutschen Rüstungsindustrie in einem [[Friedrich Krupp AG|Krupp-Unternehmen]] als [[Ballistik]]erin.
Johanna Weber stammte aus armen bäuerlichen Verhältnissen in [[Malmedy]]. Ihre Eltern zogen nach Düsseldorf um, bevor sie geboren wurde, und bekamen nach ihr noch eine weitere Tochter. Ihr Vater fiel bereits im November 1914 als Soldat.<ref name="Guardian" /> Weber besuchte eine Klosterschule, wo ihre bemerkenswerten mathematischen Fähigkeiten sofort auffielen. Nach erfolgreichem Abschluss nahm Johanna Weber ein Studium der Chemie, Mathematik und Physik fürs Lehramt an der [[Universität zu Köln]] auf. Nach einem Jahr beschloss sie jedoch, sich fortan ausschließlich auf die Mathematik zu konzentrieren und wechselte an die [[Georg-August-Universität Göttingen|Universität Göttingen]], deren mathematische Fakultät einen überragenden Ruf genoss. Nachdem sie 1935 zum Dr. rer nat. promoviert worden war, folgten noch weitere zwei Jahre Ausbildung an einem Lehrerseminar. Allerdings versperrte ihr die Weigerung, in die [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] einzutreten, den Zugang zum Lehrerberuf. Um ihre Mutter und ihre gebrechliche Schwester unterstützen zu können, trat sie eine Stellung als [[Ballistik]]<nowiki/>erin bei den [[Krupp (Familie)|Krupp]]<nowiki/>schen Rüstungsfabriken in Essen an. Allerdings war sie für diese Stelle deutlich überqualifiziert.


Ab 1939 arbeitete sie als Mathematikerin bei der [[Aerodynamische Versuchsanstalt|Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen]] (AVA) in der [[Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften|Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft]] in Göttingen. Seitdem arbeitete sie mit dem gleichaltrigen [[Dietrich Küchemann]] zusammen, der dort seit 1936 beschäftigt war. Ihre Forschungsarbeiten gingen an die [[Zentrale für Wissenschaftliches Berichtswesen der Luftfahrtforschung]] (ZWB). Während Küchemann das Auftreten hatte, die Forschungsergebnisse auch in der Hochschullehre und in der Öffentlichkeit zu vertreten, zog Weber die Arbeit in den Forschungslabors vor.
Kurz vor Ausbruch des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] Ab 1939 wechselte sie zur [[Aerodynamische Versuchsanstalt|Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen]] (AVA) der [[Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften|Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft]] in Göttingen, das von [[Albert Betz]] in Nachfolge von [[Ludwig Prandtl]] geleitet wurde. Hier lernte sie den gleichaltrigen [[Dietrich Küchemann]] und dessen Ehefrau kennen; er war dort seit 1936 beschäftigt. Dies wurde der Beginn einer lebenslangen freundschaftlichen und überaus erfolgreichen Zusammenarbeit. Beide ergänzten sich sehr gut in wissenschaftlicher Hinsicht. Während ihm das schnelle Erfassen physikalischer Zusammenhänge und ein hervorragendes räumliches Denken nachgesagt wurden, war es die (nach eigenem Bekunden) eher schüchterne Johanna Weber, die in aller Stille die wissenschaftlichen Experimente und mathematischen Berechnungen vornahm. Folglich war es auch der charismatische Küchemann, der offiziell die Leitung der Projekte innehatte und die Forschungsergebnisse im Hochschulbereich, aber auch in der Industrie, vertrat. Zwischen 1940 und 1945 schrieben Küchemann und Weber 30 hochkarätige wissenschaftliche Arbeiten für die [[Zentrale für Wissenschaftliches Berichtswesen der Luftfahrtforschung]] (ZWB). Nach dem Krieg wurden sie großenteils ins Englische übersetzt. Über ihre wissenschaftliche Zusammenarbeit hinaus teilten Weber und Küchenmann auch ihre tiefsitzende Abneigung gegen den Nationalsozialismus.


