Graviton

Graviton

Version vom 15. Oktober 2017, 09:05 Uhr von imported>Ernsts (G statt g um das Graviton von den Gluonen (g) zu unterscheiden, Kosmetik)
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Graviton (G)

Klassifikation
Elementarteilchen
Boson
Eichboson
Eigenschaften
Ladung neutral
Masse 0 (theoretisch) MeV/c2
Spin 2
mittlere Lebensdauer ∞ (theoretisch)
Wechselwirkungen Gravitation

Als Graviton bezeichnet man das hypothetische Eichboson einer Quantentheorie der Gravitation. Dieser Annahme zufolge ist es der Träger der Gravitationskraft.

Details

Der Name Graviton wurde in Anlehnung an das Photon der elektromagnetischen Wechselwirkung gewählt. Auch einige der Eigenschaften des Gravitons (Ausbreitungsgeschwindigkeit, Masselosigkeit) entsprechen denen eines Photons. Sein Spin wird aufgrund von Überlegungen aus der Quantenfeldtheorie zu $ s_{G}=2 $ postuliert. In der Quantenelektrodynamik (QED) wirken Bosonen mit geradzahligem Spin zwischen gleichen Ladungen immer anziehend, während Bosonen, die ungeradzahligen Spin tragen, bei gleicher Ladung abstoßend wirken. In der Elektrodynamik wirkt das Photon mit Spin 1 zwischen zwei Elektronen, die beide jeweils eine Ladung von −e tragen, abstoßend. In Analogie dazu geht man im Fall der Gravitation davon aus, dass es nur Teilchen gleicher Ladung gibt (in Übereinstimmung mit der Erfahrung, dass die Gravitation immer anziehend wirkt) und postuliert deshalb das Graviton als Spin-2-Teilchen. Formal ergibt sich das daraus, dass die Quelle des Gravitationsfeldes ein symmetrischer Tensor 2. Stufe (Energie-Impuls-Tensor) ist (Spin 2), während die Quelle zum Beispiel beim Elektromagnetismus ein Vektor (Spin 1) ist. Das wurde schon von Wolfgang Pauli und Markus Fierz in den 1930er Jahren festgestellt. Der Name Graviton taucht zum ersten Mal 1934 in einem russischen Aufsatz von Dmitri Iwanowitsch Blochinzew und F. M. Galperin auf, doch bürgerte er sich erst mit dem Benennungsvorschlag von Paul Dirac 1959 ein, der wahrscheinlich von dem Aufsatz von Blochinzew keinerlei Kenntnis hatte[1]. In supersymmetrischen Modellen der Quantengravitation erhält das gewöhnliche Graviton massive bosonische Partner mit Spin 0 (Graviskalar) und Spin 1 (Gravivektor oder Graviphoton). Abhängig von ihren Massen, und damit ihren Reichweiten, könnten diese neuen Teilchen eine Änderung des normalen 1/r2-Kraftgesetzes der Gravitation zur Folge haben. Fermionische Partner sind in diesen Modellen mit Spin 1½ das Gravitino (Superpartner des Gravitons) und mit Spin ½ das Goldstino (dessen Superpartner ist mit Spin 0 das Sgoldstino).[2][3]

Genau wie die elektromagnetische Strahlung durch die maxwellschen Gleichungen der klassischen Elektrodynamik beschrieben wird, ergibt sich aus den einsteinschen Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie die Gravitationsstrahlung.

Analog zur Quantisierung der elektromagnetischen Strahlung in der QED durch Photonen wurde schon früh spekuliert, dass eine entsprechende Quantisierung der Gravitationsstrahlung durch Gravitonen in einer bislang unbekannten Theorie der Quantengravitation existiert. Diese Quantisierung wird jedoch erschwert durch den Umstand, dass die Gravitation im Gegensatz zu allen anderen bekannten Strahlungen nicht abschirmbar ist und auf alle Massen wirkt, egal wo sie sich im Universum befinden (Prinzip der gekrümmten Raumzeit). So ziehen sich weit voneinander entfernte Objekte auch dann gegenseitig an, wenn sich etwas zwischen ihnen befindet. Auch ist keine kleinste Menge Gravitation nachzuweisen, sie nimmt anscheinend beliebig kleine Werte an, und sogar sehr leichte Elementarteilchen unterliegen ihr. Das muss allerdings nicht heißen, dass es keine kleinste Menge Gravitation gibt.

