Hermann Minkowski: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Hermann Minkowski''' (* [[22. Juni]] [[1864]] in [[Aleksotas]], [[Russisches Kaiserreich]], heute [[Kaunas]], [[Litauen]]; † [[12. Januar]] [[1909]] in [[Göttingen]]) war ein [[deutscher]] [[Mathematik]]er und [[Physiker]].  
'''Hermann Minkowski''' (* [[22. Juni]] [[1864]] in [[Aleksotas]], [[Russisches Kaiserreich]], heute [[Kaunas]], [[Litauen]]; † [[12. Januar]] [[1909]] in [[Göttingen]]) war ein russisch-deutscher [[Mathematik]]er und [[Physiker]].  


== Leben und Werk ==
== Leben und Werk ==
Minkowski war der zweitälteste Sohn einer [[Judentum|jüdischen]] Kaufmannsfamilie, die 1872 aufgrund antisemitischer Maßnahmen im zaristischen Russland aus dem russischen Zarenreich ins [[Preußen|preußische]] [[Königsberg (Preußen)|Königsberg]] emigrierte. Sein Vater war der Kaufmann Lewin Minkowski (um 1825 bis 1884), die Mutter Rachel Taubmann (um 1827 bis 1904). Sein älterer Bruder war der Mediziner [[Oskar Minkowski]], der Astrophysiker [[Rudolph Minkowski]] ist sein Neffe. Ein weiterer Bruder Max Minkowski (1844 bis um 1924) war ein erfolgreicher Getreidehändler, französischer Konsul in Königsberg und Stifter des Neubaus des Kunstmuseums in Königsberg. Sein Ur-Großvater väterlicherseits hieß noch Isaac ben Aaron (1788–1852), stammte aus Karlin bei [[Pinsk]] im heutigen Weißrussland und nahm unter Zar [[Nikolaus I. (Russland)|Nikolaus I.]] den Namen Minkowski an.
Minkowski war der zweitälteste Sohn einer [[Judentum|jüdischen]] Kaufmannsfamilie, die 1872 aufgrund [[Maigesetze (Russland)|antisemitischer Maßnahmen im zaristischen Russland]] aus dem russischen Zarenreich ins [[Preußen|preußische]] [[Königsberg (Preußen)|Königsberg]] emigrierte. Sein Vater war der Kaufmann Lewin Minkowski (um 1825 bis 1884), die Mutter Rachel Taubmann (um 1827 bis 1904). Sein älterer Bruder war der Mediziner [[Oskar Minkowski]], der Astrophysiker [[Rudolph Minkowski]] ist sein Neffe. Ein weiterer Bruder Max Minkowski (1844 bis um 1924) war ein erfolgreicher Getreidehändler, französischer Konsul in Königsberg und Stifter des Neubaus des Kunstmuseums in Königsberg. Der Urgroßvater väterlicherseits hieß Isaac ben Aaron (1788–1852), stammte aus Karlin bei [[Pinsk]] im heutigen Weißrussland und nahm unter Zar [[Nikolaus I. (Russland)|Nikolaus I.]] den Namen Minkowski an.


Minkowski besuchte ab 1872 das [[Altstädtisches Gymnasium (Königsberg)|Altstädtische Gymnasium Königsberg]]. Schon als Gymnasiast las er [[Carl Friedrich Gauß|Gauß]], [[Peter Gustav Lejeune Dirichlet|Dirichlet]] und [[Richard Dedekind|Dedekind]] und erregte die Aufmerksamkeit des Königsberger Professors [[Heinrich Weber (Mathematiker)|Heinrich Weber]]. 1880 erhielt er schon als Fünfzehnjähriger das Reifezeugnis. Danach studierte er ab 1880 fünf Semester an der [[Albertus-Universität Königsberg|Universität von Königsberg]], vornehmlich bei Heinrich Weber und [[Woldemar Voigt]]. Weitere drei Semester studierte Minkowski in Berlin, wo er Vorlesungen von [[Ernst Eduard Kummer]], [[Leopold Kronecker]], [[Karl Weierstraß]], [[Hermann von Helmholtz]] und [[Gustav Robert Kirchhoff]] hörte. Am 30. Juli 1885 wurde Minkowski mit der Arbeit „Untersuchungen über quadratische Formen Bestimmung der Anzahl verschiedener Formen, welche ein gegebenes Genus enthält“ von der philosophischen Fakultät in Königsberg promoviert.<ref name="Hilbert">Absatz nach David Hilbert: ''Hermann Minkowski, Gedächtnisrede in Göttingen, vom 1. Mai 1909'' in David Hilbert (Hrsg.): ''Gesammelte Abhandlungen von Hermann Minkowski'', Leipzig und Berlin, Teubner, 1911</ref><ref name="mgp">{{MathGenealogyProject|29675|name=Hermann  Minkowski}}</ref> Sein [[Doktorvater]] war [[Ferdinand von Lindemann]].<ref name="mgp" />
Minkowski besuchte ab 1872 das [[Altstädtisches Gymnasium (Königsberg)|Altstädtische Gymnasium Königsberg]]. Schon als Gymnasiast las er [[Carl Friedrich Gauß|Gauß]], [[Peter Gustav Lejeune Dirichlet|Dirichlet]] und [[Richard Dedekind|Dedekind]] und erregte die Aufmerksamkeit des Königsberger Professors [[Heinrich Weber (Mathematiker)|Heinrich Weber]]. 1880 erhielt er schon als Fünfzehnjähriger das Reifezeugnis. Danach studierte er ab 1880 fünf Semester an der [[Albertus-Universität Königsberg|Universität von Königsberg]], vornehmlich bei Heinrich Weber und [[Woldemar Voigt (Physiker)|Woldemar Voigt]]. Weitere drei Semester studierte Minkowski in Berlin, wo er Vorlesungen von [[Ernst Eduard Kummer]], [[Leopold Kronecker]], [[Karl Weierstraß]], [[Hermann von Helmholtz]] und [[Gustav Robert Kirchhoff]] hörte. Am 30. Juli 1885 wurde Minkowski mit der Arbeit „Untersuchungen über quadratische Formen Bestimmung der Anzahl verschiedener Formen, welche ein gegebenes Genus enthält“ von der philosophischen Fakultät in Königsberg promoviert.<ref name="Hilbert">Absatz nach David Hilbert: ''Hermann Minkowski, Gedächtnisrede in Göttingen, vom 1. Mai 1909'' in David Hilbert (Hrsg.): ''Gesammelte Abhandlungen von Hermann Minkowski'', Leipzig und Berlin, Teubner, 1911</ref><ref name="mgp">{{MathGenealogyProject|29675|name=Hermann  Minkowski}}</ref> Sein [[Doktorvater]] war [[Ferdinand von Lindemann]].<ref name="mgp" />