Nach Kriegsende 1945 erhielt zunächst Küchemann von der britischen Besatzungsmacht eine Beschäftigung beim [[Royal Aircraft Establishment]] (RAE) in [[Farnborough (Hampshire)|Farnborough]], Weber folgte ihm 1947. 1953 erhielt sie die britische Staatsbürgerschaft.<ref name="FT">Gordon Cramb, Clive Cookson: ''Wing woman whose sums let Concorde take to the skies.'' In: ''[[Financial Times]].'' 22.&nbsp;November 2014, S.&nbsp;8.</ref> Beide waren zunächst an der Entwicklung des Bombers [[Handley Page Victor]] beteiligt und entwarfen seine [[Pfeilung|Pfeilflügel]]. 1953 erschien ihr gemeinsames Buch ''Aerodynamics of Propulsion'', Weber beeinflusste auch Küchemanns [[postum]] erschienenes Hauptwerk ''The Aerodynamic Design of Aircraft.''<ref name="Guardian" />
Nach Kriegsende gehörte Göttingen zur britischen Besatzungszone; die Briten bemühten sich in der Folge im Rahmen der Operation Surgeon (dem britischen Pendant zur amerikanischen [[Operation Overcast|Operation Paperclip]]) um die Wissenschaftler der Aerodynamischen Versuchsanstalt und boten ihnen Halbjahresverträge am [[Royal Aircraft Establishment]] (RAE) in [[Farnborough (Hampshire)|Farnborough]] an. Nach anfänglichem Widerstreben schlug Küchemann auf das Angebot ein, und im August 1947 folgte auch Weber, womit sie die einzige weibliche deutsche Wissenschaftlerin am RAE war. Obwohl offiziell als „[[Enemy Alien|enemy alien“]] geltend, fühlte sich Weber doch bald in ihrer neuen Umgebung wohl. 1953 erhielt sie die britische Staatsbürgerschaft.<ref name="FT">Gordon Cramb, Clive Cookson: ''Wing woman whose sums let Concorde take to the skies.'' In: ''[[Financial Times]].'' 22.&nbsp;November 2014, S.&nbsp;8.</ref> Weber arbeitete auch weiterhin mit Küchemann zusammen. Beide waren zunächst an der Entwicklung des Atomwaffenträgers [[Handley Page Victor]] beteiligt und entwarfen dessen [[Pfeilung|Pfeilflügel]]. 1953 erschien ihr gemeinsames Buch ''Aerodynamics of Propulsion.''


Beide gehörten seit 1956 zu dem britisch-französischen Entwicklungsteam für ein Überschallpassagierflugzeug, das als [[Concorde]] 1969 seinen Erstflug hatte, für dessen Form und Flugeigenschaften sie die mathematischen Grundlagen beisteuerte.<ref name="Guardian" />
Beide gehörten seit 1956 zu dem britisch-französischen Entwicklungsteam für ein Überschallpassagierflugzeug, das als [[Concorde]] 1969 seinen Erstflug hatte; gemeinsam mit Küchemann und dem britischen Ingenieur Eric Maskell entwarf sie die Formgebung und steuerte die mathematischen Grundlagen bei.<ref name="Guardian" /> Nach der Arbeit für die Concorde war Weber an der Formgebung des ersten [[Airbus A300|Airbus A300B]] beteiligt.


Weber wohnte seit 1953 als Nachbarin von Küchemann in [[Wrecclesham]].<ref name="Guardian" /> Sie ging 1975 in den Ruhestand. Die letzten Jahre verbrachte sie in einem Altersheim im nahegelegenen [[Ewshot]], wo sie 2014 starb.
Johanna Weber wohnte seit 1953 in einer eigenen Wohnung im Haus der Familie Küchemann in [[Farnham (Surrey)|Farnham]] und erwarb 1961 das Nachbarhaus, das sie dann nahezu 40 Jahre lang bewohnte.<ref name="Guardian" /> 1975 ging sie in den Ruhestand, vollendete aber noch nach Küchemanns plötzlichem Tod 1976 das gemeinsame Standardwerk ''The Aerodynamic Design of Aircraft'', in dem sie allerdings ausdrücklich nicht als Coautorin erwähnt werden wollte. Danach jedoch äußerte sie (1978): „Nach Fertigstellung des Buches sagte ich der Aerodynamik für immer Lebewohl, denn vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet, war mein Leben in zu engen Bahnen verlaufen.“ In der Folgezeit nahm die zuvor so introvertierte Johanna Weber mehr am gesellschaftlichen Leben teil und fand neue Freunde, nicht zuletzt solche, die ebenso wie sie aus Deutschland eingewandert waren. Auch mit den Kindern und Enkeln der Küchemanns pflegte sie freundschaftlichen Umgang. Die letzten Jahre verbrachte sie in einem Altersheim im nahegelegenen [[Ewshot]], wo sie mit 104 Jahren 2014 starb.
 
