Hydrostatisches Paradoxon

Hydrostatisches Paradoxon

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Der Flüssigkeitsdruck am Boden (rot; alle Böden gleich groß) ist in allen drei Gefäßen identisch, obwohl man annehmen könnte, dass er – aufgrund der geringeren Füllmenge – im linken Gefäß geringer ist als im mittleren und im rechten.

Das Hydrostatische Paradoxon, auch Pascal’sches (oder pascalsches) Paradoxon (nach Blaise Pascal), ist das Paradoxon, dass der Schweredruck (Hydrostatischer Druck), den eine Flüssigkeit in einem Gefäß auf den Boden des Gefäßes bewirkt, zwar abhängig von der Füllhöhe (Spiegelhöhe) der Flüssigkeit ist, aber nicht von der Form des Gefäßes und damit der enthaltenen Flüssigkeitsmenge. Das ist gleichbedeutend damit, dass Flüssigkeiten den ihnen zur Verfügung stehenden Raum überall bis zur gleichen Höhe, dem Spiegel, füllen. Liegen Fremdkörper in der Flüssigkeit, umfließt sie diese zum Ausgleich des Spiegels, solange irgendeine, auch unter dem Spiegel befindliche, flüssigkeitsgefüllte Verbindung besteht. Die physikalische Grundlage ist der hydrostatische Druck. Er errechnet sich zu

$ p(h)=\rho \,g\,h $

mit (Formelzeichen)

$ \rho $ = Dichte [für Wasser: ρ ≈ 1.000 kg/m³]
$ g $ = Erdbeschleunigung [für Deutschland: g ≈ 9,81 m/s²]
$ h $ = Höhe (hier: des Flüssigkeitsspiegels)

$ p(h) $ = Hydrostatischer Druck (p) in Abhängigkeit von der Höhe (h) des Flüssigkeitsspiegels.[1]

Erläuterung

In allen Gefäßen mit demselben Füllstand wirkt in derselben Höhe derselbe Flüssigkeitsdruck auf den Gefäßboden, unabhängig von der Grundfläche und der Gefäßgeometrie. Als Konsequenz stellt sich bei kommunizierenden Röhren derselbe Pegel ein, unabhängig von der Röhrengeometrie.

Historischer Versuch von 1648:
Mit einem langen, dünnen Rohr erzeugte Blaise Pascal eine hohe Wassersäule (bis zur zweiten Etage). Ein normales, intaktes Fass wurde undicht, was den enormen Wasserdruck demonstrierte.

Für eine ruhende Flüssigkeit in einem homogenen Schwerefeld unter Vernachlässigung des Kapillareffekts ist der hydrostatische Druck nur von der Tiefe unter der Flüssigkeitsoberfläche abhängig. Wäre der Wasserstand in verschiedenen aufsteigenden Ästen der kommunizierenden Röhren verschieden, wäre die Flüssigkeit in ihnen nicht im Gleichgewicht. In diesem Fall fließt die Flüssigkeit in den Querverbindungen, bis (bei Vorhandensein von Reibung) ein Gleichgewicht hergestellt ist. Danach steht die Flüssigkeit in allen Ästen gleich hoch. Der Luftdruck muss keine Berücksichtigung finden, da er in sehr guter Näherung im gesamten Bereich der kommunizierenden Röhren gleich hoch ist.

Die Masse des Wassers und damit dessen Gewicht in verschiedenen Ästen der kommunizierenden Röhren ist sehr wohl verschieden. Dieses Gewicht verursacht auch Kräfte, die vom Gefäß oder zusätzlichen Stützen getragen werden. Aus den oben beschriebenen Gründen kann dieses Gewicht allerdings keinen Unterschied in den Wasserständen der verschiedenen Äste hervorrufen.

In einem Gefäß mit Flüssigkeit heben sich die durch die Flüssigkeit verursachten Kräfte und die Gegenkräfte der Gefäßwand auf. Dieses Kräftegleichgewicht kann verwendet werden, um zu veranschaulichen, wie die verschiedenen Kräfte wirken, obwohl in derselben Tiefe überall derselbe hydrostatische Druck herrscht. An einer Grenzfläche zwischen der Flüssigkeit und dem Gefäß steht die Flüssigkeit an jedem Punkt, genauso wie im Inneren der Flüssigkeit, unter einem bestimmten hydrostatischen Druck $ p(h) $ abhängig von der Tiefe $ h $ unter dem Flüssigkeitsspiegel. Das verursacht eine Kraft auf jedes Flächenstück, die senkrecht auf das Flächenstück und nach außen wirkt. Solange die Gefäßwand intakt ist, bewirkt sie einen Gegendruck, der die Kraftwirkung des hydrostatischen Drucks aufhebt. Bricht an einer Stelle, an der im Gefäß ein hydrostatischer Druck über null herrscht, eine Öffnung auf, tritt an dieser Stelle Flüssigkeit aus und wird durch die Kräfte aufgrund der Druckdifferenz beschleunigt. Infolgedessen spritzt die Flüssigkeit von der Öffnung weg, je nach Lage der Öffnung auch nach oben. Nach dem Austritt aus der Öffnung wirkt kein hydrostatischer Druck mehr auf die Flüssigkeit, und infolgedessen auch keinerlei Kraft aufgrund des hydrostatischen Drucks.

Anwendung

  • Ein Wasserturm ist ein Reservoir, das höher platziert ist als die Wasserverbraucher. Der Höhenunterschied bewirkt den Wasserdruck bei den Abnahmestellen.
  • Die Schlauchwaage ist ein ideales Instrument zum Abmessen von Höhenunterschieden an weit entfernten Orten. Das Funktionsprinzip beruht auf den kommunizierenden Röhren: Der Wasserstand ist in beiden senkrecht aufgestellten Enden eines Schlauches gleich hoch.
  • Beim Artesischen Brunnen tritt an einem Brunnenloch das Wasser von selbst nach oben.
  • alle hydraulischen Geräte

Literatur

  • Wolfgang Demtröder: Experimentalphysik 1 – Mechanik und Wärme. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 2001, ISBN 3-540-64292-7
  • Willi Bohl, Wolfgang Elmendorf: Technische Strömungslehre. 13. Auflage. Vogel-Buchverlag, Würzburg, ISBN 3-8343-3029-9
  • Robert Freimann: Hydraulik für Bauingenieure: Grundlagen und Anwendungen. 3. Auflage. Carl Hanser Verlag, München, ISBN 978-3-446-43799-9

Weblinks

Commons: Hydrostatisches Paradoxon – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Lew Dawidowitsch Landau, Jewgeni Michailowitsch Lifschitz: Statistische Physik. Teil I. Akademie Verlag, Berlin 1979/1987, ISBN 3-05-500069-2, S. 70.

en:Fluid statics#Hydrostatic pressure

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