Als Student nahm er 1881 am Preisausschreiben der [[Académie des sciences|Pariser Akademie]] teil (es ging um den Beweis einer Formel von [[Gotthold Eisenstein|Eisenstein]] über die Anzahl der Darstellungen einer Zahl durch fünf Quadrate) und erhielt 1883 den Preis (mit einem besonderen Lob von [[Charles Hermite|Hermite]]) zusammen mit [[Henry John Stephen Smith|Henry Smith]]. Letzterer hatte schon 1867 einen Beweis gegeben, aufgrund der relativen Isolation der englischen Mathematik am Ende des 19. Jahrhunderts war dies den Mathematikern auf dem Kontinent aber entgangen. Minkowskis Dissertation setzte seine Preisarbeit fort.
Als Student nahm er 1881 am Preisausschreiben der [[Académie des sciences|Pariser Akademie]] teil (es ging um den Beweis einer Formel von [[Gotthold Eisenstein|Eisenstein]] über die Anzahl der Darstellungen einer Zahl durch fünf Quadrate) und erhielt 1883 den Preis (mit einem besonderen Lob von [[Charles Hermite|Hermite]]) zusammen mit [[Henry John Stephen Smith|Henry Smith]]. Letzterer hatte schon 1867 einen Beweis gegeben, aufgrund der relativen Isolation der englischen Mathematik am Ende des 19. Jahrhunderts war dies den Mathematikern auf dem Kontinent aber entgangen. Minkowskis Dissertation setzte seine Preisarbeit fort.
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In Königsberg befreundete Minkowski sich mit dem Dozenten [[Adolf Hurwitz]] und mit [[David Hilbert]], damals ein Kommilitone. Die Freundschaft mit Hilbert hielt ein Leben lang und führte zu einer engen Zusammenarbeit später in Göttingen. Ab 1887 lehrte Minkowski an der [[Universität Bonn]], wo er 1892 Assistenzprofessor wurde, 1894 in Königsberg und ab 1896 am [[Eidgenössische Technische Hochschule Zürich|Polytechnikum]] in [[Zürich]], wo er der Kollege seines Freundes Hurwitz war und unter anderem auch [[Albert Einstein]] zu seinen Schülern zählte. 1897 heiratete er in Straßburg die Tochter eines Straßburger Lederfabrikanten Auguste Adler (1875–1944), mit der er zwei Töchter hatte. Die Tochter Lily (1898–1983) heiratete später den Elektroingenieur [[Reinhold Rüdenberg]] und Ruth (1902–1983) den Röntgenologen [[Franz Buschke]]. Beide wanderten in die USA aus, wo ihre Ehemänner Professoren waren.
In Königsberg befreundete Minkowski sich mit dem Dozenten [[Adolf Hurwitz]] und mit [[David Hilbert]], damals ein Kommilitone. Die Freundschaft mit Hilbert hielt ein Leben lang und führte zu einer engen Zusammenarbeit später in Göttingen. Ab 1887 lehrte Minkowski an der [[Universität Bonn]], wo er 1892 Assistenzprofessor wurde, 1894 in Königsberg und ab 1896 am [[Eidgenössische Technische Hochschule Zürich|Polytechnikum]] in [[Zürich]], wo er der Kollege seines Freundes Hurwitz war und unter anderem auch [[Albert Einstein]] zu seinen Schülern zählte. 1897 heiratete er in Straßburg die Tochter eines Straßburger Lederfabrikanten Auguste Adler (1875–1944), mit der er zwei Töchter hatte. Die Tochter Lily (1898–1983) heiratete später den Elektroingenieur [[Reinhold Rüdenberg]] und Ruth (1902–1983) den Röntgenologen [[Franz Buschke]]. Beide wanderten in die USA aus, wo ihre Ehemänner Professoren waren.


[[Datei:Grab Hermann und Oskar Minkowski.jpg|mini|hochkant|Ehrengrab Hermann und Oskar Minkowskis in Berlin]]
Ab 1890 baute er seine Geometrie der Zahlen aus, die er in seiner Preisarbeit begonnen hatte und wo er Pionierarbeit leistete. Sein Hauptwerk ''Geometrie der Zahlen'' darüber erschien 1896 und vollständig 1910. Er entwickelte und benutzte Methoden der Theorie konvexer Körper und Gitter und wandte sie in der Zahlentheorie an. Eine zentrale Rolle spielte dabei [[Minkowskischer Gitterpunktsatz|Minkowskis Gitterpunktsatz]],<ref>Minkowski ''Über positive quadratische Formen und über die kettenbruchähnlichen Algorithmen'', Journal für Reine und Angewandte Mathematik, Band 107, 1891, S. 278</ref> mit dem er wichtige Sätze der algebraischen Zahlentheorie wie Dirichlets Einheitensatz oder die Endlichkeit der Klassenzahl bewies. 1907 erschien sein zweites großes zahlentheoretisches Werk ''[[Diophantische Approximation]]en'', in dem er Anwendungen seiner Geometrie der Zahlen gab. Um 1895 wurden David Hilbert und Minkowski von der [[Deutsche Mathematiker-Vereinigung|Deutschen Mathematiker-Vereinigung]] (DMV) gebeten, Berichte über Zahlentheorie im Rahmen einer Reihe von Übersichtsartikeln für den Jahresbericht der DMV zu schreiben, wobei Minkowski den Teil zur Elementaren Zahlentheorie (Quadratische Formen, Kettenbrüche, Geometrie der Zahlen) übernehmen sollte. Erschienen ist dann nur Hilberts ''Zahlbericht''.<ref>Lemmermeyer, Schappacher, Vorwort zur Neuausgabe von Hilberts Zahlbericht in englischer Übersetzung, ''The Theory of Algebraic Number Fields'', Springer 1998</ref>