Für die [[Royal Aeronautical Society]] schrieb John Green in einem Nachruf: „Johanna Weber legte […] gemeinsam mit ihrem Kollegen Dietrich Küchemann die Grundlagen für die weltweit führend Position Großbritanniens beim aerodynamischen Flügeldesign von Verkehrsflugzeugen […] Ohne ihre Beiträge wären die Airbus-Flugzeuge nicht so wirtschaftlich erfolgreich gewesen, und den heutigen Industriegiganten Airbus würde es so vermutlich gar nicht geben.“<ref>{{Internetquelle |autor=John Green |url=https://www.aerosociety.com/news/obituary-dr-johanna-weber/ |titel=Obituary – Dr. Johanna Weber |hrsg=Royal Aeronautical Society |datum=2015-01-12 |sprache=en |abruf=2011-11-11}}</ref>


== Schriften (Auswahl) ==
== Schriften (Auswahl) ==
* mit Dietrich Küchemann: ''Further measurements on annular profiles.'' National Advisory Committee for Aeronautics 1952. Zuerst ZWB, Forschungsbericht 1236/8, Washington, D.C. 1943.
* mit Dietrich Küchemann: ''Das Einlaufproblem bei Triebwerksverkleidungen.'' Göttingen, 20. Dezember 1942. [https://elib.dlr.de/83149/ Digitalisat]
* mit Dietrich Küchemann: ''J 1 cooling.''MAP, Völkenrode 1947.
* mit Dietrich Küchemann: ''Über die Strömung an ringförmigen Verkleidungen.'' Insgesamt 12 Teile. Göttingen, ab 13. Juni 1940. [https://elib.dlr.de/81976/ Digitalisat] von Teil V. [https://books.google.de/books?id=bUbVAAAAMAAJ&pg=RA4-PP3&lpg=RA4-PP3&dq=Forschungsbericht+1236/8&source=bl&ots=Q9BBa94pp0&sig=ACfU3U1mZrZnWkOmwbxpKuQeGjnGA_54OA&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwiZquHztJH0AhXMSfEDHcmuCwcQ6AF6BAgCEAM#v=onepage&q=Forschungsbericht%201236%2F8&f=false Digitalisate] der englischen Übersetzungen von Teil I, II, VI, VIII und IX (1952)
* ''Application of theory of incompressible flow around a swept wing at high subsonic mach numbers.'' Ministry of Supply, London 1948.
* ''Application of theory of incompressible flow around a swept wing at high subsonic mach numbers.'' Ministry of Supply, London 1948.
* mit Dietrich Küchemann: ''Design of wing junction, fuselage and nacelles to obtain the full benefit of sweptback wings at high Mach number: Addendum, additional tables of coefficients.'' Ministry of Supply, London 1949.
* mit Dietrich Küchemann: ''Concerning the flow about ring-shaped cowlings. Part&nbsp;II, Annular bodies of infinite length with circulation for smooth entrance.'' National Advisory Committee for Aeronautics. Washington, D.C. 1951.
* mit Dietrich Küchemann: ''Annular bodies of infinite length with circulation for smooth entrance.'' National Advisory Committee for Aeronautics, Washington, D.C., 1951.
* mit Dietrich Küchemann: ''Annular bodies of infinite length with circulation for smooth entrance.'' National Advisory Committee for Aeronautics, Washington, D.C., 1951.
* mit Dietrich Küchemann: ''Aerodynamics of propulsion.'' McGraw-Hill, New York 1953.
* mit Dietrich Küchemann: ''Aerodynamics of propulsion.'' McGraw-Hill, New York 1953.
* mit J. A. Lawford: ''The reflection effect of fences at low speeds.'' HMSO, London 1954 [erschienen] 1956.
* mit J. A. Lawford: ''The reflection effect of fences at low speeds.'' HMSO, London 1954 [erschienen] 1956.
* mit Dietrich Küchemann, G. G. Brebner: ''Low speed tests on 45 deg swept-back wings.''HMSO, London 1958.
* mit Dietrich Küchemann und G. G. Brebner: ''Low speed tests on 45 deg swept-back wings.''HMSO, London 1958.
* ''General relativity and gravitational waves.'' Interscience, New York 1961.
* ''General relativity and gravitational waves.'' Interscience, New York 1961.
* Dietrich Küchemann: ''The aerodynamic design of aircraft. A detailed introd. to the current aerodynamic knowledge and pract. guide to the solution of aircraft design problems.'' Pergamon Press, Oxford 1978.
* Dietrich Küchemann: ''The aerodynamic design of aircraft. A detailed introd. to the current aerodynamic knowledge and pract. guide to the solution of aircraft design problems.'' Pergamon Press, Oxford 1978.
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== Weblinks ==
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* {{Cite web|url=https://mathshistory.st-andrews.ac.uk/Biographies/Weber_Johanna/|title=Johanna Salome Weber|date=2021-09|author=J. J. O’Connor, E. F. Robertson|work=MacTutor}}
* {{Cite web|url=https://www.magnificentwomen.co.uk/engineer-of-the-week/70-johanna-weber|title=Johanna Weber|date=2019-08-08|accessdate=2021-11-11|author=Nina C. Baker|work=Magnificent women|language=en}}


