Johann Christian Poggendorff

Johann Christian Poggendorff

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Johann Christian Poggendorff

Johann Christian Poggendorff (* 29. Dezember 1796 in Hamburg; † 24. Januar 1877 in Berlin) war ein deutscher Physiker.

Leben

Er war der Sohn eines reichen Fabrikanten, der von der französischen Belagerung profitiert hatte. Mit 16 Jahren trat er eine Apotheker-Lehre in Hamburg an. Anschließend verdiente er seinen Lebensunterhalt als Apothekengehilfe in Itzehoe. Ehrgeiz und eine starke Neigung zur Wissenschaft brachten ihn dazu, diese Stellung aufzugeben und nach Berlin zu ziehen, wo er ab 1820 die Universität besuchte. Hier erkannte man schnell seine Fähigkeiten, und 1823 wurde er von der dortigen Akademie der Wissenschaften zum meteorologischen Beobachter ernannt. 1854 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt.[1]

Sein Grab befand sich auf dem St.-Marien- und St.-Nikolai-Friedhof I im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg.

Poggendorffs Leistungen

Poggendorff-Täuschung: Die schwarze Linie ist nicht die Verlängerung der blauen Linie.

Er baute 1820 das erste brauchbare Strommessgerät (Galvanometer, Galvanoskop, auch Multiplikator), und erfand 1826 zusammen mit Gauß die Spiegelablesung für dieses Messgerät. Er entwickelte 1841 die Poggendorffsche Kompensationsschaltung bzw. Spannungs-Kompensation zur exakten Messung von elektrischen Spannungen, Stromstärken und Widerständen (z. B. für Eichzwecke) und führte Bestimmungen der elektromotorischen Kraft durch. Er baute einen elektrostatischen Motor ähnlich dem von Holtz. Außerdem erfand er 1840 eine praktische Klemmschraube, 1842 das auch nach ihm benannte Poggendorff-Element, ein galvanisches Primärelement. 1850 beschrieb er die Poggendorff-Täuschung. Die Poggendorffsche Waage ist eine nach ihm benannte Experimentieranordnung.[2]

Poggendorffs Irrtümer

J. R. Mayer schickte 1841 seine Abhandlung „Über die quantitative und qualitative Bestimmung der Kräfte“ zur Veröffentlichung in seinen Annalen der Physik an Poggendorff, in der er einen Erhaltungssatz der Kraft (gemeint war Energie) postulierte. Er wurde später als Erster Hauptsatz der Thermodynamik oder Energieerhaltungssatz bekannt. Auch weil die Abhandlung Mayers fundamentale physikalische Irrtümer enthielt, lehnte Poggendorff sie ab. Mayer bekam nicht einmal eine Antwort auf seine Einsendung. [3] Erst nach Poggendorffs Tod 36 Jahre später soll der Text bei ihm wiedergefunden worden sein. Allerdings erschien schon 1842 Mayers Aufsatz „Bemerkungen über die Kräfte der unbelebten Natur“ in den von Friedrich Wöhler und Justus von Liebig herausgegebenen Annalen der Chemie. Mayer musste dennoch jahrzehntelang auf Anerkennung seiner Theorie warten; sie setzte sich erst in seinen letzten Lebensjahren durch.

1847 lehnte Poggendorff auch eine Arbeit von Helmholtz über das gleiche Thema ab.

Am 26. Oktober 1861 hielt Philipp Reis im Hörsaal des Physikalischen Verein einen Vortrag über seine Erfindung des Telefons. Poggendorff lehnte die Bekanntmachung der Erfindung von Reis in seinen Annalen der Physik und Chemie ab, da er sie für Spielerei hielt. Er nahm auch Reis’ Aufsatz nicht in sein Biographisch-Literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften auf. So trug Poggendorff dazu bei, dass sich Reis’ Telefon nicht durchsetzte.