Ab 1890 baute er seine Geometrie der Zahlen aus, die er in seiner Preisarbeit begonnen hatte und wo er Pionierarbeit leistete. Sein Hauptwerk ''Geometrie der Zahlen'' darüber erschien 1896 und vollständig 1910. Er entwickelte und benutzte Methoden der Theorie konvexer Körper und Gitter und wandte sie in der Zahlentheorie an. Eine zentrale Rolle spielte dabei [[Minkowskischer Gitterpunktsatz|Minkowskis Gitterpunktsatz]],<ref>Minkowski ''Über positive quadratische Formen und über die kettenbruchähnlichen Algorithmen'', Journal für Reine und Angewandte Mathematik, Band 107, 1891, S. 278</ref> mit dem er wichtige Sätze der algebraischen Zahlentheorie wie Dirichlets Einheitensatz oder die Endlichkeit der Klassenzahl bewies. 1907 erschien sein zweites großes zahlentheoretisches Werk ''[[Diophantische Approximation]]en'', in dem er Anwendungen seiner Geometrie der Zahlen gab. Um 1895 wurden David Hilbert und Minkowski von der Deutschen Mathematikervereinigung (DMV) gebeten, Berichte über Zahlentheorie im Rahmen einer Reihe von Übersichtsartikeln für den Jahresbericht der DMV zu schreiben, wobei Minkowski den Teil zur Elementaren Zahlentheorie (Quadratische Formen, Kettenbrüche, Geometrie der Zahlen) übernehmen sollte. Erschienen ist dann nur Hilberts ''Zahlbericht''.<ref>Lemmermeyer, Schappacher, Vorwort zur Neuausgabe von Hilberts Zahlbericht in englischer Übersetzung, ''The Theory of Algebraic Number Fields'', Springer 1998</ref>
1902 übernahm er einen [[Lehrstuhl]] in Göttingen, den er bis zu seinem Tode innehatte. In Göttingen begann er sich für mathematische [[Physik]] zu interessieren und beschäftigte sich mit der damals aktuellen Theorie der (gerade neu entdeckten) [[Elektron]]en und mit Problemen der [[Elektrodynamik]].


1902 übernahm er einen [[Lehrstuhl]] in Göttingen, den er bis zu seinem Tode innehatte. In Göttingen begann er sich für mathematische [[Physik]] zu interessieren und beschäftigte sich mit der damals aktuellen Theorie der (gerade neu entdeckten) [[Elektron]]en und mit Problemen der [[Elektrodynamik]].
Um 1907 erkannte Minkowski, dass die Arbeiten von [[Hendrik Antoon Lorentz]] (1904) und [[Albert Einstein]] (1905) zur [[Relativitätstheorie]] in einem [[Nichteuklidische Geometrie|nicht-euklidischen Raum]] verstanden werden können. Er vermutete, dass [[Raum (Physik)|Raum]] und [[Zeit]] in einem vierdimensionalen [[Raum-Zeit-Kontinuum]] miteinander verbunden sind und verfasste Abhandlungen über eine vierdimensionale Elektrodynamik. Minkowski hielt darüber 1908 den Aufsehen erregenden Vortrag [[:s:Raum und Zeit (Minkowski)|Raum und Zeit]] auf der Versammlung der [[Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte]]. Seine Ideen zum Raum-Zeit-Kontinuum verwendete Einstein, der zu Beginn dem vierdimensionalen Ansatz von Minkowski ablehnend gegenüberstand, später in seiner [[Allgemeine Relativitätstheorie|allgemeinen Relativitätstheorie]]. Der erste, der den Zusammenhang zwischen der [[Lorentz-Transformation]] und einem vierdimensionalen Raum mit der Zeitkoordinate ''ict'' – also mit der Lichtgeschwindigkeit als Konstante – erkannte, war 1905 [[Henri Poincaré]]. Poincaré gelang dabei die grundlegende Formulierung von [[Vierervektor]]en, jedoch verfolgte er diesen Gedankengang später nicht weiter. (Siehe dazu → [[Geschichte der speziellen Relativitätstheorie]])