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references />
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Aktuelle Version vom 27. November 2021, 03:03 Uhr

Johanna Weber (1948)

Johanna Salome Weber (* 8. August 1910 in Düsseldorf; † 24. Oktober 2014 in Ewshot, Hampshire)[1] war eine deutsch-britische Mathematikerin, die sich vor allem auf dem Gebiet der Aerodynamik einen Namen machte und u. a. an der Entwicklung des Überschallflugzeugs Concorde maßgeblich mitwirkte.

Concorde der British Airways
Handley Page HP-80 Victor K2

Leben

Johanna Weber stammte aus armen bäuerlichen Verhältnissen in Malmedy. Ihre Eltern zogen nach Düsseldorf um, bevor sie geboren wurde, und bekamen nach ihr noch eine weitere Tochter. Ihr Vater fiel bereits im November 1914 als Soldat.[1] Weber besuchte eine Klosterschule, wo ihre bemerkenswerten mathematischen Fähigkeiten sofort auffielen. Nach erfolgreichem Abschluss nahm Johanna Weber ein Studium der Chemie, Mathematik und Physik fürs Lehramt an der Universität zu Köln auf. Nach einem Jahr beschloss sie jedoch, sich fortan ausschließlich auf die Mathematik zu konzentrieren und wechselte an die Universität Göttingen, deren mathematische Fakultät einen überragenden Ruf genoss. Nachdem sie 1935 zum Dr. rer nat. promoviert worden war, folgten noch weitere zwei Jahre Ausbildung an einem Lehrerseminar. Allerdings versperrte ihr die Weigerung, in die NSDAP einzutreten, den Zugang zum Lehrerberuf. Um ihre Mutter und ihre gebrechliche Schwester unterstützen zu können, trat sie eine Stellung als Ballistikerin bei den Kruppschen Rüstungsfabriken in Essen an. Allerdings war sie für diese Stelle deutlich überqualifiziert.

Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges Ab 1939 wechselte sie zur Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen (AVA) der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Göttingen, das von Albert Betz in Nachfolge von Ludwig Prandtl geleitet wurde. Hier lernte sie den gleichaltrigen Dietrich Küchemann und dessen Ehefrau kennen; er war dort seit 1936 beschäftigt. Dies wurde der Beginn einer lebenslangen freundschaftlichen und überaus erfolgreichen Zusammenarbeit. Beide ergänzten sich sehr gut in wissenschaftlicher Hinsicht. Während ihm das schnelle Erfassen physikalischer Zusammenhänge und ein hervorragendes räumliches Denken nachgesagt wurden, war es die (nach eigenem Bekunden) eher schüchterne Johanna Weber, die in aller Stille die wissenschaftlichen Experimente und mathematischen Berechnungen vornahm. Folglich war es auch der charismatische Küchemann, der offiziell die Leitung der Projekte innehatte und die Forschungsergebnisse im Hochschulbereich, aber auch in der Industrie, vertrat. Zwischen 1940 und 1945 schrieben Küchemann und Weber 30 hochkarätige wissenschaftliche Arbeiten für die Zentrale für Wissenschaftliches Berichtswesen der Luftfahrtforschung (ZWB). Nach dem Krieg wurden sie großenteils ins Englische übersetzt. Über ihre wissenschaftliche Zusammenarbeit hinaus teilten Weber und Küchenmann auch ihre tiefsitzende Abneigung gegen den Nationalsozialismus.

Nach Kriegsende gehörte Göttingen zur britischen Besatzungszone; die Briten bemühten sich in der Folge im Rahmen der Operation Surgeon (dem britischen Pendant zur amerikanischen Operation Paperclip) um die Wissenschaftler der Aerodynamischen Versuchsanstalt und boten ihnen Halbjahresverträge am Royal Aircraft Establishment (RAE) in Farnborough an. Nach anfänglichem Widerstreben schlug Küchemann auf das Angebot ein, und im August 1947 folgte auch Weber, womit sie die einzige weibliche deutsche Wissenschaftlerin am RAE war. Obwohl offiziell als „enemy alien“ geltend, fühlte sich Weber doch bald in ihrer neuen Umgebung wohl. 1953 erhielt sie die britische Staatsbürgerschaft.[2] Weber arbeitete auch weiterhin mit Küchemann zusammen. Beide waren zunächst an der Entwicklung des Atomwaffenträgers Handley Page Victor beteiligt und entwarfen dessen Pfeilflügel. 1953 erschien ihr gemeinsames Buch Aerodynamics of Propulsion.