Poggendorff als Herausgeber

Schon früh dachte er darüber nach, ein wissenschaftliches Journal für Physik und Chemie zu begründen. Die Realisierung dieses Plans wurde beschleunigt durch den plötzlichen Tod von Ludwig Wilhelm Gilbert, dem Herausgeber von Gilbert's Annalen der Physik.

1824 nahm Poggendorff Kontakt zum Verleger Christian Gottlob Barth in Leipzig auf. Das Ergebnis war, dass er 1829 als Herausgeber eines wissenschaftlichen Journals, Annalen der Physik und Chemie, eingesetzt wurde. Es sollte eine erweiterte Fortsetzung von Gilberts Annalen sein. Für diesen Posten war Poggendorff hervorragend qualifiziert. Er hatte ein außergewöhnlich gutes Gedächtnis, welches mit modernen und historischen wissenschaftlichen Kenntnissen wohl gefüllt war, ein kühles und objektives Urteilsvermögen und er gab Fakten den Vorzug vor spekulativen Theorien. So war er in der Lage, sich voll dem Geist der modernen experimentellen Wissenschaft zu widmen. Bei der Einordnung von Wissen und im Geschäftsleben verfügte er in reichem Maße über die deutsche Tugend der Ordentlichkeit. Außerdem hatte er ein ungemein freundliches Wesen und ging mit Menschen sehr taktvoll um. Diese Eigenschaften machten Poggendorffs Annalen schon bald zum führenden Wissenschaftsjournal in Europa.

Im Lauf seiner 52-jährigen Tätigkeit als Herausgeber der Annalen lernte er zwangsläufig die Mühen der modernen Männer der Wissenschaft kennen. Diese Kenntnisse, zusammen mit jenen, die er bei seinen umfangreichen historischen Studien erworben hatte, übergab er der Welt in seinem Werk „Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften“. Es enthielt Berichte über Leben und Werk von Mathematikern, Astronomen, Physikern und Chemikern aus allen Völkern und Zeitaltern. Das Werk enthielt eine erstaunliche Sammlung von Fakten, die für Wissenschafts-Biografen und -Historiker von unschätzbarem Wert sind. Die ersten beiden Bände wurden 1863 veröffentlicht. Ein dritter Band, der die Zeit von 1858 bis 1883 behandelte, erschien 1898. Ein weiterer, vierter Band, der bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts reichte, kam 1904 heraus.

Poggendorff war ein Physiker von hohem, aber nicht höchstem Rang. Seine mathematischen Fähigkeiten ließen zu wünschen übrig, und er zeigte niemals jene Kraft zur wissenschaftlichen Verallgemeinerung, die das physikalische Genie ausmacht. Er war jedoch ein fähiger und gewissenhafter Experimentator und war sehr fruchtbar und erfindungsreich im Ersinnen physikalischer Geräte. Der größte und wichtigste Teil seiner Arbeiten bezog sich auf Elektrizität und Magnetismus.

Seine literarische und wissenschaftliche Reputation brachten ihm schnell Anerkennung. 1830 wurde er zum königlichen Professor ernannt, 1834 wurde er außerordentlicher Professor an der Berliner Universität und 1839 Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin. Er erhielt zahlreiche Angebote für ordentliche Professuren, lehnte sie jedoch alle ab und widmete sich ganz seinen wissenschaftlichen Forschungen und seinen Pflichten als Herausgeber der Annalen. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften nahm ihn 1872 als auswärtiges Mitglied auf. 1868 wurde er in die Russische Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg und 1874 in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.

Literatur

  • Gustav KarstenPoggendorff, Johann Christian. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 26, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 364–366.
  • Michael Engel: Poggendorff, Johann Christian. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 579 f. (Digitalisat).

Weblinks

 Wikisource: Johann Christian Poggendorff – Quellen und Volltexte
Commons: Johann Christian Poggendorff – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 191.
  2. Poggendorf Waage (S. 25; PDF; 3,4 MB)
  3. Fritz Krafft (Hrsg.): Lexikon großer Naturwissenschaftler. Vorstoß ins Unbekannte 1999

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