Um 1907 erkannte Minkowski, dass die Arbeiten von [[Hendrik Antoon Lorentz]] (1904) und [[Albert Einstein]] (1905) zur [[Relativitätstheorie]] in einem [[Nichteuklidische Geometrie|nicht-euklidischen Raum]] verstanden werden können. Er vermutete, dass [[Raum (Physik)|Raum]] und [[Zeit]] in einem vierdimensionalen [[Raum-Zeit-Kontinuum]] miteinander verbunden sind und verfasste Abhandlungen über eine vierdimensionale Elektrodynamik. Minkowski hielt darüber 1908 den Aufsehen erregenden Vortrag [[:s:Raum und Zeit (Minkowski)|Raum und Zeit]] auf der Versammlung der [[Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte]]. Seine Ideen zum Raum-Zeit-Kontinuum verwendete Einstein, der zu Beginn dem vierdimensionalen Ansatz von Minkowski ablehnend gegenüberstand, später in seiner [[Allgemeine Relativitätstheorie|allgemeinen Relativitätstheorie]]. Der erste, der den Zusammenhang zwischen der [[Lorentz-Transformation]] und einem vierdimensionalen Raum mit der Zeitkoordinate ''ict'' − also mit der Lichtgeschwindigkeit als Konstante − erkannte, war 1905 [[Henri Poincaré]]. Poincaré gelang dabei die grundlegende Formulierung von [[Vierervektor]]en, jedoch verfolgte er diesen Gedankengang später nicht weiter. (Siehe dazu → [[Geschichte der speziellen Relativitätstheorie]])
Der [[Minkowski-Raum]], das [[Minkowski-Diagramm]] und die [[Minkowski-Ungleichung]] sind nach ihm benannt, ebenso der Asteroid [[(12493) Minkowski]], ein [[Minkowski (Mondkrater)|Mondkrater]], die [[M-Matrix|M-Matrizen]] und der Minkowskiweg in Göttingen. An seinem langjährigen Wohnhaus in Göttingen (1902–1909) in der heutigen Planckstraße Nummer 15 ist eine Gedenktafel<ref>[http://www.stadtarchiv.goettingen.de/texte/gedenktafeln_m.htm] Gedenktafeln "M"</ref> angebracht.


Im Alter von 44 Jahren erlitt Minkowski einen [[Appendizitis|Blinddarmdurchbruch]]. Zu dieser Zeit waren operative Eingriffe zur Heilung der Krankheit noch nicht üblich, doch auch eine Operation konnte sein Leben nicht retten. In den letzten Stunden versuchte er noch, zahlreiche Manuskripte zu vervollständigen. Er hat ein [[Ehrengrab]] der Stadt Berlin in der Abt. 3-A-30 auf dem [[Friedhof Heerstraße]].<ref>Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin: [http://www.stadtentwicklung.berlin.de/cgi-bin/egab/eg.pl?fieldname=grab&search=M&Search=Suche+starten Abfrage der Ehrengrabstätten]</ref>
== Tod und Grabstätte ==
Im Alter von 44 Jahren erlitt Minkowski einen [[Appendizitis|Blinddarmdurchbruch]]. Zu dieser Zeit waren operative Eingriffe zur Heilung der Krankheit noch nicht üblich, doch auch eine Operation konnte sein Leben nicht retten. In den letzten Stunden versuchte er noch, zahlreiche Manuskripte zu vervollständigen.  


[[Datei:Grab Hermann und Oskar Minkowski.jpg|mini|hochkant|Grab von Hermann und Oskar Minkowski auf dem [[Friedhof Heerstraße]] in [[Berlin-Westend]], hier noch mit Ehrengrab-Markierung (2008)]]
In Hilberts [[Nachruf]] kommt zum Ausdruck, welche enge Freundschaft die beiden Mathematiker verband:
In Hilberts [[Nachruf]] kommt zum Ausdruck, welche enge Freundschaft die beiden Mathematiker verband:


:''Seit meiner Studienzeit war mir Minkowski der beste und zuverlässigste Freund, der an mir hing mit der ganzen ihm eigenen Tiefe und Treue. Unsere Wissenschaft, die uns das liebste war, hatte uns zusammengeführt; sie erschien uns wie ein blühender Garten. Gern suchten wir dort auch verborgene Pfade auf und entdeckten manche neue, uns schön dünkende Aussicht, und wenn der eine dem andern sie zeigte und wir sie gemeinsam bewunderten, war unsere Freude vollkommen. Er war mir ein Geschenk des Himmels, wie es nur selten jemand zuteil wird, und ich muss dankbar sein, dass ich es so lange besaß. Jäh hat ihn der Tod von unserer Seite gerissen. Was uns aber der Tod nicht nehmen kann, das ist sein edles Bild in unserem Herzen und das Bewusstsein, dass sein Geist in uns fortwirkt.''
:''Seit meiner Studienzeit war mir Minkowski der beste und zuverlässigste Freund, der an mir hing mit der ganzen ihm eigenen Tiefe und Treue. Unsere Wissenschaft, die uns das liebste war, hatte uns zusammengeführt; sie erschien uns wie ein blühender Garten. Gern suchten wir dort auch verborgene Pfade auf und entdeckten manche neue, uns schön dünkende Aussicht, und wenn der eine dem andern sie zeigte und wir sie gemeinsam bewunderten, war unsere Freude vollkommen. Er war mir ein Geschenk des Himmels, wie es nur selten jemand zuteil wird, und ich muss dankbar sein, dass ich es so lange besaß. Jäh hat ihn der Tod von unserer Seite gerissen. Was uns aber der Tod nicht nehmen kann, das ist sein edles Bild in unserem Herzen und das Bewusstsein, dass sein Geist in uns fortwirkt.''


Der [[Minkowski-Raum]] und die [[Minkowski-Ungleichung]] sind nach ihm benannt, ebenso der Asteroid [[(12493) Minkowski]], ein [[Minkowski (Mondkrater)|Mondkrater]], die [[M-Matrix|M-Matrizen]] und der Minkowskiweg in Göttingen. An seinem langjährigen Wohnhaus in Göttingen (1902–1909) in der heutigen Planckstraße Nummer 15 ist eine Gedenktafel<ref>[http://www.stadtarchiv.goettingen.de/texte/gedenktafeln_m.htm] Gedenktafeln "M"</ref> angebracht.
Hermann Minkowskis Urne wurde zunächst in Göttingen bestattet. Nach dem Tod des Bruders Oskar kam es 1932 jedoch zu einer Umbettung in ein gemeinsames Grab auf dem interkonfessionellen [[Friedhof Heerstraße]] im Berliner [[Bezirk Charlottenburg]] im heutigen Ortsteil [[Berlin-Westend|Westend]] (Grablage: 3-A-30).<ref>Iris Grötschel: [http://www.math.berlin/orte/grab-hermann-minkowski.html ''Grab von Hermann Minkowski in Berlin-Charlottenburg''.] Auf: Webseite der Berliner Mathematischen Gesellschaft (http://www.math.berlin/). August 2014. Abgerufen am 23.&nbsp;November 2019. [[Hans-Jürgen Mende (Historiker)|Hans-Jürgen Mende]]: ''Lexikon Berliner Begräbnisstätten''. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1, S.&nbsp;491–492.</ref>
 