Alle bisherigen Versuche einer renormierbaren Quantenfeldtheorie der Gravitation sind gescheitert: Die Ultraviolettdivergenzen der Theorien ließen sich nicht beseitigen, auch nicht durch Übergang auf die supersymmetrische Formulierung der Supergravitation, bei der zusätzlich das Gravitino eingeführt wurde, oder durch Zulassung von mehr als drei Raumdimensionen. Stanley Deser brachte diese negativen Ergebnisse 1999 zu einem gewissen Abschluss durch Hinweise auf die störungstheoretische Nichtrenormierbarkeit der Supergravitation in den maximal erlaubten 11 Dimensionen (die Theorie wies bereits bei zwei Schleifen Divergenzen auf).[4] Die Ursache der Nicht-Renormierbarkeit liegt letzten Endes daran, dass die Kopplungskonstante dimensionsbehaftet ist, worauf schon Werner Heisenberg 1938 aufmerksam machte.

Bei den zwei bislang rein hypothetischen Kandidaten einer Theorie der Quantengravitation, der Stringtheorie und der Schleifenquantengravitation, ergibt sich die Existenz eines Gravitons im Falle der Stringtheorie zwangsläufig, die Lage in der Schleifenquantengravitation ist weniger klar. Beide Theorien sind bislang nicht so weit entwickelt, dass sie experimentell getestet und eventuell widerlegt werden könnten. So ist die Frage nach der Existenz eines Teilchens, das die Gravitationskraft trägt, weiter offen.

Gravitonen sind ihre eigenen Antiteilchen. Ein Anti-Graviton wäre also dasselbe wie ein Graviton und hat nichts mit einer hypothetischen Antigravitation zu tun.

Experimentelle Beobachtungen

Eindeutige Detektion von im Weltraum produzierten Gravitonen ist zwar theoretisch möglich, jedoch gibt es dafür keinen physikalisch vernünftigen Detektor.[5] Der Grund liegt in dem extrem kleinen Wirkungsquerschnitt für die Interaktion von Gravitonen mit Materie. Würde beispielsweise ein Detektor mit einer Masse des Jupiters und einer Effizienz von 100 % in einem nahen Orbit eines Neutronensterns platziert, so wäre alle 10 Jahre nur ein Graviton zu detektieren.[5]

Die LIGO- und Virgo-Observatorien haben Gravitationswellen direkt beobachtet.[6][7][8] Andere haben postuliert, dass Graviton-Streuung Gravitationswellen liefert, da Teilchen-Wechselwirkungen zu kohärenten Zuständen führen.[9] Obwohl diese Experimente einzelne Gravitonen nicht nachweisen können, können sie Informationen über bestimmte Eigenschaften des Gravitons liefern.[10] Würden beispielsweise Gravitationswellen langsamer als c (die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum) beobachtet, würde es bedeuten, dass Gravitonen eine Masse haben (jedoch müssen sich Gravitationswellen in einer Region mit einer Massendichte größer als null langsamer als c ausbreiten, damit sie überhaupt zu detektieren sind).[11] Neuere Beobachtungen von Gravitationswellen haben eine obere Grenze von $ 7{,}7\cdot 10^{-23}\,\mathrm {eV} /c^{2} $ für die Gravitonmasse $ m_{G} $ ermittelt entsprechend einer Schranke für die Compton-Wellenlänge des Gravitons von $ \lambda _{G}>10^{13}\ \mathrm {km} $.[12] Astronomische Beobachtungen der Galaxiebewegungen, speziell die Rotationskurve und die Modifizierte Newtonsche Dynamik, könnten darauf hinweisen, dass Gravitonen eine Masse größer als null haben.[13]