Beide gehörten seit 1956 zu dem britisch-französischen Entwicklungsteam für ein Überschallpassagierflugzeug, das als Concorde 1969 seinen Erstflug hatte; gemeinsam mit Küchemann und dem britischen Ingenieur Eric Maskell entwarf sie die Formgebung und steuerte die mathematischen Grundlagen bei.[1] Nach der Arbeit für die Concorde war Weber an der Formgebung des ersten Airbus A300B beteiligt.

Johanna Weber wohnte seit 1953 in einer eigenen Wohnung im Haus der Familie Küchemann in Farnham und erwarb 1961 das Nachbarhaus, das sie dann nahezu 40 Jahre lang bewohnte.[1] 1975 ging sie in den Ruhestand, vollendete aber noch nach Küchemanns plötzlichem Tod 1976 das gemeinsame Standardwerk The Aerodynamic Design of Aircraft, in dem sie allerdings ausdrücklich nicht als Coautorin erwähnt werden wollte. Danach jedoch äußerte sie (1978): „Nach Fertigstellung des Buches sagte ich der Aerodynamik für immer Lebewohl, denn vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet, war mein Leben in zu engen Bahnen verlaufen.“ In der Folgezeit nahm die zuvor so introvertierte Johanna Weber mehr am gesellschaftlichen Leben teil und fand neue Freunde, nicht zuletzt solche, die ebenso wie sie aus Deutschland eingewandert waren. Auch mit den Kindern und Enkeln der Küchemanns pflegte sie freundschaftlichen Umgang. Die letzten Jahre verbrachte sie in einem Altersheim im nahegelegenen Ewshot, wo sie mit 104 Jahren 2014 starb.

Für die Royal Aeronautical Society schrieb John Green in einem Nachruf: „Johanna Weber legte […] gemeinsam mit ihrem Kollegen Dietrich Küchemann die Grundlagen für die weltweit führend Position Großbritanniens beim aerodynamischen Flügeldesign von Verkehrsflugzeugen […] Ohne ihre Beiträge wären die Airbus-Flugzeuge nicht so wirtschaftlich erfolgreich gewesen, und den heutigen Industriegiganten Airbus würde es so vermutlich gar nicht geben.“[3]

Schriften (Auswahl)

  • mit Dietrich Küchemann: Das Einlaufproblem bei Triebwerksverkleidungen. Göttingen, 20. Dezember 1942. Digitalisat
  • mit Dietrich Küchemann: Über die Strömung an ringförmigen Verkleidungen. Insgesamt 12 Teile. Göttingen, ab 13. Juni 1940. Digitalisat von Teil V. Digitalisate der englischen Übersetzungen von Teil I, II, VI, VIII und IX (1952)
  • Application of theory of incompressible flow around a swept wing at high subsonic mach numbers. Ministry of Supply, London 1948.
  • mit Dietrich Küchemann: Annular bodies of infinite length with circulation for smooth entrance. National Advisory Committee for Aeronautics, Washington, D.C., 1951.
  • mit Dietrich Küchemann: Aerodynamics of propulsion. McGraw-Hill, New York 1953.
  • mit J. A. Lawford: The reflection effect of fences at low speeds. HMSO, London 1954 [erschienen] 1956.
  • mit Dietrich Küchemann und G. G. Brebner: Low speed tests on 45 deg swept-back wings.HMSO, London 1958.
  • General relativity and gravitational waves. Interscience, New York 1961.
  • Dietrich Küchemann: The aerodynamic design of aircraft. A detailed introd. to the current aerodynamic knowledge and pract. guide to the solution of aircraft design problems. Pergamon Press, Oxford 1978.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Nigel Fountain: Johanna Weber obituary. Mathematician who was instrumental in the development of Concorde. In: theguardian.com. 9. November 2014, abgerufen am 15. Dezember 2014.
  2. Gordon Cramb, Clive Cookson: Wing woman whose sums let Concorde take to the skies. In: Financial Times. 22. November 2014, S. 8.
  3. John Green: Obituary – Dr. Johanna Weber. Royal Aeronautical Society, 12. Januar 2015, abgerufen am 11. November 2011 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).

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