Auf Beschluss des [[Senat von Berlin|Berliner Senats]] wurde die letzte Ruhestätte der Brüder Minkowski 1994 für die übliche Frist von zwanzig Jahren als [[Liste der Ehrengräber des Landes Berlin/Ehemalige Ehrengräber|Ehrengrab des Landes Berlin]] gewidmet.<ref>''Vorlage zur Kenntnisnahme. Anerkennung und weitere Erhaltung von Grabstätten namhafter und verdienter Persönlichkeiten als Ehrengrabstätten Berlins''. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache&nbsp;12/4257 vom 15.&nbsp;April 1994.</ref>
 
Obwohl der damals [[Regierender Bürgermeister von Berlin|Regierende Bürgermeister]] [[Klaus Wowereit]] zum 150.&nbsp;Geburtstag von Hermann Minkowski im Juni 2014 einen Kranz an dessen Grab niederlegen ließ<ref>Iris Grötschel: [http://www.math.berlin/orte/grab-hermann-minkowski.html ''Grab von Hermann Minkowski in Berlin-Charlottenburg''.] Auf: Webseite der Berliner Mathematischen Gesellschaft (http://www.math.berlin/). August 2014. Abgerufen am 23.&nbsp;November 2019.</ref>, entschied sich der von ihm geführte Senat noch im selben Jahr gegen eine Verlängerung der Ehrengrab-Widmung. Diese Entscheidung stellte den weiteren Erhalt der Grabstätte der Brüder Minkowski in Frage.<ref>Carolin Brühl: [https://www.morgenpost.de/vermischtes/article206701621/Nicht-fuer-die-Ewigkeit.html ''Nicht für die Ewigkeit''.] In: ''[[Berliner Morgenpost]]''. Sonntag, 22. November 2015. Abgerufen am 23. November 2019.</ref>


== Publikationen ==
== Publikationen ==
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* H. Minkowski: [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k99643x ''Geometrie der Zahlen''], 1. Lieferung, Leipzig 1896; 2. Lieferung, Leipzig 1910
* H. Minkowski: [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k99643x ''Geometrie der Zahlen''], 1. Lieferung, Leipzig 1896; 2. Lieferung, Leipzig 1910


* ''Briefe an David Hilbert'' (Herausgeber [[Hans Zassenhaus]], L. Rüdenberg), Springer 1973
* ''Briefe an David Hilbert'' (Herausgeber [[Hans Zassenhaus]], Lily Rüdenberg), Springer 1973<ref>Mit den Erinnerungen von Minkowskis Tochter Lily Rüdenberg an ihren Vater und Zassenhaus zur Vorgeschichte von Hilberts Zahlbericht.</ref>
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* {{Cite journal
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|journal=Physikalische Zeitschrift
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* H. Minkowski: [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k99489p ''Diophantische Approximationen. Eine Einführung in die Zahlentheorie.''] Leipzig 1907, Neudruck: Physica-Verlag Würzburg 1961
* H. Minkowski: [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k99489p ''Diophantische Approximationen. Eine Einführung in die Zahlentheorie.''] Leipzig 1907, Neudruck: Physica-Verlag Würzburg 1961


* H. Minkowski: ''Ausgewählte Arbeiten zur Zahlentheorie und zur Geometrie. Mit D. Hilberts Gedächtnisrede auf H. Minkowski, Göttingen 1909.'' (Teubner-Archiv zur Mathematik, Band 12) Ekkehard Krätzel, Bernulf Weissbach (Hrsg.), Leipzig 1989, ISBN 3322007162.
* H. Minkowski: ''Ausgewählte Arbeiten zur Zahlentheorie und zur Geometrie. Mit D. Hilberts Gedächtnisrede auf H. Minkowski, Göttingen 1909.'' (Teubner-Archiv zur Mathematik, Band 12) [[Ekkehard Krätzel]], Bernulf Weissbach (Hrsg.), Leipzig 1989, ISBN 3322007162.