In der Entwicklung befindliche nanotechnologische Messaufbauten können zukünftig eventuell verwendet werden, um Quantengravitationseffekte direkt zu messen.[14][15]

Weblinks

Wiktionary: Graviton – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Helge Kragh, Quantum Generations, Princeton University Press 1999, S. 411
  2. Chris C. King: Dual-Time Supercausality. In: Physics Essays 2/2. 1989, S. 128–151 (math.auckland.ac.nz [PDF]).
  3. Andrea Brignole, Ferruccio Feruglio und Fabio Zwirner: Four-fermion interactions and sgoldstino masses in models with a superlight gravitino. In: CERN-TH/98-149, DFPD-98/TH/20. 31. August 1998, S. 9, arxiv:hep-ph/9805282v2.
  4. Deser, Infinities in Quantum Gravities, Annalen der Physik, Band 9, 2000, S. 299–307, Arxiv
  5. 5,0 5,1 T. Rothman, S. Boughn: Can Gravitons be Detected? In: Foundations of Physics. 36. Jahrgang, Nr. 12, 2006, S. 1801–1825, doi:10.1007/s10701-006-9081-9, arxiv:gr-qc/0601043, bibcode:2006FoPh...36.1801R.
  6. B. P. Abbott et al. (LIGO Scientific Collaboration and Virgo Collaboration): Observation of Gravitational Waves from a Binary Black Hole Merger. In: Physical Review Letters. 116. Jahrgang, Nr. 6, 2016, doi:10.1103/PhysRevLett.116.061102, arxiv:1602.03837, bibcode:2016PhRvL.116f1102A (aps.org).
  7. Davide Castelvecchi, Witze Witze: Einstein's gravitational waves found at last. In: Nature News. 11. Februar 2016, doi:10.1038/nature.2016.19361 (nature.com [abgerufen am 11. Februar 2016]).
  8. Gravitational waves detected 100 years after Einstein's prediction | NSF - National Science Foundation. In: www.nsf.gov. Abgerufen am 11. Februar 2016.
  9. Senatore, L., Silverstein, E., & Zaldarriaga, M. (2014). New sources of gravitational waves during inflation. Journal of Cosmology and Astroparticle Physics, 2014(08), 016.
  10. Freeman Dyson: Is a graviton detectable? In: International Journal of Modern Physics A. 28. Jahrgang, Nr. 25, 8. Oktober 2013, S. 1330041-1–1330035–14, doi:10.1142/S0217751X1330041X, bibcode:2013IJMPA..2830041D (worldscientific.com).
  11. C. M. Will: Bounding the mass of the graviton using gravitational-wave observations of inspiralling compact binaries. In: Physical Review D. 57. Jahrgang, Nr. 4, 1998, S. 2061–2068, doi:10.1103/PhysRevD.57.2061, arxiv:gr-qc/9709011, bibcode:1998PhRvD..57.2061W.
  12. B. P. Abbott et al. (LIGO Scientific Collaboration and Virgo Collaboration): GW170104: Observation of a 50-Solar-Mass Binary Black Hole Coalescence at Redshift 0.2. In: Physical Review Letters. 118. Jahrgang, Nr. 22, 2017, doi:10.1103/PhysRevLett.118.221101 (aps.org).
  13. Trippe, S. (2013), "A Simplified Treatment of Gravitational Interaction on Galactic Scales", J. Kor. Astron. Soc. 46, 41. arxiv:1211.4692
  14. Jonas Schmöle, Mathias Dragosits, Hans Hepach, Markus Aspelmeyer: A micromechanical proof-of-principle experiment for measuring the gravitational force of milligram masses. In: Instrumention and Detectors. 2. Jahrgang, Nr. 2, 2016, S. 20, doi:10.1088/0264-9381/33/12/125031, arxiv:1602.07539v2.
  15. Researchers propose experiment to measure the gravitational force of milli-gram objects, reaching almost into the quantum realm. In: backreaction.blogspot.de. Abgerufen am 1. November 2016.

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