== Literatur ==
== Literatur ==
*[[Max Born]] ''Erinnerungen an Hermann Minkowski zur Wiederkehr seines 50. Todestages'', Die Naturwissenschaften, Band 46, 1959, S. 500–505
* [[Max Born]]: ''Erinnerungen an Hermann Minkowski zur Wiederkehr seines 50. Todestages'', Die Naturwissenschaften, Band 46, 1959, S. 500–505
* Leo Corry ''Hermann Minkowski and the postulate of relativity'', Arch. Hist. Exact Sci., Band 51, 1997, S. 273–314  
* Leo Corry: ''Hermann Minkowski and the postulate of relativity'', Arch. Hist. Exact Sci., Band 51, 1997, S. 273–314  
* David Hilbert ''Hermann Minkowski'', Mathematische Annalen, Band 68, 1910, S. 445–471 (wieder abgedruckt in Hilberts Gesammelten Abhandlungen, Band 3)
* David Hilbert ''Hermann Minkowski'', Mathematische Annalen, Band 68, 1910, S. 445–471 (wieder abgedruckt in Hilberts Gesammelten Abhandlungen, Band 3)
* L. Pyenson ''Hermann Minkowski and Einstein's Special Theory of Relativity: With an appendix of Minkowski's Funktionentheorie manuscript'', Arch. History Exact Sciences, Band 17, 1977, S. 71–95  
* L. Pyenson: ''Hermann Minkowski and Einstein's Special Theory of Relativity: With an appendix of Minkowski's Funktionentheorie manuscript'', Arch. History Exact Sciences, Band 17, 1977, S. 71–95  
* [[David E. Rowe|David Rowe]] ''A look back at Minkowski´s Cologne Lecture "Raum und Zeit"'', Mathematical Intelligencer, 2009, Nr.2
* [[David E. Rowe|David Rowe]]: ''A look back at Minkowski´s Cologne Lecture "Raum und Zeit"'', Mathematical Intelligencer, 2009, Nr. 2
* [[Joachim Schwermer]] ''Räumliche Anschauung und minima positiver quadratischer Formen. Zur Habilitation von Hermann Minkowski 1887 in Bonn''. Jahresbericht DMV, Band 93, 1991, S. 49–105
* [[Joachim Schwermer]]: ''Räumliche Anschauung und minima positiver quadratischer Formen. Zur Habilitation von Hermann Minkowski 1887 in Bonn''. Jahresbericht DMV, Band 93, 1991, S. 49–105
* Scott Walter ''Minkowski, Mathematicians and the mathematical theory of relativity'', in [[Hubert Goenner]] u.a. ''The expanding world of general relativity'', Einstein Studies, Band 7, Birkhäuser 1999
* Scott Walter: ''Minkowski, Mathematicians and the mathematical theory of relativity'', in [[Hubert Goenner]] u.&nbsp;a. ''The expanding world of general relativity'', Einstein Studies, Band 7, Birkhäuser 1999
*Scott Walter ''Hermann Minkowskis approach to physics'', Mathematische Semesterberichte 55, 2008, 213-235
* Scott Walter: ''Hermann Minkowskis approach to physics'', Mathematische Semesterberichte 55, 2008, S. 213–235
* [[Hans Zassenhaus]] ''On the Minkowski- Hilbert dialogue on mathematization'', Canad. Math. Bull., Band 18, 1975, S. 443–461.
* [[Hans Zassenhaus]]: ''On the Minkowski-Hilbert dialogue on mathematization'', Canad. Math. Bull., Band 18, 1975, S. 443–461.
* Maurus Schneider: ''Die minkowskische Kugelgeometrie''. Diss. Universität Hamburg 1981.
* Maurus Schneider: ''Die minkowskische Kugelgeometrie''. Diss. Universität Hamburg 1981.
* {{NDB|17|537|538|Minkowski, Hermann|[[Joachim Schwermer]]|118734091}}
* {{NDB|17|537|538|Minkowski, Hermann|[[Joachim Schwermer]]|118734091}}
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== Siehe auch ==  
== Siehe auch ==  
* [[Minkowski-Diagramm]]
* [[:Kategorie:Hermann Minkowski als Namensgeber|Hermann Minkowski als Namensgeber]]
* [[Minkowski-Funktional]]
* [[Minkowski-Raum]]
* [[Minkowskischer Gitterpunktsatz]]
* [[Minkowski-Metrik]]
* [[Minkowski-Ungleichung]]
* [[Minkowski-Summe]] von Mengen
* [[Satz von Minkowski]]


== Weblinks ==
== Weblinks ==
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* [http://www.math.uni-goettingen.de/historisches/minkowski.html Kurzbiografie auf der Website der Universität Göttingen]
* [http://www.math.uni-goettingen.de/historisches/minkowski.html Kurzbiografie auf der Website der Universität Göttingen]
* {{MacTutor Biography|id=Minkowski}}
* {{MacTutor Biography|id=Minkowski}}
* Minkowski: [https://de.wikisource.org/wiki/Raum_und_Zeit_%28Minkowski%29 „Raum und Zeit“], Jahresbericht Deutsche Mathematikervereinigung 1909
* Minkowski: [https://de.wikisource.org/wiki/Raum_und_Zeit_%28Minkowski%29 „Raum und Zeit“], Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, 1909
* Spektrum.de: [https://www.spektrum.de/wissen/hermann-minkowski-1864-1909/1285967 Hermann Minkowski (1864–1909)] 1. Juni 2014
* Andere Arbeiten Minkowskis bei [http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/suche/?tx_goobit3_pi1%5Bformquery%5D=minkowski&x=&y= GDZ]
* Andere Arbeiten Minkowskis bei [http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/suche/?tx_goobit3_pi1%5Bformquery%5D=minkowski&x=&y= GDZ]


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[[Kategorie:Zahlentheoretiker (20. Jahrhundert)]]
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[[Kategorie:Physiker (19. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Physiker (19. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Physiker (20. Jahrhundert)]]
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[[Kategorie:Absolvent der Albertus-Universität Königsberg]]
[[Kategorie:Hochschullehrer (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn)]]
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Aktuelle Version vom 15. Oktober 2021, 07:05 Uhr

Hermann Minkowski

Hermann Minkowski (* 22. Juni 1864 in Aleksotas, Russisches Kaiserreich, heute Kaunas, Litauen; † 12. Januar 1909 in Göttingen) war ein russisch-deutscher Mathematiker und Physiker.

Leben und Werk

Minkowski war der zweitälteste Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie, die 1872 aufgrund antisemitischer Maßnahmen im zaristischen Russland aus dem russischen Zarenreich ins preußische Königsberg emigrierte. Sein Vater war der Kaufmann Lewin Minkowski (um 1825 bis 1884), die Mutter Rachel Taubmann (um 1827 bis 1904). Sein älterer Bruder war der Mediziner Oskar Minkowski, der Astrophysiker Rudolph Minkowski ist sein Neffe. Ein weiterer Bruder Max Minkowski (1844 bis um 1924) war ein erfolgreicher Getreidehändler, französischer Konsul in Königsberg und Stifter des Neubaus des Kunstmuseums in Königsberg. Der Urgroßvater väterlicherseits hieß Isaac ben Aaron (1788–1852), stammte aus Karlin bei Pinsk im heutigen Weißrussland und nahm unter Zar Nikolaus I. den Namen Minkowski an.

Minkowski besuchte ab 1872 das Altstädtische Gymnasium Königsberg. Schon als Gymnasiast las er Gauß, Dirichlet und Dedekind und erregte die Aufmerksamkeit des Königsberger Professors Heinrich Weber. 1880 erhielt er schon als Fünfzehnjähriger das Reifezeugnis. Danach studierte er ab 1880 fünf Semester an der Universität von Königsberg, vornehmlich bei Heinrich Weber und Woldemar Voigt. Weitere drei Semester studierte Minkowski in Berlin, wo er Vorlesungen von Ernst Eduard Kummer, Leopold Kronecker, Karl Weierstraß, Hermann von Helmholtz und Gustav Robert Kirchhoff hörte. Am 30. Juli 1885 wurde Minkowski mit der Arbeit „Untersuchungen über quadratische Formen – Bestimmung der Anzahl verschiedener Formen, welche ein gegebenes Genus enthält“ von der philosophischen Fakultät in Königsberg promoviert.[1][2] Sein Doktorvater war Ferdinand von Lindemann.[2]

Als Student nahm er 1881 am Preisausschreiben der Pariser Akademie teil (es ging um den Beweis einer Formel von Eisenstein über die Anzahl der Darstellungen einer Zahl durch fünf Quadrate) und erhielt 1883 den Preis (mit einem besonderen Lob von Hermite) zusammen mit Henry Smith. Letzterer hatte schon 1867 einen Beweis gegeben, aufgrund der relativen Isolation der englischen Mathematik am Ende des 19. Jahrhunderts war dies den Mathematikern auf dem Kontinent aber entgangen. Minkowskis Dissertation setzte seine Preisarbeit fort.

In Königsberg befreundete Minkowski sich mit dem Dozenten Adolf Hurwitz und mit David Hilbert, damals ein Kommilitone. Die Freundschaft mit Hilbert hielt ein Leben lang und führte zu einer engen Zusammenarbeit später in Göttingen. Ab 1887 lehrte Minkowski an der Universität Bonn, wo er 1892 Assistenzprofessor wurde, 1894 in Königsberg und ab 1896 am Polytechnikum in Zürich, wo er der Kollege seines Freundes Hurwitz war und unter anderem auch Albert Einstein zu seinen Schülern zählte. 1897 heiratete er in Straßburg die Tochter eines Straßburger Lederfabrikanten Auguste Adler (1875–1944), mit der er zwei Töchter hatte. Die Tochter Lily (1898–1983) heiratete später den Elektroingenieur Reinhold Rüdenberg und Ruth (1902–1983) den Röntgenologen Franz Buschke. Beide wanderten in die USA aus, wo ihre Ehemänner Professoren waren.

Ab 1890 baute er seine Geometrie der Zahlen aus, die er in seiner Preisarbeit begonnen hatte und wo er Pionierarbeit leistete. Sein Hauptwerk Geometrie der Zahlen darüber erschien 1896 und vollständig 1910. Er entwickelte und benutzte Methoden der Theorie konvexer Körper und Gitter und wandte sie in der Zahlentheorie an. Eine zentrale Rolle spielte dabei Minkowskis Gitterpunktsatz,[3] mit dem er wichtige Sätze der algebraischen Zahlentheorie wie Dirichlets Einheitensatz oder die Endlichkeit der Klassenzahl bewies. 1907 erschien sein zweites großes zahlentheoretisches Werk Diophantische Approximationen, in dem er Anwendungen seiner Geometrie der Zahlen gab. Um 1895 wurden David Hilbert und Minkowski von der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (DMV) gebeten, Berichte über Zahlentheorie im Rahmen einer Reihe von Übersichtsartikeln für den Jahresbericht der DMV zu schreiben, wobei Minkowski den Teil zur Elementaren Zahlentheorie (Quadratische Formen, Kettenbrüche, Geometrie der Zahlen) übernehmen sollte. Erschienen ist dann nur Hilberts Zahlbericht.[4]

1902 übernahm er einen Lehrstuhl in Göttingen, den er bis zu seinem Tode innehatte. In Göttingen begann er sich für mathematische Physik zu interessieren und beschäftigte sich mit der damals aktuellen Theorie der (gerade neu entdeckten) Elektronen und mit Problemen der Elektrodynamik.

Um 1907 erkannte Minkowski, dass die Arbeiten von Hendrik Antoon Lorentz (1904) und Albert Einstein (1905) zur Relativitätstheorie in einem nicht-euklidischen Raum verstanden werden können. Er vermutete, dass Raum und Zeit in einem vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum miteinander verbunden sind und verfasste Abhandlungen über eine vierdimensionale Elektrodynamik. Minkowski hielt darüber 1908 den Aufsehen erregenden Vortrag Raum und Zeit auf der Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte. Seine Ideen zum Raum-Zeit-Kontinuum verwendete Einstein, der zu Beginn dem vierdimensionalen Ansatz von Minkowski ablehnend gegenüberstand, später in seiner allgemeinen Relativitätstheorie. Der erste, der den Zusammenhang zwischen der Lorentz-Transformation und einem vierdimensionalen Raum mit der Zeitkoordinate ict – also mit der Lichtgeschwindigkeit als Konstante – erkannte, war 1905 Henri Poincaré. Poincaré gelang dabei die grundlegende Formulierung von Vierervektoren, jedoch verfolgte er diesen Gedankengang später nicht weiter. (Siehe dazu → Geschichte der speziellen Relativitätstheorie)

Der Minkowski-Raum, das Minkowski-Diagramm und die Minkowski-Ungleichung sind nach ihm benannt, ebenso der Asteroid (12493) Minkowski, ein Mondkrater, die M-Matrizen und der Minkowskiweg in Göttingen. An seinem langjährigen Wohnhaus in Göttingen (1902–1909) in der heutigen Planckstraße Nummer 15 ist eine Gedenktafel[5] angebracht.

Tod und Grabstätte

Im Alter von 44 Jahren erlitt Minkowski einen Blinddarmdurchbruch. Zu dieser Zeit waren operative Eingriffe zur Heilung der Krankheit noch nicht üblich, doch auch eine Operation konnte sein Leben nicht retten. In den letzten Stunden versuchte er noch, zahlreiche Manuskripte zu vervollständigen.

Grab von Hermann und Oskar Minkowski auf dem Friedhof Heerstraße in Berlin-Westend, hier noch mit Ehrengrab-Markierung (2008)

In Hilberts Nachruf kommt zum Ausdruck, welche enge Freundschaft die beiden Mathematiker verband:

Seit meiner Studienzeit war mir Minkowski der beste und zuverlässigste Freund, der an mir hing mit der ganzen ihm eigenen Tiefe und Treue. Unsere Wissenschaft, die uns das liebste war, hatte uns zusammengeführt; sie erschien uns wie ein blühender Garten. Gern suchten wir dort auch verborgene Pfade auf und entdeckten manche neue, uns schön dünkende Aussicht, und wenn der eine dem andern sie zeigte und wir sie gemeinsam bewunderten, war unsere Freude vollkommen. Er war mir ein Geschenk des Himmels, wie es nur selten jemand zuteil wird, und ich muss dankbar sein, dass ich es so lange besaß. Jäh hat ihn der Tod von unserer Seite gerissen. Was uns aber der Tod nicht nehmen kann, das ist sein edles Bild in unserem Herzen und das Bewusstsein, dass sein Geist in uns fortwirkt.

Hermann Minkowskis Urne wurde zunächst in Göttingen bestattet. Nach dem Tod des Bruders Oskar kam es 1932 jedoch zu einer Umbettung in ein gemeinsames Grab auf dem interkonfessionellen Friedhof Heerstraße im Berliner Bezirk Charlottenburg im heutigen Ortsteil Westend (Grablage: 3-A-30).[6]

Auf Beschluss des Berliner Senats wurde die letzte Ruhestätte der Brüder Minkowski 1994 für die übliche Frist von zwanzig Jahren als Ehrengrab des Landes Berlin gewidmet.[7]

Obwohl der damals Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit zum 150. Geburtstag von Hermann Minkowski im Juni 2014 einen Kranz an dessen Grab niederlegen ließ[8], entschied sich der von ihm geführte Senat noch im selben Jahr gegen eine Verlängerung der Ehrengrab-Widmung. Diese Entscheidung stellte den weiteren Erhalt der Grabstätte der Brüder Minkowski in Frage.[9]

Publikationen

  • Gesammelte Abhandlungen (Herausgeber David Hilbert, unter Mithilfe von Andreas Speiser und Hermann Weyl), 2 Bände, Teubner 1911, Chelsea 1967
  • H. Minkowski: Geometrie der Zahlen, 1. Lieferung, Leipzig 1896; 2. Lieferung, Leipzig 1910
  • Briefe an David Hilbert (Herausgeber Hans Zassenhaus, Lily Rüdenberg), Springer 1973[10]
  • Minkowski, Hermann: Das Relativitätsprinzip. In: Annalen der Physik. 352. Jahrgang, Nr. 15, S. 927–938.Vorlage:Cite book/Meldung
  • Minkowski, Hermann: Die Grundgleichungen für die elektromagnetischen Vorgänge in bewegten Körpern. In: Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. 1908, S. 53–111.
  • Minkowski, Hermann: Raum und Zeit, 80. Versammlung Deutscher Naturforscher (Köln, 1908). In: Physikalische Zeitschrift. 10. Jahrgang, 1909, S. 104–111.
  • H. Minkowski: Ausgewählte Arbeiten zur Zahlentheorie und zur Geometrie. Mit D. Hilberts Gedächtnisrede auf H. Minkowski, Göttingen 1909. (Teubner-Archiv zur Mathematik, Band 12) Ekkehard Krätzel, Bernulf Weissbach (Hrsg.), Leipzig 1989, ISBN 3322007162.

Literatur

Siehe auch

  • Hermann Minkowski als Namensgeber

Weblinks

Commons: Hermann Minkowski – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikisource: Hermann Minkowski – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Absatz nach David Hilbert: Hermann Minkowski, Gedächtnisrede in Göttingen, vom 1. Mai 1909 in David Hilbert (Hrsg.): Gesammelte Abhandlungen von Hermann Minkowski, Leipzig und Berlin, Teubner, 1911
  2. 2,0 2,1 Hermann Minkowski im Mathematics Genealogy Project (englisch)
  3. Minkowski Über positive quadratische Formen und über die kettenbruchähnlichen Algorithmen, Journal für Reine und Angewandte Mathematik, Band 107, 1891, S. 278
  4. Lemmermeyer, Schappacher, Vorwort zur Neuausgabe von Hilberts Zahlbericht in englischer Übersetzung, The Theory of Algebraic Number Fields, Springer 1998
  5. [1] Gedenktafeln "M"
  6. Iris Grötschel: Grab von Hermann Minkowski in Berlin-Charlottenburg. Auf: Webseite der Berliner Mathematischen Gesellschaft (http://www.math.berlin/). August 2014. Abgerufen am 23. November 2019. Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Begräbnisstätten. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1, S. 491–492.
  7. Vorlage zur Kenntnisnahme. Anerkennung und weitere Erhaltung von Grabstätten namhafter und verdienter Persönlichkeiten als Ehrengrabstätten Berlins. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 12/4257 vom 15. April 1994.
  8. Iris Grötschel: Grab von Hermann Minkowski in Berlin-Charlottenburg. Auf: Webseite der Berliner Mathematischen Gesellschaft (http://www.math.berlin/). August 2014. Abgerufen am 23. November 2019.
  9. Carolin Brühl: Nicht für die Ewigkeit. In: Berliner Morgenpost. Sonntag, 22. November 2015. Abgerufen am 23. November 2019.
  10. Mit den Erinnerungen von Minkowskis Tochter Lily Rüdenberg an ihren Vater und Zassenhaus zur Vorgeschichte von Hilberts Zahlbericht.

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